Beliebte Gegenstände unserer Unterhaltung
Es gibt einen Anteil in unseren Unterhaltungen, der sich mit den Mitmenschen befasst. Oftmals, in den Damen-, Herren-, oder gemischten Runden werden dabei nicht so sehr die positiven Seiten anderer, also deren Tugenden, besprochen, es wird vielmehr das Nachteilige, Negative hervorgekehrt und beäugt, und das gibt Gelegenheit zu sehr ausgiebigen Kommentaren. Auch die Christen machen da keine Ausnahme. Natürlich geschieht dies nur dann, wenn die auf diese Weise unter die Lupe Genommenen nicht anwesend sind. Ob das, was da über andere geredet wird, auch der Wahrheit entspricht, darüber wird weniger nachgedacht. Hauptsache, für Unterhaltung ist gesorgt.
Geschwisterliche Zurechtweisung
"Correctio fraterna", das war und ist ein Begriff, der bei der rechten Haltung dem anderen gegenüber eine bedeutende Rolle spielt. Übersetzt heißt das "brüderliche Zurechtweisung", wobei natürlich die Schwestern genau so gemeint sind wie die (Herren) Brüder. Zurechtweisung hat vielleicht einen negativen Beigeschmack, weil man dabei unwillkürlich an erhobene Zeigefinger und Standpauken denkt, die da von selbsternannten Moralaposteln (auch hier gibt es das weibliche Pendant!) auf denjenigen niederprasselt, der sich wirklich oder auch nur scheinbar danebenbenommen hat. In Wirklichkeit aber hat das Wort Zurechtweisung die sehr sinnvolle Bedeutung von Wegweisung. Es meint nämlich den Liebesdienst, den eine(r) dem (der) anderen erweisen soll: Es enthält einen Hinweis auf den rechten Weg, den jemand verloren hat, eine Hilfe bei der Suche nach dem Rechten. Zurechtweisung meint liebevolle Nachsuche und Weggeleit für das verlorene, verirrte Schaf.
Stufenweises Vorgehen
Das meint Jesus mit den Worten, wonach der Bruder, wenn er gesündigt hat, zunächst unter vier Augen zurechtgewiesen werden soll. Man soll daher die Fehler anderer nicht gleich zum Gesprächsthema mit Dritten machen, es soll also das Gespräch nicht über die Fehler des anderen geführt werden, sondern zuerst mit dem anderen. Erst wenn das nichts fruchtet, dann sollen zwei oder drei zugezogen werden, damit die Zurechtweisung mehr Gewicht bekommt. Bleibt auch das erfolglos, dann soll die "Gemeinde", d.h. die je nach Lage des Falles zuständige Amtskirche eingeschaltet werden. Diese muss aber auch bereit sein, ein klares Wort zu sprechen, wobei ja auch in der kirchlichen Rechtsordnung ein entsprechendes gerichtliches oder außergerichtliches Verfahren vorgesehen ist. Es soll einerseits niemand vorschnell verurteilt werden, andererseits aber muss eine Verfehlung, zumal wenn diese schweren Schaden für die Gemeinde stiftet, klar als solche bezeichnet und müssen entsprechende Vorkehrungen getroffen werden. Es wäre völlig verfehlt zu meinen, man könne schwere Verfehlungen einfach unter den Teppich kehren. Dies in der Erwartung, es werde schon "Gras über die Sache wachsen".
Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit
Die Kirche muss wie ein "gläsernes Haus" sein, d.h. sie soll sich als klar und durchsichtig in ihrem Auftreten nach innen und außen zeigen, so dass die Menschen, Glaubende wie Nichtglaubende, in ihr ein Zeichen der Freude und Hoffnung erblicken können, wie es der Pastoralkonstitution des II. Vatikanischen Konzils "Gaudium et spes" heißt. Nicht immer ist die Kirche ein "Haus voll Glorie", wie wir in dem bekannten Lied singen; es treten, wie bei allem Menschlichen, auch negative Seiten der Kirche zutage. Papst Johannes Paul II. hat in einer Ansprache im Heiligen Jahr 2000 auf Verfehlungen der Kirche in der Vergangenheit hingewiesen und er hat aus diesem Anlass klare Vergebungsbitten gesprochen Die Internationale Theologische Kommission hat in päpstlichem Auftrag ein Dokument "Erinnern und Versöhnen. Die Kirche und die Verfehlungen in ihrer Vergangenheit" veröffentlicht (Neue Kriterien 2, Freiburg 2000).
Heilige und Sünder
Niemand wusste besser als Jesus, dass es in der Kirche Heilige und Sünder gibt, ja dass selbst die Heiligen zugleich auch Sünder sind. Und deshalb spricht er ein klares Wort, das die Kirche ebenfalls bisweilen sprechen muss. Mitunter erfordert gerade die Liebe, die Sorge des Guten Hirten, dass offenkundiges Fehlverhalten gestraft wird, dem Reumütigen aber auch vergeben wird. - Die Vergebungsbereitschaft Gottes kennt keine Grenzen, selbst die größte und schwerste Sünde wird vergeben, wenn der schuldig Gewordene nur ein Wort der Reue, eine Bitte um Vergebung spricht. - Es gibt in der Kunst eine (zumindest) kühne Darstellung Jesu, des Guten Hirten, der auf seinen Schultern seinen Verräter Judas trägt (Romanisches Säulenkapitell in der Kirche von Vézelay, Frankreich).
Heilende Strafe
Strafe in der Kirche bedeutet nicht, den Stab über jemanden zu brechen, sondern Strafe hat primär einen heilenden Charakter, sie soll den Betroffenen zur Besserung anleiten, also eigentlich eine Medizin für ihn sein (man spricht daher von der poena medicinalis), damit der Sünder in sich geht und wieder zur Gemeinschaft zurückfindet. Auch Strafe ist ein Teil des Heilswillens Gottes, sie gehört untrennbar zum Heilsauftrag der Kirche, die immer vom obersten Gesetz des Seelenheils geleitet sein muss (can. 1752 des Kirchlichen Gesetzbuches von 1983).