Heute feiern wir ein königliches Fest. Das Fest der drei Heiligen Könige. Sie haben kostbare Gaben mitgebracht: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Es sind königliche Geschenke - wenn auch nicht gerade kindliche. Aber darauf kommt es heute nicht an. Die Völker kommen sozusagen mit ihren Schätzen, um dem neugeborenen König zu huldigen.
Der Prophet Jesaja hat das kommen sehen, mutig und trotzig, wie er war. Es ist ein grandioser Hymnus, angestimmt in grauer Zeit:
Völker wandern zu deinem Licht
und Könige zu deinem strahlenden Glanz.
Blick auf und schau umher:
Sie alle versammeln sich und kommen zu dir.
Deine Söhne kommen von fern,
deine Töchter trägt man auf den Armen herbei.
Du wirst es sehen, und du wirst strahlen,
dein Herz bebt vor Freude und öffnet sich weit.
Denn der Reichtum des Meeres strömt dir zu,
die Schätze der Völker kommen zu dir.
Zahllose Kamele bedecken dein Land,
Dromedare aus Midian und Efa.
Alle kommen von Saba, bringen Weihrauch und Gold
und verkünden die ruhmreichen Taten des Herrn.
Ein Trost- und Trotzlied
Der Mund ist ganz voll, voll genommen. Es ist ein Trost-, es ist auch ein Trotzlied. Das arg gebeutelte Volk Israel darf wieder nach Hause. Nach langen Jahren der Deportation, der Vertreibung, der Demütigung wird ihnen ein Neuanfang gesungen. Gott selbst wird mit ihnen gehen und sich neu zu ihnen bekennen. Er wird mitten unter ihnen wohnen. Mein Volk! Die ganze Welt soll es sehen! Die ganze Welt soll sich auf den Weg machen. Die ganze Welt soll kommen!
Und: Wir sehen sie kommen. Die Rolle, stellvertretend für die Völker zu erscheinen, hat der Prophet Jesaja den drei aus dem Morgenland auf den Leib geschneidert, lange vor ihrer Zeit. Sie wissen es nicht einmal. Jetzt sind sie gekommen.
Es war ein Stern, der ihnen aufgegangen war - ein Licht. Ein Wort, das ihnen die Welt aufschloss: "Du, Betlehem im Gebiet von Juda, bist keineswegs die unbedeutendste unter den führenden Städten von Juda; denn aus dir wird ein Fürst hervorgehen, der Hirt meines Volkes Israel."
Die drei bringen das Morgenland mit. Das Land, in dem der Morgen zu Hause ist. Wir riechen förmlich die Zukunft. Dass sie ihre Geschenke, die für den Reichtum, für die Schönheit, für die Gerüche der Welt stehen, in einem Stall übergeben, hat die Welt noch nicht gesehen. In einem Stall! Drei Ausrufezeichen! Die ganze Welt kommt zu dem Kind. Aber es blitzt kein Scheinwerfer, es bläst keine Trompete, es kommt keine Rede. Nur ein Stern.
Der Stern und das Herz
Der ehemalige Aachener Bischof Klaus Hemmerle - gestorben am 23. Januar 1994 - hat dem Stern ein eigenes Gedicht gewidmet:
Der Stern hat sich nicht geirrt,
als er die Fernsten rief,
aufzubrechen zum nahen Gott.
Der Stern hat sich nicht geirrt,
als er den Wüstenweg wies,
den untersten, den härtesten Weg.
Der Stern hat sich nicht geirrt,
als er stehen blieb über dem Haus der kleinen Leute:
Dort ist die große Zukunft geboren.
Schauen wir einmal auf den Stern! Was macht er? Er ruft die Fernsten! Er weist den Weg, nicht den einfachen! Er bleibt stehen! Da, wo die Zukunft geboren ist. Drei Beschreibungen, jede ist für sich birgt schon ein Geheimnis. Dass die Fernsten überhaupt gerufen werden - dass auch der unterste, der härteste Weg ein Weg ist - dass die große Zukunft bei kleinen Leuten geboren ist - Wunder über Wunder. Die erste Strophe verrät, worum es geht: "aufzubrechen zum nahen Gott". Um ihn zu finden, muss ich auch den untersten, den härtesten Weg gehen - und in das Haus der kleinen Leute gehen. Es ist jetzt keine Last, kein Zugeständnis, kein Kompromiss. Es geht nicht anders! So einfach ist das!
DER Stern hat sich nicht geirrt. Er schenkt dem nahen Gott Licht, macht Wüstenwege hell und lenkt unsere Augen auf eine große Zukunft. Als Mensch, der viele Irrtümer kennt, manche begeht, manche in Kauf nimmt - geht mir ein Licht auf.
In dieser Form ist das Gedicht nicht einmal vollständig. Klaus Hemmerle hat den drei Sternen-Strophen drei Herz-Strophen angefügt. Sein Gedicht heißt: Der Stern und das Herz.
Dein Herz hat sich nicht geirrt,
als es sich aufmachte,
den Unbekannten zu suchen.
Dein Herz hat sich nicht geirrt,
als es nicht aufgab
in der sichtlosen Ungeduld.
Dein Herz hat sich nicht geirrt,
als es sich beugte
vor dem Kind
Sterne sind weit weg. Auch unerreichbar. Sie haben eine eigene Schönheit. DER eine Stern besonders. Kann ich ihn unter den vielen anderen Sternen ausmachen, entdecken, ihn im Blick behalten?
Das Herz hingegen - das bin ich.
Aber Klaus Hemmerle sagt nicht: Mein Herz hat sich nicht geirrt. Ich weiß auch nicht, ob ich ihm das jemals nachsprechen könnte. Was ist schon - mein Herz?
Ich kann mir viel sagen, viel einreden,
ich kann mich entschuldigen, mich rein waschen,
ich kann mich überheben, ich kann mich schwarzmalen.
Klaus Hemmerle lauscht dem Evangelium ab: Dein Herz hat sich nicht geirrt.
Es gibt Worte, die ich mir selbst nicht sagen kann. Das Wort der Liebe. Z.B.
Ich möchte sagen: Ich liebe dich.
Ich möchte hören: Ich liebe dich.
Bei Klaus Hemmerle ist es in die Form der Vergangenheit gegossen. Dein Herz hat sich nicht geirrt. Ich habe das wohl schon alles gemacht, so gehalten, so entdeckt. Als ich mich aufmachte, den Unbekannten zu suchen, als ich nicht aufgab in der sichtlosen Ungeduld, als ich mich beugte vor dem Kind.
Es ist wie ein Zeugnis, ein Urteil, ein Nachruf.
Keine Aufforderung, keine Pflicht, keine Leistung.
Der Stern, der sich nicht irrt, findet dein Herz.
Sternsinger
Es ist ein besonderes Fest, heute. Ein königliches. Viele kleine Könige gehen von Haus zu Haus. Sie bringen einen Stern mit - und einen Segen - und ein Lied. Einer von ihnen ist dunkelhäutig. Sie sammeln Geld. Für fremde Kinder, für Menschen in Not. Dafür bekommen sie sogar eine eigene "Missio", eine Sendung. Wir nennen sie: Sternsinger. Ein schöner Titel für kleine Könige! Sie singen von dem Stern, der sich nicht irrte. Von dem Herz, das sich nicht irrt. Als es sich aufmachte, den Unbekannten zu suchen.
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.