Mutmaßungen über Fluch und Segen dieses Wortes: Nicht Frieden sondern Spaltung zu bringen, ist heute ein gewagtes Wort. Einerseits eine klare Haltung zu zeigen und den Mut zur Auseinandersetzung mitzubringen und andererseits den Andersmeinenden aushalten und sogar den Feind zu lieben, bringt uns in eine Spannung, die es auszuhalten gilt.
Klare Kante
Klare Kante ist gefragt! „Meint Ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, ich sage euch, nicht Frieden, sondern Spaltung.“ So Jesus, um dann in plastischen Worten zu schildern, wie Zwietracht und Streit selbst im kleinsten Kreis, in der eigenen Familie zu Entzweiung führen werden.
Frage: was ist da dran jetzt das Evangelium, die gute Nachricht? Wir leben ja derzeit in einer Welt, die offenbar mehr als genug Spaltung hat, Streit, und Auseinanderdriften. Eher stellt sich mittlerweile die Frage: wer kann den Laden im Kleinen wie im Großen noch zusammenhalten? Gibt es nicht mehr als genug Spalter? Beispiele in Europa und auch auf österreichischer Ebene werden uns allen rasch dazu einfallen! Ist dann das die Lösung? Nun, wir dürfen vermuten, die Worte von Jesus nehmen nicht einfach Bezug auf das derzeitige Europa und die Welt. Und wir dürfen auch vermuten: er hatte gute Gründe, mal klare Kante zu zeigen… getrieben von der Dringlichkeit seines Anliegens.
Jetzt gilt es, meint man ihn sagen zu hören. Jetzt zählen keine faulen Ausreden! Jetzt kannst Du Dich nicht zurückziehen um des faulen Friedens willens! Und der alten Familienbande wegen. Nein, wenn es hart auf hart kommt, musst Du auch Stellung beziehen! Wenn Du auf der Spur Jesu bleiben willst, dann gilt es auch mal zu entscheiden, zu unterscheiden zwischen dem was Du als richtig und als falsch empfindest. Nicht alles kann verklebt werden zu einer scheinbar harmonischen Einheit. Es gibt Für und Wider, wenn es um das Heil, das Wohl und Wehe von Menschen geht. Und darüber kann man schon auch ins Streiten kommen. Anything goes ist nicht die Botschaft von Jesus.
In der Flüchtlingsfrage z. B. wird man nicht zugleich auf Seiten der engagierten Helfer und Helferinnen stehen können, und zugleich wohlwollend auch mitmarschieren bei den Aufmärschen von PEGIDA und Co. Das geht nicht zusammen.
Man wird auch schwerlich den Kürzungen von Sozialleistungen bei den Schwächsten der Gesellschaft zustimmen können, wie zur Zeit in Österreich diskutiert wird und teilweise schon umgesetzt worden ist, und zugleich meinen dürfen, man wäre doch auch ein „wahrer“ Christ. Nein, hier gilt es dagegen zu reden, auch um der Gefahr willen, in Konflikte verwickelt zu werden. Das Einstehen für die Schwächsten der Gesellschaft, das Kritisieren von unmenschlichen, entwürdigenden Entwicklungen und Handlungsweisen ist geboten in aller Klarheit.
Auch das Streiten darf vorkommen, und sogar in den besten Familien. Besser es wird miteinander gerungen, als alles vorschnell zukleistert mit einem Zuckerguss, der den sauren Inhalt verbirgt.
Jesus drängt dazu, weil es ihm wert und wichtig ist, dass das Heil, das Gute sich durchsetzt. Er drängt dazu, weil ihm Gott und Menschen das wert sind.
Soweit also zum Segen dieser Stelle.
Auch der andere ist ein Kind Gottes
Aber es gibt vielleicht auch einen Fluch dabei. Wir laufen dabei immer auch Gefahr, allzu genau zu wissen, wo die richtige Seite ist. Selbst die wohlmeinendsten Menschen können zu Fanatikern mutieren in der Absicht, doch nur das Beste zu wollen. Der Weg zur Hölle kann auch mit guten Vorsätzen gepflastert sein, die Tugendhaften können auch zu Terroristen werden. Nicht aus Bösartigkeit, sondern weil es so wichtig erscheint.
Ich denke, es ist heilsam, diese klaren Worte bei Jesus zu lassen, und sie nicht selber allzu sehr für sich zu reklamieren. Wir werden daran gemessen werden, wie sehr es uns gelingt, im Konflikt auch das Gegenüber auszuhalten zu lernen. Auch wenn ich fast zerspringen möchte aus Ärger und für mich wohlbegründeten Argumenten. Es gilt auch: der, die Andere ist ein Kind Gottes. Ansonsten werden wir uns über kurz oder lang den Schädel einschlagen, und beide Seiten tun das dann mit den besten Argumenten. Streit herrscht, Konflikte gibt es, und Versöhnung ist vielleicht irgendwann einmal möglich, aber zuerst gilt es, den, die Andere auszuhalten in aller Spannung.
Realistisch scheint der Blick Jesu: wir dürfen mit Gegnerschaft rechnen, es werden uns andere feindlich gesinnt sein. Wir ziehen nicht alle am selben Strang. Aber gerade dann erweist sich das Wort von der Feindesliebe als hilfreich.
Spannungen aushalten
Wie lieben wir die Feinde? Wohl nicht mit einem emotionalen Überschwang, sondern eher nüchtern im Aushalten dieser Spannung. Dabei ist schon viel gewonnen, wenn es zu keiner weiteren Aufrüstung kommt, wenn es bei Worten bleibt, und keine feindlichen Taten folgen. Und wir schrittweise im Gegenüber auch das Kind Gottes erkennen. Aber Spaltung herrscht, Gräben entstehen, sind entstanden und werden weiter wachsen. - Ganz zu schweigen von der weltweiten Spaltung zwischen Arm und Reich.
Mal stehen wir auf der einen Seite, mal auf der anderen. Segen ist es dann, zur rechten Zeit den Mut zu finden zum offenen Wort, aber dabei auch sich bewusst zu bleiben: ein andermal bin ich vielleicht auf der falschen Spur, brauche ich ein gnädiges Gegenüber. Und in der Spannung zu bleiben. Das Gegenüber also leiden zu können, wie es so schön im Deutschen heißt. Und sich im Bewusstsein halten: ich bin nicht Gott, ich versuche nur ein/mein Stück der Wahrheit zu erlangen und es auch zu erstreiten.
Das geht natürlich nur, wenn wir uns selber auch leiden können, und das wiederum gelingt nur, wenn wir uns bewusst sind, dass über uns ein Horizont eines gütigen Gottes aufgespannt ist. Ein Gott, der nicht vorschnell Ruhe gibt, sondern fordert, drängt, und auch zur Klarheit drängt in Jesus, weil wir es ihm wert sind. Weil unsere Welt es ihm wert ist.
Mut zur Auseinandersetzung
Deswegen: Es ist unser Recht nicht vorschnell Frieden zu geben, aber das heißt auch nicht: ja zum (heiligen) Krieg. Sondern in aller Feindes-Liebe Mut zur Auseinandersetzung, Respekt vor dem Gegner, und die Gnade, immer wieder auch innezuhalten und uns zu fragen: Liegen wir noch richtig? Können wir das Gegenüber noch leiden, oder wollen wir es schon vernichten, auslöschen? Ist irgendwo noch ein Zipfelchen vom Schalom zu erahnen, vom Frieden, der nicht von uns gemacht werden kann, sondern geschenkt wird?
Es scheint, dass dies eine Frage ist, die in Zeiten wie diesen nicht nur uns Kirchenleute beschäftigen sollte. Somit also vielleicht doch auch das richtige Stück Evangelium für das Europa vom August 2016.
© DSA Mag. Wilfried Scheidl, Leiter Regionalcaritas, Caritas Oberösterreich
Hans Hütter (1998)