Zu meinen Wurzeln finden
Es war vor ein paar Jahren: mit einem guten Freund saß ich vor einem Computer. Der Freund machte zu der Zeit "Ahnenforschung!" Er durchforschte die Stammbäume seiner Familie. Auch beschäftige er sich mit der Zeit, in der die einzelnen lebten. Interessant war es auch, was er über die Umstände erfuhr, warum einzelne überhaupt zusammen kamen. Wir beide kamen darüber überein, welche Zufälle oder - christlich gesprochen - Fügungen es gegeben hat, dass wir überhaupt existieren. Welchen Umständen ich meine Existenz verdanke, das herauszufinden ist sehr interessant. Ahnenforschung kann helfen, sich selbst immer besser und tiefer zu verstehen. Geschichte kann interessant sein.
Durch Ahnenforschung werde ich zu meinen Wurzeln zurückgeführt. Dasselbe geschieht auch an Weihnachten. Weihnachten führt mich zurück an einen Ursprung anderer Art. Doch aus eben diesem Ursprung heraus bin ich als Christ eingeladen, zu leben. Weihnachten führt mich auf eine neue Weise zur Liebe Gottes zurück. Diese Liebe Gottes ist der Ursprung meines Lebens. Weil ich mich von Gott geliebt weiß, darum darf ich glauben: ich bin in Gottes Hand gehalten, gewollt und auch geplant, vor allem gewünscht. In Jesus ist diese Liebe Gottes Mensch geworden. Jesus ist der Zielpunkt von Gottes Handeln.
Jesus ist das Ziel, auf das alles zugeht
Matthäus hat auch Ahnenforschung betrieben. Ich gebe zu: es hört sich langweilig an, wenn zu lesen oder zu hören ist, wer wen zeugte, wer wessen Vater war, wer mit wem vermählt wurde. Doch hinter den vielen Namen stehen Menschen, stehen Lebensgeschichten und es steht Gottes Handeln in diesen Menschen. Es beginnt bei Abraham und es wird weitergeführt bis Jesus. In diesem Stammbaum spielen Frauen, die nicht zum jüdischen Volk gehörten, eine sehr wichtige Rolle. Nichts überlässt Matthäus dem Zufall. Gott führt seine Geschichte auf wunderbare Weise. Jesus ist das Ziel, auf das alles zugeht. Jesus ist geboren aus Maria der Jungfrau und wird der Christus, der Messias genannt. Dieser Jesus wirkt in einer ganz konkreten Geschichte, die von Liebe, aber auch von Sünde und Schuld geprägt ist. Jesus bildet das Ende, aber nicht als Abschluss, nein als Ziel des göttlichen Planes. Mit ihm fängt die Geschichte erst an. Mit ihm beginnt meine Lebensgeschichte mit Gott.
Der Stammbaum des Matthäusevangeliums zeigt: Jesus hat auch seine menschliche Heimat gehabt. Er brauchte sie. Aber vor allem hat er seine Heimat gehabt in Gott. Auch ich habe meine Heimat unter den Menschen. Weihnachten aber zeigt mir, dass meine Heimat vor allem auch bei Gott liegt. Gott wurde Mensch, damit der Mensch Heimat finde in Gott. So soll es einmal Hildegard von Bingen ausgedrückt haben. Neben dem Stammbaum hören wir im Evangelium auch wie sehr Gott dafür sorgt, dass Jesus innerhalb einer Familie aufwachsen kann. Was der Engel über das Kind verkündet ist sehr hoffnungsvoll. Er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen. Du sollst ihm den Namen Jesus geben. Jesus heißt: Gott schenkt Heil. Man wird ihm den Namen Immanuel geben: Gott ist mit uns.
Ein Evangelium, das Hoffnung macht
In der Ungeborgenheit des Lebens, mit allen Unsicherheiten, mit all dem Schweren, das ich erlebe, darf ich wissen: Gott lässt uns nicht allein. Er ist der Gott mit Uns, der Immanuel. Wir Menschen haben uns von ihm getrennt, wir wollten sein wie Gott. Wir wollten nicht, dass Gott über uns ist. Sondern Menschen sehen sich als das Maß aller Dinge. Doch in Jesus, der "sein Volk von den Sünden erlösen wird" will Gott diese Trennung aufheben. Denn nur in Gott können wir unsere letzte Heimat finden.
Das zeigen auch die anderen Texte, die von der Geburt Jesu berichten. Wenn Lukas zum Beispiel beschreibt, dass Josef und Maria keinen Platz in einer Herberge finden, sondern ihr göttliches Kind in einem Stall zur Welt bringen, dann zeigt das ganz tiefe Heimatlosigkeit und Ungeborgenheit. Doch gerade diese menschliche Ungeborgenheit verweist uns auf Gott zurück. Gott hält seine schützende und führende Hand über Jesus.
Und Gott hält seine schützende Hand auch über uns. Unser Leben ist Gott eben nicht gleichgültig. Denn seine Liebe ist der Ursprung unseres Lebens. Das zeigt sich in den Namen, denen wir in der ersten Lesung aus dem Buch Jesaja begegnen. Jerusalem ist nicht mehr die verlassene und von den Feinden belagerte und besiegte Stadt. Sondern nach wie vor, trotz allem Abfall und allem Unglauben ist sie die "prächtige Krone", der "königliche Diadem", es ist "die Wonne", die "Vermählte". Gott hat sein Ja, das er einmal zu Jerusalem gesprochen hat nicht mehr zurückgezogen. Nicht nur das: Gott freut sich über Jerusalem. Er freut sich über uns Menschen. In Jesus ist dieses Ja zu uns Mensch geworden. So wie in der ersten Lesung der Stadt Jerusalem Würde und Wert zugesagt wird, so auch uns.
Zu Gott umkehren
Immer wieder hat Gott sich seines Volkes angenommen. Paulus weist in der Lesung aus der Apostelgeschichte auf die wichtigsten Ereignisse im Glauben der Juden hin: auf den Auszug aus Ägypten. Gott hat die Israeliten befreit aus der Sklaverei. Paulus verweist auf David, den König, der "alles was ich will, vollbringen wird." Diese Geschichte des Gottesvolkes prägen das Leben, den Glauben und auch das, was Jesus den Menschen seiner Zeit später verkündigen wird. Johannes der Täufer hat die Menschen zur Umkehr zu Gott aufgerufen. Zwei Mal ist Johannes uns in der Adventszeit begegnet. Wenn wir zu ihm umkehren, dann braucht das nicht mit Furcht und Zittern zu sein. Wir kehren zu Gott zurück, der uns liebt, der unser Leben begleitet. Wir kommen immer mehr zu dem, wer wir sind, wenn wir uns von seinen Worten leiten lassen.
Immer wieder ist es wichtig, sich auf diese geistlichen Wurzeln zurückzubesinnen. Sie zeigen uns, wer wir sind. Menschen, unendlich geliebt, von Gott geleitet. Unsere Heimat finden wir in aller Ungeborgenheit und Heimatlosigkeit des Lebens in ihm. Es gibt so vieles, was uns diese Ungeborgenheit erfahren lässt. Menschen müssen ihre Heimat verlassen, weil sie politisch oder religiös anders denken. Sie verlieren ihre Heimat durch Naturkatastrophen. Mich fasziniert es, wenn ich erfahre, dass gerade der Glaube ihnen Halt gibt. Die Ungeborgenheit zeigt sich in den vielen kriegerischen Auseinandersetzungen, die es noch gibt. Ungeborgenheit wird erfahrbar, wenn ich höre, dass viele Leiharbeiter behandelt werden wie Menschen zweiter Klasse, dass nur wenige von dem Aufschwung profitieren, die Einsamkeit vieler Menschen.
Zum Ursprung zurückfinden
Diese und auch noch mehr Erfahrungen sind im Grunde ein Ergebnis davon, dass sich die Menschen immer mehr entfernt haben von ihrem letzten Ursprung. Wir sind zeitlebens unterwegs, zu unserem Ursprung zurück zu finden. Bauen wir auf diese Liebe Gottes. Sicher: wir können nicht als einzelne die Welt verändern. Wir können unseren Mitmenschen von dem schenken, was wir selbst empfangen haben. Wir können jemandem Heimat schenken, wenn uns sein Schicksal, ganz gleich welcher Art nicht gleichgültig ist. Wir können jemandem zuhören ohne gleich alle Probleme lösen zu können. Wir können Anteil nehmen. Wir können durch unser Leben zeigen, zu wem wir gehören, dass wir in Gott unseren Ursprung haben, dass er und im Leben das wichtigste ist. Wir können in kleinen Schritten unseren Mitmenschen Heimat geben.
Unser Lebensziel ist Jesus, der Retter, dessen Ankommen in der Welt wir feiern. Seine Worte, sein Handeln müssen unsere Worte, muss unser Handeln werden. Er ist die Liebe. Schenken wir unseren Mitmenschen Heimat. Schenken wir unseren Mitmenschen die Liebe, so wie Gott es tat in dem Kind von Bethlehem.