Zielgenau
Viele von uns haben in ihrem Auto irgendein Navigationssystem, das uns angepriesen wurde als Hilfe für den sicheren Weg zum Ziel. Bedient man so ein Gerät, ist es meistens so, dass man wählen muss, wie die Wegführung sein soll: besonders schnell, besonders direkt, unter Umgehung von zahlungspflichtigen Straßen und so fort. Diese Technik hat größte Vorteile, - vor allem für Autofahrer, die die Kunst des Kartenlesens nicht zu ihren herausragendsten Fähigkeiten zählen. Auch Taxichauffeure können sich das mühsame Geschäft des Erlernens von Straßensystemen ihrer Einsatzorte sparen - Gerät einschalten, Zieladresse eingeben und los geht’s.
Und auch sehr interessant: Wenn man vom Ziel wieder nach Hause fahren will, gibt es dafür oft Kurzwahltasten - die Eingabe der Heimatadresse geht viel schneller, sie kennt die Technik - der Weg zurück ist also oftmals noch einfacher.
Ganz klar: Solche Übertragung von eigener Fähigkeit an die Technik hat auch Nachteile - wann haben Sie sich als Navi-Nutzer das letzte Mal bewusst mit einer Straßenkarte auseinandergesetzt? Auch kann der blinde Verlass auf das System durchaus Gefahren in sich bergen - immer wieder sieht man Bilder und hört Berichte von solchen, die nicht am Ziel, sondern in einem Graben oder sonst wo gelandet sind.
Von Sendern und Gesandten
Von einem Navigationssystem ganz ander Art erzählt das Fest 'Erscheinung des Herrn'. Wir hörten, dass die Männer aus dem Orient einem Stern gefolgt sind, der sie an die Krippe nach Bethlehem führt. Einige Unterschiede zu modernen Navigationssystemen sind überdeutlich sichtbar. Abgesehen von Größe und technischer Ausstattung fällt auf, dass der Stern die Männer an ein Ziel führt, das sie selber gar nicht kennen. Ein Umstand, der die Bedienung eines modernen Navis schlicht unmöglich machte. Sie machen sich blind auf den Weg, folgen und vertrauen - wem eigentlich? Sie gehen zielbewusst - wohin eigentlich?
Und trotzdem haben sie eine klare Idee im Kopf hinsichtlich dessen, was sie suchen: "Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen", lassen sie König Herodes zu dessen Entsetzen wissen.
Und sie sind bestens ausgerüstet. Sie bringen Geschenke mit, um dem Herrn des Hauses, wo sie einkehren werden, Referenz zu erweisen. Am Ende der Geschichte fällt noch etwas auf: "Weil ihnen aber im Traum geboten wurde, nicht zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg heim in ihr Land," - ohne jegliches Navigationssystem. Die Wege, die sie zu gehen hatten, müssen ihnen jetzt absolut offensichtlich gewesen sein: Ein Suchen und Fragen wie auf dem Hinweg erübrigt sich. Die Männer wissen, was zu tun ist. Nur ein Gebot beherrscht den Rückweg: der Widerstand und der Ungehorsam gegenüber König Herodes.
Heilsbotschaft aus der Wüste
Nach dieser Episode aus der Kindheitsgeschichte Jesu hört man nie wieder etwas von diesen Fremden - trotzdem haben sie eine so faszinierende Wirkung, dass auf ihrem Handeln ein ganzes Brauchtum ruht: Wir erinnern uns etwa an das Sternsingen und anderes.
Die ganze Situation der Männer aus dem Orient ist derart merkwürdig und geheimnisvoll, dass wir uns nicht wundern dürfen, dass man sie nach der Schrift 'die Magier aus dem Osten' nennt. Dieser Teil der Kindheitsgeschichte aus dem Matthäusevangelium bleibt uns ein gutes Stück rätselhaft.
Ein Hinweis zur Bedeutung gibt vielleicht der Blick in das alttestamentliche Buch der Psalmen: "Die Könige von Tarschisch und von den Inseln bringen Geschenke, die Könige von Saba und Seba kommen mit Gaben. Alle Könige müssen ihm huldigen," heißt es im Psalm 72, den der Prophet Jesaja in seine Verkündigung hat miteinfließen lassen. Hat Matthäus versucht, mit der Geschichte der Weisen aus dem Orient ein Stück Glaubenstradition des Alten Bundes im Evangelium wirkliche Geschichte werden zu lassen?
Wie dem auch sei: Die Verkündigung des Epiphaniefestes ist ja zuerst nicht ein Märchen aus 1000 & 1 Nacht, sondern Heilsgeschichte. Diese drei Männer, die sich einfach dem Wirken eines Gottes anvertrauten, der nicht von Hause aus der ihrige war, sie wollen uns anregen, uns auf die Begegnung Gottes mit uns Menschen einzulassen.
Welchem Stern folgst du?
Sie, die sich auf neue und unbekannte Weg machten, alles Vertraute daheim ließen und allein einer ungewissen Verheißung nachzogen, laden uns ein, auf uns selber zu schauen. Sie lassen uns fragen, auf welchen Wegen wir denn gehen, wenn wir uns auf Gottsuche machen. Können wir, die wir es gewohnt sind, unsere Wege der Technik anzuvertrauen, aushalten, wenn Gott-Suchen weder auf dem kürzesten noch auf dem schnellsten Wege gelingt, wie man das beim modernen Navi einstellen kann? Was heißt das für uns, wenn Gott-Suche vielleicht durch karge Gegenden unseres Lebens führt, durch die wir gar nicht wollten? Durch Nöte, Schicksalsschläge? Oder dass Gottsuche eben keine zielstrebige Fahrt, sondern oftmals ein langes Ausharren auf den Rastplätzen unseres Lebens ist?
Was heißt es für uns heute, dass die ersten Gott-Suchenden des Neuen Bundes nicht aufgeklärte Theologen und Lehrer der Synagoge, sondern einfache Menschen und Reisende aus fremden Völkern waren?
Der Weg Gottes mit den Menschen führte schon seit der Erwählung des Volkes Israel nie auf geraden Pfaden, sondern stets durch Wüstengegenden, durch die Einsamkeit, durch das Chaos. Und nun, da die Offenbarung Gottes ihrem Höhepunkt entgegen geht, kein klar definiertes Heilsereignis, sondern eine Geburt unter dramatischen Umständen mit Hirten und Fremden als erste Zeugen des Geschehens.
Der Weg Gottes mit den Menschen richtet sich nicht nach einer freundlichen Damenstimme aus einem GPS-Kästchen. Wenn Gott ins Leben der Menschen tritt, dann kann es chaotisch zugehen, befremdlich, vielleicht mysteriös und rätselhaft.
Und nur dann, wenn wir diesen unberechenbaren Gott aushalten können, kann die Begegnung mit ihm auch wirklich gelingen.