Lesung aus dem Buch Genesis.
In jenen Tagen
nahmen die Feinde die ganze Habe von Sodom und Gomorra
sowie alle ihre Nahrungsvorräte mit und zogen ab.
Als sie abzogen, nahmen sie auch Lot, den Neffen Abrams,
und seine Habe mit;
Lot wohnte damals in Sodom.
Ein Flüchtling kam und berichtete es dem Hebräer Abram;
Abram wohnte bei den Eichen des Amoriters Mamre,
des Bruders Eschkols und Aners.
Sie waren Abrams Bundesgenossen.
Als Abram hörte, sein Bruder sei gefangen,
führte er seine ausgebildete Mannschaft,
dreihundertachtzehn Mann,
die in seinem Haus geboren waren,
heraus
und nahm die Verfolgung auf bis nach Dan.
In der Nacht teilten sie sich in Gruppen,
er und seine Knechte.
Er schlug sie und verfolgte sie bis Hoba,
nördlich von Damaskus.
Er brachte die ganze Habe zurück,
auch seinen Bruder Lot und dessen Habe
brachte er zurück
sowie die Frauen und das Kriegsvolk.
Als er nach dem Sieg über Kedor-Laomer
und die mit ihm verbündeten Könige zurückkam,
zog ihm der König von Sodom ins Schawetal entgegen,
das jetzt Tal des Königs heißt.
Melchisedek, der König von Salem,
brachte Brot und Wein heraus.
Er war Priester des Höchsten Gottes.
Er segnete Abram
und sagte:
Gesegnet sei Abram vom Höchsten Gott,
dem Schöpfer des Himmels und der Erde,
und gepriesen sei der Höchste Gott,
der deine Feinde an dich ausgeliefert hat.
Darauf gab ihm Abram den Zehnten von allem.
Melchisedek ist nach Gen 14 Priester des höchsten Gottes. Er wird auch als König von Salem genannt, was identisch ist mit Jerusalem. Der Name Melchisedek (König der Gerechtigkeit) ist altkanaanäisch. Die Verbindung des königlichen mit dem priesterlichen Amt war im Orient häufig.
Der "Höchste Gott", der Himmel und Erde erschaffen hat, ist mit Jahwe identisch. Eine so positive Beurteilung eines außerisraelitischen, kanaanäischen Kultes findet sich im ganzen AT nur hier. Melchisedek ehrt den siegreich heimkehrenden Abraham mit einem Friedopfer und spricht über ihn den Segen, weil es für ihn selbstverständlich war, dass Gott ihm den Sieg verliehen hat.
In der Abgabe des Zehnten anerkennt Abraham die Vorrangstellung des Melchisedek.
Die Lesung erzählt, wie Abraham, der nach einer Schlacht, in der er seinen Verwandten Lot aus der Gefangenschaft befreite und sein Hab und Gut sowie das der Könige von Sodom und Gomorra zurückholte, von Melchisedek, dem Priesterkönig von Salem (=Jerusalem) empfangen wird. Er feiert mit Abraham ein Fest und segnet Abraham.
Dieser Textabschnitt dürfte erst nachträglich in die Geschichte vom Feldzug Abrahams eingefügt worden sein, um die Anerkennung Abrahams als von Gott Beschützten und Erwählten auszudrücken. Diese Anerkennung geschieht wechselseitig: Abraham stattet Melchisedek den Zehent ab.
Ob Melchisedek eine historische Gestalt ist, läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Von vielen wird er als zeitloser Priesterkönig angesehen. Auf diese Gestalt greifen viele theologische Aussagen zurück. Er ist als Urbild des Hohenpriesters gesehen worden. Das Bringen von Brot und Wein ist schon in sehr früher christlicher Zeit als Hinweis und Vorwegnahme der Eucharistie gedeutet worden. Dadurch hat der Name Melchisedek auch Eingang in das römische Hochgebet der Eucharistiefeier gefunden.
Feri Schermann (2001)
Hans Hütter (1998)