Wir stehen unter dem Eindruck der Passionsgeschichte Jesu. Einer, der im Guten uns weit übertrifft, erleidet schlimmste Qualen. Einer, der das Beste gewollt hat, erntet bitteren Hass. Weil er seinen göttlichen Anspruch nicht aufgegeben hat und seinem Auftrag treu geblieben ist, wurde er zum Tode verurteilt.
Unvermögen, Missverständnis, aber auch Neid und Angst, die eigene Machtposition aufgeben zu müssen, haben zu dieser Tragik beigetragen und verlängern bis heute die Blutspuren des Unrechts.
Ich greife hier nur ein Beispiel aus einer langen Reihe heraus:
In einem Brief des vietnamesischen Märtyrers Paul Le-Bao-Thin (+ 1857) ist zu lesen: "Dieser Kerker ist wirklich ein Bild der Hölle: Zu den grausamen Martern aller Art wie Fesseln, eiserne Ketten und Seile kommen hinzu Hass, Racheakte, Verleumdungen, Gemeinheiten, Flüche und schließlich Angst und Traurigkeit.
Wie dieses entsetzliche Schauspiel ertragen, bei dem ich jeden Tag Herrscher, Mandarine und ihre Höflinge sehen muss, die deinen heiligen Namen verfluchen? Sieh, mein Gott, dein Kreuz wird von den Heiden mit Füßen getreten.
Inmitten dieser Foltern, die gewöhnlich die anderen beugen und zerbrechen, weiß ich mich nicht allein, sondern du, Christus, bist in mir. Als Gekreuzigter bist du bis in die "Hölle" hinab gestiegen und so bist du auch mir nahe, der ich den Kerker als Bild der "Hölle" erlebe. Trotz allem ziehe ich es vor, zum Zeugnis deiner Liebe zu sterben."
(Auszugsweise entnommen der Enzyklika: SPE SALVI, Nr.37, Papst Benedikt XVI.)
Eine extreme Situation. Keiner von uns wird hoffentlich in eine ähnliche "Hölle" hinein geraten. Was aber dem Paul Le-Bao-Thin Kraft zum Durchstehen gegeben hat, darauf können auch wir zurückgreifen in unseren persönlichen Karfreitagsstunden.
Verwundung und Heilung
In unserer Zeit finden wir wenige Hilfen, wie wir Schweres und Leidvolles verkraften können. In der Öffentlichkeit, in den Medien ist viel von den Siegern, den Medaillengewinnern berichtet. Krasse Delikte und tragische Unglücksfälle werden in Wort und Bild allen vorgeführt. Aber Schritte zur Heilung bleiben aus. Kein Wunder, dass nur Wenige den Mut haben, solche Dunkelstellen aufzuarbeiten. Die Versuchung ist groß, nur zu überdecken.
Es ist zum Beispiel gefährlich, gegen eine Entzündung im Körper, gegen quälende Bauchschmerzen, Herzbeschwerden oder Nierenkoliken oder dergleichen nur einfach immer hohe und höhere Dosen von Schmerztabletten zu nehmen: Solche Maßnahmen verschleiern nur, was wirklich ist. Sie verhindern gerade dadurch notwendige Hilfe.
Und wie groß ist die Gefahr, dass wir im Seelischen ähnlich handeln: dass wir nicht wahrnehmen wollen, was nicht sein darf.
"Wenn ich nicht untergegangen wäre, wäre ich untergegangen", schrieb Kierkegaard. Was hier so paradox formuliert wird und aufhorchen lässt, will uns Mut machen, vor den eigenen Ängsten und Dunkelstellen nicht zu fliehen.
Ohne Kampf kein Sieg. Krise und Ringen bringen kreative Möglichkeiten in den Blick und fördern unplanbare Lösungen und Auswege. Biographien, ökonomische und sozialpolitische Beobachtungen, auch die Ergebnisse des neuen Forschungsbereichs "Chaostheorie" bestätigen diese Grunderfahrungen, die im "stirb und werde" der Philosophen und in religiöser Sprache mit "Kreuz und Auferstehung" gemeint sind.
Das Kreuz - ein Zeichen der Hoffnung
In der österreichischen Benediktinerabtei Zwettl ist das Altarkreuz von dichten grünen Efeuranken umgeben. Christus verzichtet in seiner Feindesliebe auf Gegenwehr und Gewalt. Er nimmt lieber Leid auf sich als Leid zu verursachen. Trotz der Todesängste gibt er die Hoffnung nicht auf, dass durchgehaltene Liebe nicht untergeht. Mit dem Gekreuzigten ist der immergrüne Efeu eng verbunden.
Als Christen klammern wir den Karfreitag nicht aus. Wir wissen einen Besseren und Stärkeren auf unserer Seite. Wir dürfen fest damit rechnen, dass nach düsteren Karfreitagsstunden das unvergängliche österliche Leben folgen wird. Amen.