Salz beißt
"Ihr seid das Salz der Erde", sagt uns der Herr. Was könnte er damit meinen? Was ist Salz? Weiß, feinkörnig, unscheinbar; wenn man es in einer Flüssigkeit oder in einer Speise auflöst, wird es unsichtbar, und bleibt trotzdem wirksam. Für die Menschen des Altertums und Mittelalters ein wertvoller Stoff, unbedingt nötig, um Speisen schmackhaft zu machen. Es war und ist lebenswichtig, der Körper braucht es dringend. Früher war es auch das einzige Konservierungsmittel. In Israel wurde es im Tempel verwendet. "Jedes Speiseopfer ist zu salzen", steht in der Schrift (Ex 30,35). Salz war Symbol der Beständigkeit; beim Abschluss eines Vertrages aßen beide Partner Salz.
"Ihr seid das Salz der Erde": Wir sollen wie Salz sein, ein eigenartiger Vergleich.
Abraham a Santa Clara, der Wiener Hofprediger, sagte einmal in einer Predigt: "Ihr sollt Salz seid, Salz und nicht Zucker! Und Salz, das beißt."
Es geht nicht um eine bestimmte Eigenschaft, um Tugenden, die wir in die Menschheit einzubringen haben, sondern es geht um unser ganzes Sein, um unser Tun, um unser Verhalten hier in dieser Welt. Wir sollen mit unserem christlichen Leben den anderen nicht um jeden Preis gefallen, wir dürfen nicht überall beliebt sein, sondern die Menschen von heute dürfen sich auch an uns stoßen, es darf ihnen sauer aufstoßen, wenn sie uns erleben.
Das Ganze prägen
Wir sollen Salz sein, also nur eine kleine Menge, ein kleiner Bestandteil. Wir müssen nicht die ganze Suppe, die ganze Speise werden, es reicht, wenn wir als kleine Gruppe, als Minderheit, die wir ja sind, das Unsere als "Salz" dazugeben, wenn wir das Ganze dadurch prägen.
Wie lebensnotwendig das ist, was Christen in die Welt hinein zumischen haben, sehen wir am Gegenteil. Schales Salz "taugt zu nichts mehr; es wird weggeworfen und von den Menschen zertreten". Wenn wir Christen ausfallen, wenn wir versagen, total angepasst sind, haben wir keinen Wert mehr, und nichts sonst kann unseren Dienst für die Welt ersetzen. Wenn wir zu wenig an Christus, an sein Evangelium glauben, wenn wir nicht wirklich davon durchdrungen und überzeugt find, fehlt Entscheidendes. Wie wollen wir dann noch wirklich Anderes, Neues, in die Welt bringen? Alles fault.
Das Urteil Jesu ist ziemlich vernichtend über uns, denn wir werden wie ein fades, geschmackloses Salz, wenn uns keine Kraft mehr innewohnt, wenn wir nichts mehr von seinem Geist bringen. Wir wandern auf den Müll, sind soviel wert wie Abfall. Es braucht uns nicht mehr, also bleiben wir nicht.
Jesus sagt uns, wir sind etwas, Salz der Erde, und wir sollen das sein, sollen es aushalten, dass wir nur das sind. Zunächst klingt das relativ passiv, keine Spur von Machen-Können, von Selbst-Machen. Dieses Symbol Salz bringt uns also mit unserer eigenen Ohnmacht in Berührung.
Ich gehe davon aus, wir kennen aus eigener Erfahrung diese Gefühle: Ich bin ohne Einfluss, ich kann nichts ändern, nichts bewegen, nichts gestalten. Wenn wir in die Welt voller Gewalt und Ungerechtigkeit hineinschauen und uns fragen:
Kann ich da etwas ändern? Kann ich mich gegen diese Flut anstemmen? Dann ist die Antwort gerne die: Nein, dazu bin ich zu schwach, da bin ich ohnmächtig.
Wenn uns niemand hören will
Oder wenn Sie einmal in den Blick nehmen, wie in unserer Zeit, in unserer Gesellschaft der Unglaube sich ausbreitet, und wir, die wir die Frohe Botschaft zu verbreiten haben, stellen fest: Es will uns niemand hören, dann fühlen wir uns ohnmächtig.
Solche Gefühle sind schwer auszuhalten. Manche resignieren dann und werden depressiv, damit nehmen die Ohnmachts-Gefühle zu. Andere werden aggressiv, schlagen um sich, oder stürzen sich wie wild in die Arbeit, um doch etwas zu erreichen. Die Ergebnisse weisen meist nicht in die gewünschte Richtung. Wie können wir mit unserer Ohnmacht leben, ohne davon zu sehr gelähmt oder zu sehr angetrieben und bestimmt zu werden? Da werden unter Umständen Kräfte in uns wirksam, die uns von dem abhalten, was wir zu sein haben.
Gott ist durch seinen Geist in mir anwesend
In solchen Situationen ist die Erinnerung an das Evangelium eine Hilfe: Ihr seid das Salz der Erde. Nicht mehr! Wir dürfen daran glauben, davon ausgehen: Gott wohnt in mir. Er ist durch seinen Geist in mir anwesend. Es geht darum, damit in Kontakt zu kommen. Wir sind alle getauft. Damit ist göttliches Leben, göttlicher Geist, göttliche Kraft in uns. Dieser Gott wirkt in uns und durch uns, oft unsichtbar, oft in einer Art und Weise, dass wir erst viel später merken: Er war es.
Wir dürfen, wir sollen Salz sein, das bedeutet für mich auch: Wir sollen anders sein als die Welt. In manchen Punkten dürfen wir im Widerspruch stehen, zum Beispiel wenn die Habsucht als Tugend, als Wert dargestellt wird. Wenn diejenigen das höchste Ansehen genießen, die ein ungeheures Vermögen angehäuft haben. Wir brauchen das nicht, denn wir wissen: Es bleibt uns am Ende nichts.
Wenn wir so leben, im Widerspruch zu dem, was unserer Gesellschaft so wichtig ist, dann ecken wir zwar an, aber wir ändern damit etwas, vielleicht unsichtbar, verborgen, und doch wirksam, denn der eine oder andere kommt dann doch zum Nachdenken, kommt zur Besinnung, dass man anders leben kann als die Masse, dass man freier wird, wenn man sich nicht dem Diktat der Mehrheit beugt. Das ist unsere Aufgabe als Salz der Erde. Und wie gesagt, es beißt. Wenn unser Leben, unser Verhalten in dieser Welt anderen so vorkommt, dann sind wir auf dem richtigen Weg.
Norbert Riebartsch (2008)
Gabi Ceric (1999)