Offene Türen, offene Grenzen
Wir Menschen scheinen wohl die Gabe zu haben, schnell vergessen zu können. Ich muss in der letzten Zeit immer wieder an die Bilder von 1989 denken. Die Mauer wurde geöffnet, Menschen fielen sich um den Hals und freuten sich, dass sie endlich nicht mehr getrennt waren, dass jeder so gehen und fahren konnte wie er wollte. Keine Mauer, keine Grenze, keine Kontrolle. Oder das Schengen-Abkommen in der EU. War es vorher üblich, dass man seinen Ausweis zeigen musste, waren jetzt die Grenzen geöffnet. Ein Klima des Vertrauens in Europa entstand. Ein gutes Gefühl und es war einfach zu spüren: wir gehören zusammen. Die richtigen Türen waren geöffnet worden.
Wir Menschen scheinen die Gabe zu haben schnell vergessen zu können. Wie anders ist da heute die Stimmung. Grenzen werden geschlossen, Menschen ausgegrenzt, Menschen in Lagern festgehalten.
„Wer nicht durch die Tür in den Hof für die Schafe hineingeht, sondern anderswo eindringt ist ein Dieb und Räuber..." und umgekehrt, wer durch die Tür hineingeht ist der Hirt, den die Schafe kennen. Beim Lesen des Evangeliums kam es mir so vor, als wäre es für uns und unsere heutige Situation geschrieben worden. Wieviel Stimmen und Rufer sind heute zu hören, die dadurch, dass sie Angst machen, ausgrenzen, Türen zuschlagen, nur sich selbst sehen und vielleicht noch Menschen, die ins gleiche Horn tuten? Die Trumps, Erdogans, Le Pens, Wilders, Petrys, Gaulands, Kims und Orbans! - sie zerstören was unsere Gesellschaft, was ganz konkrete Menschen in den Jahren nach dem Krieg, nach dem Mauerfall und dazwischen so mühsam aufgebaut haben.
Wertschätzung des anderen
- Achtung vor dem anderen, auch wenn er anders lebt, fühlt glaubt und denkt!
- Achtung vor dem Frieden der immer nur mit dem anderen und nicht nur durch Waffen zu sichern ist!
- Achtung vor der Freiheit, die immer auch die Freiheit des anderen ist!
- Achtung vor der Möglichkeit sein Leben so zu gestalten, wie Mann, Frau und Kind es möchte! Reisen zu können, den Beruf frei wählen zu dürfen, den Menschen heiraten zu können, den man liebt.
- Achtung vor den unterschiedlichen religiösen Überzeugungen, die allen Menschen zugestanden wird, Christen, Muslime, Juden, Hindus, Atheisten, allen!
- Achtung vor der einzigen Grenze die es gibt, nämlich dass die eigenen Rechte dort aufhören, wo die Rechte des anderen beginnen!
All das scheint auf einmal nichts mehr zu gelten, nichts mehr wert zu sein, wo diese falschen Stimmen, diese Diebe und Räuber, wie es im Evangelium steht, um sich schreien und sich die Wahrheit so zurechtbiegen, wie es ihnen nützt.
Leben, das den Tod überwindet
Jeder, vor allem wir als Christinnen und Christen sind hier aufgefordert, anders zu denken, anders zu handeln, anders mit anderen umzugehen.
„Der Dieb kommt nur um zu stehlen, zu schlachten und zu verderben.“ Das ist es, was so viele durch ihr Reden und ihr Handeln provozieren.
„Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.“ Das ist die Gegenbotschaft gegen die Verführer unserer Tage.
Bischof Genn spricht in seiner Osterpredigt davon, dass die Osterbotschaft den Machtpolitikern unserer Tage etwas entgegenzustellen hat. Er spricht von der Macht der Liebe, die die Grenzen des Hasses, die Grenzen der Gewalt und im letzten die Grenze des Todes überwindet. Das darf uns, meine ich, zum einen gelassen machen und es kann uns den Mut und die Kraft geben, dass wir unsere Demokratie verteidigen. Ich finde es gut, dass in Köln die christlichen Kirchen gegen den Parteitag der AfD demonstriert haben. Ein tolles Zeichen, dass auf einmal Menschen für Europa demonstrieren, weil Europa eine Lebensperspektive bietet, die gegen Hass, gegen Ausgrenzung und für ein miteinander steht.