Aufblühen braucht Zeit
In unserem Klostergarten steht eine große Magnolie, die im Frühling eine ganze Fülle von herrlichen Blüten trägt. Über diese Blütenpracht kann man sich einfach nur freuen. Das Blühen beginnt ganz unspektakulär. Am Anfang sind nur ein paar unscheinbare Knospen zu sehen. Nach einigen Tagen allerdings ist der ganze Baum voll purpurroter Blüten. Diese Pracht entfaltet sich nicht von heut auf morgen, sondern braucht Zeit. Ein einziger kurzer Blick auf den Baum verrät nicht, dass sich etwas tut, dass der Prozess des Blühens voll im Gang ist. Man muss schon öfters hinschauen und einige Tage verstreichen lassen, um feststellen zu können, dass sich die Blütenpracht langsam aber stetig mehrt. Veränderung braucht eben Zeit. Ein ungeduldiger Menschen, der am liebsten die Blütenpracht schon vor den Knospen sehen will, wird sich deshalb ärgerlich oder besorgt fragen, warum sich nichts tut und warum alles beim Alten bleibt.
Wie die Natur Zeit braucht, um den Magnolienbaum ein volles Blütenkleid anzulegen, so braucht auch der Heilige Geist Zeit, um in der Kirche verändernd zu wirken. Der Prozess des Blühens ist vergleichbar mit der Wirkmacht des Heiligen Geistes. Diese Wirkmacht braucht ebenfalls Zeit, um ihre wertvollen Früchte hervorzubringen.
Wachsen und Reifen braucht Zeit
Der Apostel Paulus nennt in seinem Brief an die Galater die Früchte des Heiligen Geistes. Es sind dies: Liebe, Freude, Frieden, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung. Die Früchte des Heiligen Geistes wachsen und reifen nicht im luftleeren Raum. Sie wachsen und reifen in jedem Getauften, der sich dem Wirken des Heiligen Geistes öffnet. Das Wachsen dieser Früchte bedeutet Veränderung; aus einem lieblosen Menschen wird ein liebvoller Mensch, aus einem friedlosen Menschen wird ein friedvoller Mensch und aus einem ungeduldigen Mensch wird ein geduldiger Mensch. Weil die Früchte des Heiligen Geistes jeden einzelnen Christen zum Guten wandeln, sind sie so lebenswichtig für den Aufbau der kirchlichen communio.
Wenn ich mich allerdings in der Kirche so umschaue, scheint mir, dass die Früchte des Heiligen Geistes noch recht schlecht entwickelt und klein sind. Manche verlieren die Geduld, die Selbstbeherrschung und ihren inneren Frieden, weil sie meinen, das Wirken des Heiligen Geistes werde von allen nur nicht von ihnen selbst boykottiert. Anderen ist die Freundlichkeit, die Güte, ja sogar die Liebe abhanden gekommen, weil sie ihren eigenen Geist schlichtweg zum Heiligen Geist erklärt haben und sich wundern, warum die anderen ihre vermeintliche Geistesfülle nicht erkennen wollen.
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Heiligen Geistes
Wir alle sind aufgrund von Taufe und Firmung Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Heiligen Geistes. Je mehr wir uns dem Geist Gottes gegenüber öffnen, umso fruchtbarer wird unser Einsatz für Jesus. Der Heilige Geist braucht uns, damit er durch uns das Angesicht der Erde erneuern kann. Mitarbeiter und Mitarbeiterin des Heiligen Geistes zu sein, heißt nichts anderes, als Zeugnis für Jesus und seine Botschaft abzulegen.
Das II. Vatikanische Konzil hat die Berufung aller Getauften zum Zeugnisgeben in besonderer Weise betont. Im Konzilsdekret über das Apostolat der Laien heißt es deshalb, dass jeder Getaufte zum Apostolat berufen ist. Das Zeugnisablegen ist kein Privileg der Priester oder anderer Hauptamtlicher. Man kann sich nicht herausreden und das Zeugnisablegen einfach anderen überlassen.
Wenn wir Jesus in unserem alltäglichen Leben ins Spiel bringen, legen wir bereits Zeugnis für ihn ab. Dazu muss ich kein begabter und glänzender Rhetoriker sein. Entscheidend ist, dass ich mein Leben auf Jesus ausrichte, ihn zu meinem Vorbild nehme und meinen Glauben nicht zur Privatsache erkläre, die niemanden etwas angeht.
Wie bei der Magnolie beginnt alles ganz klein und unscheinbar. Vielleicht werde ich gar nicht bemerken, dass der Heilige Geist mich verwandelt, dass sich meine Glaubensknospe allmählich entfaltet und Frucht bringt.
Ich bin nicht allein
Obwohl ich ganz persönlich gerufen bin, von Jesus Zeugnis abzulegen, bin ich nicht allein. Um im Bild des Magnolienbaums zu bleiben: ich bin nicht die einzige Blüte auf diesem Baum. Viele, viele Blüten verleihen dem Baum seine faszinierende Pracht. Viele, viele Gläubige verleihen der kirchlichen communio erst ihre Lebendigkeit und ein Gesicht. Die kirchliche communio - also die Gemeinschaft der Gläubigen - wiederum soll den Einzelnen stärken, damit er seiner Berufung treu bleiben kann. Sich gegenseitig stärken, wird immer wichtiger. Allein als Christ zu leben, kann ganz schön anstrengend sein. Von anderen Christen unterstützt zu werden, ist aufbauend und ermutigend.
Das Pfingstfest erinnert uns an das stetige und unaufhaltsame Wirken des Heiligen Geistes. Das Pfingstfest erinnert uns auch daran, dass der Heilige Geist durch uns seine Früchte hervorbringen möchte, damit die Welt glaubt, dass Jesus der Sohn Gottes ist.