Die Art und Weise, wie Menschen miteinander in Beziehung treten und wie sie diese Beziehungen pflegen, ändert sich. Das führen uns die modernen Medien vor Augen. Soziale Verbindungen brauchen Kontakt und Pflege. Dies gilt auch für unseren Glauben. Das Bild vom Weinstock fordert uns auf, die Verbindung mit Christus lebendig zu halten, damit unser Glaube und unser Leben Früchte bringen kann.
Soziale Netzwerke, Facebook und Co.
Vor einigen Jahren ließ ich mich davon überzeugen, dass es auch für einen Seelsorger meines Alters sinnvoll ist, ein Profil auf Facebook einzurichten. Dieses Medium sei hervorragend geeignet, Netzwerke aufzubauen und zu pflegen. Und wer mit jungen Menschen in Kontakt bleiben wolle, komme darum nicht herum. Im Nu hatte ich hunderte von "Freunden". Mittlerweile bin ich in der Pflege meiner Facebook-Beziehungen ziemlich nachlässig geworden. Es ist mir zu mühsam geworden, in dieser Welt der Selbstpräsentation mitzumachen. Jedes Wort, das man von sich gibt, und jedes Bild, das man veröffentlicht, muss man vorsichtig auszuwählen, damit man damit nicht das Gegenteil erreicht.
Was aber noch viel schwerer wiegt: Mir fehlt der Tiefgang. An Beziehungen stelle ich höhere Qualitätsansprüche. Viele meiner Facebook-Freunde kenne ich nicht und ich weiß nicht, wem ich was anvertraue. Um Persönliches mit einem Menschen zu teilen, brauche ich eine diskretere und geschützte Umgebung, die persönliche Tiefe zulässt.
Die sozialen Netzwerke der neuen Medien bieten zwar viele nützliche Verbindungen und helfen, was man anzubieten hat, an die Frau oder an den Mann zu bringen. Sie zeigen aber auch, dass es auf die Qualität der Verbindungen ankommt. Was verbindet mich und die anderen? Was will ich mit ihnen teilen, kommunizieren?
Das Netzwerk Weinstock
Im Evangelium drückt das Bild vom Weinstock aus, wie wichtig es ist, mit der richtigen Person eine gute Verbindung zu haben und diese Verbindung zu pflegen. Auch Kirche stellt ein Netzwerk dar. Und auch hier ist Netzwerkpflege für jedes Glied der Kirche wichtig und notwendig. Das Netzwerk von Reben und Weinstock besteht aber nicht um seiner selbst willen, sondern hat eine Aufgabe und ein Ziel. Kirchliches Netzwerken dient nicht so sehr der Unterhaltung, sondern will uns helfen Frucht zu bringen. Und in diesem Netzwerk spielt Christus eine zentrale Rolle. Durch ihn erhalten wir Zugang zu dem, was uns nährt und bleiben wir lebendig. Seine Wurzeln sind tief genug, um uns an die Quellen des Lebens anzuschließen.
Das Bild vom Weinstock und vom Winzer macht uns noch auf ein Zweites aufmerksam: Es genügt nicht, dass aus dieser Verbindung möglichst viel und alles Mögliche hervorwächst. Nicht alles, was aus einem Weinstock hervorwächst, ist gut für einen Fruchtansatz. Ein Nicht-Winzer wundert sich zuweilen, wenn er einem Winzer zuschaut, wie viel der wegschneidet, was er nicht wachsen lässt, um zu einer guten Ernte zu kommen.
Jesus sagt vom Vater, er sei der Winzer. "Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er ab, und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt." Weiters sagt er: " Wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe weggeworfen, und er verdorrt. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen." Es passt nicht zu meinem Jesus-Bild, dass er mit dem Höllenfeuer droht. Ich denke bei diesem Feuer weniger ans Feuer der Hölle, als vielmehr daran, dass die Erfahrung von Nutz- und Sinnlosigkeit wie ein Feuer sein kann.
Das Bild vom Weinstock und den Reben will uns nicht drohen, sondern zeigt uns den Weg, wie wir unser Leben fruchtbar machen können. "Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen".
In Jesus bleiben
Hängt vielleicht die gegenwärtige Erfahrung von "Kirchendürre" damit zusammen, dass wir Christen aus uns selbst Früchte bringen wollen ohne diese enge Verbindung mit Jesus? Wir verfolgen Programme, mit denen wir "das Werk Jesu fortsetzen", fühlen uns stark im Tun und Machen und erleben gleichzeitig eine Krise jenes Sakramentes, das uns mit Christus auf das Innigste verbindet. In keinem anderen religiösen Akt sind wir enger mit Christus verbunden, als im Vollzug der Eucharistie. Das Zweite Vatikanische Konzil bezeichnet die Feier der Eucharistie als "Quelle und Höhepunkt" christlichen Lebens (LG 11).
In diesen Tagen werden viele Kinder zur Erstkommunion geführt und es ist berührend, mit welcher Hingabe viele Kinder dieses Ereignis begehen. Doch was bleibt davon?
Bevor wir jedoch über die Kinder, die Religionslehrer und Eltern herziehen, möchte ich einladen, darüber nachzudenken, wie sehr wir selbst aus dieser Quelle schöpfen. Viele Christen feiern Eucharistie nur dann, wenn dazu noch etwas Besonderes geboten wird: ein musikalisches Highlight, ein besonderer Anlass, ein Erlebnis...
Diskutiert wird oft auch "das Recht auf Eucharistie", das jeder Gemeinde zukomme. Ich möchte dem nicht "die Pflicht zur Eucharistie" gegenüberstellen, wie dies in früheren Jahrzehnten oft geschehen ist, sondern einfach die Frage stellen: Wo bleibt die Sehnsucht nach Eucharistie? Eine Sehnsucht, die Lust macht zum Mitfeiern, zum Mittun, zum Mitgestalten?
Ein andere Weise, mit Jesus in Verbindung zu bleiben, ist die Beschäftigung mit dem, was er getan und gesagt hat. Wie weit ist es uns ein Herzensanliegen, uns in die Überlieferung der Frohen Botschaft zu vertiefen, ihn kennen zu lernen, schätzen zu lernen, lieben zu lernen? Das Lesen der Heiligen Schriften kann uns mit Christus vertraut machen. Wenn wir es gemeinsam tun, verbindet es auch untereinander.
Freundschaftspflege
Dass wir etwas tun müssen, um aus den sozialen Netzwerken nicht herauszufallen, ist uns längst klar geworden. Sogar die neuen Medien, die uns vormachen, wie leicht und easy es ist, dazu zu gehören, verlangen dem, der sie nutzt, etwas ab. Man muss dranbleiben, wenn man nicht zur digitalen Karteileiche verkommen will, und man muss zielstrebig das Medium nutzen, wenn man davon mehr erwartet als ein bisschen Unterhaltung.
Zum Verbindung halten gehören immer mindestens zwei. Wie sehr Jesus an der Verbindung mit einem jeden von uns gelegen ist, haben wir zu Ostern gefeiert. Er ist bis zum Äußersten gegangen, um die Wände zu durchschreiten, die wir um uns aufrichten. Am vergangenen Sonntag wurde er uns als der Gute Hirte vorgestellt, der bereit ist, sein Leben für uns einzusetzen, damit wir das Leben haben.
Das Bild vom Weinstock führt uns vor Augen, dass auch wir gefordert sind, die Verbindung lebendig zu halten. Ohne Verbindung mit dem Weinstock Jesus Christus fruchtet unser Glaube nichts.
Manfred Wussow (2006)
Gabi Ceric (1997)