Patchworkfamilien
Im Laufe einer "Google-Recherche" (das ist eine beliebte Suchmethode im Internet) mit dem Stichwort "Patchworkfamilien" stellte sich für mich heraus: "Das ist alles nicht so einfach". Als Patchworkfamilien werden Familien bezeichnet, die nicht der Grundform der Familie entsprechen: Mutter, Vater, Kinder. Meist sind es Familien, in denen ein Partner ein oder mehrere Kinder aus einer vorangegangenen Beziehung oder Ehe mitgebracht hat. Es genügt nicht, dass die beiden Ehepartner eine tragfähige Beziehung zu einander aufbauen, auch die Kinder müssen erst in das neue Beziehungsgeflecht hineinfinden. Und das macht das Leben in einer Patchworkfamilie eben nicht so einfach.
Angesichts dieser Schwierigkeiten werde ich umso dankbarer für die konkrete Familie, in der ich selbst aufgewachsen bin. Ich muss mir aber verkneifen, für ein reguläres Familienideal schwärmen zu beginnen und den moralischen Zeigefinger gegen andere Familienformen zu erheben. Mein Vater ist auch in einer Patchworkfamilie aufgewachsen. Man hat das damals nicht so bezeichnet. Mit zweieinhalb Jahren verlor er im Jahre 1914 beide Elternteile. Seine Tante, deren Ehe kinderlos war, hat ihn nach dem plötzlichen Tod seiner Mutter - der Vater war im selben Jahr im Krieg gefallen - mit nachhause genommen. Später hat sie und ihr Gatte ihre Familie mit "Geschwistern" aus anderen von Schicksalschlägen getroffenen Familien der Verwandtschaft ergänzt.
Andere Lebensformen
In der Kirche wird neben dem Familienideal auch noch das Ideal des ehelosen Lebens hoch gehalten. Der Religionslehrer der Ordensschule, die ich besuchte, bemühte sich, den Spagat herzustellen zwischen der Wertschätzung des Ehe- und Familienlebens und der Wertschätzung des ehelosen Lebens der Priester und Ordensleute, die Jahrhunderte lang von Theologen als der Berufung zum Ehestand überlegen eingestuft wurde.
Der Rückblick auf Jesus, der gerne zur Lösung kniffliger Wertefragen herangezogen wird, vergrößert die Verwirrung. Er selbst war unverheiratet. Damals ein Affront gegen die im Judentum herrschende Einstellung. Jesus selbst war so sehr Prophet, dass seine Verwandten ihn für verrückt hielten. Als sie ihn einmal sozusagen aus dem Verkehr ziehen wollten, wies Jesus auf seine Zuhörer und ließ seinen Verwandten samt der Mutter ausrichten: Das hier sind meine Mutter und meine Brüder. Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter. Die Zugehörigkeit zum Reich Gottes und das Erfüllen des Willens Gottes ersetzte für ihn das damalige Familienideal.
Die ideale Familie
Das Fest der Heiligen Familie muss meist dafür herhalten, die Idealisierung der Familie religiös zu stützen. Das Idealbild der Familie ist in unserer Zeit aber ziemlich angeschlagen. Die hohe Scheidungsrate bringt in einer großen Zahl die besagten Patchworkfamilien hervor. 59 % der Kinder wurden im Jahre 2006 in Österreich unehelich geboren.
Die Ursachen dieser Entwicklung liegen weniger darin, dass die Familie nichts mehr gilt. Im Gegenteil, die Jugendwertestudien zeigen, dass Familie und Beziehung nach wir vor zu den höchsten Werten der Jugendlichen zählen; und das nicht nur aus religiösen Motiven heraus. Der hohe Wert der Familie und partnerschaftlicher Beziehungen steht allerdings neben anderen Werten wie persönlicher Freiheit und Unabhängigkeit. Meist lassen sich nicht alle diese Werte gleichzeitig unter einen Hut bringen.
Viele Funktionen, die früher den Familien zukamen, hat heute der Staat übernommen: Alterssicherung, Krankenvorsorge usw. Es scheint heute eher so zu sein, dass viele Menschen den eigenen hohen Ansprüchen an Beziehung und Familie nicht gewachsen sind.
Das Vorbild der Heiligen Familie scheint mir wenig geeignet, das Familienideal zu restaurieren. Wenn wir genau hinschauen: So ideal war auch die Heilige Familie nicht. Sie entsprach weder dem Ideal der damaligen Gesellschaft, noch würde sie heute als Ideal durchgehen. Romantisierungen helfen wenig weiter.
Um in der Familienpolitik weiter zu kommen, muss man nach anderen Mitteln greifen. Es gilt die Frage zu lösen, wie lassen sich persönliche Beziehungen, Familie, Kinder und Beruf besser vereinbaren. Wie kann man verhindern, dass aus der Sorge für Familie und Kinder wirtschaftliche und gesellschaftliche Nachteile entstehen.
Wie wird man heilig?
Für mich gibt es tiefere Gründe, Maria, Josef und Jesus als Heilige Familie zu feiern. Sie verkörpern Haltungen, die für das Leben als Familie notwendig sind und die zugleich das eigene Leben heiligen.
Josef und Maria tun alles, um ihrer Verantwortung für ihr Kind gerecht zu werden. Sie nehmen jede Strapaz auf sich, das Kind vor jenen zu retten, die ihm nach dem Leben trachten. Zuvor schon haben sie alles getan, ihre Beziehung zu retten.
Maria und Josef können Vorbild sein für das Lösen von Krisen. Es ist Josef hoch anzurechnen, dass er über gängige Männlichkeitsideale hinausgewachsen ist. Es ist ihm auch in religiöser Hinsicht hoch anzurechnen, dass er über die gängigen Vorstellungen von Rechtschaffenheit hinausgewachsen ist und Maria trotz aller Bedenken zur Frau genommen hat.
Maria hat es bestimmt nicht leicht gehabt mit ihrem Sohn Jesus. Er war bestimmt kein Sohn zum Herzeigen, zum Stolzsein. Seinetwegen hat sie viel mitgemacht und hatte sie viel auszuhalten vonseiten der Verwandten und vonseiten der Mitbürger in Nazareth. Sie ist zu ihm gestanden bis zu seinem Tod.
Heilig und in diesem Sinn Vorbild ist diese Familie jedoch noch durch eine ganz andere Haltung. In den biblischen Erzählungen werden uns die Eltern Jesu als Personen vorgestellt, die ganz auf Gott ausgerichtet sind und auf seinen Willen hören. Wenn Jesus jene als seine neuen Familienangehörigen betrachtet, die den Willen Gottes erfüllen, dann sind Maria und Josef prominente Mitglieder dieser neuen Familie. Das Ja Mariens Gott gegenüber ist zum Inbegriff gläubigen Gehorsams geworden. Ähnlich die Einwilligung Josefs in den Plan Gottes. Nicht zufällig treffen wir nach der Himmelfahrt Jesu Maria mitten im Kreis der Apostel, die mit ihnen betend auf die Sendung des Heiligen Geistes wartet.
Berufen zur Heiligkeit
Diese menschlichen und religiösen Haltungen heiligen auch heute die Familien. Im übertragenen Sinn gelten sie jedoch auch für alle anderen Lebensformen. Es geht weniger um die äußere Form der Familien. Die hat sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder gewandelt. Jede Epoche hat ihre eigenen Ideale gepflegt. Die Lösung kann nicht darin liegen, verschiedene Familienformen gegen einander auszuspielen.
Jede Art von Lebensgemeinschaft, seien es Klein- oder Großfamilien, Patchworkfamilien, Lebenspartnerschaften, auch Ordens- und Pfarrfamilien ist zur Heiligkeit berufen und bedarf des Strebens nach Heiligkeit mit Hilfe der menschlichen und religiösen Haltungen, die wir an Jesus, Maria und Josef bewundern.