Die biblischen Lesungen wurden mit freundlicher Genehmigung der Ständigen Kommission für die Herausgabe der gemeinsamen liturgischen Bücher im deutschen Sprachgebiet den Lektionaren 2018 ff entnommen. - © 2024 staeko.net. - vgl. Impressum.
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Predigten vom 01. Sep. 2024 - 22. Sonntag im Jahreskreis (B)
02. Mär. 2025
8. Sonntag im Jahreskreis (C)
23. Feb. 2025
7. Sonntag im Jahreskreis (C)
16. Feb. 2025
6. Sonntag im Jahreskreis (C)
09. Feb. 2025
5. Sonntag im Jahreskreis (C)
02. Feb. 2025
2. Februar: Darstellung des Herrn (Fest)
26. Jan. 2025
3. Sonntag im Jahreskreis (C)
19. Jan. 2025
2. Sonntag im Jahreskreis (C)
12. Jan. 2025
Taufe des Herrn (C)
06. Jan. 2025
Erscheinung des Herrn, Dreikönig (A/B/C)
05. Jan. 2025
2. Sonntag nach Weihnachten (A/B/C)
01. Jan. 2025
Neujahr - Fest der Gottesmutter Maria (A/B/C)
31. Dez. 2024
31. Dezember: Jahresschluss (Sonst.)
29. Dez. 2024
Fest der hl. Familie (C)
26. Dez. 2024
26. Dezember: hl. Stephanus (Fest)
25. Dez. 2024
Weihnachten, am Tag (A/B/C)
25. Dez. 2024
Weihnachten, am Morgen (A/B/C)
24. Dez. 2024
Weihnachten, in der Nacht (A/B/C)
24. Dez. 2024
Weihnachten, am Vorabend (A/B/C)
22. Dez. 2024
4. Adventsonntag (C)
15. Dez. 2024
3. Adventsonntag (C)
08. Dez. 2024
2. Adventsonntag (C)
08. Dez. 2024
8. Dezember: Mariä Empfängnis (Fest)
01. Dez. 2024
1. Adventsonntag (C)
24. Nov. 2024
Christkönigsonntag (B)
17. Nov. 2024
33. Sonntag im Jahreskreis (B)
10. Nov. 2024
32. Sonntag im Jahreskreis (B)
03. Nov. 2024
31. Sonntag im Jahreskreis (B)
02. Nov. 2024
2. November: Allerseelen (A/B/C)
01. Nov. 2024
1. November: Allerheiligen (A/B/C)
27. Okt. 2024
30. Sonntag im Jahreskreis (B)
20. Okt. 2024
29. Sonntag im Jahreskreis (B)
13. Okt. 2024
28. Sonntag im Jahreskreis (B)
06. Okt. 2024
27. Sonntag im Jahreskreis (B)
29. Sep. 2024
26. Sonntag im Jahreskreis (B)
22. Sep. 2024
25. Sonntag im Jahreskreis (B)
15. Sep. 2024
24. Sonntag im Jahreskreis (B)
14. Sep. 2024
14. September: Kreuzerhöhung (Fest)
08. Sep. 2024
8. September: Mariä Geburt (Fest)
08. Sep. 2024
23. Sonntag im Jahreskreis (B)
01. Sep. 2024
22. Sonntag im Jahreskreis (B)
Einführungen zu den Gottesdienstlesungen - Ltg 0
1. Lesung - Dtn 4,1-2. 6-8
Lesung aus dem Buch Deuteronómium.
Mose sprach zum Volk:
Israel, hör auf die Gesetze und Rechtsentscheide,
die ich euch zu halten lehre!
Hört und ihr werdet leben,
ihr werdet in das Land,
das der Herr, der Gott eurer Väter, euch gibt,
hineinziehen und es in Besitz nehmen.
Ihr sollt dem Wortlaut dessen,
worauf ich euch verpflichte,
nichts hinzufügen und nichts davon wegnehmen;
ihr sollt die Gebote des Herrn, eures Gottes, bewahren,
auf die ich euch verpflichte.
Ihr sollt sie bewahren und sollt sie halten.
Denn darin besteht eure Weisheit und eure Bildung
in den Augen der Völker.
Wenn sie dieses Gesetzeswerk kennenlernen,
müssen sie sagen: In der Tat,
diese große Nation ist ein weises und gebildetes Volk.
Denn welche große Nation hätte Götter,
die ihr so nah sind, wie der Herr, unser Gott, uns nah ist,
wo immer wir ihn anrufen?
Oder welche große Nation besäße Gesetze und Rechtsentscheide,
die so gerecht sind wie alles in dieser Weisung,
die ich euch heute vorlege?
(Lektionar 2018 ff. © 2024 staeko.net)
Im Buch Deuteronomium wird beschrieben, wie sich das Volk in seine Berufung hineinfindet. Dazu dienen die Ermahnungen des Mos, aus denen die heutige Lesung stammt
Das große Ganze wird betont. Es kann nur seine Kraft zeigen, wenn die einzelnen Teile beachtet werden.
Gott wird als der mitgehende und vielfach erfahrbare Gott beschrieben. Dies ist so stark, dass es missionarisch wirken kann und Jahwe den Vorteil im Ranking der Götter geben soll.
Das Buch Deuteronomium besteht hauptsächlich aus einer großen Rede des Mose. In seinen Mund legen die Autoren des Deuteronomiums einen großartigen gesellschaftlichen Entwurf, einen kühnen Reformversuch, durch den das Königreich Juda an seinen Ursprung durch Jahwe erinnert und dadurch vor seinem drohenden Untergang gerettet werden sollte.
Zentrales Anliegen des Deuteronomiums ist es, durch Gesetze und ethische Richtlinien den Rahmen für eine Gesellschaft zu schaffen, in der jeder - auch die sozial Unterprivilegierten wie Arme, Waisen, Witwen, Sklaven und Fremde - die Freiheit erfahren können, die Jahwe Israel bei der Errettung aus dem Schilfmeer schenkte. Niemand soll so tief unter die Armutsgrenze fallen, dass er davon auf Dauer ausgeschlossen ist.
So schreibt das Gesetz vor, dass jeder, der sich aus Not selber als Sklave verkauft hat, im siebten Jahr freigelassen werden muß. Dabei muß ihm sein Herr soviel mitgeben, dass der Freigelassene genug für einen neuen Anfang in Freiheit hat (Dtn 15,12-18). Auch Schulden müssen jedes siebte Jahr erlassen werden, und es wird extra eingeschärft, selbst kurz vor dem siebten Jahr noch großzügig zu leihen, obwohl der Gläubiger dann kaum noch Chancen hat, das Geliehene zurück gezahlt zu bekommen (Dtn 15,7-11).
Deutlich liegt der Akzent des Gesetzeswerks auf dem Schutz der Schwachen: Asylsuchenden ist Schutz zu gewähren; sie dürfen nicht ausgebeutet werden (Dtn 23:16-17). Es wird verboten, das Recht von Fremden, Waisen und Witwen zu beugen - eine Gefahr, die immer bestand, weil diese Gruppen keine einflußreichen Angehörigen hatten, die die Richter einschüchtern oder bestechen konnten (Dtn 24,17-18). Mehrfach wird betont, dass am Sabbat Sklave und Sklavin ihre Arbeit genauso ruhen lassen sollen wie ihr Herr (Dtn 5,14-15) - eine Regelung, die im ganzen Alten Orient einzigartig sein dürfte. Vor diesem Gesetz ist sogar der König nur ein Untertan wie jeder andere. Er darf sein Herz nicht über seine Brüder erheben und sein Volk nicht versklaven (Dtn 17,14-20).
Das alles sollte man beim Lesen unserer Perikope nicht vergessen. Es macht den eindringlichen, werbenden Ton verständlich, in welchem eingeschärft wird, dem Gesetz ja "nichts hinzuzufügen und nichts davon wegzunehmen". Ein solches Gesetz tut nämlich gerade denen weh, die im Land das Sagen haben. Sie sind es, die um des Gemeinwohls willen auf die Durchsetzung ihrer Privatinteressen verzichten sollen. Damals wie heute ein kühnes Ansinnen! Was könnte ihnen die geforderte Selbstlosigkeit "schmackhaft" machen?
Vordergründig die Achtung der anderen Völker vor der Kultur und Bildung Israels (das im Alten Orient dafür wahrlich nicht berühmt war). Aber es geht noch tiefer: Dieses Gesetz ist notwendig zum "Leben", wie es eingangs in der Perikope heißt. Es ist ein Zeichen für die unglaubliche Nähe des lebensspendenden Gottes Jahwes. Und dieser Gott ist nur dort gegenwärtig erfahrbar, wo Gerechtigkeit gelebt wird. Hier wird also keine sklavische Gesetzesfrömmigkeit eingeschärft, sondern es wird an die Mächtigen appelliert, sich einem Gesetz zu unterwerfen, das den Armen und Rechtlosen neuen Lebensraum gibt – also im Wortsinn eine neue "frohe Botschaft" ist.
Die alttestamentliche Lesung des 22. Sonntags im Jahreskreis entstammt dem Buch Deuteronomium, das zwar in der Bibel eines der fünf Bücher Mose ist, im wesentlichen aber erst in mehreren Stufen vor, in und nach dem babylonischen Exil (586 - 538 v. Chr.) entstand. Unser Text, eine Mose in den Mund gelegte Rede, verdankt sich der späten Exilszeit. Durch einen Rückblick auf die Geschichte bzw. einen erneuerten Blick auf das Gesetz Gottes die aktuelle, krisenhafte Situation meistern - so könnte man sein Anliegen anfanghaft charakterisieren.
Die Perikope bildet im Buch Deuteronomium die große Überleitung zwischen dem historischen Rückblick (Kapitel 1 - 3) und dem Gesetz (Kapitel 5 - 28) und ist damit gewissermaßen eine Ouvertüre bzw. eine Interpretationshilfe für alles Folgende. Israel soll die Gesetze und Rechtsvorschriften halten, weil sie von Gott stammen und sie letztlich Medium der Gottesnähe sind. So findet es seine unvergleichliche Identität im Reigen der Großmächte. Israel wird durch sein Gesetz und die darin geborgene Gesellschafts- und Sozialordnung gewissermaßen eine "Alternativ-" oder "Kontrastgesellschaft" zu den übrigen Völkern.
1. Lesung (ungekürzte Fassung) - Dtn 4,1-8
Lesung aus dem Buch Deuteronómium.
Mose sprach zum Volk:
Israel, hör auf die Gesetze und Rechtsentscheide,
die ich euch zu halten lehre!
Hört und ihr werdet leben,
ihr werdet in das Land,
das der Herr, der Gott eurer Väter, euch gibt,
hineinziehen und es in Besitz nehmen.
Ihr sollt dem Wortlaut dessen,
worauf ich euch verpflichte,
nichts hinzufügen und nichts davon wegnehmen;
ihr sollt die Gebote des Herrn, eures Gottes, bewahren,
auf die ich euch verpflichte.
Ihr habt mit eigenen Augen gesehen,
was der HERR wegen des Baal-Pegor getan hat:
Jeden, der dem Baal-Pegor nachfolgte,
hat der HERR, dein Gott, in deiner Mitte vernichtet.
Ihr aber habt euch am HERRN, eurem Gott, festgehalten
und darum seid ihr alle heute noch am Leben.
Siehe, hiermit lehre ich euch,
wie es mir der HERR, mein Gott, aufgetragen hat,
Gesetze und Rechtsentscheide.
Ihr sollt sie innerhalb des Landes halten,
in das ihr hineinzieht, um es in Besitz zu nehmen.
Ihr sollt sie bewahren und sollt sie halten.
Denn darin besteht eure Weisheit und eure Bildung
in den Augen der Völker.
Wenn sie dieses Gesetzeswerk kennenlernen,
müssen sie sagen: In der Tat,
diese große Nation ist ein weises und gebildetes Volk.
Denn welche große Nation hätte Götter,
die ihr so nah sind, wie der Herr, unser Gott, uns nah ist,
wo immer wir ihn anrufen?
Oder welche große Nation besäße Gesetze und Rechtsentscheide,
die so gerecht sind wie alles in dieser Weisung,
die ich euch heute vorlege?
Antwortpsalm - Ps 15,2-5
Kv: Herr, wer darf Gast sein in deinem Zelt,
wer darf weilen auf deinem heiligen Berg? – Kv
Oder: GL 34,1
Der makellos lebt und das Rechte tut, /
der von Herzen die Wahrheit sagt, *
der mit seiner Zunge nicht verleumdet hat,
der seinem Nächsten nichts Böses tat *
und keine Schmach auf seinen Nachbarn gehäuft hat. – (Kv)
Der Verworfene ist in seinen Augen verachtet, *
aber die den Herrn fürchten, hält er in Ehren.
Er wird nicht ändern, *
was er zum eigenen Schaden geschworen hat. – (Kv)
Sein Geld hat er nicht auf Wucher verliehen *
und gegen den Schuldlosen nahm er keine Bestechung an.
Wer das tut, *
der wird niemals wanken. – Kv
(Lektionar 2018 ff. © 2024 staeko.net)
2. Lesung - Jak 1,17-18. 21b-22. 27
Lesung aus dem Jakobusbrief.
Meine geliebten Schwestern und Brüder!
Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk
kommt von oben herab,
vom Vater der Gestirne,
bei dem es keine Veränderung oder Verfinsterung gibt.
Aus freiem Willen
hat er uns durch das Wort der Wahrheit geboren,
damit wir eine Erstlingsfrucht seiner Schöpfung seien.
Nehmt in Sanftmut das Wort an,
das in euch eingepflanzt worden ist
und die Macht hat, euch zu retten!
Werdet aber Täter des Wortes
und nicht nur Hörer,
sonst betrügt ihr euch selbst!
Ein reiner und makelloser Gottesdienst ist es
vor Gott, dem Vater:
für Waisen und Witwen in ihrer Not zu sorgen
und sich unbefleckt von der Welt zu bewahren.
(Lektionar 2018 ff. © 2024 staeko.net)
Norbert Riebartsch (2015)
Antonia Keßelring (2003)
Martin Leitgöb (1997)
Die Angabe der Textstelle zeigt: Es ist kein geschlossenes Ganzes in der heutigen Lesung.
Dem Jakobusbrief geht es um klare Anweisungen für das Verhalten als gottgefälliger Mensch. Die Kraft dazu ist durch Gott gegeben. Sie soll sich zeigen im Wohl derer, die Not leiden.
Der Jakobusbrief entstand etwa um 70 - 80 n. Chr. und wird zu den katholischen Briefen gerechnet, d.h. zu den Briefen im NT, die keine bestimmte Adressatengemeinde haben, sondern "an alle" gerichtet waren. Er ist weniger ein Brief als eine urchristliche Predigt. Allem Anschein nach war sein Autor Judenchrist, denn er kannte das Alte Testament gut und bezieht es in seine Ausführungen mit ein (vor allem die weisheitliche Literatur). Als Verfasser wurde lange Jakobus der Herrenbruder, der eine tragende Säule der Jerusalemer Urgemeinde war und 62 n. Chr. hingerichtet wurde, erwogen. Heute datiert man den Brief gemeinhin später. Vermutlich kannte der Verfasser das Gedankengut des Paulus und nimmt dazu Stellung.
Martin Luther schätzte den Jakobusbrief nicht sonderlich hoch und fragte misstrauisch, ob denn "Jakobi stroherne Epistel Christum treibet (d.h. hervorbringt)". Seine entscheidende Glaubenserkenntnis wurde dem großen Reformator beim Lesen der Paulusbriefe zugesprochen, als er erkannte, dass Gott uns vor aller Mühe und Leistung aus reiner Gnade und Güte gerechtspricht. Wie sein Seelenbruder Paulus verstand er plötzlich, dass er nicht erst vollkommen sein müsste, um vor Gott bestehen zu können. So erfuhr er sich erstmals von Gott ganz und gar bedingungslos geliebt. Beim Lesen des Jakobusbriefs schien es ihm allerdings, als ob ihm das alte "Du musst!" seines Lebens wiederbegegnete, denn dort heißt es in Jak 2,24, dass "der Mensch aufgrund seiner Werke gerecht" wird. War hier nicht wieder von einem misstrauischen, anspruchsvollen Gott die Rede, der erst gründlich die Verdienste eines Menschen abwog, bevor er sich gnädigst zu ihm herabbequemte? Kein Wunder, dass der Paulusfan Luther dieses Schreiben mit leerem Stroh verglich, das dem Menschen keine Herzensnahrung geben könne!
Was seine Auffassung vom Gesetz und den "Werken" anbelangt, unterscheidet sich der Jakobusbrief tatsächlich stark von den Ansichten des Paulus. Der Völkerapostel schreibt im Römerbrief im dritten Kapitel: "Denn wir sind der Überzeugung, dass der Mensch gerecht wird durch Glauben, unabhängig von den Werken des Gesetzes". Dem widerspricht der Jakobusbrief: "Meine Brüder, was nützt es, wenn einer sagt, er habe Glauben, aber es fehlen ihm die Werke? Kann etwa der Glaube ihn retten?". Was also stimmt jetzt?
Der urchristliche Autor des Jakobusbriefs und der Apostel Paulus verbinden andere Erfahrungen mit dem Wort "Gesetz". Zwar nennt der Apostel als guter Judenchrist das Gesetz "heilig", beschreibt aber gleichzeitig, wie er selber daran fast zerbrach, dass er es mit seinen Werken nie erfüllen konnte. Es brachte ihn zum Scheitern und zum Verzweifeln. Schließlich durfte er erkennen, dass es nicht sein wütender Perfektionismus war, der ihn Gott näher brachte, sondern - sein Vertrauen. Das war seine Lebenswende. Seither verkündete er die Botschaft vom heilenden, lebensspendenden Vertrauen, vom Glauben, wie ihn Jesus hatte.
Der Verfasser des Jakobusbriefs steht mit seiner Auffassung vom Gesetz eher der Bergpredigt nahe. Für ihn ist es keine bedrohliche, unerfüllbare Vorgabe, sondern eine lebensspendende Leitlinie. Daher spricht er gern vom "Gesetz der Freiheit" (Jak 1,25; 2,12). Wer sich daran entlang hantelt, tastet sich in die Freiheit hinaus und ins "Reich Gottes" hier auf Erden hinein. Wer sich von den Ideen des "Gesetzes der Freiheit" anregen lässt, macht durch seine Werke Gott in der Welt lebendig spürbar. Er erlebt in seinem Tun Freiheit und die anderen mit ihm. Daher betont der Jakobusbrief, dass ihm der Glaube für sich allein zu wenig ist, weil er seine revolutionäre Kraft erst entfaltet, wenn er täglich im Leben Wirklichkeit werden kann.
Wer also hat Recht? Wir können von Glück sagen, dass die Alte Kirche in dieser Hinsicht weniger dogmatisch dachte als wir heute. Noch um 400 n. Chr., als man entschied, welche Bücher nun endgültig zum Neuen Testament dazugehören sollten, fand man, dass beide Erfahrungen wahr und berechtigt seien. Also ließ man sie beide unkommentiert nebeneinander stehen. Im Neuen Testament ist Raum für alle: für die, die Lebensregeln als Stütze und als Übungsweg erfahren. Und für die, denen sie zum engen Korsett geworden sind, das ihnen den Lebensatem einschnürt.
Nachdem an den letzten Sonntagen die zweite Lesung jeweils ein Stück aus dem Epheserbrief zum Inhalt hatte, beginnt mit dem 22. Sonntag im Jahreskreis ein neuer Zyklus, der sich dem Jakobusbrief widmet.
Diese neutestamentliche Schrift wurde nach heutigem Forschungsstand in der Zeit zwischen 70 und 90 n. Chr. geschrieben und war vermutlich an Christen in Syrien und Palästina gerichtet. Wer den Brief verfaßte, kann nicht mehr gesagt werden. Sowohl der "Herrenbruder" Jakobus (gestorben um 62 n. Chr.) als auch der Apostel Jakobus (hingerichtet um 44 n. Chr.) kommen für die angenommene Abfassungszeit nicht mehr in Frage.
Unser aus einigen Stücken des ersten Kapitels patchworkmäßig zusammengestellter Lesungstext läßt das zentrale Anliegen des Jakobusbriefes bereits deutlich werden, die Notwendigkeit einer tatkräftigen Verwirklichung des Glaubens an Jesus Christus. Der Hörer des Wortes Gottes soll zugleich dessen "Täter" sein. Weil Christinnen und Christen "durch das Wort der Wahrheit geboren" sind (Vers 18), also ihnen geoffenbart wurde, wer Gott ist und wie Gott zum Menschen steht, weil sie sich zudem als "Erstlingsfrucht der Schöpfung" verstehen (ebd.), d.h. als Gabe, die ganz Gott gehört, sind sie aufgefordert, ein Leben nach dem Willen Gottes zu führen. Der Einsatz für Notleidende ist dann ebenso konsequent wie das Sich-Bewahren "vor jeder Befleckung der Welt", womit wohl Ausschweifungen verschiedener Art wie Selbstgerechtigkeit, Haß, Neid, Vermessenheit, Genußsucht, etc. gemeint sind (Vers 27).
2. Lesung (ungekürzte Fassung) - Jak 1,17-27
Lesung aus dem Jakobusbrief.
Meine geliebten Schwestern und Brüder!
Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk
kommt von oben herab,
vom Vater der Gestirne,
bei dem es keine Veränderung oder Verfinsterung gibt.
Aus freiem Willen
hat er uns durch das Wort der Wahrheit geboren,
damit wir eine Erstlingsfrucht seiner Schöpfung seien.
Wisset, meine geliebten Brüder und Schwestern:
Jeder Mensch sei schnell zum Hören,
langsam zum Reden,
langsam zum Zorn;
denn der Zorn eines Mannes
schafft keine Gerechtigkeit vor Gott.
Darum legt alles Schmutzige und die viele Bosheit ab
und nehmt in Sanftmut das Wort an,
Nehmt in Sanftmut das Wort an,
das in euch eingepflanzt worden ist
und die Macht hat, euch zu retten!
Werdet aber Täter des Wortes
und nicht nur Hörer,
sonst betrügt ihr euch selbst!
Ein reiner und makelloser Gottesdienst ist es
vor Gott, dem Vater:
für Waisen und Witwen in ihrer Not zu sorgen
und sich unbefleckt von der Welt zu bewahren.
Ruf vor dem Evangelium - Jak 1,18
Halleluja. Halleluja.
Durch das Wort der Wahrheit hat uns der Vater das Leben geschenkt
und uns zu Erstlingen seiner Schöpfung gemacht.
Halleluja.
Evangelium - Mk 7,1-8. 14-15. 21-23
Aus dem heiligen Evangelium nach Markus.
In jener Zeit
versammelten sich die Pharisäer
und einige Schriftgelehrte,
die aus Jerusalem gekommen waren,
bei Jesus.
Sie sahen, dass einige seiner Jünger ihr Brot
mit unreinen, das heißt mit ungewaschenen Händen aßen.
Die Pharisäer essen nämlich wie alle Juden nur,
wenn sie vorher mit einer Handvoll Wasser
die Hände gewaschen haben;
so halten sie an der Überlieferung der Alten fest.
Auch wenn sie vom Markt kommen,
essen sie nicht, ohne sich vorher zu waschen.
Noch viele andere überlieferte Vorschriften halten sie ein,
wie das Abspülen von Bechern, Krügen und Kesseln.
Die Pharisäer und die Schriftgelehrten fragten ihn also:
Warum halten sich deine Jünger
nicht an die Überlieferung der Alten,
sondern essen ihr Brot mit unreinen Händen?
Er antwortete ihnen: Der Prophet Jesája hatte Recht
mit dem, was er über euch Heuchler sagte,
wie geschrieben steht:
Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen,
sein Herz aber ist weit weg von mir.
Vergeblich verehren sie mich;
was sie lehren, sind Satzungen von Menschen.
Ihr gebt Gottes Gebot preis
und haltet euch an die Überlieferung der Menschen.
Dann rief Jesus die Leute wieder zu sich
und sagte: Hört mir alle zu
und begreift, was ich sage!
Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt,
kann ihn unrein machen,
sondern was aus dem Menschen herauskommt,
das macht ihn unrein.
Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen,
kommen die bösen Gedanken,
Unzucht, Diebstahl, Mord,
Ehebruch, Habgier, Bosheit,
Hinterlist, Ausschweifung,
Neid, Lästerung, Hochmut und Unvernunft.
All dieses Böse kommt von innen
und macht den Menschen unrein.
(Lektionar 2018 ff. © 2024 staeko.net)
Norbert Riebartsch (2015)
Antonia Keßelring (2003)
Martin Leitgöb (1997)
Wie bei der Lesung aus dem Jakobusbrief eine Stückelung verschiedener Passagen. So sehr die Erfüllung des Gesetzes angemahnt wird, hat sie ihre Grenzen, die Jesus aufzeigt.
Bewahrung ohne den Sinn dahinter ist keine Bewahrung.
Reinheit ist ein wichtiges Wort: Was ist rein? Was bewirkt Reinheit? Was macht Reinheit unmöglich?
Mit Mk 7,14 (Jesus rief die Menge zu sich) wird noch eine Verstärkung der folgenden Verse vorgenommen. Wenn Jesus bewusst zu allen sprechen will, muss es viel Gewicht haben.
Die Perikope leitet im Markusevangelium zu einer ganzen Reihe von Erzählungen über, in denen sich Jesus mit der Berufung der Heiden auseinandersetzt und sich gleichzeitig scharf von den Pharisäern und den Schriftgelehrten seines Volkes abgrenzt. Der Verfasser des Evangeliums ist Heidenchrist und schreibt für eine Gemeinde von Heidenchristen. Daher haben er und seine Gemeinde an der Klärung dieser Fragen ein besonderes Interesse: Sind sie, die früher Heiden waren und das jüdische Gesetz nicht kennen, gegenüber den Judenchristen so etwas wie "Christen zweiter Klasse"?
Wer sind nun diese Pharisäer und Schriftgelehrten? Das Judentum zur Zeit Jesu war eine vielfältige religiöse Landschaft, in der es so ziemlich alles gab. Eines war allen gemeinsam: Im Zentrum des Glaubens stand der Tempel in Jerusalem. Das ist nicht nur bildlich gemeint, sondern ganz handfest: An hohen Festtagen war er das Ziel von jüdischen Wallfahrern aus dem ganzen Mittelmeerraum. Dort brachte man seine Opfer dar. Unter der römischen Fremdherrschaft war der Tempel ein Symbol für die Identität des Judentums.
Davon rückt nun die Erneuerungsbewegung der Pharisäer ein wenig ab und legt mehr Gewicht auf die Einhaltung der religiösen und sozialen Gesetzesvorschriften aus dem Alten Testament. Dabei geht es ihnen keineswegs um Kadavergehorsam: Stundenlang debattieren und streiten Vertreter verschiedener pharisäischer Schulen heftig über die Auslegung einzelner Vorschriften. Welche Weisungen sind unbedingt einzuhalten? Welche sind zweitrangig? Wann kann welches Gesetz außer Acht gelassen werden? Welches ist das überhaupt das oberste Gebot, nach welchem sich alle anderen beurteilen lassen müssen?
Auch Jesus setzt sich mit diesen Fragen auseinander. Seine Haltung gegenüber dem jüdischen Gesetz ist eine sehr pharisäische, egal, was später behauptet worden sein mag. Über Gebote darf emotional und ausufernd diskutiert werden, und auch Jesus bezieht Stellung und verteidigt sie vehement. So debattiert er in Mk 12,28-34 darüber, welches das höchste Gebot sei - und stößt dabei auf große Zustimmung eines Schriftgelehrten! Ein anderes Beispiel ist die vorliegende Perikope, in der es um die Einhaltung bestimmter Speisevorschriften geht. Dass Jesus mit den Pharisäern über die Tora streitet, ist also kein Zeichen von Feindschaft, sondern zeigt eher, wieviel er mit ihnen gemeinsam hat.
Was sie trennt, liegt auf einer ganz anderen Ebene. Die Pharisäer sind stark um ihre rituelle Reinheit bemüht. Sie achten darauf, keine Speisegebote oder andere kultische Gebote zu verletzen, wie z. B. das Fasten an bestimmten Tagen und die Beschneidung. Solche rituellen Vorschriften, die es in jeder Religion gibt, regeln nicht das menschliche Zusammenleben, sondern dienen dazu, die religiöse Identität zu erhalten: Wer diese Regeln, die oft von außen gar nicht einsichtig sind, befolgt, unterscheidet sich von den anderen und bekennt sich als Angehöriger der jüdischen / christlichen / hinduistischen Religion. Für eine kleine religiöse Gruppe inmitten einer übermächtigen, viel eindrucksvolleren fremden Kultur helfen diese Vorschriften, sich von den anderen Religionen abzugrenzen. In dieser Situation war das Judentum im Alten Orient seit jeher und ist es auch noch zur Zeit Jesu. Daher sind diese rituellen Gebote keine lächerliche Fleißaufgabe, sondern garantieren das Überleben des Judentums und der Jahwereligion in der überlegenen hellenistischen Kultur.
Die Pharisäer sind also auf Reinheit bedacht. Das heißt auch, dass sie sich streng unterscheiden und abgrenzen wollen, und zwar nicht nur von den Andersgläubigen (den Heiden), sondern auch von Juden, die sich durch ihre Lebensführung "unrein" gemacht haben: Zöllner, Dirnen, Diebe, Aussätzige und Sünder im allgemeinen. Von diesen Menschen halten sie sich fern, weil sie diese Unreinheit für ansteckend halten: Die Berührung mit diesen "Outcasts" macht unrein.
Darin unterscheidet sich Jesus nun radikal von den Pharisäern. Er lebt ohne diese Trennlinie und kennt keine Berührungsängste. Wie wir aus der vorliegenden Perikope erfahren, hängt das damit zusammen, dass er neu interpretiert, was man unter rein und unrein zu verstehen hat. Aus anderen Bibelstellen erfahren wir: Die Lauterkeit, die Jesus gerade im Umgang mit den "unreinen" Ausgestoßenen an den Tag legt, befreit und verändert diese. Sie wirkt ansteckend. Und sie holt sie alle herein: Juden und Heiden, Pharisäer und Zöllner.
Nachdem an den letzten Sonntagen in mehreren Schüben die sogenannte Brotrede aus dem Johannesevangelium (Joh 6) im Mittelpunkt stand, ist der Text des Evangeliums dieses Sonntags nun wieder dem Markusevangelium, der Hauptschrift des Lesejahres B, entnommen, wobei sich die uns vorliegende Perikope aus drei zwar thematisch einheitlichen, aber nicht im Textfluß zusammenhängenden Stellen des siebten Kapitels zusammenfügt.
Das Thema unserer Perikope ist dem Grundduktus nach die Auseinandersetzung Jesu zur Problematik "rein und unrein", eine Problematik, die stark auf dem Hintergrund des jüdischen Lebens zur Zeit Jesu beruht, weshalb sie der Evangelist in den Versen 3 - 5 mit Erläuterungen ein wenig besser verständlich zu machen versucht. Nicht das, was der Mensch an äußeren Vorschriften und Geboten zu erfüllen trachtet, macht ihn rein oder unrein, sondern seine innere Einstellung ("das Herz"), auf der die Handlungen beruhen. Ein kleinkrämerisches, ängstliches, objektivistisches Sündenverständnis wird damit abgelehnt. Das Gesetz Gottes ist als lebensfördernd zu verstehen, nicht als Belastung.
Evangelium (ungekürzte Fassung) - Mk 7,1-23
Aus dem heiligen Evangelium nach Markus.
In jener Zeit
versammelten sich die Pharisäer
und einige Schriftgelehrte,
die aus Jerusalem gekommen waren,
bei Jesus.
Sie sahen, dass einige seiner Jünger ihr Brot
mit unreinen, das heißt mit ungewaschenen Händen aßen.
Die Pharisäer essen nämlich wie alle Juden nur,
wenn sie vorher mit einer Handvoll Wasser
die Hände gewaschen haben;
so halten sie an der Überlieferung der Alten fest.
Auch wenn sie vom Markt kommen,
essen sie nicht, ohne sich vorher zu waschen.
Noch viele andere überlieferte Vorschriften halten sie ein,
wie das Abspülen von Bechern, Krügen und Kesseln.
Die Pharisäer und die Schriftgelehrten fragten ihn also:
Warum halten sich deine Jünger
nicht an die Überlieferung der Alten,
sondern essen ihr Brot mit unreinen Händen?
Er antwortete ihnen: Der Prophet Jesája hatte Recht
mit dem, was er über euch Heuchler sagte,
wie geschrieben steht:
Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen,
sein Herz aber ist weit weg von mir.
Vergeblich verehren sie mich;
was sie lehren, sind Satzungen von Menschen.
Ihr gebt Gottes Gebot preis
und haltet euch an die Überlieferung der Menschen.
Und weiter sagte Jesus:
Sehr geschickt setzt ihr Gottes Gebot außer Kraft,
um eure eigene Überlieferung aufzurichten.
Denn Mose hat gesagt:
Ehre deinen Vater und deine Mutter!
und: Wer Vater oder Mutter schmäht,
soll mit dem Tod bestraft werden.
Ihr aber lehrt:
Wenn einer zu seinem Vater oder seiner Mutter sagt:
Korbán - das heißt: Weihgeschenk sei,
was du von mir als Unterstützung erhalten solltest - ,
dann lasst ihr ihn nichts mehr für Vater oder Mutter tun.
So setzt ihr durch eure eigene Überlieferung
Gottes Wort außer Kraft.
Und ähnlich handelt ihr in vielen Fällen.
Dann rief Jesus die Leute wieder zu sich
und sagte: Hört mir alle zu
und begreift, was ich sage!
Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt,
kann ihn unrein machen,
sondern was aus dem Menschen herauskommt,
das macht ihn unrein.
Er verließ die Menge und ging in ein Haus.
Da fragten ihn seine Jünger nach dem Sinn
dieses rätselhaften Wortes.
Er antwortete ihnen: Begreift auch ihr nicht?
Versteht ihr nicht, dass das,
was von außen in den Menschen hineinkommt,
ihn nicht unrein machen kann?
Denn es gelangt ja nicht in sein Herz,
sondern in den Magen
und wird wieder ausgeschieden.
Damit erklärte Jesus alle Speisen für rein.
Weiter sagte er:
Was aus dem Menschen herauskommt,
das macht ihn unrein.
Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen,
kommen die bösen Gedanken,
Unzucht, Diebstahl, Mord,
Ehebruch, Habgier, Bosheit,
Hinterlist, Ausschweifung,
Neid, Lästerung, Hochmut und Unvernunft.
All dieses Böse kommt von innen
und macht den Menschen unrein.
Mit ganzem Herzen das Wohl aller im Sinn haben
Ängste im Alltag
Die heutigen biblischen Texte erinnern mich an den Schriftsteller und Autor Franz Kafka, dessen hundertsten Todestag wir in diesem Jahr begehen. Im Genaueren an seine Parabel „Vor dem Gesetz“. Darin geht es um das verzweifelte Bitten eines Mannes, um den Einlass zum Gesetz, welches von einem Türhüter verhindert wird mit der Begründung, dass nach ihm noch viel mächtigere Türhüter kämen. Letztendlich lässt sich der Mann bereits durch das Zeugnis des ersten Türhüters aufhalten und verbringt aus Angst vor all dem, was nachher kommen könnte, den Rest seines Lebens vor der Tür zum Gesetz, obwohl er die anderen nicht einmal gesehen hat und nur aufgrund des Zeugnisses des Ersten nicht weiter eintreten will. Am Ende stirbt er als gebrochener Mann, ohne einen weiteren Schritt getan zu haben.
Solche Ängste kennen wir nur zu gut, denn auch wir sind ihnen täglich ausgesetzt. Bei uns geht es etwa um die Angst vor Gewalt und Terror, um die Angst, zu viel oder zu wenig zu tun, oder um die Angst vor der Zukunft. Wie auch bei dem Mann aus Kafkas Werk. Er hat lediglich Angst vor dem, was kommt bzw. kommen könnte. Letztendlich mündet diese kleine Angst in eine Phobie, die einen selbst und das Leben lähmt oder gar handlungsunfähig macht. Nicht selten versuchen wir, sie zu überspielen, anstatt Dinge in Angriff zu nehmen und zu bewältigen, denn dies kostet oft große Anstrengung und lässt die Option zu versagen offen. Oftmals aber – so sehen wir an dieser kleinen Geschichte – müssten wir unsere Ängste einfach zulassen und dagegen ankämpfen, denn die Probleme scheinen oft größer als sie wirklich sind.
Gesetz und Freiheit
Auch die Pharisäer im heutigen Evangelium kann man mit dem Mann vor dem Gesetz vergleichen. Anstatt dem Blick auf die wesentlichen Dinge zu lenken, geben sie sich mit dem äußeren Schein zufrieden. Die aus unserer heutigen christlichen Sicht oft profan erscheinenden Speise- und Essvorschriften hatten zur Zeit Jesu für viele Juden wichtige Bedeutung. Jesus hingegen widerspricht den Juden, denn ihm geht es vorrangig nicht um irgendwelche Gesetze und Vorschriften, wie man sich wäscht oder wie man isst. Ihm geht es darum, dass all das, was von innen vom Menschen kommt, rein sein soll, dass wir unser ganzes Herz nach Gott ausrichten und als gläubige Menschen nach seiner Botschaft leben.
Oder einfacher gesagt: Das Gesetz ist gut, aber es gilt nicht Gott gegenüber. Seine Gebote und Satzungen betreffen das Lebensnotwendige, die Fragen, die für das Überleben des Menschen wichtig sind. Die Frage nach genug zu essen und zu trinken, die Frage nach Freiheit, nach Frieden usw. Somit wird deutlich: Auf essentielle Fragen des Lebens mit dem Gesetz zu antworten, ist nur bedingt eine Lösung. Damals wie heute!
Es braucht Gott, der uns die Richtung weist, damit wir nicht nur Gutes denken, sondern auch Gutes wollen und es letzten Endes auch tun. Wenn wir das erkennen, dann kann auch unser persönliches Inneres rein werden, fernab von bösen Gedanken.
Der gerechte Gott Israels
Die erste Lesung aus dem Buch Deuteronomium bekräftigt das vor dem Volk Israel, worauf auch der Text aus dem Markusevangelium hinauswill. Mose zeigt hier Gott als den Gerechten, der durch seine Gebote, die Menschen nicht einschränken will. Gott hat dem Volk die Vorschriften zum Schutz, zum Wohl und zum Heil gegeben. In ihnen drückt sich einerseits die enge Verbindung zwischen Gott und den Menschen aus und andererseits regeln sie das Zusammenleben zwischen allen Menschen. Hier wird erkennbar: Diese Gesetze sind gerecht und Gott offenbart sich als der, der seinem Volk grenzenlose Freiheit schenkt.
Aber - halt! Wie passt das zusammen? Gesetze, die den Menschen einschränken, sollen die Israeliten als Zusage zur Freiheit verstehen? Ja, so ist es! Der Mensch weiß mit seiner Freiheit nur etwas anzufangen, wenn er gewissen Regeln unterstellt ist. Nur so kann menschliches Zusammenleben gelingen.
Mit ganzem Herzen
Wieder stellt sich die Frage: Wie ist das bei uns? Gesetze und Regeln werden bei uns oft als lästige Einschränkung der Freiheit empfunden. Auf den ersten Blick ist dies auch verständlich, denn meist gibt es nur zwei Optionen: Entweder ich halte mich an die Regel oder ich missachte sie. Ob ich z. B. im Ortsgebiet die vorgeschriebenen 50 Stundenkilometer einhalte oder ob ich mit überhöhter Geschwindigkeit durch die Stadt rase mit dem gesteigerten Risiko, dass ich dabei jemanden übersehe.
Wie das Volk Israel sollten auch wir uns bewusst bleiben, wofür die Gesetze da sind: für das Wohl der Allgemeinheit und für den Schutz jedes einzelnen von uns. Beim Einhalten der Gesetze geht es auch für nicht um das Aufrechterhalten einer Fassade, sondern dass wir das Wohl und den Schutz aller auch verinnerlicht haben und von Herzen verfolgen. Jesus sieht nicht auf unsere Fassade, sondern er kennt auch unser tiefstes Inneres, unser Herz.
Wie etwas gut wird
Jede Menge Gesetze und Vorschriften
Die Zahl der Gesetze wird immer größer. Kaum jemand hat den Überblick über alle Normen und Rechtsvorschriften, die in einem Staat gelten. Juristen verdienen gutes Geld damit, dass sie den einfachen Staatsbürgern ihre Hilfe, ihren Rat und ihren Rechtsbeistand anbieten. Gesetze sind überall notwendig, wo Menschen zusammenleben. Wo sie nicht festgeschrieben sind, gelten "ungeschriebene Gesetze", Gewohnheiten oder Bräuche, die von allen einzuhalten sind, die dazugehören wollen.
Nicht alle Mitglieder einer Gesellschaft haben ihre Freude daran. Immer wieder meinen einzelne, über dem Gesetz zu stehen und sich nicht darum kümmern zu müssen. Dazu kommen noch alle jene, deren Rechtsempfinden einfach gesagt "unterentwickelt" ist.
Stufen der moralischen Entwicklung
Lawrence Kohlberg, ein US-amerikanischer Erziehungswissenschaftler hat dazu eine weithin anerkannte Theorie über Stufen des moralischen Lernens aufgestellt. Was bringt Menschen dazu, dass sie Vorschriften und Gesetze einhalten? Die Fähigkeit dazu entwickeln sie erst nach und nach. Diese verläuft nach Kohlberg in 6 Stufen.
Kleinkinder befolgen Regeln aus Angst vor Bestrafung wie z.B. Liebesentzug. Sie haben noch keine Einsicht, warum sie so handeln sollen, wie die Eltern ihnen vorgeben.
Etwa im Grundschulalter lernen sie dann, dass auch andere Menschen die gleichen Bedürfnisse haben wie sie selbst. Sie verhalten sich nun zusätzlich nach dem Grundsatz "do ut des" (lateinisch: "gib etwas, dann wirst du auch etwas dafür bekommen".)
Im frühen Jugendalter lassen sich Jugendliche von den Erwartungen einer Gruppe motivieren. Sie legen Wert darauf als "good boy – good girl" wahrgenommen zu werden.
Erst im Jugendalter beginnen sie zu verstehen, dass eine Gesellschaft nur gut funktionieren kann, wenn sich jeder und jede an die geltenden Gesetze hält.
Im Erwachsenenalter werden gesellschaftliche Normen nicht bloß befolgt, sondern auch hinterfragt, ob sie gerecht und dem einzelnen dienlich sind.
Nur wenige Menschen wachsen noch darüber hinaus und suchen Einsicht in allgemein gültige ethische Prinzipien wie etwa die "Goldenen Regel" oder dem "kategorischen Imperativ" eines Immanuel Kant.
Jeder Mensch muss diese Stufen durchlaufen. Die jeweils nächste baut auf die vorherige auf. Nicht jeder erreicht auch die höheren Stufen. Manche bleiben auf niedrigeren Stufen stehen und halten z.B. nach wie vor eine Regel nur aus Angst vor einer Bestrafung ein. Nicht wenige haben mit der Einsicht in die Notwendigkeit von Gesetzen den Zenit ihrer persönlichen moralischen Entwicklung erreicht. Sie fragen nicht mehr nach dem tieferen Sinn einer Vorschrift, sondern zeichnen sich durch ein unhinterfragtes Ordnungs- und Pflichtbewusstsein aus. Dies verlangen sie auch von den anderen. Ihr Prinzip lautet "Gesetz ist Gesetz".
Autoritäre Systeme wie auch religiös-fundamentalistische Gruppierungen machen sich diese Einstellung zunutze und verhindern weiteres darüber Nachdenken. Diese sind meist nicht daran interessiert, dass ihre Mitglieder über ein "Gesetz ist Gesetz"-Bewusstsein hinauswachsen. Persönliche Verantwortung übernehmen oder eine persönliche Gewissensentscheidung treffen kann jedoch nur jemand, der fähig geworden ist, sich mit dem tieferen Sinn von Gesetzen auseinanderzusetzen.
Auf die Motive kommt es an
Diese psychologische und erziehungswissenschaftliche Betrachtungsweise zeigt, dass neben dem juristischen Blick auf Gesetze und der Frage, was ist erlaubt und was ist verboten, noch eine zweite Sichtweise wichtig ist: Was motiviert einen Menschen, Regeln und Gesetze einzuhalten?
Darauf laufen auch die Auseinandersetzungen Jesu mit den Pharisäern und Schriftgelehrten hinaus. Für ihn ist entscheidend, was sich im Herzen der Menschen abspielt. Erst dadurch wird etwas "rein" oder "unrein", erst dadurch wird eine Handlung gut oder böse. "Aus dem Herzen der Menschen kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid. Lästerung, Hochmut und Unvernunft", haben wir im Evangelium gehört. Der Vollständigkeit halber müssten wir dieser Liste eine Liste der guten Gedanken und Motive gegenüberstellen: z.B. die Liebe in allen Facetten wie Gottes- und Nächstenliebe, Gerechtigkeitssinn, Barmherzigkeit und andere mehr.
"Rein" und "unrein" sind für uns heute wieder zu hygienischen Begriffen geworden, was sie von Anfang an waren. In der religiösen Praxis der meisten Christen spielen sie kaum mehr eine Rolle. Ich selbst erlebte noch eine Zeit, in der man mit einer undifferenzierten Spiritualität des "reinen Herzens" Menschen geplagt, überfordert und verstört hat.
Aber auch "gut" und "böse" lassen sich nicht einfach voneinander unterscheiden. "Gut gemeint" ist meist das Gegenteil von gut.
Um herauszufinden, was letztendlich als gut und was als böse zu bewerten ist, braucht es einen intensiven gesellschaftlichen Diskurs. Dieser findet auf mehreren Ebenen statt: In den traditionellen wie auch den neuen Medien, in der Erziehung, in der Wissenschaft und nicht zuletzt in der religiösen Praxis. Es ist wichtig, dass wir uns als Christen in diesen Diskurs einbringen und zur Sprache bringen, was uns wichtig und wertvoll ist. In diesem Dialog bringen wir nach außen, was uns im Innersten bewegt.
Gutes und Böses in den Menschen und in uns selbst
Was macht den Menschen aus?
Was macht den Menschen aus? - Etwa sein Gewicht? Seine Stellung? Sein Beruf? Sein privates Glück? Oder?
Folgende Worte aus den heutigen Lesungen leiten mich bei der Frage, was den Menschen ausmacht. Das Wort Jesu im Evangelium: „von innen, aus dem Herzen des Menschen kommen die bösen Gedanken“ (Mk 7,21). Und Worte aus dem Jakobusbrief: „Werdet Täter des Wortes und nicht nur Hörer“ (Jak 1,22). Besonders: „Aus freiem Willen hat er (Gott) uns durch das Wort der Wahrheit geboren“ (Jak 1,18). Und: „Nehmt in Sanftmut (das heißt bereitwillig) das Wort an, das in euch eingepflanzt worden ist“ (Jak 1,21b).
Also erstens: Das Böse kommt von innen, „aus dem Herzen“ – aber auch das Gute! Was macht den Menschen aus? Sein Inneres, sein Herz!
Zweitens: „Werdet Täter des Wortes und nicht nur Hörer.“ Was den Menschen ausmacht, ist sein Handeln und was sich in seinem Handeln zeigt: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen!“
Was macht den Menschen aus? Die dritte Antwort: „Das Wort, das in euch eingepflanzt worden ist!“ Also das, was Gott in den Menschen hineingelegt hat, „eingepflanzt“ ist und die Macht hat, sich zu entfalten! Gott wird in diesem Zusammenhang „der Vater der Gestirne“ genannt: ein Hinweis auf seine Größe und seine Verlässlichkeit! Was von ihm kommt, was aus ihm herauskommt, aus seinem Herzen, gilt! Es ist keine Tageslaune. Dieser Gott, aus dessen Innerem das Wahre, das Verlässliche kommt, „hat uns durch das Wort der Wahrheit geboren“. Dass Jesus das Wort Gottes ist und daher die Wahrheit, ist uns vermutlich geläufig, aber da heißt es ja: „Er hat uns durch das Wort der Wahrheit geboren“. Also: ich bin durch ihn. Unser Inneres, unser wahres und tiefstes Sein ist sein Wort. Mich gibt es, dich gibt es „durch das Wort der Wahrheit“. So bin ich und so bist du ein Wort im Wort der Wahrheit. Wir sind Worte Gottes im WORT des Vaters. Jeder und jede von uns ist im Wort Gottes, das in Jesus Fleisch geworden ist, ein Wort Gottes! Was macht mich als den Menschen, der ich bin, zutiefst aus? Das Wort, das Gott in mir und durch mich zur Sprache bringt.
Rätselhafte Herkunft des Bösen
Warum kann dann – siehe Evangelium – aus dem Inneren auch Böses kommen? Weil auch Ungutes hineingerät, im Bild der verschiedenen Ackerfelder: das, was der Feind hinzu sät. Ja, es gibt auch in uns das Unkraut und Unkraut hat es in sich zu wuchern. Doch wir dürfen uns sagen: Das bin ich nicht! Ich habe nämlich die Fähigkeit, mich vom Unkraut zu distanzieren, z.B. im Bekenntnis vor Gott, in Reue und dem Vorsatz, es anders zu machen - und in der inneren Klärung dessen, was mich dabei zutiefst bewegt.
Ein Beispiel für das, was ich meine: Ich rege mich über das Verhalten eines anderen Menschen so richtig auf. Das Falsche daran kann sein, dass ich mich über den anderen erhebe und mit seinem nicht richtigen Verhalten seine Person mitverurteile. Das ist zu bereinigen. Aber ich kann weiterfragen: Was ist denn das, was mich da so aufregt? Ich kann zur Erkenntnis kommen: Die Aufregung ist Ausdruck dafür, dass ich mich von einem solchen Verhalten abgrenze, also ein scharfer Ausdruck meiner inneren Abgrenzung. Ich darf auch das Gute darin wahrnehmen und mir zugestehen, dass ich Nicht-Richtiges wahrnehmen kann und ablehne. Bei all dem ist es wichtig, das Herz immer wieder hineinzuhalten in die reinigende Gegenwart des Herrn.
Arbeiten an sich selbst
Solches Arbeiten an sich selbst erfolgt wie in einer inneren Werkstatt. Was du in der inneren Werkstatt, also in dir klärst, wird sich positiv nach außen auswirken! Menschen, die sich in solcher Weise innerlich auseinandergesetzt haben, können gut bei sich sein, von innen her gesammelt und dann klar, in guter Weise, dem begegnen, was auf sie zukommt. Sie handeln aus einem geklärten Inneren: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen!“.
Was macht mich als den Menschen, der ich bin, zutiefst aus? Das Wort, das Gott durch mich zur Sprache bringt! Das ist eine gediegene Basis, von der aus ich mich immer wieder klären kann. „Aus freiem Willen hat er uns durch das Wort der Wahrheit geboren.“ „Aus freiem Willen“: Es ist der freie Wille dessen, der uns mit ewiger Liebe geliebt hat: Wir sind gewollt, in Liebe gewollt. Ich kann also Gott sagen: Du hast mich gewollt und du willst dich durch mich - auch durch mich - aussprechen.
Eucharistische Verwandlung
In der Eucharistiefeier teilt sich uns das Wort, das Fleisch geworden, ja Brot und Wein geworden ist, mit. Wir sind eingeladen, uns neu mit ihm zu vereinen, um zusammen mit ihm, dem Wort, das in uns hineingelegte Wort, das mich als den Menschen, der ich bin, ausmacht, auszubuchstabieren. Was den Menschen ausmacht, ist sein Inneres, sein Herz. Dieses Innere muss mit seinem Handeln, mit seinem Verhalten übereinstimmen. Darum: „Nehmt das Wort an, das in euch eingepflanzt worden ist.“ Nehmt es bereitwillig an und lebt es!
Was unser Leben versaut und was es heilt und heiligt
Ein weises und verständiges Volk!
Kann man eigentlich in der Zeitung lesen oder im Fernsehen sehen, dass wir ein weises und verständiges Volk sind? Überraschend klingt das aus der alttestamentlichen Lesung herüber. „Ei, was sind das für weise und verständige Leute, ein herrliches Volk!“ Ein Zitat, freilich. Den anderen Völkern in den Mund gelegt. Die sagen das, wir hören das. Die sollen das sagen können, wir sollen das hören. Ob das damals so war, als es das alte Israel noch gab? Ich weiß nicht so recht, was ich damit machen soll, was ich glauben kann.
Ein verwegener Mut spricht allerdings aus diesen Worten: Wenn wir nach Gottes Wort leben, sieht es die ganze Welt. Und staunt! Ein großes Staunen ist in der Welt. Wir müssen nicht alles lesen, auch nicht alles verstehen, was in diesem alten Buch überliefert wird, aber das überrascht dann doch. Es gibt Liebe in der Welt! Barmherzigkeit, die Wunder wirkt! Ein Vertrauen, das alles verändert! „Und nun höre, Israel, die Gebote und Rechte, die ich euch lehre, dass ihr sie tun sollt!“ So spricht Gott. So verheißt Gott Leben und Zukunft. So lässt Gott sich auf Menschen, auf uns ein.
Sind wir ein weises und verständiges Volk?
Aber wir lesen in der Zeitung etwas anderes und im Fernsehen sehen wir etwas anderes. Da rotten sich Menschen zusammen, wie Wogen gehen ihre Worte über andere Menschen her und schließlich werden Menschen gejagt. Ein weises und verständiges Volk? Im Ausland wird darüber berichtet. Nur kurz sind die einzelnen Informationen, die verbreitet werden. Bilder werden geschnitten. Das Unheil der Welt lässt sich im Minutentakt erzählen. Eine Nachrichtensendung reicht nicht aus. Eine Nachrichtensendung reichte noch nie aus. Aber es gibt kein Staunen. Viele Menschen haben längst abgeschaltet.
Liebe ist für den Schlager, Barmherzigkeit für die Unverbesserlichen und Vertrauen für die Dummen. Wir rechnen nicht mehr damit, dass die Welt anders sein, anders werden könnte. Es gibt nicht nur kein Stauen, es gibt grenzenlose Angst. Irgendwie schlägt sich jeder Mensch am Ende alleine durchs Leben. Durch den Tod dann auch. Unter den Rissen, die sich auftun, leiden Menschen. Und jeder kann eine eigene Geschichte erzählen. Oder gar viele. Geschichten von der Angst, noch weiter ins Hintertreffen zu geraten, abgehängt zu werden, in einem reichen Land keinen Fuß auf die Erde zu bekommen. Das ist dann die Stunde der Besserwisser, der Hetzer, der Demagogen. Es sind die anderen, die Fremden, die Flüchtlinge, die an allem schuld sind.
Kann ein weises und verständiges Volk mit so einfachen und falschen Antworten leben? Das Staunen wieder lernen? Das Staunen über das schöne Gesicht, in das wir sehen... das Staunen darüber, in fremden Sprachen und Lauten die Sehnsucht einer anderen Welt zu hören... das Staunen, in der Begegnung uns selbst zu entdecken.
Was ist überhaupt ein weises und verständiges Volk?
Gnädige und liebevolle Weisung Gottes
Das Buch Deuteronomium, oder das 5. Buch Mose genannt, schließt die Thora ab, das Buch der gnädigen und liebevollen Weisung Gottes. Für das jüdische Volk ist die Thora bis heute das Evangelium. Vom ersten bis zum letzten Satz erweist sich Gott als der treue Verbündete, der mit seinem Volk, mit Menschen, unterwegs ist. Es gibt auch Streit zwischen ihnen. So, wie es immer auch Streit geben muss, wenn es um Wahrheit und Recht, Gerechtigkeit und Leben geht. Gott legt sein Wort auch nicht in den Schoß, er legt es uns in den Mund. Ins Herz. In die Hände.
Ganz am Anfang des Buches Deuteronomium gibt es eine besondere und auch besonders schöne Szene: „Und ich gebot euren Richtern zur selben Zeit und sprach: Hört eure Brüder an und richtet recht, wenn einer etwas mit seinem Bruder hat oder mit dem Fremdling, der bei ihm ist. Beim Richten sollt ihr die Person nicht ansehen, sondern sollt den Kleinen hören wie den Großen und vor niemand euch scheuen; denn das Gericht ist Gottes. Wird aber euch eine Sache zu schwer sein, die lasst an mich gelangen, damit ich sie höre. So gebot ich euch zu der Zeit alles, was ihr tun sollt“ (Dtn 1,16-18).
Wie alte Worte so aktuell sein können! Wenn wir uns an Gottes Wort halten, bei ihm sozusagen auch in die Schule gehen, werden wir – so die Lesung heute – „als weise und verständig gelten bei allen Völkern.“ Spannend ist, dass mit „allen Völkern“ die ganze Welt als Zeuge angesprochen wird, noch spannender, dass es dieses Zutrauen gibt, weltweit geachtet, angesehen und geliebt zu sein. Zu der Lesung gehört auch ein Satz, den wir heute – schade - nicht vorgelesen haben: „Hüte dich und bewahre deine Seele gut, dass du nicht vergisst, was deine Augen gesehen haben, und dass es nicht aus deinem Herzen gerät dein ganzes Leben lang. Und du sollst deinen Kindern und Enkeln den Tag kundtun, da du vor dem Herrn, deinen Gott, standest...“ (Dtn 4,9). Und dann wird die Geschichte erzählt, von Gott selbst angenommen und geliebt zu sein. Über alle Grenzen, Überlieferungen und Verwerfungen hinaus.
Reine Hände und weiße Westen
Im Evangelium sehen wir Jesus. Er öffnet uns die Augen dafür, wie das Böse aus dem Inneren eines Menschen kommt. Was aus dem Menschen herauskommt, das macht den Menschen unrein: böse Gedanken, Aggression, Missgunst, Hochmut, Unvernunft. Bei Evangelisten Markus ist die Liste noch länger. Aber auf Vollständigkeit kommt es nicht an. Nur auf die Einsicht, hinter die vielen Beobachtungen zu schauen, die wir lesen, hören, sehen. Und dann ungeschminkt wahrzunehmen, was „unrein“ ist. Sprich: was die Welt versaut! Was unser Leben versaut! Was uns die Zukunft versaut!
Im Evangelium, das wir gehört haben, wird in einem Streitgespräch mit Pharisäern und Schriftgelehrten ein neuer Blick gewonnen auf die von Gott geliebte, aber von Menschen entstellte Welt. Mit gewaschenen Händen, weißen Westen und ungetrübtem Blick werden Menschen missbraucht, ausgenutzt und fallengelassen.
Das Thema Missbrauch ist in diesen Tagen wieder lebendig. Papst Franziskus hat in einem langen Schreiben auch den Klerikalismus als unheilvoll beschrieben. Feine Menschen, hochgebildet, geweiht, angesehen, können sich an anderen Menschen vergreifen, sich hinter ihren Rollen verstecken und Macht ausüben, die weder ihnen, noch anderen Menschen je gutgetan hat. Gewaschene, reine Hände werden zum Inbegriff von Zerstörungen und Verletzungen, geheiligte Ordnungen und Riten zum Inbegriff von Verlorenheit und Verlogenheit.
Die Pharisäer und Schriftgelehrten, die uns heute im Evangelium begegnen, tun mir leid. Sie sind vom Evangelisten auch nicht richtig widergegeben. Als das Evangelium aufgeschrieben wurde, trennten sich die Christen von den Juden, die Juden von den Christen. Aus einem Bruderstreit ist eine lange und verhängnisvolle Geschichte geworden. Die Juden wurden dann immer als äußerlich erstarrt und oberflächlich dargestellt und verurteilt, die Christen hingegen schrieben sich die Innerlichkeit zugut. Klar, wer dann verlieren muss, wer als Gewinner hervorgeht. Aber Jesu Wort ist dabei untergegangen, förmlich unter die Räder geraten.
Über gewaschene, reine, saubere Hände müssen wir lange nachdenken, weil uns unter solchen Händen die Welt verreckt. Rüstungsgeschäfte werden mit sauberen Händen abgeschlossen, Hasstiraden mit reinen Händen ins Reine geschrieben, selbst die frömmsten Machtspiele waschen ihre Hände immerfort in Unschuld.
Sich schmutzig machen
Im Jakobusbrief – wir haben ihn vorhin auch gelesen – wird uns als Auftrag und Verheißung anvertraut: „Ein reiner und unbefleckter Gottesdienst vor Gott, dem Vater, ist der: die Waisen und Witwen in ihrer Trübsal besuchen und sich selbst von der Welt unbefleckt halten.“
Die Waisen und Witwen sind stellvertretend für die vielen genannt, die besucht, aufgesucht werden müssen.
Und die Kunst, von der Welt unbefleckt zu bleiben? Das ist dann so schwer nicht mehr:
Liebevolle, gesunde Distanz, das offene Wort, die klare Kante. Schließlich wohnt doch Gott in unserer Mitte. Er, der die Welt geschaffen hat. Er, der aus Liebe den Tod überwunden hat. Er, der mit seinem Geist eine neue Zeit schenkt. Liebe und Barmherzigkeit sind mehr als Chiffren und Symbole. Liebe und Barmherzigkeit verwandeln die Welt. Vielleicht müssen wir uns die Hände schmutzig machen! Schmutzig!
Viele Zeitungen, viele Fernsehsendungen berichten doch tatsächlich, dass es Menschen gibt, die oft einsam und allein, oft auch medienwirksam und laut, für Recht und Gerechtigkeit, für Versöhnung und Freiheit leben. Ich könnte das Staunen auch wieder entdecken. „Denn wo ist so ein herrliches Volk, dem ein Gott so nahe ist wie uns der Herr, unser Gott, sooft wir ihn anrufen.?!“
Überhaupt: als geliebte Welt ist die Welt nicht verloren. Schon gar nicht, verloren zu geben.
Und der Friede Gottes
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.
Gott schaut auf das Herz
Gute Sitten
Die Heilige Schrift ist ein Buch der Glaubens- und Lebenserfahrungen durch Jahrtausende. Dabei werden wir immer wieder mit Alltagssituationen konfrontiert, auch in dieser Stelle des Evangeliums. Es geht um Reinheit und Unreinheit, um Erlebnisse aus dem Alltag, die diesen Gegensatz von Reinheit und Unreinheit deutlich darstellen. Wieder einmal kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen Jesus und den Pharisäern. Ein tiefer Graben in den Anschauungen wird offenbar. Das zeigt sich auch im Gleichnis von der Heilung am Sabbat (Mk 2,23-28). Hier ist das Bibelwort treffend, das auch den Pharisäern gilt: „Sie ehren mich mit den Lippen, ihr Herz aber ist weit weg von mir. Vergeblich verehren sie mich; was sie lehren sind Satzungen von Menschen“ (siehe auch Jes 29,13 u. Mt 15,11).
In diesem Evangelium erleben wir eine Sichtweise, die von außen nach innen geht. Es gehört zum Anstand und auch zur Hygiene, dass man sich mit gereinigten Händen zu Tisch setzt, eben auch ein Ritual der guten Sitten. Die Reinheitsgebote dienen aber auch dazu, Leben zu schützen, Krankheiten fernzuhalten, weil Leben und Gesundheit kostbar sind. Jesus übt Kritik, dass die genaue Befolgung der Gesetze nicht ausreicht, über andere zu urteilen, sie sogar zu verurteilen. Sehr leicht gerät man dabei in eine Gesetzesmaschinerie und, wie es im Text heißt, „ihr gebt Gottes Gebot preis und haltet euch an die Überlieferung der Menschen.“ (Mk 7,8).
Eine hochaktuelle Feststellung, denn das geschieht heute in sehr vielen Fällen und Lebensbereichen genauso. Wir dokumentieren Verhaltensabläufe, schauen, ob formal alles richtig ist, der Mensch in seiner Not, mit seinen Problemen bleibt allein zurück und muss überlegen, wie er ohne Hilfe zurechtkommt. Dann gibt es schon auch Kulanzlösungen oder Personen, die Erbarmen zeigen. Zuvor beginnt aber noch die Suche nach einem Sündenbock, der falsch reagiert, dem man möglichst viel an Versagen und Schuld umzuhängen sucht, um ihn dann als Bösewicht abzuurteilen. Mit dieser Haltung erklärt sich Jesus nicht einverstanden und, wie es im Text heißt „ihr gebt Gottes Gebot preis und haltet euch an die Überlieferung der Menschen.“ (Mk 7,8).
Versteckte Bosheit
Dann erfolgt eine gewaltige Abrechnung, die leider in dieser Textauswahl nur sehr unzureichend zur Sprache kommt, ja dieses Beispiel an Frechheit und Niedertracht seitens der Pharisäer nicht erwähnt wird. Deutlicher kann der Gegensatz gar nicht mehr herauskommen: „Mose hat gesagt: Ehre deinen Vater und deine Mutter! und: Wer Vater oder Mutter schmäht, soll mit dem Tod bestraft werden. (siehe Ex 20,12. 21.17, Lev 20,9). Ihr aber lehrt: Wenn einer zu seinem Vater oder seiner Mutter sagt: Korbán- das heißt: Weihegeschenk sei, was du von mir als Unterstützung erhalten solltest-, dann lasst ihr ihn nichts mehr für Vater oder Mutter tun. So setzt ihr durch eure eigene Überlieferung Gottes Wort außer Kraft.“ Die Pharisäer entziehen dieses Weihegeschenk, diese Opfergabe, die eigentlich den Eltern zusteht und widmen sie um, um ihnen zu sagen: Ich kann euch leider nichts geben. Das wird immer dann passieren, wenn das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern besonders konfliktreich verläuft. Trotzdem haben die Eltern laut Tora, Anspruch auf dieses Geschenk, das ihnen keinesfalls entzogen werden darf. Kinder wollten sich so von jeder Verpflichtung frei machen. Daher ist das Wort, das ihnen Jesus mitgibt, sehr eindringlich, das sogar mit einer Aufforderung beginnt: „Hört mir alle zu und begreift, was ich sage! Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern, was aus den Menschen herauskommt, das macht ihn unrein.“ (Mk 7,14.15). Die innere, oft miserable Einstellung, die noch das Gute vorschiebt, um Böses tun zu können, führt zur Unreinheit auch in geistiger Hinsicht, das ist eine innere Vorgangsweise, die sich nach außen hin zeigt.
Beispiele dieser Art, finden wir auch heute im Umgang miteinander. Hinter freundlichem Lächeln, Komplimenten und Beteuerungen werden Menschen getäuscht und ausgetrickst. „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer“ (Hos 6,6; Mt 9,13; 12,7). Barmherzigkeit, Warmherzigkeit oder Arm-Herzigkeit, also ein Herz für die Armen, für alle, die in Bedrängnis geraten, fordert Jesus ein, nicht kalten Formalismus, genaue Dokumentation von Handlungsabläufen, die sich nach strengen Gesetzen zu richten haben. Im Herzen beginnt das Böse, das Gott von Menschen trennt, das auch untereinander trennt und unrein macht. Das Evangelium zeigt die versteckten Bosheiten und mahnt mit Hilfe der Unterscheidung der Geister auf diese hinterhältigen Vorgänge ein besonderes Augenmerk zu richten.
Rein und unrein
Ein reines Herz
Die Pharisäer beobachten, „dass einige von den Jüngern Jesu ihr Brot mit unreinen, das heißt mit ungewaschenen Händen essen. Sie selbst essen nämlich wie alle Juden nur, wenn sie vorher mit einer Handvoll Wasser die Hände gewaschen haben; so halten sie an der Überlieferung der Alten fest.“ Mit diesen Worten beginnt heute der Evangelist Markus eine Lehrrede Jesu über „rein“ und „unrein“. Im Judentum war es für den Gottesdienst sehr wichtig, dass man die Reinheitsvorschriften im Alltag einhielt. Jesus beleuchtet das Thema im tieferen Sinn. Er beantwortet die Frage: Wie ist das mit äußerer Gesetzeserfüllung und innerer Gesinnung? Nicht rituelle Handlungen. z.B. Waschungen sind entscheidend. Reinheit und Unreinheit ereignen sich im Herzen des Menschen und hängen vom Zustand seines Herzens ab.
Es erhebt sich die Frage: Wie wird das Herz rein? Wer sind die Menschen mit reinem Herzen, die im Geist der Bergpredigt Gott schauen können? Wer kann das Herz reinigen? Der Mensch in einem eigenen moralischen Kraftakt? Nein! Der Glaube reinigt das Herz durch das Vertrauen auf den gütigen Gott, der sich uns zuwendet. Es ist kein eigener Entschluss des Menschen, rein in Gott, sein zu können. Er kommt zustande, weil Menschen von innen her von Gottes Geist berührt werden, der ihnen das Herz öffnet und es rein macht. Der Geist gibt die Gnade, aus reinem Herzen zu denken und zu handeln: Erfahrenes Unrecht zu verzeihen, das Brot, das kaum für mich reicht, noch zu brechen und mit dem Armen zu teilen; der Geist weitet unser Herz, im Nächsten, der leidet, Jesus zu entdecken gemäß der Gerichtsrede: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Im Geist Jesu, der uns geschenkt wird, empfangen wir die Gnade, das Neue Gebot zu leben.
Gutes und Böses
Wir erfahren den Geist Jesu, der aus unserem Herzen kommt. Doch gleichzeitig bricht vieles andere, das böse, negativ, lebenszerstörend ist, auch aus unserem Herzen hervor. Jesus benennt es: „Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Lästerung, Hochmut und Unvernunft. All dieses Böse kommt von innen und macht den Menschen unrein.“ Auch wir erfahren, dass wir Gutes tun können und unmittelbar danach Egoisten sein können. Es quillt aus unserem Herzen Böses, das Anteil hat am Durchschattet-Sein mit Adams Urschuld. Wir spüren eine Macht zum Bösen, der wir uns oft nicht widerstehen können. In unserer Not beginnen wir, um Hilfe und Verzeihen zum Herrn zu rufen.
Erlöse uns von dem Bösen!
Im Herrengebet kommen wir in der siebten und letzten Bitte mit der zentralen Hoffnung zum Vater: „Errette, erlöse, befreie uns!“ Es ist die Bitte um Erlösung. Wovon sollen wir erlöst werden? Seit dem letzten Konzil beten wir in der Liturgie: „Erlöse uns vom Bösen". Es bleibt offen, ob „das Böse“ oder „der Böse“ gemeint ist. Heute gibt es die Mächte des Bösen in der Gier nach Kapital, im Handel mit Waffen und Drogen, in schier unwiderstehlichen Zwängen zum Bösen, es herrscht die Ideologie des Erfolgs und Wohlstands. Gott und der Nächste scheinen uns die Zeit für das eigene Wohlergehen zu stehlen.
Wir bitten zutiefst, errette uns, gib uns den Geist des demütigen Bußetuns und Aufblickens zu Jesu Kreuz! Wenn wir geduldig und reumütig zum Herrn gehen, erfahren wir die Barmherzigkeit des Vaters, werden rein und können neu beginnen. Der Vater schenkt uns erneut die Freiheit der Kinder Gottes, die rein sind. Nicht das Halten von religiöse Regeln und Satzungen kann das Herz rein machen, sondern ein Herz voller Glaube und Liebe zu Gott und den Menschen.
Hygiene
Hygiene des Herzens und der Seele
„Nach dem Abort, vor dem Essen: Händewaschen nicht vergessen!“ Wer hat diesen Satz nicht gelernt. Und wer hat ihn immer beherzigt? Da wird die Zahl kleiner sein. Im Prinzip stimmen wir ja zu, aber wenn der Hunger da ist? Im Prinzip stimmen wir ja zu, aber wenn das Angebot so lockt? Im Prinzip stimmen wir ja zu, aber bei den Brombeeren am Wegesrand können wir uns die Hände ja auch nicht waschen.
Händewaschung gehört auch zur Messe. Sie findet statt am Ende der Gabenbereitung. Aber wenn kein Ministrant da ist? Oder wenn es irgendwo klemmt? So wichtig wird doch diese Geste nicht sein, oder? Vor einigen Jahrhunderten hatte das noch mehr Bedeutung. Da brachten die Menschen manchmal statt einer Kollekte Gemüse oder Tiere, die in der Armenküche verwendet werden sollten. Das hat Spuren hinterlassen. Aber heute?
Der Spruch, den der Priester während der Händewaschung beten soll, heißt: „Herr, wasche ab meine Schuld, von meinen Sünden mache mich rein!“ Es geht nicht um Hauthygiene, sondern um die Hygiene des Herzens und der Seele.
Seelenhygiene wird im zweiten Teil des Evangeliums gelehrt. „Was aus dem Menschen herauskommt, macht ihn unrein. Aus dem Herzen der Menschen kommen die bösen Gedanken“ (Mk 7,15.21) Diese Hygiene ist viel gefragter in den Augen Jesu! Diese Hygiene ist tatsächlich die wichtigere. Ohne sie ist die Atmosphäre in jeder Gemeinschaft bald vergiftet.
Erfahrungswerte des Volkes Israel
In der Lesung des ersten Bundes kommt eine weitere Idee ins Spiel. Die Regeln des Volkes waren die Spielregeln auf dem Weg durch die Wüste. Sie sollten Zukunft ermöglichen. Nur wenn alle anpacken und nur wenn sich alle an die Regeln halten, kann die Zukunft im Gelobten Land beginnen.
Jedes Volk hatte seine eigenen Regeln und seinen Gott. Das war auch für Israel so. Sein Schicksal und sein Erfolg wurde an seinem Gott festgemacht. Wenn die Landnahme gelingt, dann ist Gott mit im Spiel. Wenn der Erfolg da ist, dann ist ein starker Gott im Hintergrund. Das kann dann ein missionarisches Tun werden. Wir werben für unseren Gott.
Von daher muss auch ich mich fragen: Welches Bild über Gott gebe ich ab? Bin ich seine Repräsentantin? Wenn ich das sein will, muss ich in Kontakt mit ihm sein. Was hilft dabei, was ist hinderlich? Helfen wird eine Erfahrung seiner Liebe und Führung. Helfen wird die Gewissheit, dass Gott mich wachsen lässt. Hinderlich ist es, wenn ich Gott ausweichen will. Das geschieht etwa dann, wenn ich weiß: „Gott wird mit mir dann über meine Schuld sprechen, aber das will ich nicht!“ Wenn Gott das tut, dann nicht im Sinne des Vorwurfs oder der Verurteilung. Sein Weg ist die Frage des Warums. Was ist in meinem Herzen gewesen, dass ich so handle? Wie kann ich mit Gottes Hilfe mein Handeln ändern? Er bietet es an, aber ich muss ihn erst darum bitten. Er bietet es an, aber ich muss ihm erst das Thema sagen. Dann handelt Gott und wäscht die Schuld von uns ab.
Wenn in einem Krimi ein Täter gesucht wird, suchen die Kommissare bei den Verdächtigen nach ihrem Motiv. Welche Gefühle waren in dem Menschen, dass es zur Tat kam? Kommen wir über das Motiv zur Auflösung des Falls?
Man sieht: Ein Evangelium, das zeitlich weit von uns weg ist, kommt immer näher. Die Themen und die Fragen haben in einer verwandelten Weise viel mehr mit uns zu tun als gedacht. Darum bleibt die Frage gültig: Was lebt in dir?
Nagelprobe Liturgie
Liebe Schwestern und Brüder, im Lauf der Liturgiefeier kommt manches aus uns heraus. Wir singen die Lieder, wir geben die Antworten in den Gebeten. Wie ernst ist es uns damit? Kommt ein überzeugtes Amen aus mir heraus? Nehme ich die Anliegen der Fürbitten tatsächlich auf? Oder weiß ich bei der dritten Bitte schon nicht mehr, was in der ersten war? Ist das Lied zur Gabenbereitung wirklich eines, das ich teilen kann?
Schauen Sie doch schon einmal nach links und nach rechts. Wer sitzt denn da? Will ich diesem Menschen gleich aus vollem Herzen sagen: „Der Friede sei mit dir“? Noch ist Zeit, meine Gefühle wahrzunehmen. Noch ist Zeit, eine Gesinnung des Wohlwollens aufzubauen. Dann wird aus mir etwas kommen, was dieser Mensch mit nach Hause nehmen kann.
Gott mit dem Herzen ehren
Reine Hände...
Die Pharisäer, mit denen sich Jesus immer wieder auseinandersetzt, bildeten in ihren Anfängen eine Gruppe innerhalb des Judentums, die sich die Förderung lebendigen Glaubens auf die Fahnen geschrieben hatten. Ihr Ziel war es, gegen die Verweltlichung und damit gegen die Verflachung des Glaubens innerhalb des Volkes anzugehen. Mit der Zeit entwickelten sich die Pharisäer aber immer mehr zu kleinkarierten Gesetzes-Wächtern, die ständig nörgelnd und kritisierend auftraten, sobald eine religiöse Vorschrift nicht peinlich eingehalten wurde. Weil sie selbst bemüht waren, die Vielzahl der Vorschriften bis aufs i-Tüpfelchen einzuhalten, empfanden sie sich als die Vorbilder im Bereich des Glaubens und schauten oft verächtlich auf andere herab. Vor allem waren sie erfüllt von einer überzogenen stolzen Selbstsicherheit. Denn sie waren überzeugt, die Lieblinge Jahwes zu sein, der sie auf Grund ihrer Regeltreue und ihres Wächtergebarens mit ewigem Leben belohnen werde.
Diese innere Einstellung der Pharisäer ist es, der Jesus nicht zustimmen kann und die er aufbrechen möchte. Nicht durch Regeltreue und Gesetzeserfüllung lässt sich Himmel verdienen; sondern ewiges Leben ist ein Geschenk Gottes. Und lebendiger Glaube, so will Jesus verdeutlichen, besteht nicht in der äußeren Einhaltung von Vorschriften und in der Unterordnung unter Gesetze. Vorschriften und Gesetze sind nur Hüllen, die helfen sollen und können, das Herz zu öffnen für die Liebe zu Gott und den Mitmenschen und die innere Verbundenheit mit ihnen. Daher lenkt Jesus den Blick weg von den ungewaschenen Händen und dem Abspülen von Bechern, Krügen und Kesseln hin zur Reinigung des Herzens von allem, was ungut ist.
Das Waschen der Hände vor dem Essen war zu damaliger Zeit nicht eine Frage der Hygiene. Denn dann hätte das Gebot auch die Zubereitung der Speisen einschließen müssen. Hierfür fehlt aber jeglicher Hinweis. Es ging um eine rituelle Reinigung. Die Vorschrift, die Hände vor dem Genuss der Speisen zu waschen, zeigt uns sehr deutlich, wie die religiösen Vorschriften anregen sollten und wollten, das Herz zu Gott zu erheben. Die Gläubigen Israeliten wollten und sollten sich nicht gedankenlos an den gedeckten Tisch setzen. Die Gaben, die sie zu sich nahmen, waren nicht nur Früchte ihrer Hände Arbeit, sondern zu allererst und vornehmlich Geschenke Gottes. Dieser hatte die Natur auf Wachsen und Gedeihen hin geschaffen und angelegt. Im Wissen darum und im Glauben daran brachten die Israeliten als Dank an Gott von je her Jahwe Opfer dar: prächtige und vor allem fehlerlose Tiere und die erlesensten Früchte des Feldes. So zu handeln, gebot ihnen ihre Ehrfurcht vor Gott und ihr dankbares Herz.
Um sich nicht nur bei Opfer- und Dankgottesdiensten an Gottes Liebe und Fürsorge zu erinnern, sondern immer wieder, entstand die Vorschrift, sich vor dem Essen die Hände zu waschen. Niemand sollte sich ohne Ehrfurcht vor den Gaben Gottes an den Tisch setzen und sie mit schmierigen, verschmutzten Händen berühren. Das Herz Gott zuwenden, um die Gaben in dankbarer Ehrfurcht zu genießen, das war die Absicht, die mit der Händewaschung angestrebt wurde. Das Händewaschen war also ein Erinnerungszeichen. Das traf auch auf allen anderen Vorschriften und Satzungen zu. Sich im Herzen dankbar, froh und jubelnd mit Gott verbinden, das war das Ziel aller religiösen Gebote und Vorschriften.
... und reines Herz
Jesus kritisiert nicht, dass es Regeln und Vorschriften gibt. Er möchte allerdings darauf hinweisen, dass religiöse Regeln sich geistlos und ohne Liebe zu Gott und den Menschen ausführen lassen. Sich vor dem Essen die Hände waschen, sich aber mit unreinem Herzen an den Tisch setzen – einem Herzen voller Neid, Missgunst, Habgier, Falschheit, Hinterlist und obendrein mit dem Stolz, wegen der Regeltreue zu den Lieblingen Jahwes zu zählen, das ist es, was Jesus anprangert. Hier als Erstes aufzuräumen, den Geboten Gottes, die zur Liebe, zu Wohlwollen und Fairness anspornen, den Vorrang zu geben, dazu fordert Jesus auf, dafür möchte er seine Zuhörer gewinnen.
Stellen wir uns diesem Anliegen Jesu. Jesus hat keine neuen Regeln, Vorschriften oder Gebote für das Leben als Christ aufgestellt. Er geht davon aus: Wenn wir uns wirklich und ernsthaft um die Gottes- und Nächstenliebe mühen und so unsere Herzen reinigen, dann werden wir selbst viele Formen finden, uns in Liebe mit Gott und den Menschen zu verbinden. Wir werden uns als Erstes fragen, ob wir die Liebe leben und nicht, ob wir die Vorschriften auch peinlich eingehalten haben.
Regeln, Vorschriften, Gebräuche, Gewohnheiten
Regeln und Gewohnheiten, darüber sollten wir uns jedoch im Klaren sein, sind gute Hilfsmittel und Erinnerungszeichen, uns mit Gott und den Mitmenschen in Einklang zu bringen. Die Christen haben das rituelle Händewaschen vor den Mahlzeiten von den Juden nicht übernommen. Aber es gibt die Christen, die vor ihren Mahlzeiten ein Tischgebet sprechen. Wo es nicht heruntergeleiert wird, wird der Dank an Gott für seine Gaben nicht allein auf das Erntedankfest verschoben, sondern ins tägliche Leben und den Alltag eingebettet. Und jedes sich dankbare Bewusstwerden der Liebe und Sorge Gottes um uns schenkt neue Kraft, eine innere Kraft, die Kartoffeln, Fleisch und Brot nicht gewähren können.
Es gibt viele andere hilfreiche Gewohnheiten: z.B. das Morgen- oder Abendgebet, ein Gebet auf dem Weg zur Arbeit oder auf dem Heimweg, am Kochtopf oder unterwegs im Auto – und vieles andere mehr. Wer solche Gelegenheiten nicht nutzt, sich keine Gewohnheiten in dieser Richtung aneignet, ist deswegen nicht gleich ein schlechter Christ. Aber er bringt sich um eine Quelle, aus der er in der jeweils neu angestrebten Verbindung mit Gott Kraft schöpfen könnte, indem er das Beglückende eines Tages noch einmal dankbar und froh durchlebt, Leidvolles Gott übergibt und im Gefühl der Geborgenheit in Gott neuen Mut schöpft.
Hilfreiche Brücken
„Ihr Herz ist weit weg von mir“ klagt Jesus im Blick auf die, die ihn kritisieren. Wo wir diesen Satz Jesu als Frage an uns umwandeln „In welchem Abstand bewege ich mich zu Jesus?“, könnte er für uns zu einer hilfreichen Brücke werden. Denn diese Frage kann uns zu drei Schritten anregen, die uns im Glauben stärken und unsere Verbindung zu Gott enger werden lassen. Diese Schritte stellen sich mir so dar:
- Das Suchen und Streben, in die Nähe Gottes zu kommen, mit wirklicher Ernsthaftigkeit betreiben.
- Dabei werden wir fast automatisch unser Herz mehr und mehr von dem reinigen, was verkehrt und böse ist.
- Uns Gewohnheiten zulegen, die uns oft – am besten mehrmals täglich – an Gott erinnern und mit ihm in Verbindung treten lassen.
Wer dies als einen Grundsatz, als eine Lebensregel für sich immer wieder anstrebt, wird viel Kraft und inneres Glück erfahren. Dies sollten wir reichlich ausschöpfen und uns nicht entgehen lassen.
Was wir von Schulanfängern lernen können
Schulbeginn
In diesen Tagen beginnt für die meisten Kinder und Jugendlichen wieder die Schule. Ein besonders aufregender Moment ist dies für jene, die zum ersten Mal die Schule besuchen. Für sie ist es eine gewaltige Umstellung, die wir nicht unterschätzen sollten. Sie lernen ja nicht nur das ABC und das 1 mal 1. Auf allen Ebenen werden sie als Lernende herausgefordert. Das beginnt schon beim Schulweg. Früher oder später müssen sie lernen, mit den Gefahren, denen sie auf dem Schulweg ausgesetzt sind, zurecht zu kommen und den Weg zur Schule und von der Schule eigenständig zu bewältigen. Eine andere große Herausforderung ist die neue Umgebung, in dies sie von heute auf morgen hineingestellt werden. Neue Beziehungen bieten sich an. Nicht alle Menschen sind immer lieb und nett. Auch damit muss man leben lernen.
Eltern und Lehrer sind bemüht, die Kinder auf ihrem Lernweg bestmöglich zu begleiten. Ihre Aufgabe ist es, die Kinder mit dem zu beschäftigen, was sie alters- und entwicklungsmäßig verarbeiten können, und Inhalte von ihnen fernzuhalten, mit denen sie an einem zu frühen Zeitpunkt überfordert wären. Irgendwann müssen junge Menschen jedoch lernen, ohne diese Begleiter zurecht zu kommen. Und irgendwann können sie nicht mehr von allem abgeschirmt werden, was ihnen im Leben begegnen kann.
All das gilt auch für das moralische Lernen. Schrittweise müssen Kinder und Jugendliche mit allem umgehen lernen, was das Leben mit sich bringt. Eine Strategie, die immer alles von ihnen fern hält, was man falsch machen kann, ist auf Dauer zum Scheitern verurteilt.
Sehnsucht nach Reinheit, Unversehrtheit, paradiesischer Unschuld
Im Evangelium haben wir heute von einer Auseinandersetzung Jesu mit den Pharisäern gehört, in der es um die Einhaltung von religiösen Gebräuchen geht. Das Händewaschen war für gläubige Juden nicht so sehr eine Frage der Hygiene als vielmehr ein Ritus der kultischen Reinigung. Mag schon sein, dass dahinter auch die weise Erfahrung alltäglicher Hygienemaßnahmen steht. Mehr noch kommt darin die urmenschliche Sehnsucht nach Reinheit, Unversehrtheit, nach paradiesischer Unschuld zum Ausdruck. Alles, was irgendwie schmutzig ist, soll fern gehalten werden.
Solange es nur ums Händewaschen geht, wird niemand dagegen etwas einzuwenden haben. Diese Sehnsucht führt unter Umständen aber dazu, dass Menschen sich mit Lebensbereichen, die einmal gefährlich werden könnten, nicht ernsthaft auseinandersetzen.
Wer kein Geld hat, kann es auch nicht ausgeben und damit auch nicht einen Fehler machen. Wer aber nicht rechtzeitig lernt, mit Geld umzugehen, bekommt mit Sicherheit Geldprobleme. Wer nicht weiß, wie Alkohol oder Nikotin schmeckt und wirkt, ist eher gefährdet als ein Mensch, der gelernt hat, mit Alkohol und Nikotin umzugehen. Auch der Umgang mit Beziehungen und Sexualität muss zeitgerecht erlernt werden, sonst gibt es irgendwann ein böses Erwachen. Dass es auch Bereiche gibt, von denen wir besser ganz die Finger lassen, ist Gegenstand des Lernens.
Eine Illusion ist es zu meinen, ein Mensch könne ein Leben lang seine kindliche Unschuld bewahren, indem man alles von ihm fern hält, was einmal gefährlich werden könnte.
Die moralische Falle
Jesus betont: die Moral entsteht im Kopf und im Herzen und nicht durch Annahme äußerer Verhaltensweisen. Mit den eigenen Bedürfnissen, Wünschen, Begierden und Gedanken umgehen lernen, ist die große Herausforderung moralischen Lernens.
Kultische Reinigungsriten haben durchaus eine tiefsinnige Bedeutung. Sie helfen, die moralische Integrität wieder zu finden, wenn Menschen in Situationen gekommen sind, in denen sie sich schmutzig gemacht haben. Sie bergen aber auch die Gefahr der Selbsttäuschung und Scheinheiligkeit in sich, wenn sie dazu verleiten, sich dem Leben gar nicht zu stellen oder wirkliche Schuld mit einer rituellen Handlung zuzudecken. Dieser Versuchung waren die Pharisäer mit ihrer Spiritualität penibler Gesetzestreue besonders ausgesetzt. Jesus demaskiert diese Haltung. Ihre weiße Weste ist nur äußerlich weiß. In ihrem Herzen sind sie schlimmer als viele, die sich ihren Lebensaufgaben redlich gestellt und dabei ihre weiße Weste verloren haben.
Mahnung an uns
Die Abrechnung Jesu mit der Haltung der Pharisäer ist zugleich eine Mahnrede an uns alle. Allzu schnell verstecken wir uns hinter weißen Westen. Nur weil ich noch nie eine günstige Gelegenheit gehabt habe jemand zu betrügen, bin ich zwar besser dran als der, der betrogen hat, ich bin aber noch nicht besser im moralischen Sinn. Die Moral beginnt in unserem Herzen und Köpfen, nicht bei den äußeren Bedingungen.
Es ist viel einfacher, um heikle Lebensfragen einen Bogen zu machen, als sie konkret anzugehen. Das gilt für den Einzelnen wie auch für uns gemeinsam als Glieder der Gesellschaft und der Kirche. Eine Partei, die notwendige und schmerzliche Entscheidungen vor sich her schiebt, verliert vielleicht dadurch nicht die nächste Wahl, früher oder später aber verliert sie ihre Glaubwürdigkeit. Eine Kirche, die sich um die Klärung wichtiger Lebensthemen herumdrückt, wie heikle Fragen im Bereich der Sexualität, den Umgang mit Wiederverheirateten oder am Zölibat Gescheiterten, Fragen der Ökumene und anderes mehr, bewahrt sich nur scheinbar eine reine Weste. Sie schiebt die Last der Verantwortung auf die unmittelbar Betroffenen, lässt diese mit ihrer Not allein und hinterlässt das zwiespältige Gefühl einer Scheinmoral.
Was wir von Schulanfängern lernen können
An den Schulanfängern gefällt mir, mit welcher Freude sie auf diesen neuen Lebensabschnitt zugehen. Ich sehe darin ihre Entschlossenheit, erwachsen werden zu wollen. Dass dies ein langer Weg ist, der einige Durststrecken bereit hält, werden sie erst später mitbekommen. Das macht aber nichts. Die Entschlossenheit, das eigene Leben in die Hand zu nehmen und der damit verbundenen Verantwortung nicht auszuweichen, wünsche ich uns allen, den Kleinen wie den Großen.
Zu Herzen nehmen und ins Herz schauen
Ein gefundenes Fressen
Ein gefundenes Fressen für Herrn und Frau Saubermann: Unzucht, Diebstahl, Mord,
Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Verleumdung, Hochmut und Unvernunft. Auf einer Kette aufgereiht - zwölf Einwürfe. Nicht, dass es sie nicht gäbe - aber als Totschläger eignen sich die Schlagworte nicht. Jesus lenkt unseren Blick auf "all dieses Böse" - und wie er das macht, ist bezeichnend: Er lässt uns in die Herzen sehen - bevor die fremden dran sind, zunächst auf die eigenen. Den Versuch, meine Hände in Unschuld zu waschen, traue ich mir jetzt nicht mehr zu. Auch ohne Unzucht, Diebstahl, Mord und Ehebruch - was Habgier ist, Bosheit und Hinterlist weiß ich wohl. Auch der Hochmut ist mir nicht fremd - nicht einmal die Unvernunft. Obwohl ich doch ganz und gar auf Vernunft setze. Nein, ein gefundenes Fressen ist das hier nicht. Eher etwas, um demütig zu werden, nicht kleinlaut.
Staunen
Aber haben Sie noch im Ohr, was wir im Buch Deuteronomium und im Brief des Jakobus gelesen haben? Vielleicht finden wir sogar einen roten Faden! Lassen wir also Herrn und Frau Saubermann - wir werden noch das Staunen lernen:
Seht, was für ein weises und gebildetes Volk! So im Deuteronomium - Ausruf, Beschreibung und Überraschung in einem. Die Herren im Nildelta und im Zweistromland - Ägypten und Babylon, um nur zwei zu nennen - kommen aus dem Lachen nicht heraus. Die - ein weises und gebildetes Volk? In Israel war alles klein und bescheiden - soll ich sagen: hinter dem Mond? Hier strampelte man sich ab, um nicht ganz abgehängt zu werden. Was de facto längst der Fall war. Aber Gottes Wort, Gottes Willen, Gottes Verheißung sollten hier herrschen. Israel hat, selbst in den tiefsten Demütigungen seiner Geschichte, aus dieser Zusage Kraft und Halt bezogen. Seht, was für ein weises und gebildetes Volk! Israel wird sich die Augen gerieben haben - wir?
Während meine Gedanken zu den vielen Bildungsstrategien und Exzellenzinitiativen wandern, die ein gebildetes Volk heute braucht, meldet sich ein anderer zu Wort:
"Ihr sollt dem Wortlaut dessen, worauf ich euch verpflichte, nichts hinzufügen und nichts davon wegnehmen; ihr sollt auf die Gebote des Herrn, eures Gottes, achten, auf die ich euch verpflichte. Ihr sollt auf sie achten und sollt sie halten. Denn darin besteht eure Weisheit und eure Bildung in den Augen der Völker."
Staunen! Dass die Völker große Augen machen, gefällt mir. Aber was bekommen sie zu sehen? Liebe, Gerechtigkeit und Frieden? - Nein, Neid, Verleumdung, Hochmut und Unvernunft erobern sich die Schlagzeilen. International. Bis in die entlegensten Winkel der Erde. Mit vielen Leidtragenden. Das Deuteronomium weiß, dass es die Gebote des Herrn sind, die weise und gebildet machen. Ich möchte das Staunen lernen - und zu einem weisen und gebildeten Volk gehören.
Zu Herzen nehmen
Auch Jakobus meldet sich zu Wort. Sein Herzensanliegen ist, dass wir Täter des Wortes sind, nicht nur Hörer. Gemeinhin wird das Wort immer mit den Ohren verbunden. Hören, lauschen, schweigen - schöne Umschreibungen, größer aber ist, zu tun, was uns aufgetragen, besser: anvertraut, wird. Die Ohren bekommen die Form von Händen, von Füßen, von Mündern. Wenn ich mir das vorstelle, wächst meine Hochachtung vor dem Wort. Es verwandelt sozusagen meine Gliedmaßen - und meinen Kopf dazu. In einer lauten Welt, in der sich Worte überschlagen, auch viele Worte gemacht werden, aber kaum noch etwas sagen, ist das wie ein Wunder.
Jakobus schreibt:
"Nehmt euch das Wort zu Herzen, das in euch eingepflanzt worden ist und das die Macht hat, euch zu retten."
Ein Wort, das uns rettet - das ist doch unser Wort! Im Gegenzug sehe ich, wie verloren Menschen sein können, wenn sie auf das falsche Pferd setzen, auf Abwege geraten - oder auch nur fallengelassen werden. Ich sehe auch, wie einfallslos und ängstlich Menschen sich abgrenzen, Vorurteile schüren und hinter ihren Überlieferungen und Gewohnheiten verschwinden. Ich sehe, wie Menschen, die anders sind, eine andere Sprache sprechen, eine andere Tradition verkörpern, aus allen Rastern fallen - und aus der Gesellschaft. Das Wort aber, dass wir uns zu Herzen nehmen - Gottes Wort - lässt uns aus Schatten heraustreten, gar über Mauern springen (wie es im Psalm heißt). Mut, Gelassenheit und Glaubwürdigkeit wachsen uns aus dem Wort Gottes zu, Wir werden barmherzig, erfinderisch und offen. Gott selbst möchte, dass wir sein Gesicht sehen - und zeigen. Dass wir sein Wort hören und sind. "All dieses Böse" - die Aufzählung habt ihr noch im Ohr - verliert seine Macht und gerät in sein Licht.
In das Herz schauen
Ein weises und gebildetes Volk. Menschen, in denen das Wort wächst. Ein Wort, das Macht hat, uns zu retten. Das sind opulente Bilder.
Im Evangelium heißt es:
"Dann rief er - Jesus -. die Leute wieder zu sich und sagte: Hört mir alle zu und begreift, was ich sage: Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein."
Es ist der Blick nach innen. Der Blick, der am meisten schmerzen, aufrühren, mitnehmen kann. Was mit der Frage anfängt, warum die Jünger mit ungewaschenen Händen das Brot essen, endet mit einem neuen Blick auf das Herz. Es wäre fatal, geradezu verhängnisvoll, jetzt auch wieder auf die Pharisäer - oder andere Menschen - herabzuschauen - anstatt den Blick in das eigene Herz zuzulassen, zu wagen, auszuhalten. Über die alten Konflikte und Auseinandersetzungen müssen wir nicht reden. Aber wir sehen - wie Jesus übrigens -, dass Menschen sich hinter Geboten verstecken: dann stehen Reine und Unreine gegenüber, dann werden Menschen aussortiert, abgewogen, für unwürdig befunden, dann werden sie zu einer Gefahr. Am Ende bleiben die Reinen unter sich. Die Unreinen notgedrungen auch. Die Welten, die dazwischen liegen, kennen keine Brücken.
Da ruft Jesus die Leute zu sich. Er, der Aussätzige rein macht und dem Schächer am Kreuz das Paradies verspricht, stellt nicht nur das Herz in den Mittelpunkt: er schenkt auch, was ein menschliches Herz braucht, er schenkt, dass Gott in den Herzen wohnt. Die weißen Westen können im Schrank bleiben. Sie stehen uns nicht gut. Wir passen auch gar nicht in sie hinein. Sortieren wir sie aus!
Um noch einmal auf Jakobus zurückzukommen: Er hat auf eine sehr eindrückliche Weise beschrieben, dass uns jede gute Gabe geschenkt ist - und er nennt den Urheber "Vater der Gestirne, bei dem es keine Veränderung und keine Verfinsterung gibt."
Wenn ich dann an die Regungen und Bewegungen meines eigenen Herzens denke - der Heilige Augustinus nannte sein Herz unruhig -, erscheint sehr bildhaft, was mich hält und trägt, aufrichtet und groß macht. Jakobus schreibt dann auch, dass der Vater - von sich aus - uns durch das Wort der Wahrheit geboren hat. Ein treffendes Bild: das Wort der Wahrheit als unsere Mutter. Bergend, schützend, aber auch herausfordernd. Und dann kommt es heraus: Ein reiner und makelloser Dienst vor Gott, dem Vater, besteht darin, für Waisen und Witwen zu sorgen - für alle Menschen, die allein sind, allein gelassen werden, allein mit dem Leben zu Recht kommen müssen.
Kein gefundenes Fressen
Für Herrn und Frau Saubermann gibt es kein gefundenes Fressen mehr. Jesus erzählt von dem Bösen, weil er einen unverstellten Blick auf den Menschen hat - und das Böse überwindet. "Rein" ist jetzt ein Mensch, der bereit ist, sich auch die Finger schmutzig zu machen, "rein" ist ein Mensch, der einen anderen trägt, "rein" ist ein Mensch, der sich ganz darauf einlässt, ein anderes Leben in seine Obhut zu nehmen. Herr und Frau Saubermann verstehen die Welt nicht mehr. Aber noch ist es nicht zu spät: Ein weises und gebildetes Volk sucht noch - neue Einwohner.
Der Friede Gottes,
der höher ist als alle Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus, unserem Herrn.
Weise Menschen achten Gottes Gebote
Innerer Halt
Der Hintergrund der heutigen Lesung aus dem Buch Deuteronomium ist schnell geschildert.
Israel ist am Ende seiner Wüstenwanderung angelangt. Der Einzug ins gelobte Land steht kurz bevor. Mose erkennt, dass für das Volk Gottes ein neuer Abschnitt beginnt. Das künftige Leben wird sich anders, um vieles leichter gestalten als das harte Leben in der Wüste. Doch für Mose ist klar: Ob glückliches Leben gelingt, hängt nicht in erster Linie davon ab, ob die äußeren Lebensbedingungen leicht oder mit Anstrengung und Mühe verbunden sind. Das Leben in der Wüste war hart und beschwerlich, hatte das Volk aber zusammengeschweißt und seinen gemeinsamen Glauben an Gott gestärkt. Mose wusste: Zu einem gelingenden Leben braucht der Mensch vor allem einen inneren Halt.
Haltlose Menschen zerstören Leben: das eigene und das anderer. Menschen benötigen erprobte Richtlinien, mit deren Hilfe sie gemeinschaftliches Leben und gemeinsames Glück aufbauen. Gemeinsame Richtlinien erwachsen aus einer Fülle von Erfahrungen. Sie halten fest, was sich durch Jahre und Generationen bewährt hat und den Menschen im Leben miteinander weiter half. Gemeinsame Richtlinien sind das Gerüst, um das sich das Leben des einzelnen nach oben rankt. Oder in einem anderen Bild ausgedrückt: Normen sind die Basis und das Fundament, auf dem sich Lebensglück und freundschaftliche Verbundenheit miteinander solide aufbauen lassen. Wie der persönliche Lebensverlauf dann im Einzelnen aussehen wird, bestimmt jeder für sich selbst. Aber mit erprobten Leitlinien haben wir Menschen erst einmal festen Boden unter den Füßen.
Basis glücklichen Lebens
Grundwerte, erprobte Grundsätze, die wir uns einverleiben, haben auch die Funktion der Entlastung. Wir müssen nicht jedes Mal von vorn anfangen, grundsätzlich zu überprüfen, was gut und hilfreich für unser Lebensglück ist. Gute Leitlinien sind Zeit-Gewinn und gewähren Sicherheit, die uns vor unnötigem Zaudern und Zögern bewahrt.
Mose will sein Volk vorbereitet in das neue Land, in das neue Leben entlassen. Die Gestaltung des neuen Lebens soll sich bei aller äußeren Veränderung zum Wüstenleben auf die Richtlinien stützen, die Gott seinem Volk am Berg Sinai in den zehn Geboten gab. Diese Weisungen Jahwes gab er seinem Volk ja nicht, um es zu gängeln, sondern um es zu einem gemeinsamen glücklichen Leben zu führen. Wie wertvoll, wie richtig diese Gebote Gottes waren, konnte Israel in der Wüste erproben. Darum mahnt Mose das Volk, sie nicht zu verändern, sich also den Glauben in Zukunft nicht nach eigenem Gutdünken zu Recht zu basteln.
Wer Gottes Gebote beachtet, ist weise
Die Weisungen des Mose, sein Mahnen hat einen herzlichen und werbenden Ton. Mose befiehlt nicht wie ein Despot, sondern lockt und bewegt, indem er an die Einsicht der Israeliten appelliert und argumentiert: Wer Gottes Gebote beachtet, ist weise.
Das hebräische Wort, das an dieser Stelle für "weise" verwendet wird, findet sich in der Bibel im Zusammenhang mit den Berichten vom Josef in Ägypten. Josef handelte weise, weil er nach den Normen Gottes lebte. Der Rückgriff und die Erinnerung an den ägyptischen Josef ist sicher kein Zufall, sondern eindeutig von Mose beabsichtigt. Denn vieles hat Josef mit dem Gottesvolk gemeinsam. Wie die Israeliten in der Wüste, so musste auch Josef zunächst Schweres durchstehen. Seine Brüder verkaufen ihn nach Ägypten. Weil er sich redlich und aufrichtig verhält und in das Böse mit der Frau seines Herrn nicht einwilligt, landet er im Gefängnis. Jahwe führt ihn aus dem Kerker heraus wie Israel aus dem "Kerker Ägypten". Durch Jahwes Beistand, der ihn Träume richtig deuten lässt, gelangt Josef an den Königshof des Pharao. Auch dort lässt er sich durch den äußeren Glanz und das nun unbeschwerte Leben nicht hinreißen, vom Guten im Sinne Jahwes abzuweichen.
Die Gestalt des Josef in Ägypten - das ist die Absicht des Mose - sollen sich die Israeliten vor Augen führen, wenn ihr Leben mit dem Einzug ins gelobte Land leichter und angenehmer wird. Gott die Treue halten in schweren und in leichten Zeiten das zeichnet den echten Gläubigen aus, will Mose seinem Volk vermitteln. Dies sollen die Israeliten nie vergessen.
Und Mose - um einen tiefen Glaubens seines Volkes werbend - erinnert noch an etwas: Josef in Ägypten hat mit seinem Glauben die Völker und Mächtigen seiner Zeit in Staunen versetzt. Dies soll sich durch das Gottesvolk wiederholen. Die Völker rings um Israel sollen staunen und zueinander sagen: Welches Volk, welche Nation besitzt so wunderbare und gerechte Gesetze wie das Jahwevolk! Ruhm und Ansehen soll Israel sich verschaffen nicht als Supermacht, nicht durch äußere Kraft und Stärke, Reichtum und Glanz, sondern weil es auf Grund seiner Gebote, die es einhält, an Gesinnung und Menschlichkeit alle andern Völker und Nationen übertrifft. Das ist ein Glaubenszeugnis, das Jahwe ehrt. Das ist Huldigung Gottes und eine Verkündigung, die überzeugt und Menschen den Weg zu Gott bahnen kann.
Das Leben im "gelobten Land"
Die Situation Israels von damals auf unsere Zeit zu übertragen, ist sicher nicht abwegig. Äußerlich lebt die westliche Welt heute in einem "gelobten Land". Allgemein leben wir in einem Wohlstand, den es vor uns in dem Ausmaß nicht gab. Als Christen unserer Tage stehen wir den gleichen Gefahren gegenüber wie die Israeliten damals.
Mose wollte das Gottesvolk davor bewahren, das Lebensglück in den Äußerlichkeiten zu suchen. Er will Israel daran erinnern, dass es vor den Gaben von Milch und Honig, von äußerem Wohlstand und Reichtum in den Weisungen Gottes eine Gabe von Jahwe erhielt, die es nicht wegwerfen darf, wenn es Lebensglück nicht zerstören will. Denn die äußern Güter werden erst dann Heil und Glück hervorbringen, wenn sie im Sinne Gottes gehandhabt werden.
Wie sehr dies bis auf den heutigen Tag gilt, können wir mit eigenen Augen beobachten:
Wie viel mögliches Glück, das wir bewirken könnten, lassen wir aus, wenn wir innerlich haltlos und gleichgültig in den Tag hinein leben.
Uninteressiert am Wohl des Nächsten ist uns das Glück der anderen kein wirkliches Herzensanliegen mehr. Wir wünschen dem Nächsten nichts Böses, aber wir suchen auch nicht nach Gelegenheiten, um zu seinem Glück beizutragen.
Gesetze und Gebote können nicht alles bis ins Kleinste regeln. Wie oft nützen wir ihre Lücken zum eigenen Vorteil, auch wenn dies auf Kosten der anderen geht.
Hilfe und Beistand werden oft nur gewährt, wenn sie bezahlt werden.
Dort, wo die Dankbarkeit gegenüber Gott aus unserer inneren Haltung schwindet, fühlen wir uns nicht mehr als glücklich von ihm Beschenkte. Die Wohltaten Gottes kommen nicht mehr deutlich in unseren Blick.
Sei weise!
Um unser Glück besorgt würde Mose auch uns sagen: Achte die Weisungen Gottes. Sei weise! Lass dich durch deine Umgebung nicht verführen. Lebe so, dass die Menschen um dich her erkennen, wie wertvoll und großartig die Gebote Gottes für das Glück und Menschsein sind.
Als Vorbilder würde er uns wahrscheinlich neben dem ägyptischen Josef viele Männer und Frauen unserer Tage vor Augen stellen, die das Schicksal und die Wüstenstrecken ihres Lebens nicht vom Weg der Weisungen Gottes weg geführt haben. Viele von ihnen sind - wie einst Josef - von Menschen bewundert worden, die nicht dem christlichen Glauben angehörten. Denken wir an einen Martin Luther King, an eine Mutter Theresa, an Johannes XXIII., an einen Franz von Assisi.
Wenn wir selbst als einfache Christen des Alltags auch nicht zu diesen großen Gestalten gehören, so können wir dennoch, wenn wir nur unseren Glauben treu leben, für viele eine Hilfe sein, für ihr Leben einen Weg zu finden, der sie in Gottes Nähe und Liebe führt und viel an Lebensglück ermöglicht.
"Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz aber ist weit weg von mir"
Die Botschaft Jesu von einem grenzenlos liebenden Gott fand in den Herzen der Schriftgelehrten und Pharisäer keinen Widerhall, weil sie auf eine legalistische Moral fixiert waren und auf ihre eigene Leistung setzten. Darum geriet Jesus immer wieder in Konflikt mit den geistlichen Führern Israels.
Keine Gesetzesmoral
So hören wir in dem Abschnitt aus dem Markusevangelium, den wir heute gehört haben, dass die Pharisäer und Schriftgelehrten Jesus fragten, warum seine Jünger nicht den Überlieferungen der Alten folgen. Die Gesetzeswidrigkeit bestand in ihren Augen darin, dass die Jünger Jesu mit ungewaschenen Händen essen, mit unreinen Händen. In der Auslegung der Gesetzeslehrer wurden sie damit auch innerlich unrein. Jesus nimmt das Wort "unrein" auf und sagt den Umstehenden, dass das Unreine nicht am äußeren Verhalten abzulesen ist, in unserem Fall an den ungewaschenen Händen. Unreinheit, das Böse, sagt Jesus, ist vielmehr etwas, was sich im Herzen des Menschen abspielt. In bösen Gedanken, in einem unguten Verhaltens. Jesus bringt dafür einige Beispiele, so unter anderem: Habgier, Neid, Hinterlist, Verleumdung, Hochmut und Unvernunft.
Es gibt auch andere Situationen, wo Jesus von den Pharisäern und Schriftgelehrten zur Rede gestellt wird. Im Lukasevangelium wird davon erzählt, wie Jesus an einem Sabbat mit seinen Jüngern durch die Kornfelder wandert. Diese reißen Ähren ab, zerreiben sie in ihren Händen und essen die Körner. Einen solchen Mundraub konnten die Schriftgelehrten und Pharisäer noch zulassen, weil das armen Leuten gestattet war. Die Gesetzeswidrigkeit lag vielmehr aus ihrer Sicht darin, dass sie dies an einem Sabbat taten, wo an nichts Hand angelegt werden durfte. So jedenfalls interpretierten die Gesetzeskundigen die Weisung Gottes, dass der Mensch den Sabbat halten soll. Heute noch verbieten die streng orthodoxen Juden, dass man an einem Sabbat zum Anzünden einer Kerze ein Streichholz gebraucht, am Vortag müsse schon für das Feuer gesorgt werden.
Auch wir haben in unserem Moralstudium nach dem Krieg noch darüber diskutiert, ob Frauen am Sonntag stricken dürfen. Jesus sagte damals den Moralexperten: "Habt ihr nicht gelesen, was David getan hat, als er und seine Begleiter hungrig waren - wie er in das Haus Gottes ging und die heiligen Brote nahm. die nur die Priester essen durften, und wie er sie aß und auch seinen Begleitern davon gab? Und Jesus fügte hinzu: Der Menschensohn ist Herr über den Sabbat" (Lk 6, 3-5). In der Version der Ährengeschichte bei Markus heißt es: "Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat" (Mk 2, 27).
Am Sabbatgebot macht Jesus deutlich, dass die Gesetze nicht um ihrer selbst willen da sind. Sie sollen vielmehr dem Menschen dazu verhelfen, frei und zugleich verantwortlich zu handeln. Noch einmal Chesterton: "Laternenpfähle sind dazu da, dass sie den Weg beleuchten - nur Betrunkene halten sich daran fest." Es gilt, die Gesetze sinngemäß, der Situation entsprechend, zu interpretieren. Nicht selten gibt es Konfliktsituationen, wo wir das Bessere wählen müssen, das "maius bonum".
Diese Fragestellung ist auch heute im kirchlichen Leben gegenwärtig. Aufgrund eines engen Gesetzesverständnisses gerät in manchen Auseinandersetzungen der Mensch aus dem Blick: Etwa über die Zulassung von Geschiedenen zur Kommunion, über die Schwangerschaftskonfliktberatung, über verheiratete Priester, Aidsbekämpfung, und anderes mehr.
Jesus geht es um den Menschen
Schauen wir noch auf eine andere Begebenheit, wo Jesus die gesetzestreuen Pharisäern und Schriftgelehrten in den Spiegel ihrer veräußerlichten und menschenfernen Moral blicken lässt. Jesus begegnete an einem Sabbat in der Synagoge einem Menschen, dem die rechte Hand verdorrt war (Lk 6, 6-11). Diejenigen, die sich im Gesetz Gottes auskannten oder auszukennen meinten, lagen wiederum auf der Lauer. Was wird dieser Jesus, der sich, wie man sagt, nicht an das Mosaische Gesetz hält, jetzt tun? Jesus ahnt, was sie im Schilde führen. Ehe er die verdorrte Hand des Mannes heil macht, stellt er ihn in die Mitte und fragt die Gesetzeslehrer: "Was ist am Sabbat erlaubt, Gutes zu tun oder Böses, ein Leben zu retten oder es zugrunde gehen zu lassen? Sie aber schwiegen. Und er sah sie der Reihe nach an, voll Zorn und Trauer über ihr verstocktes Herz" (Mk 3, 4f.).Jesus geht es um das Leben, nicht um eine Erfüllung des Gesetzes um jeden Preis, am Menschen vorbei. Den Menschen, wie diesen Mann mit der verdorrten Hand, stellt Jesus in die Mitte.
Jesus ist konsequent im Verkünden der Menschenfreundlichkeit Gottes und dem Handeln danach. Auf die an Jesus gerichtete Frage, warum sich seine Jünger nicht an das Gesetz halten, hat er ihnen geantwortet: "Der Prophet Jesaja hatte recht mit dem, was er über euch Heuchler sagte: Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz aber ist weit weg von mir. Es ist sinnlos, wie sie mich verehren, was sie lehren, sind Satzungen von Menschen. Ihr gebt Gottes Gebot preis und haltet euch an die Überlieferung der Menschen." (Mk 7, 6-8). Dann sagt er weiter - in der heutigen Evangelienperikope leider ausgelassen: "Sehr geschickt setzt ihr Gottes Gebot außer Kraft und haltet euch an eure eigene Überlieferung."
Jesus wendet das an auf die den Eltern geschuldete Ehre, die nicht durch eine rituelle Opfergabe abgegolten werden kann: "Mose hat zum Beispiel gesagt: Ehre deinen Vater und deine Mutter!, und: Wer Vater oder Mutter verflucht, soll mit dem Tod bestraft werden. Ihr aber lehrt: Es ist erlaubt, dass einer zu seinem Vater oder seiner Mutter sagt: Was ich dir schulde, ist Korbán, das heißt: eine Opfergabe. Damit hindert ihr ihn daran, noch etwas für Vater oder Mutter zu tun. So setzt ihr durch eure eigene Überlieferung Gottes Wort außer Kraft. Und ähnlich handelt ihr in vielen Fällen" (Mk 7, 9-13).
Inwieweit könnte dies auch uns betreffen? Wir sollten uns fragen, ob es auch bei uns ein zu sehr auf Normen und Vorschriften fixiertes Verhalten gibt, bei dem wir Menschen, die in eine schwierigen Situation geraten sind, nicht gerecht wird. Oft müssen wir eine Güterabwägung vorzunehmen. Zwei Werte miteinander abwägen. So kann es beispielsweise einmal nötig werden, die Unwahrheit zu sagen oder die Wahrheit zu verschweigen, damit ein anderer nicht in Verruf gerät oder Schaden leidet.
"Durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin"
Paulus hat in seiner Glaubensgeschichte eine tief greifende Umwandlung erfahren. Er war ein gesetzestreuer Pharisäer und hat die meisten, wie er einmal schreibt, in der Treue zum jüdischen Gesetz übertroffen (Gal 1, 4; Phil 3, 6). Aber dann wurde er zu der Einsicht geführt: Alles, was ich bisher getan habe, war eitles Rühmen aufgrund perfekter Gesetzeserfüllung. Nun jedoch, schreibt den Christen von Philippi, "suche ich nicht meine eigene Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz hervorgeht, sondern jene, die durch den Glauben an Christus stammt, die Gerechtigkeit, die Gott aufgrund des Glaubens schenkt" (Phil 3, 9; vgl. auch Gal 2, 6).
Die Gesetze Gottes sind nicht abgeschafft, doch "das Gesetz" als der vermeintliche Weg zum Heil hat seine Gültigkeit verloren. Paulus setzt allein auf die Gnade: "Durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin, und sein gnädiges Handeln an mir ist nicht ohne Wirkung geblieben" (1 Kor 15, 10). "Aus Gnade seid ihr gerettet", lesen wir in seinem Brief an die Christen von Ephesus (Eph 2, 5). Die einzige Vorbedingung, die Gott an uns stellt, ist der Glaube. Dass wir ihm seine Liebe glauben, uns ihr öffnen! Doch selbst das ist schon von der Gnade Gottes bewirkt, ist schon im voraus von Gott bereitet (Eph 2, 10). "Gott ist es", so wieder im Brief an die Philipper, "der in euch das Wollen und das Vollbringen bewirkt, noch über euren guten Willen hinaus" (Phil 2, 13). Und was wir dann selber zu tun vermögen, verdanken wir allein der schenkenden, freigebigen Güte Gottes.
"Ohne Liebe ist alles nichts"
Ohne Liebe ist alles nichts! - mit diesem Wort der hl. Teresa von Avila könnte man das "Hohe Lied der Liebe" im 1. Korintherbrief überschreiben. Dieses Lied setzt neue unerhörte Wertmaßstäbe. Ich mag, wird da gesagt, noch so viel an guten Werken und frommen Leistungen aufzuweisen haben - dies alles wäre vergeblich, wenn es nicht von der Liebe inspiriert wäre. Was ich da zustande bringe, kann leicht zum Selbstzweck werden oder der Selbstbespiegelung dienen. Paulus geht sogar so weit zu sagen: "Wenn ich alle Glaubenskraft besäße und Berge damit versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts. Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte, und wenn ich den Leib dem Feuer übergäbe, hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts" (1 Kor 13, 2b u. 3).
Der Pharisäer, der, wie es die Beispielserzählung vom ihm und dem Zöllner zeigt, der so viel aufzuweisen und vorzuzeigen hatte, ging nicht gerechtfertigt nach Hause. Er wusste sich in seiner Gesetzestreue und in seinem Leistungsstolz nicht angewiesen auf Gottes zuvorkommende Gnade (der theologische Begriff: gratia praeveniens). Er meinte, sich durch seine frommen Werke Gottes Wohlwollen erkaufen zu können. Gott war ihm aufgrund seiner perfekten Erfüllung der Gesetze den Lohn schuldig. Dies war reine Lohnmoral.
Denen, die sich vor Gott groß vorkamen, war dann auch nicht viel am Menschen gelegen. Eigentlich suchten sie in ihrem Tun letztlich nicht Gott und ihre Mitmenschen, sondern schauten sich sozusagen selber zu bei dem, was sie an guten und frommen Werken aufzuweisen hatten. Alles, was sie geleistet hatten, könnte man als der Widerhall an der Schallmauer des eigenen Ichs bezeichnen.
Ohne Liebe ist alles nichts. Gottes vorbehaltlose Liebe, wie sie der Zöllner erfahren hat, kann für uns jedoch kein Freibrief sein. Als sollten wir in unserem Handeln alles Gott überlassen. Aber können wir denn, die wir in Jesus Gottes verschwenderische Liebe erfahren, ohne Verdienste und Vorleistungen, etwas anderes tun, als dieser Liebe in unserem Herzen Raum zu geben und an andere Menschen weiter zu schenken? Noch einmal mit Paulus gesprochen: "Durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin, und sein gnädiges Handeln an mir ist nicht ohne Wirkung geblieben" (1 Kor 15, 10).
Mit aufrichtigem Herzen
"als ob"
Manchmal tun wir "als ob". Das Kind gibt vor, sich gewaschen zu haben - und hat doch kaum 3 Tropfen ins Gesicht gebracht. Jemand hat ein Geschenk gemacht - und es sieht so aus, als ob es absichtslose Liebe sei zum Freund - doch wehe, wenn nicht ein Gegengeschenk kommt und das entsprechende Lob für die Gabe gesungen wird. . .
Um das "als ob" geht es im Evangelium. Als ob man mit Waschungen, mit Spülen von Kesseln, Krügen und Bechern rein und fromm würde? Als ob der Kontakt auf dem Markt mit Nicht-Juden, den Heiden also, und mit Waren und Speisen, die von unreinen Tieren kamen, aus der Gemeinschaft mit Gott ausschließe? Als ob der Kontakt mit Aussätzigen, mit Toten mich von der Religion ausgrenze? Und als ob - falls man doch mit Unreinem sich befleckt hatte - man dies mit äußerlichen Waschungen wieder loskriegen könne?
Jesus spricht von Menschensatzung. Er betont, dass es auf das Herz ankommt, das muss aufrichtig sein, aus Liebe handeln. Jesus greift die Worte vom Propheten Jesaja auf: "Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, aber ihr Herz ist weit weg von mir!" Jesus fordert die Reinheit unseres Herzen. Innen und Außen sollen zusammenstimmen. Nicht Außen hui - und Innen pfui! - Wie geht das? Schaffen wir das?
Geben mit Absicht
Kehren wir nochmals zurück zum Beispiel vom "Schenken". Was nach außen absichtslos aussieht, ist der wahren inneren Absicht nach ganz anders.
"Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft" sagt man. Da gibt jemand, um zurückzubekommen. Es gibt ein Helfen, das eher ein Sponsoring, ein Mäzenatentum ist: Ein Betrieb, ein Politiker, unterstützt öffentliche Anliegen, weil es dem Ansehen gut tut.
Oder es gibt jemand, er hilft und ist immer zur Stelle, um geliebt zu werden. Unbewusst geht es da den Helfern nicht so sehr um die andern, sondern um sich selber. Jemand sucht Anerkennung.
Bei uns allen gibt es diese Form des Gebens. Jesus aber sagt: "Die Sünder leihen Sündern in der Hoffnung, alles zurückzubekommen!" Er weiß um die unvollkommenen Formen des Gebens.
Der Herr meint, dass wir uns etwas einfallen lassen sollen, dass aus unserem Herzen Reines, also Gesäubertes herauskommt. Wie sollen wir es tun? "Selig, die reinen Herzen sind, denn sie werden Gott schauen." Verheißt er uns in der Bergpredigt.
Auf das Wie kommt es an
Als erstes kommt es nicht darauf an, was man gibt, sondern wie man es gibt: Mutter Theresa rät ihren Schwestern: "Wenn ihr einem Durstigen ein Glas Wasser reicht, gebt es Jesus." Das ist eine kleine einfache Lehre, aber richtig betrachtet, ist es das Wichtigste. Richtiges Geben geschieht also in dem Bewusstsein, dass letztlich Gott der Empfänger ist. So begegnet uns Jesus in einem, der vielleicht einen dringenden Bescheid von mir braucht; so kann ich, wenn ich in der Landwirtschaft arbeite, an die denken, die das Brot essen, das ich erarbeite; so begegne ich Jesus in den Schülern, die den Unterricht erhalten, den ich gerade vorbereite; ich begegne Jesus in den Menschen, die das Kleid tragen, das ich schneidere, die sich mit dem Essen nähren, das ich zubereite.
Wenn wir den Schwächeren und Ärmeren geben, können wir leichter absichtslos sein. Sie können es nicht zurückgeben.
Großzügig geben, ist ein Wesenszug Gottes. Doch oft ist die Angst groß, etwas herzugeben. Wenn es uns gelungen ist, auch nur ein wenig Zeit zu verschenken für jemand, kehrt ein gutes Gefühl in unser Herz. Vom französischen Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry stammt die Aussage: "Nicht vom Geben, sondern vom Behalten werden wir krank."
Nicht tun "als ob"; nicht scheinheilig, sondern heilig. Betet doch schon der Psalmist: "Ein weißes Herz, ein reines Herz verleihe mir, o Herr!" Der Prophet Ezechiel macht Mut, wenn er weissagt: "Ich nehme das Herz aus Stein aus eurer Brust und gebe euch ein Herz aus Fleisch, ein neues Herz!" Ja, Gott muss uns helfen dazu. Er tut es durch seinen Geist, der uns eingegossen ist. Wir sind eingeladen, mutig den inneren Impulsen zu folgen, besonders für ein ehrliches Beten und Mühen für den Gottesdienst und um ein frohes, absichtsloses Begegnen mit dem Nächsten.
Martin Buber hat das Gemeinte in der Geschichte des Rabbi Jizchak Meir vom "Rad und vom Pünktlein" überliefert:
"Wenn einer Vorsteher wird, müssen alle nötigen Dinge das ein, ein Lehrhaus und Zimmer und Tische und Stühle, und einer wird Verwalter und einer wird Diener und so fort. Und dann kommt der böse Widersacher und reißt das innerste Pünktlein heraus, aber alles andere bleibt wie zuvor, und das Rad dreht sich weiter, nur das innerste Pünktlein fehlt. Und der Rabbi hob die Stimme: Aber Gott helfe uns, man darf's nicht geschehen lassen!" (Martin Buber, Die Erzählungen des Chassidim, Zürich 1949, 830)
- Liedvorschläge1
Hans Hütter
Lieder:
GL 140: Kommt herbei, singt dem Herrn
GL 149: Liebster Jesu, wir sind hier, dich und dein Wort anzuhören
GL 273: O Herr, nimm unsre Schuld
GL 409: Singt dem Herrn ein neues Lied
GL 422: Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr
GL 423: Wer unterm Schutz des Höchsten steht
GL 428: Herr, dir ist nichts verborgen
GL 448: Herr, gib uns Mut zum Hören
GL 455: Alles meinem Gott zu Ehren
GL 458/459: Selig seid ihr, wenn ihr einfach lebt
GL 481: Sonne der Gerechtigkeit
GL 489: Laßt uns loben, freudig loben
GL 491: Ich bin getauft und Gott geweiht
GL 543: Wohl denen, die da wandeln vor Gott in Heiligkeit
GL Ö814: O höre, Herr, erhöre mich
GL Ö815: Sag ja zu mir, wenn alles nein sagt
Psalmen und Kehrverse:
GL 31: Selig der Mensch, der seine Freude hat, seine Freude an der Weisung des Herrn. - Mit Psalm 1 - IV.
GL 34: Herr, wer darf Gast sein in deinem Zelt. wer darf weilen auf deinem heiligen Berg? - Mit Psalm 15 - VI.
GL 584,4: Herr, du hast Worte ewigen Lebens - Mit Psalm 19 - II.
GL 629,1: Du führst mich hinaus ins Weite; du machst meine Finsternis hell - Mit Psalm 30 - I.
- Einleitung7
Johannes Heimerl (2024)
Lernen, Erfahrungen sammeln, Entscheidungen treffen, Gesetze befolgen… Das Leben ist voller Herausforderungen, jeden Tag. Diese Tatsache erscheint uns einerseits als Einschränkung unserer Freiheit, andererseits ist sie aber auch eine Möglichkeit, diese Freiheit neu zu definieren. Jesus tut genau das im heutigen Evangelium und spricht damit nicht nur zu den Menschen seiner Zeit, sondern spricht auch jeden von uns persönlich an.
Ihn begrüßen wir nun in unserer Mitte im Kyrie:
Hans Hütter (2024)
Immer wieder sind wir schockiert über das Böse, das in unserer Welt und manchmal auch in unserem persönlichen Leben aufbricht. Wir fragen uns: Woher kommt all das Böse? Wie können wir ihm entgegentreten? Manche meinen: Wenn sich alle an die Gebote Gottes hielten, gäbe es das Böse nicht mehr. Genügt das? Auch Gesetze bleiben ein leeres Versprechen, wenn sie nicht vom Herzen her mit gutem Geist erfüllt werden.
Bitten wir Gott um Vergebung für alles Böse, in das auch wir verwickelt sind, und bitten wir ihn um seinen guten Geist, der uns befähigt, Gutes zu bewirken.
Hans Schalk (2021)
Wir kommen zur Eucharistiefeier zusammen. Die Eucharistiefeier ist Gedächtnis, Erinnerung an Jesus. Wir begegnen Jesus. Wir feiern die vergegenwärtigende Erinnerung an Jesus. Durch die Lesung des Evangeliums wird uns ein Ausschnitt seines Lebens und seiner Worte zugesprochen, in unser Heute hineingesprochen. In der Lesung aus einem Apostelbrief werden wir in die Tradition der christlichen Gemeinden hineingestellt. Wir haben Teil am Reichtum der Gesamtkirche, freilich auch an der Not, die sie durch das Versagen ihrer Glieder bedrängt.
Auch in diesem Bewusstsein versammeln wir uns.
Manfred Wussow (2018)
Uns wird heute ein weises, verständiges, gebildetes Volk vorgestellt. Ein Volk, das in den Geboten und Rechten Gottes gelehrt ist. Ein Volk, das in Liebe und Barmherzigkeit Aufsehen erregt. Weltweit.
Uns wird zugetraut, ein solches Volk zu sein!
Darum nehmen wir Zuflucht bei Gott, bitten um seine Gnade befehlen ihm unsere Ausreden und Zweifel.
Norbert Riebartsch (2015)
Immer wieder berichten die Medien von Hygieneskandalen. Dann geht es gleich um viele Menschen. Sie erkranken oder sterben sogar. Die Betroffenheit ist groß.
Aber wie ist es mit den alltäglichen Hygieneskandalen bei uns? Wenn ein böses Wort gesagt wird, werden auch Menschen verletzt. Als Verletzte können sie dann nicht so positiv reagieren, wie sie es sonst täten. Die Wirkung des Wortes setzt sich fort. Dagegen kann das gute Wort Kraft freisetzen und so Segen erzeugen.
Bitten wir nun den, der das Wort des Lebens ist:
Klemens Nodewald (2015)
Im heutigen Evangelium klagt Jesus: „Ihr Herz ist weit weg von mir!“. Wir haben uns versammelt, um dem Herrn neu zu begegnen mit der Hinwendung unserer Herzen zu ihm.
Bekennen wir dies und bitten wir ihn:
Hans Hütter (2012)
Für viele Kinder und Jugendliche beginnt in diesen Tagen wieder die Schule. Lernen ist notwendig. Darum kommt niemand herum. Genau genommen hören wir das ganze Leben lang nicht auf dazuzulernen. Täglich tritt Neues an uns heran und wir müssen es in unser Leben integrieren. Schwieriger als das Lernen mit dem Kopf ist oft das Lernen mit dem Herzen. Es fällt uns nicht immer leicht, andere Menschen zu akzeptieren wie sie sind und ihre lebensweise zu respektieren.
Wenn wir aufmerksam auf das Wort Gottes hören, führt es uns zu neuen Aufgaben, macht es auf neue Wege aufmerksam und wird für uns zu einer Herausforderung des Dazulernens.
Bitten wir den Herrn, dass er uns durch die Begegnungen mit unseren Schwestern und Brüdern wie auch mit dem Wort Gottes wachsen lässt.
- Bußakt3
Hans Hütter (2024)
Herr, unser Gott,
Oft ehren wir dich nur mit unseren Lippen,
unser Herz ist oft weit weg von dir.
Herr, erbarme dich.
Oft ziehen wir althergebrachte Gewohnheiten
deinem Gebot vor.
Christus, erbarme dich.
Was wir in unserem Herzen fühlen und denken
stimmt oft nicht mit dem überein,
was wir nach außen reden und zeigen.
Herr, erbarme dich.
Edith Furtmann (2024)
Guter Gott,
immer wird dein Wort von Angst und Selbstsucht in unseren Herzen übertönt.
Herr, erbarme dich.
Statt auf Menschlichkeit und Nächstenliebe bauen wir auf Gesetze und Vorschriften.
Christus, erbarme dich.
Lenke unseren Blick auf das, was wirklich zählt.
Herr, erbarme dich.
Manfred Wussow (2018)
Herr,
in unserem Land gibt es Hetze gegen Fremde, gegen Rechte, gegen die Anderen.
Menschen sehen sich nicht an, hören einander nicht zu, reden nicht füreinander.
Herr, erbarme dich.
Christus,
du hast verlorene Menschen gesucht und gefunden.
Deine Liebe wurde nicht verstanden, in Zweifel gezogen, in Abrede gestellt.
Christus, erbarme dich.
Herr,
tief in uns schlummern Aggressionen und Ängste.
Wir waschen unsere Hände in Unschuld und schützen uns mit weißen Westen.
Herr, erbarme dich.
Öffne mir die Augen, dass ich sehe die Wunder an deinem Wort.
Ich bin ein Gast auf Erden; verbirg deine Gebote nicht vor mir.
Ich erzähle dir meine Wege, und du erhörst mich; lehre mich deine Gebote!
Lass mich verstehen den Weg deiner Weisung, so will ich reden von deinen Wundern!
(Ps 119,18f., 26f.)
Ehre sei Gott in der Höhe!
- Kyrie4
Johannes Heimerl (2024)
Herr Jesus Christus,
nur du weißt was in uns Menschen steckt.
Herr erbarme dich unser.
Du hast dein Wort und deine Weisung in unser Herz eingeschrieben.
Christus erbarme dich unser.
Du berufst uns alle in deine Nachfolge als Kinder Gottes.
Herr erbarme dich unser.
Hans Schalk (2021)
Herr, jeder und jede von uns steht ganz persönlich vor dir!
Herr, ich bin vor dir mit meinen Gaben, mit meinen Grenzen und meinem Versagen:
Herr, erbarme dich!
Herr, wir sind als Teil der gesamten Kirche von heute vor dir, auch der Kirche, der die Schamröte ins Gesicht steht.
Reinige deine Kirche, heile und heilige sie:
Christus, erbarme dich!
Herr, du rufst immer neu zusammen,
die dein Wort hören und danach handeln möchten:
Herr, erbarme dich!
Norbert Riebartsch (2015)
Herr Jesus Christus,
du hast Menschen Zukunft zugesprochen.
Kyrie, eleison.
Du hast die Dinge ins rechte Maß gerückt.
Christe, eleison.
Du hast gemahnt, damit die Menschen nicht in die Falle des Bösen treten.
Kyrie, eleison.
Klemens Nodewald (2015)
Herr Jesus Christus,
die Liebe zu uns führte dich auf unsere Erde.
Herr, erbarme dich.
In Herzlichkeit mit uns verbunden
willst du mit uns durch unser Leben gehen.
Christus, erbarme dich.
Dir, deiner Liebe und Fürsorge vertrauen wir uns neu an.
Herr erbarme dich.
Mit der Fülle seines Erbarmens und seiner Gnade komme uns der Herr entgegen.
Er stärke uns, unser Leben mit seiner Hilfe zu bewältigen.
Er richte uns auf, wo wir zu Fall gekommen sind.
So lasse er uns sein Heil immer neu erfahren. – Amen.
- Tagesgebet4
Messbuch - TG 22. Sonntag: binde uns immer mehr an dich
Allmächtiger Gott,
von dir kommt alles Gute.
Pflanze in unser Herz
die Liebe zu deinem Namen ein.
Binde uns immer mehr an dich,
damit in uns wächst, was gut und heilig ist.
Wache über uns und erhalte, was du gewirkt hast.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.
MB 22. Sonntag im Jahreskreis
Messbuch - TG Fastenzeit 0 Sa: übe Nachsicht mit unserer Schwäche
Allmächtiger Gott,
übe Nachsicht mit unserer Schwäche,
und damit wir imstande sind,
den Kampf mit den Mächten des Bösen zu bestehen,
strecke deine Hand aus und schütze uns.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.
MB Samstag nach Aschermittwoch
Messbuch - TG 10. Sonntag: erkennen, was recht ist
Gott, unser Vater,
alles Gute kommt allein von dir.
Schenke uns deinen Geist,
damit wir erkennen, was recht ist,
und es mit deiner Hilfe auch tun.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.
MB 10. Sonntag im Jahreskreis
MB Die Bittmesse
Messbuch - TG Auswahl 18: du kennst unser Elend
Herr.
Du kennst unser Elend.
Wir reden miteinander und verstehen uns nicht.
Wir schließen Verträge und vertragen uns nicht.
Wir sprechen vom Frieden und rüsten uns zum Krieg.
Zeige uns einen Ausweg.
Sende deinen Geist,
damit er den Kreis des Bösen durchbricht
und das Angesicht der Erde erneuert.
Darum bitten wir durch Jesus Christus, unseren Herrn.
Amen.
MB Auswahl 18
- Eröffnungsgebet7
Werkbuch WGF (2004) - EG 22. Sonntag B: Entferne das Böse und das Verhärtete und mach uns rein
Guter Gott,
du bist langmütig und reich an Erbarmen.
Du hast uns in deinen Dienst gerufen.
Du willst,
dass wir dich mit ganzem Herzen lieben.
Entferne das Böse und das Verhärtete
und mach uns rein.
Darum bitten wir durch Jesus Christus, deinen Sohn,
der mit dir und dem Heiligen Geist lebt
in alle Ewigkeit.
WB 22. Sonntag im Jahreskreis B
Sonntagsbibel (2021) - Gebote schenken Leben und Freiheit
Gott,
in deinem Sohn willst du uns erneuern.
Laß uns erkennen, daß deine Gebote
Leben und Freiheit schenken.
Durch Christus, unseren Herrn.
Johannes Heimerl (2024)
Guter Gott,
Gesetzte und Vorschriften bestimmen unserer Leben,
weshalb wir das Wesentliche oft aus dem Blick verlieren.
Lass uns durch dein Wort nun erkennen, worum es dir geht,
damit wir als neue Menschen leben.
Darum bitten wir durch Jesus Christus unseren Herrn.
Beatrix Senft (2021)
Vater im Himmel,
durch Jesus dürfen wir immer wieder erfahren,
wie wir so leben sollen,
dass es dir gefällt und zum Wohl aller Menschen dient.
Du schaust nicht auf unsere Äußerlichkeiten,
sondern auf unser Herz und unsere Gedanken.
Lass uns auch heute auf dein Wort hören
und gib uns die Kraft, danach zu leben.
Lass deinen Hl. Geist uns Beistand sein – heute und immer. – Amen.
Manfred Wussow (2018)
Gott, Vater, Mutter aller Menschen,
du kennst die Nachrichten, die uns verunsichern,
die Meldungen, die Angst und Schrecken verbreiten.
Du kennst auch unsere Zerrissenheit.
Schenke uns dein Gehör
für die vielen Dinge, die uns umtreiben,
die wir nicht erledigen,
die wir vor uns herschieben.
Und schenke uns dein Wort,
das uns die Welt aufschließt,
uns auf neue Ideen bringt,
uns Kraft und Hoffnung bringt.
Du machst uns weise und verständig
mit deiner Liebe und Barmherzigkeit
in Jesus Christus,
der von dir kommt
und uns zu dir führt
in der Weite deines Geistes
von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Norbert Riebartsch (2015)
Gott und Vater,
dein Wort kam in Jesus zu uns auf die Erde
und sein Wort erreicht uns hier und heute.
Es ist ein Wort für das Wohl in unserer Gemeinde
und dort, wo wir mit Menschen zusammenkommen.
Hilf uns im Hören
und bewege unsere Herzen.
Darum bitten wir durch diesen Jesus,
der im Heiligen Geist deine Worte gelebt hat. - Amen.
Manfred Wussow (2009)
Gott,
du wohnst in einem vollkommenen Licht,
bei dir ist alles wohlgeordnet und gut.
Dein Wort, auf das wir warten,
macht unser Leben hell und reich.
Dich bitten wir,
unsere Herzen, Hände und Füße zu segnen,
wir bitten dich um einen klaren Verstand
und um einen liebevollen Blick,
dir vertrauen wir unsere blinden Flecken und Schwachstellen an.
Lass uns miteinander gütig umgehen
und auf dem Weg zu dir das Leben finden.
In Christus, unserem Herrn.
- Fürbitten12
Johannes Heimerl (2024)
Guter Gott,
dein Herz und dein Handeln sind bei uns Menschen für alle Zeit.
Voll Vertrauen wenden wir uns an dich und bitten:
Für die Amtsträger in unserer Kirche:
Dass sie das Evangelium treu verkünden und ihr Herz und ihr Handeln von Gottes Wort geleitet werden.
Für uns selber:
Dass wir immer neu von deinem Heiligen Geist begleitet werden,
um deine wahren Wege an uns zu erkennen.
Für die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft:
Dass sie die Sorgen der Mitmenschen ernstnehmen und zum Wohle aller handeln.
Für die Kranken und Notleidenden:
Dass sie Menschen finden, die ihnen helfen und sie in allen Situationen stützen.
Für die Verstorbenen:
Dass alles, was sie auf Erden gefehlt und nicht vollendet haben, sich vollende in deinem ewigen Licht.
Denn du, Gott unser Vater, schaust nicht auf unser Äußeres. Du nimmst uns an, so wie wir sind, mit all unseren Fehlern und Schwächen. Dafür danken wir dir, heute und in Ewigkeit. – Amen.
Renate Witzani (2024)
Für uns selbst, für unsere Gemeinschaft und für die ganze Welt bitten wir nun um Gottes Geist, der uns bewegt und der uns Leben schenkt:
Für eine Kirche, die durch ihre Verkündigung Menschen ermutigt, Freiheit, Hoffnung und Lebenssinn in deiner Botschaft zu entdecken.
Für eine Gesellschaft und deren politische Kräfte, dass sie gemeinsam versuchen, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen.
Für alle, die in diesen Tagen mit großen Erwartungen und Idealismus eine neue Schul- oder Berufsausbildung beginnen, um Freude und Ausdauer.
Für alle Kinder, die sich nach den Ferien wieder neu auf ihren Schulweg machen, um deinen Schutz und um besondere Aufmerksamkeit und Achtsamkeit aller am Verkehrsgeschehen Beteiligten.
Für alle Verstorbenen, die bereits jetzt an ihrem ewigen Ziel bei dir angekommen sind.
Heiliger Geist, du schaffst Leben! Wandle uns mit deiner Kraft vom bloßen Hören des Wortes zu Menschen, durch deren Tun Gottes Liebe zu seiner Schöpfung sichtbar wird. - Amen.
Edith Furtmann (2024)
Guter Gott,
im Evangelium hörten wir viel über saubere Hände und boshafte Herzen.
Vertrauensvoll bitten wir dich:
Für alle Menschen, denen die Befolgung deiner Botschaft wichtiger ist als alle menschengemachten Regeln.
Für alle Menschen, die sich darum bemühen, unser Zusammenleben für alle erträglich zu gestalten
Für alle Menschen, die sich bemühen, deine Botschaft zu verkünden und in der Nachfolge deines Sohnes zu leben.
Für alle Menschen, die unsere Kirche verlassen, weil sie ihre Regeln zu starr finden und hinter den Gesetzestexten und Strukturen deine Botschaft nicht mehr erkennen können.
Für alle Menschen, die darunter leiden, dass gute Ideen und Vorschläge oft Lippenbekenntnisse bleiben.
Für alle Menschen, die auf der Flucht und auf der Suche nach einem menschenwürdigeren Leben sind.
Für alle Menschen, die in unserer Gesellschaft nicht mehr Anerkennung und Respekt finden.
Für alle Kranken und Trauernden.
Steh ihnen bei.
Für unsere Verstorbenen.
Nimm sie auf in deine Herrlichkeit.
Herr Jesus Christus,
du hast Worte des ewigen Lebens. An dich können wir uns in jeder Situation unseres Lebens vertrauensvoll wenden. – Amen.
Hans Schalk (2021)
Herr Jesus Christus, du kennst uns Menschen bis auf den Grund. Du weißt, wer wir sind und weißt, was für unser Zusammenleben gut ist.
Höre auf unsere Bitten:
Hilf uns, Gottes Weisungen in ihrem Sinn zu verstehen und sie von Herzen zu befolgen!
Christus, höre uns! - Christus, erhöre uns!
Erfülle die gesetzgebenden Organe auf allen Ebenen mit der nötigen Weisheit, die erforderten Gesetze zum Wohl des menschlichen Zusammenlebens zu erstellen!
Begleite die Arbeit an uns selbst und befähige uns, uns in Kirche und Gesellschaft mit den uns gegebenen Begabungen einzubringen!
Stärke in den Gemeinden, Gemeinschaften und kirchlichen Gruppens das gegenseitige Wohlwollen und die Achtsamkeit im Umgang miteinander!
Herr Jesus Christus,
du hast uns berufen, mit dir Wort für unsere Mitmenschen zu sein.
Lass uns mit dir auch zur Vollendung gelangen,
der du mit dem Vater im Heiligen Geist lebst und herrscht in Ewigkeit! - Amen.
Renate Witzani (2021)
In seinen Geboten eröffnet uns Gott einen Weg zu einem Leben, in dem Beziehung zu ihm und unseren Mitmenschen gelingen kann.
Um seinen Geist lasst uns ihn bitten:
In der Taufe wurde uns das Evangelium anvertraut.
Hilf deiner Kirche, die Menschen in ihren Lebensbrüchen und -fragen ernst zu nehmen und sie in ihrer Sehnsucht nach dir zu bestärken.
Viele Menschen fürchten sich vor Missbrauch von Macht, Einengung ihrer Freiheit, Gewalt und Terror.
Hilf uns trotz aller Unterschiede in Kultur, Bildung und Religion für die Würde der Betroffenen einzutreten und ihre Not nach Möglichkeit zu lindern.
Vertrauensbruch, Arroganz und verletzende Worte zerstören zwischenmenschliche Beziehungen.
Hilf uns nicht nur deine Botschaft zu hören sondern auch nach ihr zu handeln.
Nur den schönen Schein zu pflegen ist letztlich für uns selbst nicht befriedigend und verletzt die anderen.
Hilf uns zu verstehen, wie gutes Leben für alle gelingen kann.
Auf deine Barmherzigkeit sind wir alle angewiesen.
Schenke unseren Verstorbenen Anteil an deiner ewigen Herrlichkeit.
Dich, Gott, zu verehren, heißt nicht nur dich mit unseren Worten zu loben sondern auch in deinem Geist zu handeln. Nur so können wir dich aufrichtig loben und preisen, jetzt und allezeit. - Amen.
Hans Hütter (2021)
Guter Gott,
wenn vor dich hintreten, wird uns bewusst, dass in unserer Welt und in unserem eigenen Leben vieles nicht gut und in Ordnung ist.
Wir bitten dich:
Für die Menschen, die in Afghanistan vor einer ungewissen Zukunft stehen.
Steh ihnen bei in dieser für sie schweren Zeit.
Für die neuen Machthaber in Afghanistan.
Lass sie die Not der Menschen sehen
und befähige sie, ihr Land zum Wohl seiner Bewohner zu lenken und leiten.
Für die Menschen, die sich genötigt sehen,
aus diesem Land zu fliehen und anderswo eine neue Existenz aufzubauen.
Begleite sie auf ihren ungewissen Wegen.
Für die Menschen in unserem Land,
die sich mit den Einschränkungen infolge der Pandemie schwertun.
Lass sie begreifen und tun, was zum Vorankommen aller notwendig ist.
Für alle Menschen,
die Kraft aus dem Evangelium zu schöpfen suchen.
Befähige sie, den Geist der Frohen Botschaft zu erfassen
und sich nicht in Diskussionen um Vorschriften und Gesetze zu verfangen.
Für unsere Verstorbenen.
Heile, was in ihrem Leben nicht recht war,
und lass sie teilhaben an deinem himmlischen Gastmahl.
Du, guter Gott, schaust auf die Herzen der Menschen.
nimm unseren guten Willen und leite uns zum Guten. – Amen.
Manfred Wussow (2018) - gewaschene Händen und boshafte Herzen
Im Evangelium hören wir von reinen, gewaschenen Händen und verstörten, boshaften Herzen.
Wir sehen böse Gedanken, verführerischen Hochmut und tödliche Unvernunft.
Das befehlen wir Gott, der die Herzen kennt und zwischen den Zeilen liest.
Herr,
wir bitten dich für die Menschen, die sich in ihr eigenes Leben so vergraben haben, dass sie andere nicht mehr sehen können.
Wir rufen zu dir: Herr, schenke uns ein reines Herz!
Herr,
wir bitten dich für die Menschen, die nur noch die Sprache der Gewalt kennen, die Hass säen
und andere für ihre Interessen missbrauchen.
Wir rufen zu dir: Herr, schenke uns ein reines Herz!
Herr,
wir bitten dich für die Menschen, die als Fremde und Flüchtlinge zu uns kommen, auf Schweigen und Distanz stoßen, aber Brücken bauen.
Wir rufen zu dir: Herr, schenke uns ein reines Herz!
Herr,
wir bitten dich für die Menschen, die an vielen Stellen der Welt helfen, dass Menschen sich versöhnen; die Entwicklungsprojekte begleiten und Bildungsprogramme durchführen.
Wir rufen zu dir: Herr, schenke uns ein reines Herz!
Herr,
wir bitten dich für die Menschen, die als Opfer von Missbrauch traumatische Erfahrungen verarbeiten und um ihr Recht kämpfen.
Wir rufen zu dir: Herr, schenke uns ein reines Herz!
Du, Gott, dem wir unser Leben verdanken,
du kennst die vielen Abhängigkeiten, in denen wir Menschen leben,
du kennst die Schuld, die Menschen voneinander trennt,
du kennst die Rollen, in die sich Menschen flüchten.
Dich bitten wir um Liebe und Barmherzigkeit für eine neue Welt
in Christus, unserem Herrn.
Renate Witzani (2018)
Lasst uns Gott bitten,
dass wir in den Fügungen unseres Lebens erkennen,
wie gut er es mit uns meint:
Für eine Kirche, die auf Christus, dein fleischgewordenes Wort, hört und danach handelt.
Für eine Gesellschaft, die Regeln akzeptiert, die dazu da sind, dass das Leben aller gelingen kann.
Für alle Schüler und Lehrer, die sich in den Klassen und Schulen bemühen, auf ein Leben vorzubereiten, in dem Rücksichtnahme und Wertschätzung für alle Menschen gelten.
Für uns alle, die beschenkt mit den verschiedenen Gaben zum Wohl unserer Familien und Gemeinschaften beitragen können.
Für unsere Verstorbenen, dass sie bei dir die Fülle des Lebens finden.
Gott des Lebens!
Schenke uns ein offenes Herz, mit dem wir erkennen, wie sehr wir aufeinander angewiesen sind.
Dass dieses gemeinschaftliche Miteinander gelingen möge, erbitten wir von dir durch Christus, unseren Herrn und Bruder. - Amen.
Norbert Riebartsch (2015)
Herr, wenn wir mit deinem Herzen denken und in deinem Sinne handeln,
dann wenden wir uns im Gebet den Menschen zu,
für die du das offene Ohr hattest:
Wir bitten dich für alle, die durch ihre Mitmenschen innerlich verletzt sind.
Wir bitten dich für die Suchenden, die ihren Platz im Leben noch nicht gefunden haben.
Wir bitten dich für die Menschen, die sich mit den Regeln ihrer Umwelt schwer tun.
Wir bitten dich für jene, die dem Frieden den Weg ebnen.
Wir bitten dich für die Menschen, denen du gerade ihre besondere Berufung zusprichst.
Wir bitten dich für jene, deren Lebensweg zu Ende geht.
Du Herr, wirst mit Segen antworten.
Darauf vertrauen wir und dafür danken wir. - Amen.
Klemens Nodewald (2015)
Tragen wir unsere und der Menschen Sorgen, Nöte und Leiden zu Jesus hin,
wie es die Menschen zu seinen Lebzeiten taten,
und bitten wir ihn um seinen Beistand.
Hilf, Herr, allen Menschen, ihre Herzen zu reinigen
und die Welt und ihre Bewohner mit liebendem Herzen zu betrachten.
Jesus, du Freund der Menschen...
Senke Güte in die Herzen derer, die durch Misserfolge, Leid, Krankheit, Schicksalsschläge oder erlittenes Unrecht innerlich verhärtet sind.
Jesus, du Freund der Menschen...
Schenke Erfolg allen, die sich um Frieden und Versöhnung mühen:
in der Welt, in ihrer Familie und Verwandtschaft,
im Umfeld ihres Lebensbereichs.
Jesus, du Freund der Menschen...
Segne das Bemühen derer, die Menschen in ihren Nöten beistehen
und sie liebevoll begleiten.
Jesus, du Freund der Menschen...
Hilf allen Gläubigen jeglicher Religion, sich gegenseitig zu achten
und gemeinsam dem Wohl der Menschen zu dienen.
Jesus, du Freund der Menschen...
Nimm alle Verstorbenen auf in die Gemeinschaft mit dir.
Jesus, du Freund der Menschen...
Herr, du willst uns helfen, durch die Liebe unserem Wesen und der Welt ein neues Gesicht zu geben. Wir danken dir für deine Hilfe, die du uns anbietest, und deine Liebe, die keine Bedingungen und Grenzen kennt.
Lob und Dank sei dir in Ewigkeit. – Amen.
Renate Witzani (2015)
Gottes Wort lädt uns nicht nur zum Hören
sondern auch zum Befolgen ein.
Dafür lasst uns den Herrn bitten:
Erfülle alle, die anderen das Wort der Schrift auslegen,
mit Begeisterung und Liebe zur Wahrheit, die du uns darin offenbarst.
Erfülle die Menschheit mit Leidenschaft in ihrer Sorge um deine Schöpfung,
damit wir in Gemeinschaft mit allem leben können, was uns umgibt.
Erfülle uns mit der Freiheit der Kinder Gottes,
damit wir uns unter deiner Menschenfreundlichkeit und Gerechtigkeit
zur Reife unserer Persönlichkeit entfalten können.
Erfülle uns immer wieder neu mit dem Geist der Unterscheidung und Umkehr,
damit aus unserem Glauben kein Fanatismus
und aus unserem Dienst am Nächsten kein Kaufpreis für den Himmel wird.
Erfülle unsere Verstorbenen mit deiner Verheißung von Frieden und ewiger Anschauung deiner Größe.
Denn du, Herr, bist unser Schöpfer und Erlöser.
Wir danken dir für deine Weisungen
und rühmen dich für deine Gerechtigkeit und Liebe,
jetzt und bis in Ewigkeit. - Amen.
Hans Hütter (2012)
Guter Gott,
wenn wir aufrichtig auf dein Wort hören,
wird uns unsere eigene Ohnmacht und die Not vieler Menschen bewusst.
Wir kommen daher mit unseren Bitten zu dir.
Wir beten für die Kinder und Jugendlichen,
für die in den kommenden Wochen wieder die Schule beginnt.
Schenke ihnen Freude am Lernen
und an der Begegnung mit anderen Menschen.
Wir empfehlen dir besonders die Kleinen,
die zum ersten Mal zur Schule oder in den Kindergarten gehen.
Schütze sie auf allen ihren Wegen
und lass sie gute Gemeinschaft erleben.
Wir beten für alle Menschen,
die keinen Zugang zu angemessener Bildung haben,
weil ihnen die nötigen materiellen Mittel dazu fehlen.
Eröffne ihnen alternative Wege des Lernens und Reifens.
Wir beten für alle Menschen,
die nicht den Mut und die Kraft haben,
sich mit Neuem und Ungewohntem auseinander zu setzen.
Wir bitten dich für die Gemeinschaft der Kirche.
Schenke ihr das Vertrauen, dass dein Geist uns leitet,
und mach den Verantwortlichen Mut,
sich aktuellen Fragen und Themen zu stellen.
Gott und Vater,
wir danken dir, dass du mit deinem Geist uns begleitest
und unser Leben reich machst. Amen.
- Gabengebet4
Messbuch - GG 22. Sonntag: diese Opferfeier bringe uns Heil und Segen
Herr, unser Gott,
diese Opferfeier bringe uns Heil und Segen.
Was du jetzt unter heiligen Zeichen wirkst,
das vollende in deinem Reich.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MB 22. Sonntag im Jahreskreis
Messbuch - GG Auswahl 5: Erlöse uns von aller Bosheit und reinige uns
Herr und Vater,
was wir für dieses heilige Mahl bereitet haben,
das nimm gnädig in das Geheimnis deines Sohnes auf.
Er ist schuldlos um der Schuldigen willen in den Tod gegangen. -
Erlöse uns von aller Bosheit
und reinige uns durch seine Reinheit.
Darum bitten wir durch ihn, Christus, unseren Herrn.
Amen.
MB Auswahl 5
Messbuch - GG Fastenzeit 4 Mo: lass das neue Leben in uns wachsen
Herr, unser Gott,
nimm die Gaben an, die wir darbringen,
und mache das heilige Opfer in uns wirksam.
Befrei uns von der alten Anhänglichkeit an das Böse
und laß das neue Leben der Gnade in uns wachsen.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MB 4. Montag der Fastenzeit
Messbuch - GG 6. Sonntag: es helfe uns, nach deinem Willen zu leben
Barmherziger Gott,
das heilige Opfer reinige uns von Sünden
und mache uns zu neuen Menschen.
Es helfe uns, nach deinem Willen zu leben,
damit wir den verheißenen Lohn erlangen.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MB 6. Sonntag im Jahreskreis
- Gebet zur Gabenbereitung3
Johannes Heimerl (2024)
Sieh, oh Herr, auf die Gaben, die wir zu deinem Lobe darbringen.
Sie sollen ein Zeichen sein für deine grenzenlose Liebe.
Sie sollen ein Zeichen sein für unsere Erneuerung
und sie sollen Zeichen sein für alle Menschen.
Darum bitten wir durch Christus, unsern Herrn.
Manfred Wussow (2018)
Dir, Herr, bringen wir unseren Hunger nach Leben,
das ungelebte, das ungeliebte Leben.
Dir, Herr, bringen wir die Sehnsucht nach einem Fest,
an dem alle Menschen ein neues Leben feiern.
Wir haben nur Brot, nur den Becher mit Wein.
Du öffnest uns den Himmel und lädst uns ein,
Platz zu nehmen an deinem Tisch.
Dann schenkst du dich uns mit deiner Liebe.
Verwandle, was wir dir bringen,
verwandle unser Leben.
Komm, unser Herr!
Norbert Riebartsch (2015)
Herr unser Gott,
wir richten die Gaben,
die wir empfangen werden
für unser Tun in dieser Welt.
Gib ihnen deinen Segen,
damit wir aus ihrer Kraft so handeln,
dass es ein Zeugnis für dich ist.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.- Amen.
- Lobpreis1
Hans Hütter (2021)
Kehrvers: Wir loben dich, wir preisen dich!
Gott und Vater, wir haben allen Grund, dich zu preisen
und dir Dank zu sagen.
In der Taufe hast du uns rein gewaschen von aller Schuld
und uns befähigt, als deine Töchter und Söhne zu leben.
Kehrvers
Um uns aus der Macht des Bösen zu befreien,
hast du durch den Tod Jesu das Böse für immer überwunden.
Kehrvers
In Jesus von Nazareth hast du uns gezeigt,
wie auch wir den Weg der Liebe und Versöhnung gehen
und zum Heil finden können.
Kehrvers
Im Sakrament der Versöhnung schenkst du uns neu die Reinheit des Herzens,
wenn wir schuldig geworden sind und gegen dich gesündigt haben.
Kehrvers
Du stärkst uns im Dienst an den Armen und Schwachen
und hilfst uns, deine Güte und Menschenfreundlichkeit zu bezeugen.
Kehrvers
Wir stimmen ein in den Dank und den Lobpreis der ganzen Schöpfung
und singen:
Danklied, z. B.: Lasst uns loben, freudig loben (GL 489)
- Präfation2
Messbuch - Präfation Sonntage 4: Die Heilsereignisse in Christus
Wir danken dir, Vater im Himmel,
und rühmen dich
durch unseren Herrn Jesus Christus.
Denn durch seine Geburt
hat er den Menschen erneuert,
durch sein Leiden unsere Sünden getilgt,
in seiner Auferstehung den Weg zum Leben
erschlossen und in seiner Auffahrt zu dir
das Tor des Himmels geöffnet.
Durch ihn rühmen dich deine Erlösten und
singen mit den Chören der Engel
das Lob deiner Herrlichkeit:
Heilig ...
MB Sonntage 4
Messbuch - Präfation Fastenzeit 2: Innere Erneuerung durch Buße
Wir danken dir, Vater im Himmel,
und rühmen deinen heiligen Namen.
Denn jetzt ist die Zeit der Gnade,
jetzt sind die Tage des Heiles.
Du hilfst uns, das Böse zu überwinden,
du schenkst uns von neuem die Reinheit des Herzens.
Du gibst deinen Kindern die Kraft,
in dieser vergänglichen Welt
das unvergängliche Heil zu wirken
durch unseren Herrn Jesus Christus.
Durch ihn preisen wir dich
in deiner Kirche und vereinen uns
mit den Engeln und Heiligen zum Hochgesang
von deiner göttlichen Herrlichkeit:
Heilig...
MB Fastenzeit 2
- Einleitung zum Vater unser1
Norbert Riebartsch (2015) - Einleitung zum Vater Unser:
Wenn wir unseren Schuldigern vergeben, kommt ein gutes Wort aus unserem Mund. Wenn wir dich um Schutz in der Versuchung bitten, beugen wir einem falschen Tun vor.
Darum lasst uns rufen:
Vater Unser….
Einleitung zum Friedensgebet:
Herr, wenn du den Menschen Frieden gesagt hast, war es oft der erste Schritt auf dem Weg des heil-Werdens. Auch uns und unserer Zeit täte Heilung gut.
Darum bitten wir dich:
Schaue nicht auf unsere Sünden…
- Mahlspruch1
Bibel
Christus spricht:
Ihr seid rein durch das Wort,
das ich zu euch gesprochen habe.
Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch.
(vgl. Joh 15,)
Oder:
Gott spricht:
Ich befreie sie von aller Sünde, die sie in ihrer Untreue begangen haben,
und ich mache sie rein.
Dann werden sie mein Volk sein, und ich werde ihr Gott sein.
(vgl. Ez 37,3)
- Meditation1
Helene Renner (2021)
Gott der Allmächtige segne uns
er mache uns frei
von allen inneren und äußeren Zwängen
von allem „du musst“ und „du sollst“
von allen Anpassungen
und leeren Gesetzeserfüllungen.
Er gebe uns Mut und Kraft
unseren eigenen Weg zu gehen
den für uns bestimmten Weg
zu suchen und zu finden.
Er behüte uns
und schütze uns vor allem Unheil.
Er lasse uns erfahren
wie gut es ist, ihm zu gehören.
Er lasse sein Angesicht über uns leuchten
und er schenke reichlich sein Erbarmen.
Er öffne unsere Augen und Herzen
auf dass wir ihn jederzeit erkennen
in all den Werken und Wundern
die er für uns erbringt
und auch in den unscheinbaren Dingen des Alltags.
Er schenke uns Frieden und Heil
innere Sicherheit
und die Zuversicht
dass wir nicht irre gehen
wenn wir auf ihn vertrauen.
- Schlussgebet4
Messbuch - SG 22. Sonntag: dir in unseren Brüdern dienen
Allmächtiger Gott,
du hast uns gestärkt durch das lebendige Brot,
das vom Himmel kommt.
Deine Liebe,
die wir im Sakrament empfangen haben,
mache uns bereit,
dir in unseren Brüdern zu dienen.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MB 22. Sonntag im Jahreskreis
Messbuch - SG Fastenzeit 5 Mi: Heilmittel gegen das Böse in unserem Herzen
Herr, unser Gott,
das Sakrament, das wir empfangen haben,
sei uns Heilmittel gegen das Böse in unserem Herzen
und Schutz in jeder Gefahr.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MB Mittwoch der 5. Woche der Fastenzeit
Messbuch - SG Fastenzeit 0 Fr: Dieses Sakrament stärke uns in unserer Schwachheit
Allmächtiger Gott,
du gibst uns Anteil
am Leib und Blut deines Sohnes.
Dieses Sakrament reinige uns von Schuld
und stärke uns in unserer Schwachheit.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MB Freitag nach Aschermittwoch
Messbuch - SG 32. Sonntag: erhalte in uns deinen Geist
Wir danken dir, gütiger Gott,
für die heilige Gabe,
in der wir die Kraft von oben empfangen.
Erhalte uns in deinem Geist
und lass uns dir stets aufrichtig dienen.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MB 32. Sonntag im Jahreskreis
- Gebet zum Abschluss4
Beatrix Senft (2021)
Guter Gott,
dein Wort will uns tragen,
wenn wir jetzt in die Welt gehen,
die uns herausfordert.
In der wir anpacken
und unsere Hände schmutzig machen müssen.
Hilf uns,
dabei nicht zu Ellenbogenkämpfern zu werden,
sondern all unser Tun
mit Herzlichkeit und Wärme anzugehen.
Das erbitten wir, durch Jesus,
der uns Vorbild ist. - Amen.
Norbert Riebartsch (2015)
Du unser Gott,
deine Schöpfung ist gut.
Wir können als deine Geschöpfe davon etwas zeigen.
Wir danken dir für alle Hilfe und alle Impulse,
die uns dieser Gottesdienst gegeben hat,
in dem du uns stärkst und begegnest.
Lass es weiterwirken in unserem Alltag.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn. - Amen.
Manfred Wussow (2009) - Wenn du aber mit und gehst, können wir barmherzig sein
Treuer Gott,
du entlässt uns in eine laute Welt.
Du mutest uns zu, schmutzige Hände zu bekommen.
Schuldig werden wir uns auch machen.
Wenn du aber mitgehst, können wir barmherzig sein,
Lasten miteinander tragen und für einander einstehen.
Darum bitten wir dich auch
in Christus, unserem Bruder und Weggefährten,
der, eins mit dir, uns dein Reich schenkt.
Johannes Heimerl (2024)
Gott unser Vater,
diese heilige Speise bestärke uns im Dienst an unseren Mitmenschen.
Lass uns immer wieder neu deine Nähe und Güte erfahren,
damit wir die Gewohnheiten des alten Menschen ablegen
und unser Herz für deine Ankunft erneuern, durch Jesus Christus, unsern Herrn.
- Segen3
Beatrix Senft (2021)
Es segne uns Gott, der Vater, der in seinem Wort uns hält. - Amen.
Es segne uns Jesus, Gottes Sohn, der bereit war, sich für uns die Hände schmutzig zu machen. - Amen.
Es segne uns die Kraft des Hl. Geistes, dass wir gestärkt unseren Weg gehen können. - Amen.
Norbert Riebartsch (2015)
Gottes Segen erfülle euch,
dass ihr glaubhaft von der Führung durch den Vater sprechen könnt. - Amen!
Gottes Segen erfülle euch,
dass ihr von eurer Erlösung durch den Sohn Zeugnis geben könnt. - Amen!
Gottes Segen erfülle euch,
dass euer Sehnen nach dem Heiligen Geist spürbar bleibt. - Amen!
Und der Segen des allmächtigen Gottes,
des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes
führe euch in die neue Woche und den neuen Monat. - Amen!
Johannes Heimerl (2024)
Der allmächtige Gott segne und bestärke euch
mit einem Herz voll Feuer,
damit ihr täglich euren Glauben zu den Menschen tragt;
mit einer Hand voll Liebe,
damit ihr nie vergesst, was Jesu euch aufgetragen hat;
mit einem Fuß voll Mut, damit ihr stehen bleibt und zuhört, wenn Gott euch seine Botschaft lehrt.
Dazu segne euch der + Vater, der Sohn und der Heilige Geist. – Amen.
Strengere Gesetze?
Nach dem Anschlag von Solingen werden die Rufe nach härteren Gesetzen und nach Verschärfung der Vorschriften wieder laut. Wir haben Angst um unser Leben und unsere Freiheit und glauben, dass durch neue Gesetze und Regeln alles wieder ins Lot kommt. Wenn kein Syrer mehr einreisen und Asyl beantragen darf, so unser Schluss, dann kann auch kein Syrer mehr islamistische Anschläge begehen. Wenn kein Afghane mehr einreisen kann, gibt es keine Messerstechereien mehr…
Tief in unseren Herzen spüren wir, dass es menschenverachtend ist, auf Grund einzelner Täter alle, die aus dem gleichen Land kommen, in Sippenhaft zu nehmen. Würden wir leichter abschieben dürfen, so tönt es, dann wäre der Täter gar nicht mehr im Land gewesen. Es war ja klar, dass er ja abgeschoben werden sollte. Doch gegenüber Behördenversagen nutzen auch Gesetze nichts.
Die Juden hatten eine Vielzahl von Gesetzen und Regeln, die das Zusammenleben schützen sollten. Ein ausgefeiltes Rechtssystem, dass besonders die Ärmsten, die Witwen und Waisen schützte – in der damaligen Welt einmalig und bis heute nicht selbstverständlich. Viele andere Regeln wie z.B. die Reinheitsgebote sollten vor Krankheiten schützen, waren also zur Gesundheitsvorsorge gedacht. Alles war zu seiner Zeit gründlich durchdacht und notwendig. Allerdings ging im Laufe der Jahre der Sinn manch einer Vorschrift verloren. Hier knüpft Jesus an. Manche Regeln hatten sich gleichsam verselbständigt. Sie waren einzuhalten, man verstand aber ihren Sinn und Zweck nicht mehr. Für Jesus lebte aber gottesfürchtig nicht derjenige, der sich auf Punkt und Komma an alle Regeln hält, sondern wer von innen heraus gottesfürchtig ist. Deshalb erklärte er z.B. alle Speisen für „rein“. Nicht, weil er die Gesetze der Juden missachtete, im Gegenteil, er respektierte sie und hielt sie ja selbst auch durchaus ein, wenn er ihren Sinn und ihre Notwendigkeit erkennen konnte. Er aß mit denen, mit denen "man" nicht essen „durfte“. Er sah keine Notwendigkeit, dieses Gebot als von Gott gegeben zu halten. Demonstrativ heilte er am Sabbat, weil ihm die Gesundheit des Menschen wichtiger war als die Einhaltung eines Gebotes um des Gebotes wegen.
Gesetze und Vorschriften sind der Rahmen, der das Zusammenleben erleichtert. Sie werden jedoch von Menschen gemacht und sind immer wieder daraufhin zu prüfen, ob sie noch sinnvoll sind oder ob sie gar einem Menschen schaden. Ob jemand ein guter Christen ist, erkennt man nicht an dem Einhalten von Regeln, Gebetszeiten und Ähnlichem. Jesu Nachfolge muss aus dem Herzen heraus kommen. Die Liebe soll unser Handeln bestimmen. Dann erkennen wir auch, ob die Forderungen nach mehr oder härteren Gesetzen sinnvoll sind oder ob sie nur beruhigen wollen. Wenn die Liebe unser Handeln bestimmt, müssen wir unter Umständen Regeln übertreten, damit die Menschlichkeit obsiegt.
Georg Legerke in: Youcat. Jugendgebetbuch. Youcat-Verlag, 12. Auflage 2015.
Die Reinheit des Herzens
Und wieder dieser
FETTNAPF
in den er tritt
dieser umherziehende Besserwisser
dieser Vababund des Glaubens
und seine Bande
selbst die
einfachsten Regeln
nicht einhaltend
staubig
wie sie von ihren Wanderungen sind
nicht mal die
kleinste Sauberkeit
beachtend
und auch noch in Zweifel ziehend
was die Etablierten des Volkes
an Mindestmaß fordern
unflätig ist das
schädlich für die Moral
und
ER
setzt Begrifflichkeiten
gegen-einander
Lippenbekenntnis
und
Herzens-Wärme
Regelerfüllung
und
Menschlichkeit
sinnlose Verehrung
und
Gottesgebot
und macht deutlich:
es gilt nur das EINE
die Reinheit des Herzens
und dieses Gebot
gilt
damals
und
heute
ist Teil seines Evangeliums
und gilt
für alle
wirklich alle
Beatrix Senft 2021, unveröffentlicht.
Gott rufet noch
Gott rufet noch. Sollt ich nicht endlich hören?
Wie laß ich mich bezaubern und betören!
Die kurze Freud, die kurze Zeit vergeht,
und meine Seel noch so gefährlich steht.
Gott rufet noch. Sollt ich nicht endlich kommen?
Ich hab so lang die treue Stimm vernommen.
Ich wußt es wohl: ich war nicht, wie ich sollt.
Er winkte mir, ich habe nicht gewollt.
Gott rufet noch. Wie, daß ich mich nicht gebe!
Ich fürcht sein Joch und doch in Banden lebe.
Ich halte Gott und meine Seele auf.
Er ziehet mich; mein armes Herze, lauf!
Gott rufet noch. Ob ich mein Ohr verstopfet,
er stehet noch an meiner Tür und klopfet.
Er ist bereit, daß er mich noch empfang.
Er wartet noch auf mich; wer weiß, wie lang?
Gib dich, mein Herz, gib dich nun ganz gefangen.
Wo willst du Trost, wo willst du Ruh erlangen?
Laß los, laß los; brich alle Band entzwei!
Dein Geist wird sonst in Ewigkeit nicht frei.
Gott locket mich; nun länger nicht verweilet!
Gott will mich ganz; nun länger nicht geteilet!
Fleisch, Welt, Vernunft, sag immer, was du willt,
meins Gottes Stimm mir mehr als deine gilt.
Ich folge Gott, ich will ihm ganz genügen.
Die Gnade soll im Herzen endlich siegen.
Ich gebe mich; Gott soll hinfort allein
und unbedingt mein Herr und Meister sein.
Ach nimm mich hin, du Langmut ohne Maße;
ergreif mich wohl, daß ich dich nie verlasse.
Herr, rede nur, ich geb begierig acht;
führ, wie du willst, ich bin in deiner Macht.
Gerhard Tersteegen (1735) in: EG 392
Reinheit / Unreinheit / Reinigung (AT
Beate Ego zu den Stichworten Reinheit, Unreinheit, Reinigung (AT)
www.bibelwissenschaft.de/stichwort/33086/
Beate Ego
Reinheit
Rein, unrein - Was bedeutet das? Unbeschwert von Schuld, unbefleckt an Körper und Seele: nur so konnten sich Menschen seit Urzeiten ihrem Gott nähern.
Was das heute heißt, unterscheidet sich sehr zwischen den Religionen.
chrismon.evangelisch.de/artikel/2007/rein-unrein-was-bedeutet-das-unbeschwert-von-schuld-unbefleckt-koerper-und-seele-nur-so
Eduard Kopp, Chrismon Mai 2007
Abgesondert
Zudem spricht es wohl Bände, dass das Wort „Pharisäer“ auf Deutsch „die Abgesonderten“ bedeutet; – denn die Pharisäer sonderten sich von allem ab, was für sie als unrein galt: von den Prostituierten genauso wie von den Aussätzigen, von den Zöllnern genauso wie von den Heiden.
Indes - ; Jesus verhielt sich in dieser Hinsicht anders: Er sonderte sich nicht ab von den Unreinen, von jenen, die man damals als „Sünder“ bezeichnete, womit man letztlich einfach den gesellschaftlichen Abschaum meinte.
[...]
Und: Verbunden nun mit all diesen Gedanken und Ausführungen möchte ich uns alle damit auch hellhörig und im Ansatz bereits schon misstrauisch machen, wenn irgendwo wieder eine so genannte „Lehre der Reinheit“ mit den damit verknüpften Heilsversprechungen die Runde macht:
Gerade die Geschichte des 20. Jahrhunderts hat uns gezeigt, in welche Unrats-Höllen die so genannten „Reinheitslehren“ führen.
Obwohl das Dritte Reich den arischen und völkisch reinen Übermenschen propagierte, hat das Dritte Reich gerade keine Übermenschen, sondern lauter Unmenschen hervorgerufen, welche die so genannten Untermenschen ins Konzentrationslager schickten, und am Ende des Krieges wurde dann auch die braune Drecksbrühe der nationalsozialistischen Reinheitslehre jedem ersichtlich.
Obwohl die an sich reine Idee des Kommunismus die Menschen von ihrem Besitzstreben befreien, entschlacken und reinigen wollte, hat auch diese Idee die Menschen Russlands nicht vor dem Besitzstreben Stalins und seinem totalitären Machtanspruch befreit und bewahrt, was wiederum viele mit dem Leben bezahlten.
Und obwohl es auch in unserer Zeit immer wieder Menschen gibt, die nun ganz und gar „rein“ christlich leben wollen, oder sich ganz und gar „rein“ – und das heißt wohl „fundamentalistisch“ – an die Bibel halten, wird sich die damit erhoffte Reinheit nie und nimmer einstellen, dessen bin ich mir ganz sicher; denn gerade an den Reinheitslehren der Sekten wird überdeutlich, dass die erhoffte Reinheit sich auf diese Art nie und nimmer einstellen will und nie und nimmer einstellen kann.
Denn obwohl die Ideen vordergründig zwar rein und klar zu sein scheinen - da tragen wir wohl alle in einem gewissen Sinne die klassische Ideenlehre Platons in uns mit, nach dessen Auffassung die Ideen als solche rein und klar und gut und wahr sind –, glaube ich, dass es diese Form der Reinheit nie und nimmer gibt. Denn sämtliche Ideen – auch die vordergründig reinsten – sind immer durch das Menschlich-allzu-Menschliche eingefärbt und eingetrübt.
Aus diesem Grund plädiere ich in einem gewissen Sinne für das „Unreine“ an sich, und damit verbunden glaube ich auch an alle Mischformen, Amalgame und Bastarde des Lebens, wozu wir ja letztlich selber gehören!
Denn nie leben wir ganz und gar rein nach dieser oder nach jener Ideologie!
So funktionieren wir alle nie ganz rein nach ökologischen Gesichtspunkten, nie funktioniert das Leben rein nach der Lehre des Feng-Shui oder nach der Auffassung der Trennkost, und nie denken oder reden wir ganz in einer geschlechtsneutralen Sprache, sondern immer sind wir in einer gewissen Hinsicht unrein und konsequent und tragen unsere inneren und äußeren Widersprüche und Ungereimtheiten mit uns herum.
Aber von Jesus lerne ich: Genau so dürfen wir sein! Wir müssen gar nicht erst „rein“ zu werden versuchen! Denn in unserer Unreinheit und Unvollkommenheit und Ungereimtheit sind wir womöglich reiner und vollkommener, als so mancher, der wie ein Pharisäer nach Reinheit und Vollkommenheit strebt.
Lassen wir es also gut sein – und nehmen wir einander an, wie wir sind! Denn wenn Gott uns annimmt, wie wir sind, weshalb sollten wir es dann anders – und vermeintlich besser – zu machen versuchen? Wer gibt uns denn das Recht, das eine als „rein“ und das andere als „unrein“ einzustufen? Heisst es nicht im Titusbrief: „Den Reinen ist alles rein!“ ? ( Titus 1, 15)
[...]
Und ist es darum nicht auch so, dass jede Gesellschaftsideologie und jede Reinheitslehre, die den Menschen nicht annehmen konnte, wie er war – ihn nämlich nicht mit Haut und Haar und all seinen menschlich- allzu menschlichen Seiten nahm und akzeptierte, sondern ihn erst noch ein wenig zu ändern und zu verbessern versuchte, damit er am Ende auch ins dogmatische System passte – , letztlich an ihrem eigenen Reinheitsanspruch zerbrochen ist, und meist viel Unrat, Schmutz und Dreck geschaffen und hinterlassen hat?
[...]
Und darum ist es wahr – ja, es muss wahr sein (!) – was uns die Apostelgeschichte sagt: Was Gott für rein erklärt hat, das nenne du nicht unrein! (Apg. 10, 15)
Stefan Burkhard, Predigt Mk. 7,1-23
predigtpreis.de/predigtdatenbank/predigt/article/predigt-ueber-markus-71-23.html
„Viel Kälte ist unter den Menschen"
weil wir es nicht wagen, uns so freundlich zu zeigen, wie wir wirklich sind“, sagte der Arzt Albert Schweitzer.
Diesen Satz hänge ich von Zeit zu Zeit an unsere Pin-Wand im Klinikflur vor der Kirche. Es liegt mir sehr am Herzen, Menschen damit aufzurütteln.
Leute, denen ich unterwegs begegne, schaue ich freundlich an oder grüße sie. Auf ihren Gesichtern sehe ich manchmal die Reaktion:
Kenn ich die? ...Meint sie jemand anderen? …. Oder: Spinnt die? ….
(Auch Kinder sind es nicht gewohnt, von anderen freundlich bemerkt zu werden: verwirrte, gar erschreckte Gesichtsausdrücke sind oft die Antwort.)
Aus: Sonntagsgruß 35/2015 (Jahrgang 90), Konvent der Kamillianer Freiburg 2015.
Reinigungsrituale der Alten Kirche
Bereits in vorchristlicher Zeit waren Reinigungsrituale bei den Religionen der Antike üblich, insbesondere weniger aufwendige Formen wie die Händewaschung und die Besprengung oder Bezeichnung mit Wasser konnten sich etablieren. Im Judentum gab es neben einer symbolischen Händewaschung im Rahmen eines Krisenrituals bei einem Mordfall (Dtn 21,1-7) und der Handwaschung beim Mahl auch vorgeschriebene Handwaschungen für die Priester beim Dienst am Zeltheiligtum (vgl. Ex 30,19-21, Ex 40,31f und Ps 26,6).
Der erste Beleg für die Händewaschung des Priesters in der Liturgie der Kirche findet sich in den Mystagogischen Katechesen des Kyrill von Jerusalem. Demnach wusch der Diakon dem Bischof und den Priestern am Altar die Hände, durch die Zitation von Ps 26,6 wird die Praxis als Anschluss an die Händewaschung der jüdischen Priester gedeutet. Die gleiche Praxis lässt sich auch in den nur wenig jüngeren Apostolischen Konstitutionen nachweisen.
Sprich ein Wort in meine Ohren
Gott
Sprich ein Wort in meine Ohren
ein Wort, das Sinn hat
Zünd ein Licht an in meinen Augen
ein Licht, das nicht erlischt
Leg ein Lied auf meine Lippen
ein Lied, das begeistert
Gib eine gute Nachricht in meinen Mund
eine Nachricht, die frei macht
Wirk eine Tat in meinen Händen
eine Tat, die prägt
Wirf einen Rhythmus in meine Füße
einen Rhythmus, der bewegt
Aus: Anton Rotzetter, Gott, der mich atmen läßt. Gebete. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 1985.
Der Mund spricht, auch ohne Worte
Mittelalterliche Maler ließen bisweilen dem Mund der Dargestellten kleine schwarze Teufelchen entfleuchen; sie symbolisieren Lügen und böse Worte.
Der Mund ist also ein Tor – nach innen wie nach außen. Mit dem Mund – durch die Worte – gibt der Mensch seine Gefühle weiter, seine Gedanken, seine Ideen.
Häufig spricht der Mund auch ohne zu sprechen; ohne Worte. Das Innere des Menschen spiegelt sich auf den Lippen – und wer es versteht, „vom Mund abzulesen“, weiß oft mehr als jene, die nur nach den Worten gehen.
Aus: Adalbert Ludwig Balling, Aller guten Dinge sind drei. Missionsverlag Mariannhill, Würzburg 1997.
Sprichwort
Bleibt noch der Rat eines Sprichwortes:
Weise Leute haben den Mund im Herzen.
Aus: Adalbert Ludwig Balling, Aller guten Dinge sind drei. Missionsverlag Mariannhill, Würzburg 1997.
Seelische Gesundheit
Ein Mensch frisst viel in sich hinein:
Missachtung, Ärger, Liebespein.
Und jeder fragt mit stillem Graus:
Was kommt da wohl einmal heraus?
Doch sieh! Nur Güte und Erbauung.
Der Mensch hat prächtige Verdauung.
Aus: Eugen Roth, Sämtliche Menschen, Carl Hanser Verlag, München Wien 1983.
Gewissenserforschung
Ein Mensch, statt dass er sich beklag
Darüber, dass kein Mensch ihn mag,
Prüf, als Gerechter, vorher sich:
„Genau genommen – wen mag ich?“
Aus: Eugen Roth, Sämtliche Menschen, Carl Hanser Verlag, München Wien 1983.
Die Weißen oder die Schwarzen
Ein Schäfer weidete seine Schafe, als ihn ein Spaziergänger ansprach. "Sie haben aber eine schöne Schafherde.
Darf ich Sie etwas in bezug auf die Schafe fragen?" - "Natürlich", sagte der Schäfer. Sagte der Mann: "Wie weit laufen Ihre Schafe ungefähr am Tag?" - "Welche, die weißen oder die schwarzen?" - "Die weißen." - "Die weißen laufen ungefähr vier Meilen täglich." - "Und die schwarzen?" - "Die schwarzen genausoviel."
"Und wieviel Gras fressen sie täglich?" - "Welche, die weißen oder die schwarzen?" - "Die weißen." - "Die weißen fressen ungefähr vier Pfund Gras täglich." - "Und die schwarzen?" "Die schwarzen auch." - "Und wieviel Wolle geben sie ungefähr jedes Jahr?" - "Welche, die weißen oder die schwarzen?" "Die weißen." - "Nun ja, ich würde sagen, die weißen geben jedes Jahr ungefähr sechs Pfund Wolle zur Schurzeit." - "Und die schwarzen?" - "Die schwarzen genausoviel."
Der Spaziergänger war erstaunt. "Darf ich Sie fragen, warum Sie die eigenartige Gewohnheit haben, Ihre Schafe bei jeder Frage in schwarze und weiße aufzuteilen?" -"Das ist doch ganz natürlich", erwiderte der Schäfer, "die weißen gehören mir, müssen Sie wissen." - "Ach so! Und die schwarzen?" - "Die schwarzen auch", sagte der Schäfer.
Der menschliche Verstand schafft törichte Kategorien, wo Liebe nur eine sieht.
Aus: Anthony de Mello, Warum der Schäfer jedes Wetter liebt. Weisheitsgeschichten. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 1988, 1998 (3).
Gott im Müll
»Achtung, Achtung! Bettler, Arbeitslose und Prostituierte, Straßenkinder, Propheten und alle, die Hunger haben, kommt her und nehmt euch die Reste von Glanz und Luxus, holt es euch aus der großen Abfallgrube, die dieses Land ist, und macht euch eure Kostüme aus Müll, braucht eure Fantasien...
Mit diesem Lied der Samba-Schule »Beija Flor" (Küß die Blume) liefen Narren durch die Karnevalsstraßen in Rio, Obdachlose, auch Jugendliche aus den Elendsvierteln, Intellektuelle, Künstler, Mittelschichtsleute. Sie waren verkleidet, hatten sich verwandelt, in kaputten und dreckigen Sachen, mit Müll geschmückt. Da gab es auch eine Statue des dreckigen Christus, ebenfalls in Lumpen wie die Menge. Aber der katholischen Kirchenhierarchie ging dies zu weit, sie dachte, es sei vielleicht zu subversiv, zu aufrührerisch. Und so wurde der Christus wegzensiert und verboten.
Die Leute von der Samba-Schule gaben nicht auf und dachten sich etwas anderes aus, weil sie zeigen wollten, daß man Christus auch in dem, was übrig bleibt, im Müll begegnen kann . . . So bedeckten sie die aufgerichtete Statue mit einem schwarzen Trauertuch und hängten ihr ein Schild um: »Auch wenn es verboten ist, Christus, sieh in Gnaden auf uns herab!«
Aus: Dorothee Sölle, Erinnert euch an den Regenbogen. Texte, die den Himmel auf Erden suchen. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 1999.
Das Mysterium im Hauptbahnhof
Hundertdreißigtausend Menschen hetzen jeden Tag durch den engen und dunklen Berner Hauptbahnhof. Ich bin einer von ihnen. Wenn ich mich durch das Gewühl schiebe, kommt mir manchmal der Satz des Aktionskünstlers Josef Beuys in den Sinn: "Das Mysterium findet im Hauptbahnhof statt."
Das Mysterium? Wo bitte? Unruhig ist es, stickig und laut. Menschen eilen und drängeln, die einen in diese Richtung, die anderen in die entgegengesetzte. Frauen, Männer, Kinder, die irgendwohin wollen und einander im Weg stehen. Dazu Lautsprecherdurchsagen, leuchtende Anzeigetafeln, viel Geschwätz und Geplärr. Die stinkenden Abgase der Raucher. Abfall, Kaffeebuden, Imbissstände. Keine Spur von Mysterium.
Aber wo ist es denn, wenn nicht im Bahnhof? Nur in den Kirchen und Klöstern, an so genannten heiligen Orten? Das würde heißen, dass das Mysterium planbar und berechenbar wäre, dass es in Karten aufgezeichnet und in Büchern festgehalten werden könnte. Doch zum Wesen eines Mysteriums gehört es, dass es sich jedem Zugriff und jeder Vorstellung entzieht. Es ist immer wieder überraschend anders. Es ist, was es ist, und es findet dort statt, wo es stattfindet.
Warum also nicht im Hauptbahnhof? Schließlich hat schon Martin Luther gesagt, dass selbst ein Saustall ein heiliger Ort sein könne, wenn darin recht gebetet werde. Und auch wenn es im Bahnhof manchmal saumäßig zugehen mag: Es kommt wohl nicht auf den Ort an, sondern eher auf den Menschen, der ihn betritt. Was einen Ort besonders macht, ist nicht eine besondere äußere Kraft, sondern die Kraft der eigenen Aufmerksamkeit.
Aus: Lorenz Marti, Wie schnürt ein Mystiker seine Schuhe? Die großen Fragen und der tägliche Kleinkram. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 2006.
Ich erlaube mir, nicht perfekt zu sein
Die Plakatsäulen sind voll von coolen Menschen, die jung und schön sind, immer lächeln, eine perfekte Figur haben und scheinbar wirklich glücklich sind. Sie prägen ganz subtil unser Menschenbild, obwohl wir alle wissen, dass uns da eine künstliche Welt gezeigt wird, in der es keine Brüche und Schattenseiten geben soll.
Auch spirituelle Menschen sind in der Gefahr, sich mit hohen Idealen zu überfordern. Unsere Sehnsucht nach Licht, nach Himmel, nach Ruhe und nach Ganzsein ist groß. Sie soll uns auch nicht genommen werden. Wir brauchen mehr denn je Idealistinnen und Idealisten, Menschen mit Visionen. Zu meiner Lebensvision gehört eine Spiritualität der Unvollkommenheit, ein ehrliches Eingestehen von Brüchigkeit und Bedürftigkeit, die ich auch zum Ausdruck bringen darf.
Mir wird warm ums Herz, wenn Frauen und Männer ganz bei sich sind, wenn sie authentisch werden, indem sie ihre Trauer und Wut, ihre Lebensfreude und Begeisterung ausdrücken.
Da ereignet sich intensivstes Leben.
Da entsteht eine beziehungsreiche Nähe zum wirklichen Menschsein, das immer unvollkommen bleibt.
Welch ein Stress, wenn ich mich auch noch selbst erlösen müsste!
Ich darf darauf vertrauen, dass ich gehalten bin in meiner Widersprüchlichkeit. Ich darf meine Stärke entfalten im ehrlichen Eingestehen meiner Zweifel, meiner Unsicherheit, meiner Widersprüchlichkeit. Die Ideologie eines perfekten Menschen ist fatal - sie endet oft tödlich. Denn sie grenzt all jene aus, die nicht genügen, die auf der Strecke bleiben.
Wir brauchen eine neue Spiritualität, die uns wirklich Mensch werden lässt, mit unserer Lebenslust und unseren Grenzen und Verletzlichkeiten. Da eröffnet sich uns die Spur zum wahren Glück, zum Geben und Nehmen, zum Lachen und Weinen.
Befreiend die Einsicht
scheitern zu dürfen
unvollkommen zu bleiben
als hohes Ideal echter Menschwerdung
Beglückend die Grundhaltung
an Brüchen wachsen zu können
aus Fehlern lernen zu dürfen
als Weg zur Toleranz
Bewegend der Zuspruch
niemals perfekt sein zu müssen
immer werden zu können
als Versöhnung mit dem Leben.
Pierre Stutz in: Schenk deiner Seele ein Lächeln. Worte die gut tun. Herausgegeben von Sylvia Müller und Ulrich Sander. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 2009.
Saubere Gesellschaft
Lieber Hosenträger als gar keinen Halt im Leben!
Der Spontispruch hat es in sich. Wer einmal auf dem Münchner Oktoberfest war und den Einzug der Münchner Schickeria mit ihren Möchtegern-Models im Schlepptau, der einschlägigen Politdarsteller im Schulterschluss mit den geduschten und geölten Bayern-Profis, der Wirtschafts-, Film, Verlags- und Presse-Promis mit ihrer geschniegelten Bussi-Bussi-Entourage, der geföhnten Banker samt ihrer dirndeligen Noch-Ehefrauen oder Lebensabschnittsbegleitung (respektive eskortierenden Vorstadtluder) - wer das erlebt hat, der weiß, dass diese Gesellschaft geistig nichts zusammenhält als Mieder und Hosenträger und der Wille zum Spaß. Unter der Maskerade ist alles falsch, von den Brüsten bis zum Parteibuch. Resche Mädels vom Land, aber Koks im Handtäschchen. Zünftige Bauernbuben, aber gedopt bis unter die Haarspitzen. Nur: Hosenträger müssen sein!
Denn ohne Hosenträger würden die Lederhosen rutschen. Niemand möchte sich eine Blöße geben, niemand sich outen, dass er ohne Haltung in der Umgebung steht -ohne politische Überzeugungen, ohne Ideale, ohne Prinzipien, ohne etwas, für das sich zu sterben lohnte. Alles nur Camouflage, alles nur Oberfläche, alles nur Show, im blöden Corporate Design einer universalen Travestie. Mir san mir! Nichts Verbindendes mehr als die kollektive Spaßvereinbarung. Teuer verpackte, ethisch und weltanschaulich haltlose Menschen gehen sich der Pornographie des Sinnfreien hin. Auf geht's! Die Musi spielt dazu, und die Bunte war dabei. Lieber Hosenträger als gar keinen Halt im Leben!
Aus: Bernhard Meuser, Lieber Hosenträger als gar keinen Halt im Leben. ...nebst 13 weiteren Methoden, den Sinn des Lebens zu finden. Pattloch Verlag, München 2010.
Von gegenseitigen Ausschließungen zu wechselseitigen Balancen
"Ich habe immer das Gefühl, dass die Kirche sich in zu viele Sachen einmischt, die sie auch gar nichts angehen."'
"Wer an Gott glaubt, lebt in einer alten Zeit."
"Unsere Kirche ist einfach nur furchtbar. Das Gebäude, das ist schon total unattraktiv. Das ist ein grauer Betonklotz, schreckliche Form. Innen drin ist es auch aus Beton und Stein, es ist dunkel, es ist kalt, es kommt kein Licht rein. Es ist einfach schrecklich. Es fühlt sich nicht gut an und es sieht auch nicht gut aus. "
Diese Zitate von Jugendlichen aus der Sinus-Milieustudie U 27 belegen punktuell, aber sehr deutlich: Jugend geht der Kirche ab. Die Kirche mit ihren Standpunkten ist von gestern und es fühlt sich nicht gut an, wenn man mit ihr in Kontakt kommt. Diese Jugendlichen ziehen eindeutige Distinktionsgrenzen zwischen ihrem eigenen Erleben und der Kirche. Aber es ist ebenfalls nicht von der Hand zu weisen, dass auch Erwachsene Distinktionsgrenzen zu Jugendlichen ziehen. Deutlich wird dies in stereotypen Wahrnehmungen von Jugendlichen. Nach einer repräsentativen Studie der Bertelsmann Stiftung sind 70,5 Prozent der deutschen Erwachsenen der Auffassung, dass Jugendliche übermäßig viel Alkohol trinken und 61,1 Prozent denken, dass sie fremdes Eigentum nicht respektieren. Als weitere negative Eigenschaften werden genannt: Gewalt (57,7 Prozent), illegale Drogen (57,7 Prozent) und Vandalismus (57,2 Prozent).
Sicherlich würden einige erwachsene Kirchenmitglieder noch angeben und beklagen, dass Jugendliche nicht mehr regelmäßig in die Kirche gehen, zu frühen Sex haben und ihnen nichts mehr heilig zu sein scheint. Diese kurzen Blitzlichter belegen, dass es gegenseitige Ausschließungen gibt.
[...]
Internet
Etikette: Wie man sich danebenbenimmt
Gute-Manieren-Expertin Cordula Frieser über fehlende Kinderstube, die schlimmsten Fettnäpfchen im Bewerbungsgespräch und warum sich auch manches Unternehmen bei der Nase nehmen sollte.
24.08.2012 | 10:46 | Andrea Lehky (Die Presse)
karrierenews.diepresse.com/home/karrieretrends/1282597/index
Wenn Waschen und Putzen zum Zwang wird
Dr. Doris Wolf, Diplom-Psychologin auf:
ww.palverlag.de/waschzwang-putzzwang.html
Ein reines Herz, Herr, schaff in mir
Ein reines Herz, Herr, schaff in mir,
schließ zu der Sünde Tor und Tür;
vertreibe sie und lass nicht zu,
dass sie in meinem Herzen ruh.
Dir öffn ich, Jesu, meine Tür,
ach komm und wohne du bei mir;
treib all Unreinigkeit hinaus
aus deinem Tempel, deinem Haus.
Lass deines guten Geistes Licht
und dein hell glänzend Angesicht
erleuchten mein Herz und Gemüt,
o Brunnen unerschöpfter Güt.
Und mache dann mein Herz zugleich
an Himmelsgut und Segen reich;
gib Weisheit, Stärke, Rat, Verstand
aus deiner milden Gnadenhand.
So will ich deines Namens Ruhm
ausbreiten als dein Eigentum
und dieses achten für Gewinn,
wenn ich nur dir ergeben bin.
Heinrich Georg Neuß (1703) in EG 389.
"rein", "unrein", "koscher", "Kaschrut"
»Ist das koscher?« »Das scheint mir nicht ganz koscher zu sein!«(Zitat Volksmund) - Wer hat diese Sätze nicht schon des Öfteren im Alltag gehört? Was heißt das Wort ›koscher‹ aber wirklich? Die Verwendung in unserer Alltagssprache ist von der ursprünglichen Bedeutung des Wortes gar nicht so weit entfernt. Im Hebräischen bedeutet das Wort kascher ›tauglich‹, ›rituell erlaubt‹, ›rein‹, ›gemäß der Vorschrift‹ (vor allem auf Speisen bezogen), aber auch ›wertvoll‹, ›ehrenhaft‹ (auf Personen bezogen). Das Wort bezeichnet zudem rituelle Gegenstände, die gemäß den jüdischen Geboten hergestellt wurden und für den Ritus verwendbar sind. Dieser Bereich soll hier aber komplett ausgeklammert werden, wenngleich er für eine Gesamtdarstellung der Koscher-Problematik ungemein wichtig wäre.
Unter dem Begriff Kaschrut (hebräisch; ›Tauglichkeit‹, ›rituelle Eignung‹) versteht man die Gesamtheit jüdischer Speisegesetze. Im Unterschied dazu wird das Wort tahor (hebräisch; ›rein‹, ›lauter‹, ›kultisch rein‹) für das Tier selbst verwendet und seltener mit Speisen und Getränken in Verbindung gebracht.
Die beiden Begriffe sind somit nicht austauschbar. Es kann z. B. eine Speise koscher zubereitet werden und dennoch verunreinigt sein, oder umgekehrt, ein Tier kann rein sein, aber unkoscher zubereitet werden.
Koschere Küche bezeichnet keinen eigenen Kochstil wie etwa die chinesische oder italienische Küche. So können z. B. chinesische Speisen durchaus koscher und traditionelle jüdische Speisen unkoscher angerichtet werden. Bei der Entwicklung der Speisegesetze sieht man besonders gut, wie sehr Religion den Alltag durchdringt und scheinbar Profanes wie Essen und Trinken religiöse Dimensionen erhält. Am besten sichtbar wird dies beim Schabbat- und Pessachmahl, bei denen das Essen zu einem religiösen Akt und der Tisch zum Altar Gottes wird. Hier wird ein gewöhnlicher biologischer Vorgang in die Dimension des Heiligen erhoben.
Schon bei den Propheten wird auf das Einhalten bestimmter Speisegesetze Bezug genommen. So betont Ezechiel etwa, nie Fleisch von verendeten Tieren oder von Tieren, die gerissen wurden, gegessen zu haben, da dieses zu einem Zustand der Unreinheit führe (Ezechiel, Kapitel 4, Vers 14).
Judith weigerte sich, am Mahl des Holofernes teilzunehmen und unreine Speisen zu essen. Sie bevorzugte ihren eigenen mitgebrachten Vorrat.
Die Notwendigkeit einer deutlichen Abgrenzung gegenüber Nichtjuden war ein weiterer Grund für die Wichtigkeit der Einhaltung von Speisegesetzen. Da zur Zeit des zweiten Tempels bereits ein großer Teil der Juden unter einer nichtjüdischen Mehrheit beziehungsweise unter nichtjüdischer Herrschaft lebte, bekamen die Speisegesetze einen identitätsstiftenden Charakter. Nicht selten wurde das Essen von unreinen Speisen als ›Foltermethode‹ gegen Juden angewandt. Das Übertreten der Speisegesetze wurde mit dem Abfall vom Judentum gleichgesetzt, was zur Folge hatte, dass viele Juden den Tod einem Leben in Unreinheit vorzogen.
Österreichisches Jüdisches Museum: www.ojm.at/artikel/koscher02/
Reinheit
Dem Lebendgen übergebt die Toten,
Selbst die Tiere deckt mit Schutt und Boden,
Und, so weit sich eure Kraft erstrecket,
Was euch unrein dünkt, es sei bedecket!
Grabet euer Feld ins zierlich Reine,
Daß die Sonne gern den Fleiß bescheine;
Wenn ihr Bäume pflanzt, so sei's in Reihen
Denn sie läßt Geordnetes gedeihen.
Auch dem Wasser darf es in Kanälen
Nie am Laufe, nie an Reine fehlen;
Wie euch Senderud aus Bergrevieren
Rein entspringt, soll er sich rein verlieren.
Sanften Fall des Wassers nicht zu schwächen,
Sorgt, die Gräben fleißig auszustechen;
Rohr und Binse, Molch und Salamander,
Ungeschöpfe, tilgt sie miteinander!
Habt ihr Erd und Wasser so im Reinen,
Wird die Sonne gern durch Lüfte scheinen,
Wo sie, ihrer würdig aufgenommen,
Leben wirkt, dem Leben Heil und Frommen.
Ihr, von Müh zu Mühe so gepeinigt,
Seid getrost! nun ist das All gereinigt,
Und nun darf der Mensch als Priester wagen,
Gottes Gleichnis aus dem Stein zu schlagen.
Wo die Flamme brennt, erkennet freudig:
Hell ist Nacht, und Glieder sind geschmeidig,
An des Herdes raschen Feuerkräften
Reift das Rohe Tier- und Pflanzensäften.
Schleppt ihr Holz herbei, so tuts mit Wonne!
Denn ihr tragt den Samen irdscher Sonne,
Pflückt ihr Pambeh, mögt ihr traulich sagen:
»Diese wird als Docht das Heilge tragen.«
Werdet ihr in jeder Lampe Brennen
Fromm den Abglanz höhern Lichts erkennen,
Soll euch nie ein Mißgeschick verwehren
Gottes Thron am Morgen zu verehren.
Da ist unsers Daseins Kaisersiegel,
Uns und Engeln reiner Gottesspiegel,
Und was nur am Lob des Höchsten stammelt
Ist in Kreis um Kreise dort versammelt.
Wenn der Mensch die Erde schätzet,
Weil die Sonne sie bescheinet,
An der Rebe sich ergötzet,
Die dem scharfen Messer weinet,
Da sie fühlt, daß ihre Säfte,
Wohlgekocht, die Welt erquickend,
Werden regsam vielen Kräften,
Aber mehreren erstickend -
Weiß er das der Glut zu danken,
Die das alles läßt gedeihen,
Wird Betrunkner stammelnd wanken,
Mäßger wird sich singend freuen.
Heinrich Georg Neuß (1703) in EG 389.
Rein wie am Anfang
Morgenlicht leuchtet, rein wie am Anfang.
Frühlied der Amsel, Schöpferlob klingt.
Dank für die Lieder, Dank für den Morgen,
Dank für das Wort, dem beides entspringt.
Sanft fallen Tropfen, sonnendurchleuchtet.
So lag auf erstem Gras erster Tau.
Dank für die Spuren Gottes im Garten,
grünende Frische, vollkommnes Blau.
Mein ist die Sonne, mein ist der Morgen,
Glanz, der zu mir aus Eden aufbricht!
Dank überschwenglich, Dank Gott am Morgen!
Wiedererschaffen grüsst uns sein Licht.
Jürgen Henkys (1987) 1990 nach dem englischen "Morning has broken" von Eleanor Farjeon (vor 1933) in: EG 455.
Aus dem Wörterbuch: Rein (Deutsch)
Positiv Komparativ Superlativ
rein reiner am reinsten
Silbentrennung:
rein, Komparativ: rei·ner, Superlativ: am reins·ten (alte Rechtschreibung: rein·sten)
Bedeutungen:
[1] ganz unverschmutzt
[2] ohne schlechte Gedanken (besonders sexueller Art)
[3] ausschließlich, voll und ganz
Herkunft:
germanisch: *... (davon gotisch: hrains); althochdeutsch: hreini, mittelhochdeutsch: reine, rein
Synonyme:
[1] sauber
[2] unverdorben, unschuldig, frei
[3] pur, schier
Gegenwörter:
[1] besudelt, schmutzig, verschmutzt
[2] verdorben
[3] gepantscht, verschnitten
Beispiele:
[1] nicht nur sauber, sondern rein
[2] Sie hat eine reine Seele.
[3] Reinen Alkohol sollte man nicht trinken.
[3] Das war eine reine Vorsichtsmaßnahme.
Charakteristische Wortkombinationen:
[3] ~er Zufall
Abgeleitete Begriffe:
Reinheit, reinigen, reinwaschen, unrein
Norbert Riebartsch (2015)
Antonia Keßelring (2003)
Martin Leitgöb (1997)