Gott begreifen wollen
Ein sehr strenger König wollte einmal wissen, wie Gott ist. Er ließ alle Gelehrten seines Landes zusammen kommen. Doch keiner konnte ihm sagen, wie Gott ist. Da kam ein einfacher Hirte. Er hörte die Bitte des Königs. Er ging zu ihm hin und sagte zu ihm: "König, schau einfach einmal in die Sonne." Das versuchte der König. Doch genauso schnell wie er in die Sonne blickte, genauso schnell wandte er sich von der Sonne ab. "Kein Mensch kann doch in die Sonne blicken." sagte er. Der Hirtenjunge antwortete: "Ebenso kann kein Mensch Gott je erfassen." Wir können Gott nicht erfassen. Da hat der Hirtenjunge ganz recht.
Dennoch können wir versuchen, uns über Gott Gedanken zu machen. Das Fest "Dreifaltigkeit" lädt uns dazu ein. Wir glauben an den einen Gott in drei Personen. Vater- Sohn und Heiliger Geist. Nicht drei Götter, sondern der eine Gott, der sich uns auf drei verschiedene Weise mitteilt. Jetzt wird es aber ganz philosophisch, so mögen einige von Ihnen nun denken. Da steige ich besser aus. Es sollen sich halt die Gelehrten darüber Gedanken machen. Ich versuche meinen Glauben zu leben. Ich versuche mich einzusetzen. Ich versuche, für andere Menschen da zu sein. Ich gehe sonntags in den Gottesdienst, bete meinen Rosenkranz. Doch so Themen wie Dreifaltigkeit - das ist nichts für mich.
Wer aber so denkt, hat schon so manches begriffen, was Dreifaltigkeit bedeutet. Ich sage hier vorab: auch ich selbst werde nie Gott vollständig erfassen. Nein: es ist nur die Spitze des Eisberges. Je mehr ich glaube, von Gott zu wissen, umso mehr spüre ich auch, wie wenig ich weiß. Wenn ich aber über Gott nachdenke, dann kann ich auch immer mehr leben von dem, was er von uns möchte. Ich glaube, dass sehr viele religiöse Erfahrungen mit Gott sich im Glauben an den dreifaltigen Gott finden.
Ich bin für euch da
Ein wenig helfen uns die Lesungen und das Evangelium. Wir hören, dass Gott zu Mose herabstieg. Auch Mose bekommt kein Gesicht zu sehen. Nein: es ist eine Wolke, die Mose erfährt. Es ist der Gottesname Jahwe, den er bereits am brennenden Dornbusch gehört hat. Jahwe heißt: Ich bin der »Ich bin für euch da«. Es ist ein Gott, der zu uns kommt, der für uns Gott ist. Gott hat die Welt nicht einem Schicksal überlassen. Gott lebt ganz konkret mit uns. Er ist der barmherzige Gott, der treue Gott. Hier sehen wir auch vom Bild des Vaters, der Halt und Orientierung schenkt, der Schutz gibt und sein störrisches Volk bewahrt. Dieser Gott lebt für uns, für seine Welt, die er aus Liebe geschaffen hat.
Dieser Gott schenkt sich uns in seinem Sohn. Alles tut er aus Liebe. Liebe heißt auch für einander da sein, einander annehmen ohne Bedingungen. Liebe kann man sich nicht verdienen. Liebe gibt sich einander hin. Liebe heißt "aus sich herausgehen" nicht bei sich allein bleiben. Gott liegt an der Welt. Er will die Welt nicht richten, sondern er will die Welt retten, zu sich führen. Das geschieht dort am besten, wo wir uns an das halten, was wir von Gott erfahren. Einen Gott, der uns so liebt, dass wir sein Leben geschenkt bekommen.
Geführt durch den Heiligen Geist
Vor einer Woche feierten wir Pfingsten. Der Heilige Geist. Gottes Geist ist dort zu erfahren, wo Menschen im Geiste Gottes, im Geiste Jesu handeln und wirken. Gott schenkt sich uns in seinem Heiligen Geist. Er führt sein Werk weiter. Wir sind keine Marionetten, wir sind Gottes Partner, aber wir sind geführt durch den Heiligen Geist. Das war ein Versuch, die drei Personen der Dreifaltigkeit zu umschreiben. Das kann ich vergleichen mit einem Blick in die Sonne.
Wie aber wir die Sonne brauchen für unser Leben, so brauchen wir Gott. Lassen wir uns von Gott führen und leiten. Wir können Gottes Wesen erfassen, wenn wir nicht nur für uns selbst leben, sondern auch für andere. Wir sind nicht bloß für uns selbst und für unsere persönliche Heiligung Christen, sondern wir haben einen Auftrag, den Glauben weiterzuschenken. Gott verschenkt sich, er geht auf die Menschen zu.
Wir Menschen leben unser Wesen dort am besten, wo wir füreinander leben. Oft leben wir eher gegeneinander. Wir denken an unsere eigene Macht, an unseren eigenen Erfolg. Daher rühren auch die Streitigkeiten, die Kriege unter den Menschen. Wer sich versucht einzusetzen, der lebt schon etwas vom Wesen Gottes. Wer in den Gottesdienst geht, geht auf Gott zu, antwortet auf Gottes Liebe. Wer einen Rosenkranz betet und andere einschließt, zeigt: ich lebe meinen Glauben nicht für mich. Ich gehe aus mir heraus. Darum sagte ich vorhin: wer diese Gedanken hat, hat mehr von einem dreifaltigen Glauben begriffen.
So wie Gott ein Gott für uns Menschen ist, so sind wir Menschen, die füreinander leben. Darum glaubt keiner für sich allein. Es muss immer Auswirkungen auf die Mitmenschen zeigen.
Der dreifaltige Gott im Kreuzzeichen
Gott schenkt sich uns in drei Personen. Das zeigt auch das Kreuzzeichen. Es ist gut, darüber immer wieder neu nachzudenken, was ich tue. Denn ich darf das Kreuzzeichen nicht schlampig machen. Das kann auch von einem laschen und schlampigen Glauben zeugen. Es gibt zwei Arten von Kreuzzeichen. Die erste Art ist wenn ich mit der rechten Hand von der Stirn zum Bauch gehe und dann zuerst zur Herzseite gehe und dann zur anderen Seite. Die orthodoxen Christen gehen zuerst zur rechten und dann zur Herzseite. Der ganze Mensch ist umfasst von der dreifaltigen Liebe Gottes, von einer tiefen Liebe. Ich darf mein Leben auf diese Liebe Gottes aufbauen. Ich bin ausgerichtet zum Himmel und auch auf die Mitmenschen. Die Seiten rechts und links zeigen mir: ich bin in einer Gemeinschaft von Menschen. Ich darf sie nicht ausschließen.
Nur zur zweiten Form. In manchen Gegenden machen die Menschen ein Kreuz auf die Stirn, dann ein Kreuz auf den Mund, und schließlich auf die Brust. Das Kreuz auf die Stirn zeigt: ich bitte um gute Gedanken. Oder: ich unterstelle mich Gott, der in seiner Weisheit die Erde lenkt. Das Kreuz auf den Mund zeigt: ich bitte, dass meine Worte gesegnet seien. Es kann auch Jesus bedeuten, der das Wort Gottes in die Welt sagt - das Wort, das Fleisch wurde. Das Kreuz auf die Brust, in der Herzgegend zeigt uns: wir bitten das uns Liebe geschenkt werden möge. Der Heilige Geist wird erfahrbar in der Liebe zueinander. Gottes Wesen ist ja die Liebe. Er tat - ich sagte es vorhin - alles aus Liebe.
Je bewusster wir religiöse Handlungen tun, besonders das Kreuzzeichen, desto mehr kann es unser Wesen formen, desto mehr können sie uns Gott nahe bringen. Umso mehr gelingt es auch, das Wesen Gottes, seine Liebe, die sich an andere verschenkt, die sich mitteilt in eigenem Leben zu tun.
Dennoch, vergessen wir nie: Gott ist auch ganz anders als wir ihn uns vorstellen. Auch meine Worte waren nur die Spitze, ein stammelnder Versuch. Geben auch wir uns hin, so gut wir können, leben wir füreinander. Dann haben wir schon ein wenig von Gott erfasst.