Ruf vor dem Evangelium am 5. Fastensonntag (B)
Joh 12,26a
Lob dir, Christus, König und Erlöser! – R
(So spricht der Herr:)
Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach;
und wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein.
Lob dir, Christus, König und Erlöser!
Das Buch Numeri wird in der hebräischen Bibel „In der Wüste“ genannt. Dies ist auch der rote Faden „Ödland, Wüstengebiet“, der sich als bewusster theologischer Gedanke, dass sich Gott dort offenbart, wo es kein fruchtbares Land gibt, durch das ganze Buch Numeri zieht. Auch in den Versen der Lesung Numeri 21,4-9 ist dies erfahrbar.
Die Verankerung dieser Erzählung zwischen einer erfolgreichen kriegerischen Inbesitznahme von Arad (eine ätiologische Geschichte) und dem Aufbruch weiter nach Moab zeigt auf, dass Israel sich auf seiner Wanderung in einem alten Kulturland bewegt.
Die Komposition von „Murrgeschichten“ bzw. Rettungsgeschichten im Buch Numeri, erfährt in dieser Erzählung durch die priesterschriftliche Geschichtsschreibung eine „ausführlichere“ Schilderung als sonst. Durch das Einfügen örtlicher Begebenheiten, werden Einblicke in das damalige religiöse und historische Umfeld Israels möglich.
Religiöse Kulthandlungen in diesen Gebieten waren für Israel Herausforderungen sich zu „outen“, zu seinen eigenen Erfahrungen mit JHWH zu stehen. Sie führten jedoch auch immer wieder zu einer Inkulturation, so wie diese Erzählung es aufzeigt.
Das uralte Abbaugebiet von Kupfererz in der Wüste Zin und der dort bei Ausgrabungen aufgefundene ägyptische Hathortempel (Harthor war die ägyptische Göttin des Bergbaus) geben den geschichtlichen und religiösen Background für dieses Ereignis. Die Rettungsgeschichte mit der kupfernen Schlange, welche auf einer gut sichtbaren Standarte befestigt wurde (Vers 8), ist daraus zu verstehen (Schlangen waren Teil der Lebenswelt Ägyptens, ihre Verehrung sollte die Macht des tödlichen Bisses abwehren).
In Vers 5 wird Mose wieder einmal als „Hauptverantwortlicher“ der lebensbedrohenden Situation der Israeliten in diesem „wüsten“ Gebiet dargestellt. Er soll „möglichst“ mit JHWH diese Situation bereinigen (Vers 7b, Fürbittgebet des Mose).
Neu im Vers 7 ist, dass es zu einem Erkennen des Volkes Israel kommt: Nicht Mose allein trägt Verantwortung, ganz Israel wird sich seiner Verantwortung bei der Abkehr von JHWH bewusst (Vers 7a). Diese Erkenntnis eröffnet neue Zukunftsperspektiven für Israel, lässt den Aufbruch mit JHWHs Hilfe, der unter ihnen, in ihrer Mitte sein „Zelt“ aufschlägt, aufs Neue wagen.
Die erfahrene Geschichte (Vergangenheit) zeigt hier im Buch Numeri auf, dass lebensbedrohliche Situationen kein Grund sind, an der Treue JHWH, der zu seinem Volk und seinen Verheißungen steht, zu zweifeln.
(c) Hannelore Jäggle, Wien
Das Volk Israel lehnt sich gegen Gott auf und wird dafür mit Schlangenbissen gestraft. Die Auflehnung geschieht im Herzen und ist nicht öffentlich. Wenn nun die Schlange aus Kupfer im Lager aufgestellt wird, wird das Thema der Schuld öffentlich. Wer auf die Schlange blickt, gibt zu: Auch ich habe mich abgewendet. Das Volk kann nun sehen, wo es steht und den Weg zur Umkehr finden. Es kann sich wieder hinter Gott sammeln und neu den Weg aus der Wüste ins Gelobte Land wagen.
Den Israeliten galt die Wüste als ein Ort der Schlangen und Skorpione (vgl. Dtn 8:15; Jes 14:29 und 30:6). Es erstaunt daher nicht, dass in die Erzählungen des Wüstenzuges auch eine Schlangenplage Eingang gefunden hat.
Der Text Num 21:4-9 interpretiert diese "Schlangeninvasion" als Strafe für die Auflehnung der Israeliten Gott und Mose gegenüber. Doch aufgrund des Schuldbekenntnisses der Israeliten und der Fürsprache des Mose gewährt Gott die Rettung: Eine an einer langen - und damit weithin sichtbaren - Stange montierte kupferne Schlange wird angefertigt. Dank des Anblicks der Schlange, als Zeichen des Glaubens an die Heilkraft Gottes, blieben die Israeliten trotz aller Schlangenbisse am Leben.
In den Kupferminen von Timna (etwa 20km nördlich von Eilat) wurde bei Ausgrabungen eine 12 cm lange Kupferschlange mit goldenem Kopf gefunden. Wahrscheinlich diente sie als Kultgegenstand eines midianitischen Heiligtums in dieser Gegend. Jedenfalls beweist sie, dass um etwa 1200 v. Chr. in dieser Gegend solche Kupferschlangen nicht unbekannt gewesen sind. Im Vorderen Orient galten Schlangen zudem als Symbole des Lebens (vgl. die Äskulapnatter als noch heute bestehendes Symbol von Ärzten und Apothekern) und als Symbol von heilbringenden Gottheiten.
Der Text in Num 21 weist aber nicht der Schlange als solcher Heilkraft zu, vielmehr verweist hier die Schlange auf den eigentlichen Retter. Wahrscheinlich hat Israel so einen bereits bekannten Brauch aus der Umwelt in die eigene Glaubenswelt übernommen, ihn aber theologisch neu geformt, bzw. uminterpretiert. Diese These wird durch Weish 16:7 gestützt, wo es heißt: "Wer sich dorthin wandte, wurde nicht durch das gerettet, was er anschaute, sondern durch dich, den Retter aller."
Die christliche Tradition interpretierte den Text von Num 21 im Anschluß an Joh 3:14 als eine mögliche Urform der rettenden Kraft, die vom Kreuze Jesu ausgeht: Jeder durch die Sünde Verwundete soll voll Vertrauen an den erhöhten Erlöser glauben.
Gastautor*in (2015)
Norbert Riebartsch (2010)
Bernhard Zahrl (1997)