Das Laubhüttenfest
Der zweite Fastensonntag verkündet uns heute die Verklärung Jesu nach Matthäus. Der Evangelist schreibt für Juden, die wussten, dass Mose am Sinai in einer Wolke Gott begegnet ist und die Bundestafeln empfing. Zugleich verweist das heutige Evangelium nach Meinung von Bibelfachleuten auf den Termin des Laubhütten-Festes.
Im Herbst feiern die Juden das Laubhüttenfest. Sie denken daran, dass die Vorfahren beim Auszug aus Ägypten in provisorischen Hütten und Zelten wohnten. Vor allem aber erinnerten sie sich, dass sie am Roten Meer vor der nachrückenden Armee der Ägypter in höchster Lebensgefahr ohne Aussicht auf Rettung waren. Mit Mose, ihrem Anführer, setzten sie ihr ganzes Vertrauen auf Jahwe, den Retter-Gott und erwarteten gläubig alles von ihm, der sie befreite. Beim Laubhüttenfest wissen sie ihren Gott Jahwe mitten unter sich. Sie danken ihm und hofften inständig, dass der Herr, der vor Jahrhunderten Israel durch die Wüste ins gelobte Land führte, weiterhin sie rettet und ihnen hilft.
Der Tabor
Der Text beginnt heute: "Sechs Tage danach“ - am Laubhüttenfest – „nahm Jesus Petrus, Jakobus und dessen Bruder Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg. Und er wurde vor ihren Augen verwandelt; sein Gesicht leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wurden blendend weiß wie das Licht. Da erschienen plötzlich vor ihren Augen Mose und Elja und redeten mit Jesus." Mitten im Laubhütten-Fest nimmt Jesus die Jünger mit sich. Es leuchtet mit Wucht und Glanz die Herrlichkeit Jahwes und seines Sohnes Jesus auf. Das Licht des Vaters bündelt sich im Sohn und strahlt zurück. Die zwei Gestalten als Inbegriff des Alten Bundes, Mose und Elja, reden mit Jesus. Mose steht für den Sinai-Bund und die göttlichen Weisungen an Israel, das Gesetz, und Elja, einer der größten Propheten, als Inbegriff für alle Propheten. Jahwe ist in Jesus mitten untern den Seinen. Sie sprechen über den Weg Jesu, der im Gehorsam zum Willen des Vaters, als erster durch die Wüste des Leidens und Sterbens ins „Gelobte Land“ gehen wird.
Das wahre Laubhüttenfest
Obwohl Petrus von der Verklärung ergriffen ist, denkt Petrus vom Laubhüttenfest her: Er versucht das überirdische Geschehen in das irdische Fest hineinzuziehen. „Herr, es ist gut, dass wir hier sind. Wenn du willst, werde ich hier drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija. Noch während er redete, warf eine leuchtende Wolke ihren Schatten auf sie, und aus der Wolke rief eine Stimme: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören. Als die Jünger das hörten,“ - die Stimme aus der Wolke konnte für sie nur Jahwe sein – „bekamen sie große Angst.“ Die Gegenwart Gottes schien sie zu zermalmen. „Sie warfen sich mit dem Gesicht zu Boden. Da trat Jesus zu ihnen, fasste sie an und sagte: 'Steht auf, habt keine Angst!'". Jahwe bestätigt Jesus, als seinen Sohn wie bei der Taufe im Jordan, als den, auf den sie hören sollen. Und das tun auch die höchsten Autoritäten des Alten Bundes, Mose und Elja.
Jesu Weg ist das Hinabsteigen vom Tabor
Während sie den Berg hinabstiegen, gebot ihnen Jesus: „Erzählt niemand von dem, was ihr gesehen habt, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist.“ Jesus schließt die ganze, ungeheure Erfahrung ein ins Schweigen. Erst muss er ganz vom Berg des Lichtes hinab ins dunkle Tal der Ohnmacht und der Entwürdigung. Erst muss er wie ein Wurm zertreten werden, muss hilflos und verlassen sterben. Die Jünger verstehen das alles nicht, sie meinen, Jesus scheitere am Kreuz. Erst der Auferstandene, der ihnen den Verrat vergibt und seinen Ostergeist einhaucht, lässt sie langsam seine Hingabe begreifen. Sie dürfen verstehen, dass uns Jesus in seinem Kreuz seine göttlich große Liebe offenbart und uns in die Liebe des Vaters hinein erlöst.
Das Taborerlebnis wandelt sich vom äußeren Glanz des Göttlichen zur inneren Glut der Liebe Gottes am Kreuz, über die wir nur stammeln können. Paulus versucht es im Römerbrief: „O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unergründlich sind seine Entscheidungen, wie unerforschlich seine Wege!“ Mit der Taborerfahrung im Rücken können die Jünger begreifen, dass Jahwes Größe in Jesus, seinem Sohn, nicht blendender Glanz und Herrlichkeit sind, sondern seine grenzenlose Liebe für uns Menschen.
Jesu grenzenlose Liebe für uns
Was heißt das für uns? - Wir hätten gern die leidfreie Zone. Wir möchten es märchenhaft- paradiesisch und verklärt. Wir möchten den Schmerz verbannen. Doch das ist nicht das Wesen Gottes. Der wahre Glanz Gottes ist, dass er hinabsteigen kann und alles aus Liebe verliert, für uns. Warum kann Gott erst über den Schmerz, über die Erniedrigung sein Wesen offenbaren? Das sind Fragen, die offen bleiben. Doch als der Pfingstgeist die junge Kirche erfasst, haben Petrus und die Apostel begriffen. Als sie kurze Zeit später gegeißelt werden für den Namen Jesu, freuen sie sich, dass sie für ihn, - als Antwort auf seine Liebe – leiden können. Begreifen wir das? Wir bedürfen dazu seines Ostergeistes.
Es gibt Tage im Leben, an denen man meint, es nicht mehr zu schaffen: eine Todesnachricht, eine weitere herbe Enttäuschung, seelische und körperliche Tiefschläge. Es kann wie ein Fallen ins Nichts sein. Da brauchen wir die Gnade Jesu, auf ihn, den Gekreuzigten, zu schauen. Aus dem Dunkel des Kreuzes kann sich leise Jesu Stimme erheben und tröstend rufen: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen.“ Selig, die erfassen können, was wir am Karfreitag singen: Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung.