Wider den falschen Propheten
Heilsbringer haben Hochkonjunktur. In guter Erinnerung haben wir alle noch die Wahl des amtierenden amerikanischen Präsidenten, Barack Obama. Nicht nur in Amerika, sondern überall auf der Welt erwartete man den Anbruch eines neuen Zeitalters. Warnende Skeptiker wie z.B. Obama selbst wurden überhört.
Was draus geworden ist, haben die Zwischenwahlen in den USA vor einigen Wochen gnadenlos an den Tag gebracht. Der neue Mann von einst, Hoffnungsträger eines ganzen Zeitalters, bangte um sein politisches Überleben: Moderne Heilsbringer haben eben eine kurze Halbwertszeit. Und dazu können sie selbst oftmals wenig. Obama selbst hat ja den Menschen die Realität vor Augen gehalten und vor harten Zeiten gewarnt. Und er hat ja recht behalten - damals wollte diese Worte keiner hören, heute ist man enttäuscht.
Wünsche, Sehnsüchte, Hoffnungen, Träume zu delegieren und anderen zu zwecks Erfüllung zu übertragen - so handeln Menschen seit alters her. Aber immer dann, wenn wir das tun, erfordert das immenses Vertrauen und wir riskieren alles. Und so manche Delegation ist auch gar nicht möglich: Das Beispiel Obama ließe sich noch zahlreich ergänzen. Lebensschicksale, Glück, Zukunft zu delegieren geht nicht - wir tragen für die Entwicklung dieser Welt und für unsere eigene die Verantwortung, die sich nicht in die Hände von Vertretern legen lässt.
Heil am Wegesrand
Auch den Lebensweg als Weg des Glaubens müssen wir Menschen selbst unter die Füße nehmen. Ihn zu gehen, nimmt uns keiner ab - selbst Gott nicht. Wir können wohl vielen folgen, die ihn schon gegangen sind. Von einem ist da im Evangelium heute die Rede gewesen: Johannes der Täufer wird von Jesus selbst als Vorgänger und Beispiel genannt. Sein Ruf war bekannt. Johannes zog die Menschen an und sie kamen an den Jordan - vollbepackt mit verschiedensten Hoffnungen.
Und auch Jesus hatte einen Ruf - auch er wird zum Hoffnungsträger. Für beide schafft Jesus nun in seiner Rede klare Abgrenzungen. Von dem einen, Johannes, möge man keine Wunder erwarten - er ist halt nur ein Prediger in einem Kamelhaarmantel. Von dem anderen sollte man nichts anderes als seine Wunder erwarten - wenn das auch recht schwierig war, einzusehen: "Blinde sehen wieder, und Lahme gehen; Aussätzige werden rein, und Taube hören; Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet.”
Heil im Verborgenen
Für Johannes wie für Jesus gilt: Keiner von den beiden dreht den Menschen das Heil an wie ein Händler auf dem Basar. Keiner von beiden wirbt marktschreierisch für seine Mission wie die Scharlatane an den Straßenecken Jerusalems. Wer vom Heil Gottes berührt werden will, das die beiden vermitteln, der muss sich auf den Weg machen. Zu Johannes führte der Weg bis zu seiner Gefangennahme durch die Wüste, der Weg zu Jesus ist die glaubende und hoffende Nachfolge. Wer vom Heil Gottes berührt werden will, kann sich nicht da hinsetzen, die Hände in den Schoß legen und warten: Dann passiert nichts. Wer Heil Gottes erfahren will, muss selbst aktiv werden - und sei es, dass Andere diese Aktivität stellvertretend übernehmen müssen. Wir Menschen müssen unsere Wege unter die Füße nehmen, an und mit uns selbst schaffen. Wer sein Leben passiv dahinlaufen lässt und auf irgendwelche Heilsbringer vertraut, wird bitterlich enttäuscht werden.
Sich für Gott auf die Socken machen
Das ist auch die Botschaft dieser Adventszeit: Die ganze Verkündigung des Advents ist zugleich ein 'Mitmach'- wie auch ein 'Mut-mach'-Programm. Die Ermutigung für die Menschen entsteht im Mitmachen. Die wunderschöne Vision des Jesaja führt uns das an diesem Gaudete-Sonntag eindrücklich vor Augen. Jesaja ruft den Menschen zu: "Macht die erschlafften Hände wieder stark und die wankenden Knie wieder fest! Sagt den Verzagten: Habt Mut, fürchtet euch nicht!”
Und das sollen sie dann davon haben: "Dann werden die Augen der Blinden geöffnet, auch die Ohren der Tauben sind wieder offen. Dann springt der Lahme wie ein Hirsch, die Zunge des Stummen jauchzt auf."
Wo Gottes Heil spürbar wird, da ist Bewegung drin: In den Heilungsgeschichten hören wir davon, dass stets entweder Jesus auf die Menschen zugeht oder die Menschen sich auf die Suche nach ihm begeben. Wenn wir heute Zeuginnen und Zeugen der Heilsbotschaft Gottes sein wollen, gelingt auch das nur, wenn auch wir auf dem Weg sind und uns umschauen nach jenen, die heilsbedürftig sind. Das braucht wache Augen und offene Ohren.
Die Begegnung mit dem menschgewordenen Heil Gottes in der Krippe zu Bethlehem ist einer der entscheidenden Höhepunkte auf dem Weg von uns Menschen mit unserem Gott. Von der Krippe führen aber auch wieder unzählige Wege weg - hin zu Menschen, denen wir das Heil bezeugen sollen. Und zusammen mit Menschen, die uns selbst zu Heilsbringern werden.
Gehen wir los - machen wir uns also auf den Weg: Zu Gott, zum Nächsten, zu uns selbst.