Den Glauben in Geduld wachsen lassen...
In der heutigen Lesung aus dem Jakobus-Brief werden zwei Wörter benannt, die für den Glauben von ziemlicher Bedeutung sind: »Geduld« und »wachsen lassen«. Dreimal wird in dem kurzen Text der Lesung auf die Geduld hingewiesen: Haltet geduldig aus, der Bauer wartet geduldig, ebenso sollt auch ihr geduldig sein. Und wenn das Wort »wachsen« auch nicht direkt genannt wird, so wird es uns mit dem Bild vom Bauern und seinem Verhalten der Saat gegenüber dennoch deutlich vermittelt.
Ein großes Stück Ungeduld war es, so könnte man sagen, das die Christen des ersten Jahrhunderts lange Zeit an der Naherwartung der Wiederkunft Jesus festhalten ließ. Selbst der Verfasser des Jakobusbriefes hegte diese Vorstellung, wie wir es hören konnten. Wenn er in diesem Punkt auch irrte, mit seinem Hinweis zur Geduld im Glauben und mit seiner Aufforderung, Glauben wachsen zu lassen, liegt er goldrichtig. Glaube will in Geduld wachsen und heranreifen. Dies ist unsere eigene Erfahrung.
... und Ausdauer
Die Zeit des Verharrens in Geduld ist nicht gleichzusetzen mit Untätigkeit. Ganz im Gegenteil! In Geduld am Glauben bauen heißt: Tag für Tag neu bewusst und mit Eifer einüben und vollziehen, was uns der Glaube ans Herz legt. Geduld lässt uns dabei Ausdauer entwickeln, bei Misserfolgen neu anfangen, im Ganzen einen langen Atem entwickeln. Das Gegenteil von Geduld ist Hast und Hetze Überstürzung und Zwingen-Wollen. Das hilft im Glauben nicht weiter.
Schauen wir einmal in die Geschichte und Glaubensentwicklung Israels. Moses erhielt von Gott den Auftrag, das Volk aus der Knechtschaft Ägyptens in das gelobte Land zu führen. Was am Ende gelang, war ja kein Vier-Wochen-Marsch schnurgerade von Ägypten nach Palästina ins Land Kanaan. Gut vierzig Jahre und länger musste Israel auf die Erfüllung seiner Verheißung warten. Diese Zeit der Wüstenwanderung, in der das Volk den Glauben an Jahwes Verheißung nie endgültig aufgab, gestaltete sich zu einer zwar mühevollen, aber gesegneten Zeit. Hier in der Wüste wuchs und erstarkte der Glaube Israels in besonderer Weise. In den vielen Notsituationen erfährt das Volk wieder und wieder die Hilfe und den Beistand seines Gottes Jahwe.
Die Verbundenheit mit Gott festigen
Nach und nach kann es sich von den Göttern Ägyptens verabschieden, zu denen es noch einmal mit dem Goldenen Kalb seine Zuflucht nehmen wollte. Von Jahr zu Jahr erleben die Israeliten mehr und mehr, von wem ihnen in Wahrheit Hilfe kommt. Das Vertrauen in Jahwe wächst, vertieft und verfestigt sich. Moses schreibt in dieser Zeit sodann nicht nur die Weisungen Gottes in den zehn Geboten nieder, sodass sich jeder leicht am Willen Gottes orientieren kann; er lässt gleichzeitig das heilige Zelt errichten, ordnet den Gottesdienst und den Opferkult, hebt den Sabbat als Tag des Herrn und die persönliche Verbundenheit des einzelnen mit Gott hervor. Hätte sich Israel ohne die Wüstenzeit mit seinem Glauben, den es aus Ägypten mitbrachte, im neuen heidnischen Land Kanaan bewähren können? Zweifel sind angebracht. Denn selbst mit dem fundierten Glauben aus der Wüstenzeit gab es später noch genug Gläubige, die Jahwe den Rücken kehrten. Die Propheten und Gottesmänner hatten Mühe genug, von Generation zu Generation den Glauben im Volk zu erneuern und zu festigen.
Geduld und Ausdauer in der Mühe aufzubringen, damit unser Glaube wachsen und stark werden kann, dazu werden wir heute eingeladen und herausgefordert. Immer wieder wird Same in uns hineingelegt: die Veranlagungen, die Gott uns geschenkt hat, das Wort der Bibel, das uns trifft, Vorbilder, denen wir begegnen, Ereignisse, die uns wachrütteln oder bestärken, neue Einsichten, die uns weiterführen. Diesem Samen gilt es, Nahrung zu geben. Jakobus sagt: Macht euer Herz stark. Das heißt doch nichts anders als das Gute ins Auge fassen und danach intensiv streben.
Geduld mit sich selbst und die anderen
Nur bei diesem Bemühen kommt uns die Wüstensituation oft in die Quere. Die Nächstenliebe gestaltet sich härter und schwieriger als gedacht. Der gute Vorsatz überdauert nur eine Woche. Die gutwillig angebotene Hilfe wird zur Last. Das Leiden nimmt kein Ende. Die angestrebte Versöhnung scheitert. Das Gefühl der Geborgenheit in Gott schwindet.
Hier hilft nur die Geduld weiter: die Geduld mit sich selbst, mit anderen und auch Gott gegenüber. Alle Hektik, alles Zwingen-Wollen hilft nicht. Geduld mit uns und anderen in diesen Situationen bewahrt uns davor, die Mühe oder das Ringen aufzugeben, neue Versuche nicht mehr ins Auge zu fassen, sich der Resignation oder Trägheit auszuliefern. Unser Leben ist im Kern Wüstenwanderung, in die natürlich auch Oasen eingebaut sind. Von Oase zu Oase gilt es aber den Weg durch die Wüste immer neu anzutreten im Vertrauen auf die Hilfe unseres Gottes. Auch wenn das Vertrauen zunächst sehr winzig sein mag, es kann wachsen und das umso mehr, je deutlicher wir uns in die Gnade Gottes stellen, der uns nicht Mühe und Wüstenweg abnimmt, aber seinen Beistand schenkt.
Der Aufruf zur Geduld will uns ermutigen, realistisch mit uns umzugehen. Denn auch im Bereich des Glaubens unterliegen wir, wie sonst im Leben, dem Gesetz des Wachsens.
Geduld will uns anspornen, uns der Mühe des Lebens und im Bereich des Glaubens zu stellen. Denn ein gefestigter Glaube und ein guter Charakter fallen nicht vom Himmel. Daran arbeiten, das ist das Entscheidende. Gott will dabei an unserer Seite stehen und uns mit seinem Segen stärken, darauf sollen wir vertrauen.