Trauerprozess
Welche Erwartungen an die Zukunft hatten die beiden „Emmausjünger“ eigentlich?
Haben sie all ihre Hoffnung, ihre Vision vom Kommen des Reich Gottes auf einen einzigen Freund gesetzt?
Wo war ihr Anteil an der Verkündigung vom Kommen des Reich Gottes?
Ist wirklich alles aus, der Traum von einer gerechten, barmherzigen Welt, wenn der Tod dazwischen funkt?
Oder gehört eine Phase der Orientierungslosigkeit von jeher zum Trauerprozess dazu?
Ja, zu einem Trauerprozess gehören die Erfahrungen:
Ich kann es nicht verstehen. Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll.
Die Länge des heutigen Evangeliums lässt ansatzweise das Zeitausmaß einer natürlichen Trauerverarbeitung begreifen. Dieser Einblick ist nicht alles, was wir eben hörten. Es gibt ein „Mehr“, das zu dem Trauerprozess noch dazu kommt in der Verkündigung.
Dieses „Mehr“ ist narrativ, also von der Erzählung her, fantastisch geschildert, einmalig aufgebaut in einem Erzählrahmen, der seinesgleichen sucht. Die Sprache der Erzählung von den Emmausjüngern ist gut nachvollziehbar, sie berührt und lässt hoffen über Jahrhunderte hinweg. Die Botschaft dieser Erzählung ist für uns heute noch praktisch und lebensnah in der Feier des Wortgottesdienstes und der Eucharistie erfahrbar. In der Erzählung spiegelt sich der Aufbau unserer sonntäglichen Liturgie wider.
Schritt für Schritt
Zurück zu der Erfahrung der beiden Emmausjünger:
4 Verse eröffnen Schritt für Schritt die Türen zu dem „Mehr“ an Botschaft, welche wir als Auferstehungserfahrung zu Ostern und an jedem Sonntag feiern.
„Am gleichen Tag waren zwei von den Jüngern auf dem Weg ... sie sprachen miteinander über all das...“
Sich gemeinsam auf den Weg machen und einander erzählen ist der erste Schritt! Christen sind eingeladen eine lebendige Weg- und Erzählgemeinschaft zu bilden.
„Da sagte er zu ihnen: Begreift ihr denn nicht? Wie schwer fällt es euch, alles zu glauben, was die Propheten gesagt habe...“
Was nun folgt ist die Erinnerung an Worte der Propheten, die in der Situation helfen könnten. Das gemeinsame Gespräch über und die Anregungen von anderen zu der biblischen Botschaft ist der nächste Schritt. Wir brauchen die regelmäßige Auseinandersetzung mit den Erzählungen aus der Bibel. Diese stärkt und ermutigt uns, im Geiste Jesu leben und zu handeln.
„Bleib doch bei uns... Und er nahm das Brot und gab es ihnen...“
Einladen zum Bleiben, damit wir das Brot brechen, den Becher mit Wein weiter reichen ist der nächste Schritt. Das bedeutet, dass wir uns immer wieder zum Mahl versammeln, in der Erinnerung „ER lebt. ER ist in unserer Mitte“. So kann unser Osterglaube „ER lebt“ immer „mehr“ in unserem Leben an Bedeutung gewinnen. Durch die Feier des gemeinsamen Mahles kann dieser Glaube sich entwickeln, kann wachsen. So können wir zu hoffnungsvollen Menschen heranreifen: nicht das Ende, sondern der Anfang, nicht das Fallen, sondern das Aufstehen macht „mehr“ in und mit unserem Leben.
Vielleicht schon durch die Worte Jesu über Brot und Wein beim Abendmahl, die über den Tod hinaus weisen, wird die Botschaft der Auferstehung (aktiv) oder der Auferweckung (passiv) vorweggenommen. So eine Hoffnung bleibt nicht ohne Wirkung.
„Sie brachen noch in der selben Stunde auf ... zu den anderen Jüngern. Diese sagten: der Herr ist wirklich auferstanden. Auch sie erzählten, was sie erlebt und wie sie ihn erkannt hatten, als er das Brot brach.“
Dies ist der nächste Schritt: aufbrechen, durch das Leben, wie wir es leben, aus dem „Mehr der Hoffnung“ leben, von der wir nun erzählen. Dann können auch andere Mut und Hoffnung gewinnen. Es ist unser wichtiger Beitrag zu einem sinnerfüllten und friedlichen Zusammenleben in dieser einen Welt.
Dieser Schritt ist nicht der letzte Schritt, denn nun heißt es wieder, miteinander über all das reden, was wir erfahren, erlebt haben und sich stärken durch das Wort der Bibel, durch das Mahl, usw. Das Ende ist somit immer zugleich die Einladung zum nächsten Schritt. So erweitern wir unsere Lebens- und Glaubenskreise und machen wichtige Erfahrungen, wie einst die Jünger.
Friede sei mit euch!
Hören wir noch jenen Vers, den Lukas an das heutige Evangelium angeschlossen hat:
„Während sie noch darüber redeten, trat er selbst in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!“
Dieser Friede möge uns in diesen österlichen Tagen begleiten, sodass es ein gesegnetes Osterfest wird.