»Glück gehabt«
Zu den sehr bekannten Redewendungen unseres Alltags gehört wohl die Aussage: „Glück gehabt“! Wir benutzen sie, wenn in einer kniffligen oder sogar gefährlichen Situation nichts passiert ist. Manche sagen auch: „Da hast du aber einen guten Schutzengel gehabt!“ Oder: „Da hat der liebe Gott gut auf dich aufgepasst!“
In Redewendungen drücken sich manchmal Einstellungen und Haltungen aus. Vor allem dann, wenn mit ihnen ein und dieselbe Situation beschrieben wird. Wer den guten Ausgang eines Erlebnisses mit einem Schutzengel in Verbindung bringt, deutet damit zumindest an, dass er an so etwas wie übernatürliche Kräfte oder Energien glaubt. Und wer gar vom „lieben Gott“ spricht, rechnet mit dem liebenden Schutz und Eingreifen Gottes in seinem Leben.
Es ist also durchaus möglich, ein und dieselbe Gegebenheit unterschiedlich zu deuten und ihr eine unterschiedliche Tiefe zu geben.
»Wasserqualität«
In unserem heutigen Evangelium begegnet uns Christus in einer zunächst sehr menschlichen Situation. Nach einer langen Reise ist er um die heiße Mittagszeit endlich am Ziel angekommen, müde und durstig. So bittet er eine samaritische Frau, die zum Wasserschöpfen an den Brunnen kommt, um eine Schluck zu trinken. Aber dann entwickelt sich um das erfrischende Wasser herum ein schon fast missionarisch zu nennendes Gespräch. Denn plötzlich gewinnt das irdische Element »Wasser« eine ganz neue Qualität. Es hat auf einmal die Eigenschaft, den Durst für immer zu stillen. Ja, es wird im Trinkenden selbst zu einer Quelle, deren Wasser ins ewige Leben sprudeln.
Es verwundert deshalb nicht, dass die samaritische Frau diesen Qualitätswechsel des Wassers erst einmal nicht mitvollziehen kann. Und deshalb auch nicht sofort versteht, was Jesus eigentlich sagen will. Erst langsam setzt sich in ihr ein Erkenntnisprozess in Gang. Vielleicht kann man sogar von einem Glaubensprozess sprechen. Während Christus am Beginn des Gespräches nichts weiter als ein jüdischer Mann ist, beginnt sie langsam zu erkennen: Bist Du vielleicht größer als unser Vater Jakob? Dann spürt sie: Ich sehe, dass du ein Prophet bist! Um am Schluss des Gespräches zu erahnen: Ist er vielleicht der Messias?
»Missionsstrategie« Jesu
Mich beeindruckt dieses missionarische Vorgehen des Herrn immer wieder aufs Neue. Es beginnt in der Regel in den ganz alltäglichen Situationen menschlichen Lebens. Durch Zeichen, Wunder oder auch Gespräche lehrt er dann die Menschen, tiefer zu sehen. Eine ganz normale Lebenssituation wird plötzlich zu einem Ort der Gottesbegegnung und Gotteserfahrung und verändert dadurch manchmal das ganze Leben eines Menschen. Dann kann sogar die für die damalige Zeit völlig unmoralische Tatsache, dass eine Frau fünfmal verheiratet ist, zum Instrument der Gotteserkenntnis werden. Denn der Herr geht hier ja in keiner Weise auf eine moralische Bewertung ein. Er benennt zwar die Situation so, wie sie ist: Du hast fünf Männer gehabt. Aber nur, um sie dadurch tiefer in die Gotteserkenntnis zu führen. Denn sie antwortet: Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist. Ein wichtiger Zwischenschritt auf dem Weg zum Bekenntnis: Bist Du vielleicht der Messias?
In der Fastenzeit, sind wir aufgerufen, unser Leben in den Blick zu nehmen. Und am Maßstab des Evangeliums zu prüfen. Umkehr, so wie es die Fastenzeit von uns fordert, bedeutet in diesem Sinn natürlich auch: Eine Veränderung konkreter Verhaltensweisen. Das Böse zu unterlassen und das Gute zu tun.
Eine neue Weise des Sehens und Wahrnehmens
Manchmal bedarf es vielleicht aber gar nicht so sehr einer Veränderung des Tuns. Sondern einer neuen Weise des Sehens und Wahrnehmens. Auch dies beginnt in den alltäglichen Situationen meines Lebens. Auch in den unmoralischen. Dort, wo in meinem Leben die Verweigerung und die Sünde ist. Nur eben nicht unter dem Blickwinkel: Bewirke ich Gutes oder Böses? Sondern unter dem Blickwinkel der Begegnung mit dem lebendigen Gott. In diesen Begegnungen lehrt uns Christus, unser Leben im Licht Gottes und der Frohen Botschaft des Evangeliums neu zu deuten. Den Dingen des Lebens eine neue Qualität zu geben. Sie zur Quelle der Gotteserkenntnis und Gottesbegegnung werden zu lassen. Und so Zugang zu dem Wasser zu finden, das den Durst nach einem erfüllenden, beglückenden und sinnvollem Leben stillt.
Vom heutigen Evangelium lerne ich aber: Dies ist ein - manchmal langer - Weg. Es dauert bis ich gelernt habe, in bestimmten Situationen meines Lebens mehr als nur eine vordergründige Episode zu sehen. Aber es lohnt sich, diesen Weg zu gehen und zu lernen, hinter die Ereignisse zu schauen. Denn dort kann ich den entdecken, von dem wir bekennen: Er ist der Messias. Der Herr.