Lachen und Saufen
Einmal im Jahr lässt es der Kalender zu, die Welt auf den Kopf zu stellen, manche sagen auch sehr gewöhnlich: die Sau rauslassen.- Eine Glosse in einer österreichischen Tageszeitung wählte dazu den Titel: LACHEN UND SAUFEN! Dort wird von einem betrunkenen Hund berichtet, der voll berauscht zum Tierarzt musste, weil er heimlich und viel zu gierig eine große Menge Germ gefressen hatte, der sich in seinem Körper in Alkohol verwandelte. Der Verfasser der Glosse empfahl den LeserInnen das Komasaufen zu unterlassen und eher ins Komalachen zu verfallen. Das passt alles recht gut in eine Spaßgesellschaft, die auch gern schräg ist, aber nicht wirklich aus tiefstem Herzen humorvoll sein kann.Die Welt auf den Kopf stellen
Versuchen nicht auch die heutigen Texte im guten Sinn des Wortes die Welt ganzjährig auf den Kopf zu stellen und zu verändern? Es sind kühne Versprechungen, die wir im Evangelium gehört haben, die aus menschlicher Sicht logisch nicht begründbar sind.
Bei Theodor Fontane, Dichter des 19. Jahrhunderts, lesen wir im Gedicht "Ratschlag für meinen Sohn" in den letzten Zeilen Folgendes:
"Quäl dich nicht mit ‚wohlerzogen’
Vorwärts mit den Ellenbogen!
Und zeig jedem jeden Falles:
DU bist nichts und ICH bin alles!"
So weit die Egoistenbibel einer Ellbogengesellschaft! Jesus will der Ordnung der Ellbogengesellschaft die Ordnung der Liebe gegenüberstellen, die keine Gesetze nötig hat. Wir Menschen sind aber sehr unvollständige Wesen, deshalb brauchen wir Orientierungshilfe, ein Lebensprogramm- die Bergpredigt.Adressaten der Bergpredigt sind wir alle
Einige der Seligpreisungen benennen Menschen in schwierigen Lebenslagen: die Armen, nicht nur Menschen in materieller Not, sondern auch jene, die keinen Sinn im Leben sehen, die orientierungslos sind; die Trauernden und die Verfolgten. Selig die Leidenden. Der Theologe Johann Baptist Metz spricht von der "Autorität der Leidenden", vor allem die ungerecht und unschuldig leiden, auf sie müsste die Theologie noch viel mehr Augenmerk richten.
Obwohl ihr Zustand nur vorübergehend anhält, da dieses Leben nur Durchgang ist, enthebt es niemanden, der sich ChristIn nennt, der Verpflichtung, Not, Leid, Trauer zu verhindern, zumindest abzuschwächen. Adressaten der Bergpredigt sind wir alle, nicht nur Menschen geistlichen Standes oder andere hauptamtliche VerkünderInnen der Frohen Botschaft.
Aber wie soll das geschehen?
Die weiteren Seligpreisungen sprechen Charaktereigenschaften an, die wir entweder schon besitzen oder im Laufe des Lebens entdecken (können):
Selig, die keine Gewaltanwenden, die nicht sofort dreinhauen, körperlich oder verbal, die im Lauf der Zeit eine Konfliktkultur entwickeln.
Selig, die sich um Gerechtigkeit mühen. Das sind all jene, die die königliche Würde des Menschen ernst nehmen und bereits im kleinen Kreis zumindest versuchen, Ungerechtigkeiten aus der Welt zu schaffen. Dazu gehören Klugheit und Mut.
Selig die Barmherzigen. Gemeint ist, wer Einsicht zeigt, dass jeder von uns auf das Erbarmen, auf die Nachsicht, auf das Mitfühlen unserer nächsten Umgebung angewiesen ist, weil wir vieles auch in unserer Beziehungskultur nicht schaffen.
Was unter uns Mitmenschen gilt, erbitten wir auch vom Herrn, er möge barmherzig sein mit uns.
Selig, die Frieden stiften. Diese Welt braucht Brückenbauer im großen und im kleinen Bereich, nicht zu verwechseln mit Harmonisierern, die Angst vor kleinsten Differenzen haben. Das bedarf eines guten Sensoriums, auch sprachlicher Natur, um unnötige Wutausbrüche, kommunikative Schwelbrände oder Kränkungen zu vermeiden.
Erich Fromm (+1980), der bekannte jüdische Philosoph, der sich auch intensiv mit der Bergpredigt beschäftigt hat, stellt so treffend fest: "Für das jüdische Verständnis heißt an Gott glauben, nicht etwas über ihn wissen, sondern ihm nachahmen." - Somit sind wir eingeladen, die Seligpreisungen als Nachahmung zu verstehen.
Wenn Ihr all das nachahmt und zusammenbringt, dann Gratulation und herzlichen Glückwunsch! Dann wird es nicht nur homerisches infernalisches Gelächter geben, sondern ein Lachen, das innere Freiheit und Glück ausstrahlt. Dann ist Glück die Cousine des Lachens, weil ein Stück Reich Gottes hier auf Erden vorübergehend angebrochen ist. - Gott steht auf unserer Seite, er hat an uns Menschen "einen Narren gefressen!" - Amen.
Hans Hütter (1999)