Spaltung und Gewalt gegen Einheit und Frieden
Zwei große Themen sind in diesen Texten besonders auffällig: Von Konflikt, Spaltung und Gewalt hören wir in der Apostelgeschichte, es klingen aber auch Trostworte durch, die von Einheit, Friede und Vollendung in Teilen der Apostelgeschichte, besonders aber im Evangelium sprechen.
Was sind die Ursachen, dass es unter gläubigen Menschen zu schweren Konflikten bis hin zu Gewalt, Totschlag kommt? Stephanus wirft dem Hohen Rat, einer weltlichen und geistlichen Behörde, vor, dass sie den Menschen Gott entziehen, den Blick auf ihn durch eine Unzahl von Gesetzen, Vorschriften, durch eine kompliziert aufgebaute Tempelhierarchie verstellen. Auch diese lässt es kaum zu, den Menschen den Weg in den Tempel freizumachen und damit Gott noch intensiver zu begegnen.
Wo bleibt also der mitwandernde Gott in der Bundeslade, der Gott, der unter den Menschen sein Zelt aufschlägt? Die Hohenpriester, vor allem die Sadduzäer, haben Gott eingesperrt, wohl in einen prachtvollen Tempel, gut sichtbar, aber dennoch für die breite Bevölkerung entrückt. Das ist ein gewaltiger Vorwurf, der die jüdischen Behörden vor Wut überkochen lässt. Sie haben Angst, dass ihre Macht, ihr gesellschaftlicher Einfluss geschmälert oder überhaupt in Frage gestellt werden könnte. Was geschieht mit dem Tempelschatz, mit all dem Reichtum, der sich hier angehäuft hat? Und ist nicht auch das gesamte Gottesbild, der Glaube der Menschen in Gefahr, kritisiert und ausgedünnt zu werden?
Nur über strenge Ordnungen, die scheinbare Sicherheit vermitteln, können Glaube und auch althergebrachte Traditionen aufrechterhalten werden, so nehmen sie an, die Hohenpriester und die Pharisäer. Ordnungen, Gesetze sind sehr wichtig, müssen aber ständig überprüft werden, ob sie dem Anliegen, nämlich Gottes Wort Kraft und Durchbruch zu verleihen, auch entsprechen. Gottes Wort und Auftrag bleibt immer gleich, Ämter, Institutionen müssen aber danach ausgerichtet sein und sind änderbar. Besitzgier und Machtgehabe, gemeine Intrigen und Einsatz von Gewalt widersprechen dem göttlichen Auftrag. Das bringt Stephanus zur Sprache und bezahlt mit dem Leben.
Glaubwürdigkeit
Stephanus und Jesus sehen den Himmel offen, so die Apostelgeschichte und das Evangelium. Es ist bekannt als "Hohepriesterliches Gebet". Diese Bezeichnung trifft nur bedingt zu. Weder ist im Text vom Priestertum noch vom Opfer die Rede. Besser ist vom Abschiedsgebet Jesu vor seinem Tod zu sprechen. Es ist ein Testament, eine letztwillige Verfügung, in Gebetsform. Jesus hält Rückblick auf sein Leben, weiß aber auch um die schweren Auseinandersetzungen und Verfolgungen, die seinen JüngerInnen bei der Glaubensausbreitung drohen, er weiß auch um die vielen Streitereien, die es innerhalb der Glaubensgemeinschaft gibt und noch geben wird. Deshalb lautet die letztwillige Verfügung: "Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandthast." (Joh.17,21).
Die Voraussetzung für die Einheit ist die Glaubwürdigkeit. Die Menschen, die Gesellschaft, damals und heute soll sehen, dass die Botschaft Jesu vertrauens-würdig, einladend ist. Voraussetzung dafür ist, dass man mit sich selber bzw. mit der Hilfe des Vaters um diese Einheit bemüht, wie es Jesus zeitlebens getan hat.
Einheit hat nichts mit Uniformität zu tun. Es gibt so viel Wege zu Gott als es Menschen gibt. Gesetze und Ordnungen sind Rahmenbedingungen.
Wie gehen wir mit dieser letztwilligen Verfügung Jesu um? Seit den Zeiten Jesu und seit Stephanus hat sich wenig geändert. Durch alle Jahrhunderte stehen Gläubige gegen Gläubige auf, sprechen einander das Christsein und Kirchesein ab, führen Religionskriege, exkommunizieren einander.
Konflikte sind das Salz der Wahrheit
Kirche ist nicht nur eine perfekte, makellose Gesellschaft, sondern auch Kirche der SünderInnen. Kirche ist auch Konfliktgemeinschaft. Konflikte sind Salz der Wahrheit. Wir alle befinden uns in tastender Suche nach der Wahrheit Gottes. Keine Kirche, keine Religion, kann sie für sich zur Gänze in Anspruch nehmen. Das glauben nur einige Machthaber, damals und heute. Jesus und Stephanus üben daran Kritik und bezahlen diese mit ihrem Leben.
Ein tröstliches Dokument ist die "Charta Oecumenica" (2001), gleichsam ein Gewissenspiegel für die christlichen Kirchen, eine Mahnung, ob wir bereit sind, die Verpflichtung zur Einheit auch zu halten.
Darin heißt es. "Wir glauben an die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche - also nicht nur an die römisch-katholische!! - und fühlen uns der Mahnung des Epheserbriefes verpflichtet, uns beharrlich um ein gemeinsames Verständnis der Heilsbotschaft Christi im Evangelium zu bemühen . . . Jesus Christus ist als der Herr der einen Kirche unsere größte Hoffnung auf Friede und Versöhnung. In seinem Namen wollen wir den gemeinsamen Weg weitergehen. Wir beten um den Beistand des Heiligen Geistes."