2. Lesung vom Fest der Mutter von der Immerwährenden Hilfe:
Offb 12,1-6a. 10b
Lesung aus der Offenbarung des Johannes:
Ein großes Zeichen erschien am Himmel:
eine Frau, mit der Sonne bekleidet;
der Mond war unter ihren Füßen
und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt.
Sie war schwanger und schrie vor Schmerz in ihren Geburtswehen.
Ein anderes Zeichen erschien am Himmel:
ein Drache, groß und feuerrot, mit sieben Köpfen und zehn Hörnern
und mit sieben Diademen auf seinen Köpfen.
Sein Schwanz fegte ein Drittel der Sterne vom Himmel
und warf sie auf die Erde herab.
Der Drache stand vor der Frau, die gebären sollte;
er wollte ihr Kind verschlingen, sobald es geboren war.
Und sie gebar ein Kind, einen Sohn,
der über alle Völker mit eisernem Zepter herrschen wird.
Und ihr Kind wurde zu Gott und zu seinem Thron entrückt.
Die Frau aber floh in die Wüste,
wo Gott ihr einen Zufluchtsort geschaffen hatte;
Da hörte ich eine laute Stimme im Himmel rufen:
Jetzt ist er da, der rettende Sieg,
die Macht und die Herrschaft unseres Gottes
und die Vollmacht seines Gesalbten.
Die Offenbarung des Johannes, ein Trostbuch in der Verfolgungszeit, zeichnet am Beginn der heutigen Perikope das Bild von der siebenten Posaune. Sie verkündet die Herrschaft Gottes, die so sicher kommt, dass jetzt schon der Sieg in Jubel- und Dankliedern gefeiert werden kann. Die Danklieder sind aus Schriftzitaten aus dem Alten Testament zusammengesetzt.
Nun wird das Ende angekündigt. Jesus herrscht als König über die ganze Welt. Die Lade, die früher verborgen war, ist nun für alle sichtbar (19). Nun steht der Zugang zu Gott offen.
Im Kapitel 12-14, dem Kernstück des Buches, werden treibende Kräfte in der Geschichte gezeigt. Die hier vorgelegte Deutung der Geschichte geht nicht von den innerweltlichen Ursachen aus, wie es allgemein geschieht. Die Kirche muß sich in ihrer Geschichte mit Satan und seinem Treiben in der Welt auseinandersetzen. Der Ausgang dieses Kampfes ist der Sieg über Satan. Die Kirche wird befreit, wenngleich ihre Situation in der letzten Zeit aussichtslos erscheint. Am Ende wird das Lamm und sein Gefolge siegreich sein.
Die beiden Gegner (12,1-6) werden gezeigt: eine Frau von Überirdischer Hoheit, das Gottesvolk - ein Drache, die gottfeindliche Macht mit unermesslicher Kraft, Satan. Die Geburt des männlichen Kindes, des messianischen Weltherrschers, konnte aber nicht verhindert werden. Der Messias wird zu Gott entrückt (Himmelfahrt). Die Frau, die Kirche, wird von Gott trotz aller Not der Drangsalszeit (1260 Tage - dreieinhalb Jahre - Zeit des Antichrist) bewahrt. Mit der Menschwerdung Jesu hat der Entscheidungskampf zwischen Gott und Satan um die Herrschaft über die Welt begonnen.
Der siegreiche Ausgang in diesem Kampf wurde schon in einem himmlischen Kampf vorgebildet. Der Erzengel Michael, der das Gottesvolk beschützt, und seine Engel besiegten Satan. Ein Hymnus besingt die Wende.
Die Kapitel 12 - 14 gehören zu den Kernstücken der Offenbarung des Johannes. Der erste Teil dieses Kernstückes wird heute vorgelesen.
Der Text ist durchdrungen von mythischen Bildern. Hintergrund sind die konkreten Erfahrungen der christlichen Gemeinden (Verfolgung durch den römischen Staat; Vergöttlichung des römischen Kaisers usw. ...). Trotz aller schweren Bedrängnis soll und kann die Gemeinde zuversichtlich bleiben; der Sieg gehört Gott und dem Christus.
Das Bild der Himmelskönigin (mit Sonne bekleidet, auf einer Mondsichel stehend, am Haupt eine Krone von 12 Sternen) stammt aus der astralreligiösen Welt (vgl. auch die göttliche Mutter Ägyptens, Isis).
Im Judentum wurde den Gestirnen - im Gegensatz zu den anderen Völkern rundherum - keine göttliche Würde zuerkannt. Sonne, Mond und Sterne sind also für Johannes nur der Schmuck der Frau. Die Zwölfzahl deutet wohl darauf hin, daß sie das Gottesvolk der zwölf Stämme repräsentieren. Völker und Stämme wurden im alten Orient vielfach in Frauengestalt versinnbildlicht.
Die Frau am Himmel ist schwanger - sie soll den Messias gebären. Da dieser kein anderer als Jesus von Nazareth ist, könnte es nahe liegen, in der Himmelskönigin Maria, die Mutter Jesu, zu erkennen und sie als die mit der Sonne bekleidete Frau zu verehren.
In diesem Sinne hat besonders die mittelalterliche Kirche das Bild verstanden und Maria als Himmelskönigin dargestellt
Die Exegeten sehen in der Frau aber eher das wahre Israel, das Gottesvolk des Alten und Neuen Bundes, aus dem Christus gekommen ist.
Die alten, oder die chaotischen Mächte der Welt verkörpern auch das Bild des Drachens. Sie streiten als Widersacher gegen Gott. Das Bild vom Kampf des Drachens gegen die gebärende Frau findet sich in verschiedensten Kulturen, so auch in den griechischen Mythen.
Für den Seher ist die Frau das wahre Israel und das Kind der Messias. Mit dem Kommen Jesu Christi hat der letzte Kampf begonnen. In dieser letzten Zeit wird aber auch der besondere Schutz Gottes zugesagt.
Maria Wachtler (2002)
Lorenz Walter Voith (1998)