"Ich sehe dich in tausend Bildern,
Maria, lieblich ausgedrückt,
doch keins von allen kann dich schildern,
wie meine Seele dich erblickt.
Novalis 1772 - 1801
Geliebt, geschätzt, geehrt
Als ehrenamtliche Mitarbeiterin in der Pfarre Maria Puchheim ist mir natürlich die Ikone von der Mutter der immerwährenden Hilfe sehr vertraut. Vom Hochaltar leuchtet diese Ikone, da ihr diese Wallfahrts- und Pfarrkirche geweiht ist. Bei dem alljährlich stattfindenden Maria Hilf Fest, das viele Menschen anzieht, wird diese mit Blumen reich verzierte Ikone in einer Prozession durch den Ortsteil Puchheim getragen. Auch der Monat Mai mit den vom Kirchenchor gestalteten Maiandachten zieht viele Menschen aus nah und fern an. Die alt vertrauten Marienlieder, deren Texte oft der heutigen Theologie nicht mehr entsprechen, sprechen Herz und Gemüt an.
Was ist es, das Menschen zu Maria zieht? Ist es das Gemüt? Warum wenden sich Menschen an Maria und nicht gleich an Gott, stellt sich für mich die Frage? Wer bist du, Maria? Wer bist du für mich? Wer bist du für die Menschen, die sich an dich wenden?
Seit der Geburt Jesu zieht sich die Frage "Wer ist Maria?" durch die Geschichte der Kirche. Viermal äußerte sich die Kirche definitiv dazu in den vier Mariendogmen. Doch gab es auch einen langen Zeitraum - über tausend Jahre vom Mittelalter bis in die Neuzeit - in dem keine Notwendigkeit bestand, eine Antwort dogmatisch festzuschreiben. Die Volksfrömmigkeit drückte in der konkreten Marienverehrung aus, wer Maria für die Menschen war. In diese Frömmigkeit flossen Frauenbilder der jeweiligen Zeit ein, hier bekamen Charakterzüge antiker weiblicher Gottheiten neue Deutungen, hier fanden Kunst, Lyrik und Musik Ausdrucksmöglichkeiten. Aus der Volksfrömmigkeit entstanden die vielen Titeln, mit denen Maria angesprochen, verehrt und dargestellt wird.
Wer bist du, Maria?
Wer bist du Maria, für mich und für die Menschen, die dich suchen?
Du Frau in den Nischen und Altären, Königin, Fürsprecherin, Magd, Braut Christi, reine Jungfrau, die den Niederungen des Frau-Seins entrückt ist in himmlische Sphären, von Machtmännern der Kirche missbraucht, um selbstbewusstes Frau-Sein in der Kirche zu unterdrücken; du "Überfrau", die uns die Kirche als Vorbild anbot.
Das II. Vatikanum widmet Maria kein eigenes Konzilsdokument. Im Rahmen der Dogmatischen Konstitution über die Kirche (8. Kapitel) wird der Lebens- und Glaubensweg Marias für die pilgernde Kirche als vorbildhaft bezeichnet. Dabei wird der biblische Befund dem inzwischen angewachsenen Traditionsbild gegenübergestellt und dieses teilweise auch korrigiert. So wird der Zugang zur "biblischen" Maria wieder freigelegt.
Maria, das junge jüdische Mädchen, verwirrte Mutter, die ihren davon gelaufenen Sohn sucht, die Schmerzensreiche, die ihren toten Sohn in den Armen hält und Lehrerin der Apostel. Maria kann so zum Sinnbild des Lebens werden. Die innere Nähe und Identifizierung mit den Erfahrungen und Haltungen Mariens ermöglichen eine andere Sichtweise unseres eigenen Alltags.
Ganz nah bei uns
Als Krankenhausseelsorgerin erlebe ich das konkret beim Durchblättern des Fürbittbuches, das vor der Marienikone in der Kapelle unseres Krankenhauses aufliegt. Hier schreiben Menschen, die sich mit ihren Sorgen und Ängsten, mit ihrem Dank und Bitten an Maria wenden. Hier wird Maria herabgeholt in die Niederungen des Alltags, ganz nah bei den Sorgen und Nöten der Menschen, eine Maria, der ich vertrauen kann, zu der ich Zutrauen habe. Maria, Frau aus dem Volke, Wegbegleiterin, die mich durch die Höhen und Tiefen des Lebens begleitet und die am eigenen Leib die Sorgen und Freuden des menschlichen Lebens erfahren hat. In Maria begegne ich einer Frau die ermuntert, trotz Unerwartetem und Schwerem, nicht zu resignieren.
So kann Maria zur Herausforderung für Frauen und Männer werden, sich ungeplanten Wegen des Lebens zu stellen und diese im Vertrauen auf Gott zu gehen. Eine einfache Frau ist es, die Gott erwählt um Gott hinein zu gebären in diese Welt, die in ihrer Gottverbundenheit durch alle Sorgen und großes Leid hindurch heranreift und von Gott zu sich genommen wird am Ende des Lebens. Wie viel Liebe und Wertschätzung ist da zu spüren für die ganz alltägliche Frau. - So viel Hoffnung für uns Frauen, wenn wir beten: "Gegrüßt seist du, voll der Gnade, der Herr ist mit dir..."