1. Lesung vom 2. Adventssonntag, Lesejahr A:
Jes 11,1-10
Lesung aus dem Buch des Propheten Jesaja:
An jenem Tag
wächst aus dem Baumstumpf Isais ein Reis hervor,
ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht.
Der Geist des Herrn läßt sich nieder auf ihm:
der Geist der Weisheit und der Einsicht,
der Geist des Rates und der Stärke,
der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht.
Er erfüllt ihn mit dem Geist der Gottesfurcht.
Er richtet nicht nach dem Augenschein,
und nicht nur nach dem Hörensagen entscheidet er,
sondern er richtet die Hilflosen gerecht
und entscheidet für die Armen des Landes, wie es recht ist.
Er schlägt den Gewalttätigen mit dem Stock seines Wortes
und tötet den Schuldigen mit dem Hauch seines Mundes.
Gerechtigkeit ist der Gürtel um seine Hüften,
Treue der Gürtel um seinen Leib.
Dann wohnt der Wolf beim Lamm,
der Panther liegt beim Böcklein.
Kalb und Löwe weiden zusammen,
ein kleiner Knabe kann sie hüten.
Kuh und Bärin freunden sich an,
ihre Jungen liegen beieinander.
Der Löwe frisst Stroh wie das Rind.
Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter,
das Kind streckt seine Hand in die Höhle der Schlange.
Man tut nichts Böses mehr
und begeht kein Verbrechen auf meinem ganzen heiligen Berg;
denn das Land ist erfüllt von der Erkenntnis des Herrn,
so wie das Meer mit Wasser gefüllt ist.
An jenem Tag wird es der Spross aus der Wurzel Isais sein,
der dasteht als Zeichen für die Nationen;
die Völker suchen ihn auf;
sein Wohnsitz ist prächtig.
Der Prohetentext beschreibt eine Vision von einer Welt, die ganz in der Ordnung Gottes ist. In ihr gibt es werde Leid noch die Pflicht, sich zu schützen.
Die Lesung hat zwei Teile: In den ersten 5 Versen wird beschrieben, was mit und durch den Messias geschieht. Der zweite Teil ab Vers 6 beschreibt die paradiesische Vision.
Vor dieser Zeit gibt es aber auch die Zeit von Untergang und Leid. Der Spross kommt aus dem Baumstumpf. Es ist also vorher der Baum gefällt oder in sich zusammengefallen - wie das davidische Reich Israels.
Die Lesung aus dem ersten Teil des Buches des Propheten Jesaja (Protojesaja) fügt sich an an die Weherufe und der Androhung und Durchführung des Gerichtes durch die Hand des Herrn und gibt Zeugnis von der Erneuerung nach der Katastrophe. Nach den vernichtenden Worten kommen nun die Worte der Erbauung aus dem Mund des Jesaja (sein Name heißt übersetzt: Rettung ist/wirkt JHWH).
Erich Zenger hat im 1. bis zum 11. Kapitel vier Mal diese Folge Sünde - Katastrophe - Wiederherstellung gesehen. Aus dieser Folge heraus bekommt diese Lesung als letzter Teil eine eindringliche Bedeutung für den Leser: immer wieder erscheint JHWH als einer, der Erbarmen hat mit seinem Gottesvolk, der in seiner göttlichen Pädagogik sein Volk nicht zerstören, sondern letztendlich erbauen will.
In der Lesung findet Jesaja dafür wunderschöne Bilder der Sehnsucht, die Wirklichkeit werden, die aber auch wiederum in Beziehung zu anderen ersttestamentlichen Stellen stehen. Die ganze Einheit der Bibelstelle hat ihr Ende erst in Vers 16, woran sich das Danklied der Geretteten anfügt. Der ganze Text eignet sich für die persönliche Bibellektüre ausserordentlich gut und ist nur zu empfehlen.
Norbert Riebartsch (2007)
Gabi Ceric (1998)