neu! brandneu!
Das Wörtchen NEU elektrisiert uns. Wir horchen auf. Wir schauen hin, wenn da in einer Auslage steht: Neu! Neuübernahme oder sonst eine Kombination mit NEU. Heute verspricht uns Gott in der Lesung aus der Apokalypse, dass die Schöpfung nicht verloren gehen wird, wenngleich sie im irdischen Sinn endlich ist. Sie wird NEU geschaffen werden:
Ein neuer Himmel und eine neue Erde - wird verheißen, - und: "die heilige Stadt, […] die Wohnung Gottes unter den Menschen Er wird in ihrer Mitte wohnen und sie werden sein Volk sein; und er, Gott, wird bei ihnen sein." - Emanuel, das kennen wir.
Aber es geht weiter:
Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen:
Der Tod wird nicht mehr sein,
keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal.
Denn was früher war, ist vergangen.
Das ist NEU, das ist utopisch! Aber, es wird bekräftigt:
Er, der auf dem Thron saß, sprach:
Seht, ich mache ALLES neu.
immer wieder neu – die Natur
Ja, Gott schafft immer - und immer wieder neu. Dass es Erneuerung in der Schöpfung gibt, erleben wir derzeit in der Natur wieder sehr stark. Aber auch sonst gibt es in der Geschichte und auch in der Heilsgeschichte des Gottesvolks immer wieder überraschend Neues. Auch wenn es manchmal bloß als lästige Wiederholung des Alten erscheinen mag. „Es gibt nichts Neues unter der Sonne!“, sagen Pessimisten. Aber schon die je verschiedenen Blätter der Pflanzen sind jedes Jahr neu, wenngleich sie einem genetisch vorgegebenen Bauplan folgen.
Die Bibel bezeugt immer wieder, wie Gott überraschend wirkt, z. B.: Nicht der älteste, nein der jüngste Sohn Isais, David, wird zum König erwählt und gleich gesalbt - und welche Wendungen gab es in seinem Leben! Oder: Gott zeigt sich dem Eliassowohl als machtvoll, als die triefend nassen Opfergaben am Altar durch einen Blitz entzündet werden, als auch sanft in einem leisen Säuseln am Gottesberg Horeb, zu dem der große Prophet nach einer tiefen Krise gelangt ist.
Überraschend neue und bahnbrechende Entwicklungen
am Anfang des Christentums
Die heutige Lesung aus der Apostelgeschichte berichtet von den Erfolgen von Paulus und Barnabasin ihrer Mission. Wir erinnern uns: Paulus der extrem eifrige Jude, der den „Neuen Weg“ der ersten Christen bis aufs Blut verfolgte, wird durch eine überraschende Erkenntnis Jesu Christi und die darauf folgende Bekehrung zum ebenso eifrigen Missionar, der das Evangelium zu den Heiden bringt.
Und heute hörten wir: "Sie berichteten alles, was Gott mit ihnen zusammen getan und dass er den Heiden die Tür zum Glauben geöffnet hatte." Der Bericht vergisst realistisch auch nicht die vielen Drangsale, die dem Reich Gottes entgegen stehen. Jedenfalls ist das aber, im Ganzen betrachtet, eine überraschend neue und bahnbrechende Entwicklung am Anfang des Christentums.
Ein neues Gebot gebe ich euch…
Von Jesus selbst hören wir heute das NEUE GEBOT:
Liebt einander!
Wie ich euch geliebt habe,
so sollt auch ihr einander lieben.
Daran werden alle erkennen,
dass ihr meine Jünger seid:
wenn ihr einander liebt.
Der Vergleich bezieht sich auf das Beispiel der Fußwaschung - des Sklavendienstes - den Jesus seinen Jüngern kurz davor erwiesen hatte! Das Evangelium beginnt mit: "Als Judas vom Mahl hinausgegangen war" - womit sich die Passion unaufhaltsam anbahnte, was Jesus so deutete: "Jetzt ist der Menschensohn verherrlicht und Gott ist in ihm verherrlicht. Wenn Gott in ihm verherrlicht ist, wird auch Gott ihn in sich verherrlichen und er wird ihn bald verherrlichen."
Ein neues Gottesbild
Die Herrlichkeit Gottes soll sich in der Passion zeigen? - Das ist wirklich ein völlig NEUES GOTTESBILD!Das entspricht keiner menschlichen Gottesvorstellung oder Gottesprojektion. - Aber das ist unser Evangelium!
Charles de Foucauld
Heute (am 15. 5. 2022) wird in Rom ein Mann heiliggesprochen, in dessen Leben es auch manche überraschende Wendung gab: Charles de Foucauld.
Am 15. September 1858 kam er in einer sehr reichen französischen Adelsfamilie in Straßburg zur Welt, wurde aber mit 6 Jahren Waise und mit seiner jüngeren Schwester vom Großvater, einem Offizier, aufgenommen. Durch die Wirren des Deutsch-Französischen Krieges (1870/71) erlebte er ähnlich schlimme Dinge, wie die Menschen heute in der Ukraine, und musste innerhalb Frankreichs umsiedeln. Auf Wunsch seines Großvaters wurde er später selber Offizier, wobei ihn aber das Kasernenleben anwiderte. Er ließ sich von Kameraden und Prostituierten ausnützen und verschleudert bei Gelagen viel von seinem Vermögen. Als eine der Damen ihm in eine Stellung der Armee in der französischen Kolonie Algerien nachgereist war, und er sich provokant weigerte, sie wegzuschicken, wurde ihm die Offiziersstelle entzogen. Später aber wollte er seinen Kameraden wieder helfen und bat um Wiedereinstellung, was ihm gewährt wurde.
Dann aber brach er bald, als Jude verkleidet, zu einer abenteuerlichen Forschungsreise in das verbotene und unbekannte Innere Marokkos auf. Der Forschungsbericht über diese Reise machte ihn berühmt, denn er brachte erste Kartenskizzen des Atlasgebirges nach Europa.
Seinen angestammten katholischen Glauben hatte er weitgehend verloren. Aber die frommen Muslime, die er fünfmal am Tag am Boden beten sah, haben ihn sehr beeindruckt. So suchte er wieder nach Gott und betete: „Mein Gott, wenn es dich gibt, lass mich dich erkennen!“ Mit 28 Jahren begegnet er Abbe Huvelin, einem begnadeten Seelenführer, mit ihm wollte er intellektuell über den Glauben sprechen; der aber forderte ihn auf, zu beichten. - Nun hatte er aus seinem bisherigen Leben sicher einiges zu beichten, aber offenbar gelang es dem Priester, in ihm den zuversichtlichen Glauben an die Güte des barmherzigen Gottes zu wecken, indem er ihm von Jesus her zusagte: „Deine Sünden sind dir vergeben.“ Und Abbe Huvelin gab ihm auch gleich die hl. Kommunion. - Von dieser Stunde an war Charles NEU orientiert und wollte nur mehr für Jesus leben und seinem geliebten Freund möglichst ähnlich werden.
Zunächst trat er bei den Trappisten ein, das war ihm aber zu wenig arm und dem Leben Jesu zu wenig ähnlich. Er hatte seine spezielle Intuition: Er wollte das Leben Jesu in Nazareth nachahmen. Also verdingte er sich als Hausarbeiter bei den Armen Klarissen in Nazareth.
Dass Gott sich herabließ und in diesem völlig unbedeutenden Ort der damaligen Welt als Mensch unter Menschen lebte, das hat Charles de Foucauld tief beeindruckt. Er wollte eine kontemplative Ordensgemeinschaft gründen mit der Aufgabe, dem Herzen Jesu nahe zu sein. So verfasste er dafür eine Ordensregel.
Sein Weg führte ihn aber noch durch einige Wendungen - die Klarissen drängten ihn, der Spiritualität der damaligen Zeit entsprechend, Priester zu werden. Die Studien hatte er schon weitgehend, so wurde er mit 43 Jahren Priester. Er ging wieder nach Algerien, nach Beni Abbes, um dort sein Ideal, des einfachen geschwisterlichen Ordenslebens, zu versuchen. Nun wollte er „zum Bruder aller Menschen werden“. Eine Ordensgründung gelang ihm aber zu seinen Lebzeiten nicht. Auch für das handwerkliche Leben war er nicht wirklich begabt. Sein Weg führte ihn dann weiter in den Süden Algeriens, ins Ahaggar Gebirge, nach Tamanrasset. Dort war er als Franzose ziemlich alleine mit den nomadischen Tuareg, deren Sprache er nun erforschte und in einem ersten Wörterbuch erfasste.
Er hat sich in seiner brüderlichen Art als guter Nachbar erwiesen und echte Freunde gefunden. Als er lebensgefährlich an Skorbut erkrankt, retteten ihm die selbst armen Tuareg mit den letzten Reserven ihrer Milch das Leben. Am 1. Dezember 1916 starb er dort am Rande des 1. Weltkriegs als Gefangener von Aufständischen gegen die Franzosen. Er wurde von einem jungen Bewacher voreilig erschossen. Sein Leichnam wurde dort verscharrt. 1929 dann wurden seine Überreste, gegen seinen ausdrücklichen Willen, in einem für ihn errichteten Grabmal in El Meniaa (früher El Golea) beigesetzt.
Erst 1933 entstanden nach seinem Vorbild die Kleinen-Brüder- und 1939 die Kleinen-Schwestern-Jesu und nach und nach noch mehrere religiöse Gemeinschaften im Sinne Charles de Foucaulds.
Bruder Karl
Wirklich bemerkenswert ist, dass Bruder Karl als ursprünglich reicher französischer Intellektueller seinen Weg nach dem Vorbild des eher armen Lebens Jesu in Nazareth gesucht hat und gegangen ist. Das stand im Kontrast zum Trend der Kirche seiner Zeit, die im Ersten Vatikanum 1870 die Unfehlbarkeit dogmatisierte, sich bis in ultramontane Extreme gegen den „Modernismus“ wandte und sich so gegen die Strömungen der Gesellschaft stellen wollte. Auch vom Kolonialismus seines Landes hat er sich zwar nicht grundsätzlich distanziert, aber sich doch um der Gerechtigkeit und der Menschlichkeit willen abgegrenzt.
Papst Franziskus schätzt ihn sehr und sieht in ihm wohl ein Vorbild des von ihm immer wieder eingemahnten Gehens „an die Ränder“.
Das stille und unbekannte Leben Jesu
In der Kirche übersehen wir meist, dass von den ca. 30 Jahren des Lebens Jesu nur etwa 3 Jahre öffentliches Wirken waren. Der größere Teil fand in einem einfachen Leben eines frommen Juden dieser Zeit, in einem besetzten Land, statt. Außer von der Episode mit dem 12-jährigen Jesus haben wir davon keinen Bericht. Wir können aber aus den bildhaften Reden Jesu sein Verständnis für das Leben seiner Zeit erschließen. So sieht er beispielsweise in den Lilien des Feldes und in den Vögeln des Himmels Zeichen des Wirkens Gottes. Das Senfkorn und das Weizenkorn werden ihm zu Zeugen von Gottes fruchtbarer Kraft. Zachäus und die Frau am Jakobsbrunnen waren ihm vielleicht bekannt, weil er dort öfter vorbeigekommen war, oder vielleicht auch einmal bei einem Hausbau beteiligt war, usw.
Vieles könnten wir wohl mit anderen Augen lesen, wenn wir das lange Leben und Arbeiten Jesu in Nazareth und sein regelmäßiges Pilgern nach Jerusalem bei unseren Betrachtungen mit einkalkulierten.
NEU lernen
Und unsere Kirche würde auch wieder mehr geerdet und sprachlich näher bei den Menschen sein, wenn wir uns wirklich und länger auf einfaches Leben einließen, bevor wir große Worte sprechen. Wir bekämen etwas vom „Stallgeruch“ ab, wie Papst Franziskus sagt, und wir würden aus den Lazaretten und Produktionshallen, aus den Plantagen und Feldern unserer Welt neue Erfahrungen mitbringen. Ja, wir könnten NEU lernen, die Zeichen des Wirkens Gottes in unserer Welt zu entdecken.
Wohl eher bei den Armen! - Aber vielleicht auch bei den Reichen, denn in Wien gibt es z. B. derzeit eine junge Erbin von Millionen, Marlene Engelhorn, die will, dass ihr Erbe und dann ihr Vermögen fair besteuert wird und setzt sich öffentlich dafür ein. Das ist neu!
Das Vorbild den neuen Heiligen
Möge uns das Vorbild des neuen Heiligen, Charles de Foucauld, dazu anregen und die von Jesus verheißene Heilige Geistkraft dazu führen, immer wieder NEU zu werden - und NEUES zuzulassen!
Pfingsten ist nicht mehr weit…
Hans Hütter (1998)
Martin Stewen (2004)