In der Kar- und Osterliturgie geht es nicht nur um das Schicksal Jesu, sondern auch um unser Schicksal.
Zum Einzug Jesu in Jerusalem gibt der Evangelist Johannes einen sehr nüchternen Kommentar: "Das alles verstanden seine Jünger zuerst nicht" (Joh 12,16)
Die feierliche Palmprozession mit ihren Riten und Gebräuchen findet in vielen Gegenden großen Anklang. Aber wird ihr Sinn begriffen? Was bedeutet der festliche Einzug Jesu, den die Jünger erst nach Ostern begriffen haben? Was sagt uns die Palmprozession am Beginn der Kar- und Ostertage?
Jesus selbst ergreift die Initiative
Der Einzug Jesu in Jerusalem ist keine Episode am Rande, keine Nebensache, die sich zufällig ergeben hat. Die Initiative zu diesem Einzug geht von Jesus selbst aus. Er gibt den zwei Jüngern den Auftrag: "Geht in das Dorf, das vor euch liegt; dort werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Fohlen bei ihr. Bindet sie los, und bringt sie zu mir." Jesus selbst will durch diesen Einzug ein Zeichen setzen und zum Ausdruck bringen, wer er ist und was sich nun in Jerusalem ereignen wird.
Die Jünger, das Volk und selbst die Pharisäer lassen sich auf den Vorgang ein, ohne recht zu wissen, was das Ganze zu bedeuten hat. Die beiden Jünger holen die Eselin und das Fohlen, viele breiten ihre Kleider auf der Straße aus, andere schneiden Zweige von den Bäumen und streuen sie auf den Weg. Und immer mehr jubeln Jesus zu: "Hosanna dem Sohn Davids"; das heißt übersetzt: "Bringt doch Heil". Die ganze Stadt gerät in Aufregung und man fragt: "Wer ist das?"
Jesus erhebt mit diesem Einzug den Anspruch, der Messias zu sein. Er bringt aber zugleich zum Ausdruck, dass er in ganz anderer Weise Messias ist als erwartet. Er kommt nicht mit Macht, nicht hoch zu Ross. Er reitet auf einer Eselin. Er kommt gewaltlos und friedfertig.
Die Gegner Jesu spüren trotzdem den Anspruch Jesu, der hier verborgen ist. Sie fordern: "Meister bring doch deine Jünger zum Schweigen" (Lk 19,39).
Jesus weist sie zurück: "Ich sage euch: Wenn sie schweigen, werden die Steine schreien" (Lk 19,40).
Beim Einzug Jesu in Jerusalem kündet sich an, was sich in nächster Zeit ereignen wird: Jesu Tod am Kreuz und seine Auferstehung.
Sich betreffen lassen und Stellung beziehen
Was hat uns dies heute zu sagen? - Das, was sich vor fast 2000 Jahren ereignet hat, ist nicht Vergangenheit. Die Liturgie der Kar- und Ostertage will dieses Geschehen, das auch uns unmittelbar betrifft, vergegenwärtigen. Wie die Zeitgenossen Jesu, sollen wir uns von diesen Ereignissen betreffen lassen und in Glaube oder Unglaube dazu Stellung beziehen. Das Werk der Erlösung soll an uns wirksam werden.
Die Palmprozession mit der anschließenden Eucharistiefeier ist die Eröffnung der Liturgie der Kar- und Ostertage, die am Gründonnerstag, am Karfreitag und in der Osternacht ihre Höhepunkte findet. Es geht in diesen Tagen nicht um eine fremde Sache, die uns nichts angeht. "Res mea agitur". Es geht um meine Sache; es geht nicht nur um das Schicksal Jesu, sondern auch um mein Schicksal.