Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg
Die Erinnerung an zwei Kriege soll der Beginn der Gedanken zum heutigen Fest sein:
der 2. Weltkrieg und der Dreißigjährige Krieg! Sicherlich erwartet niemand an diesem Festtag „Mariä Aufnahme in den Himmel“, an furchtbare Kriege mit Abermillionen Toten erinnert zu werden. Und doch gehört das Leid, die Not, die Brutalität dieser beiden Kriege zu diesem Fest: Aufnahme Mariens in den Himmel, mit Leib und Seele!
Mit diesem Marienfest wird eine tiefe Sehnsucht der Menschen nach einer heilen, unversehrten, einer ganzen Welt angesprochen. Wer möchte schon verkrüppelt, hässlich, vom Krieg gezeichnet auf dieser Welt herumlaufen. Ist es nicht so, dass wir alle eher hübsch sein möchten und unversehrt, im Ganzen, so wie wir sind angenommen und auch aufgenommen werden möchten?
Die Barockzeit, vor allem im Früh- und Hochbarock, also jene Zeit, in der der Dreißigjährige Krieg und seine Folgen einen Großteil Europas in Geißelhaft nahmen, hat den damaligen Menschen den „Himmel geöffnet“. Es hat ihnen eine Welt gezeigt, von der die meisten vielleicht nicht einmal träumten. Natürlich war diese Ikonographie eine gezielte Maßnahme der Gegenreformation. Doch ist sie nicht ohne den damaligen Auseinandersetzungen, die im Dreißigjährigen Krieg ihren Höhepunkt erreicht haben, zu verstehen. Und vor allem entstanden in dieser Barockzeit jene – oft großformatigen - Gemälde von der »Aufnahme Mariens in den Himmel«, die wir heute noch in Kirchen und Museen bewundern können.
Eine Welt des Jubels, der Freude, des Lichtes!
Das Motiv der Aufnahme von Maria in den Himmel war damals ein Hoffnungsbild für jene Menschen, die nicht unversehrt, sondern gezeichnet von Krieg und Zerstörung, in ein neues politisches Gefüge hineinwachsen mussten. Für sie war mit und durch die Aufnahme Marias der Himmel offen, die Sehnsucht nach Annahme, so wie sie sind, wurde hier vor ihren Augen im Kirchengebäude sichtbar. Es war eine Verkündigung, die Menschen wieder hoffen ließ. Sie wurden – so wie Maria in diesen Bildern – von Gott erwartet. Es eröffnete sich für sie bildlich „eine Welt“ des Jubels, der Freude, des Lichtes!
Machen Sie sich die Mühe und schauen Sie sich in der nächsten Zeit ein Gemälde „Mariä Himmelfahrt“ aus der Barockzeit an. Im deutschsprachigen Gebiet, vor allem in Süddeutschland und in Österreich gibt es in vielen Kirchen diese Darstellung. Tauchen Sie ein in die Geheimnisse dieser Ikonographie. Als Betrachter, Betrachterin werden Sie „fast automatisch“ in ein Bildprogramm der Barockkunst mit einbezogen. Sie werden buchstäblich erwartet, um am dargestellten Geschehen teilzuhaben.
Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg
So hart es nun klingen mag, der 2. Weltkrieg, die über 50 Millionen Tote, sein Ende 1945, wo die Hoffnung in weiten Teilen Europas auf null gesunken war, wenn man dies so sagen darf, soll im Zusammenhang mit diesem Fest nicht unerwähnt bleiben. Bereits ein Jahr nach Kriegsende, 1946, beginnt Papst Pius XII. die Bischöfe zu befragen, ob die jahrhundertelange christliche Glaubenstradition von der Aufnahme Marias im Himmel mit Leib und Seele als Dogma zu verkündigen sei. Seinem Anliegen – passend in dieser Zeit nach dem furchtbaren Morden und Töten, Vernichten und Auslöschen – stimmt die große Mehrheit der Bischöfe zu. 1950 wurde dann von Papst Pius XII. das Dogma der „Aufnahme Mariens im Himmel“ verkündet. Wieder wird die Sehnsucht nach einem unversehrten Leben, der Annahme der Menschen in ihrer Würde und in ihrem Sosein, wie sie sind, angesprochen und in dem Dogma für das entstellte Europa implizit ausgesprochen.
Angenommen werden, aufgenommen werden in der Gemeinschaft der Menschen, im Haus des Lebens, ist Gottes Anliegen, seine Option uns Menschen gegenüber. Dieses Gottesbild zu verkündigen ist wichtig, sehr wichtig sogar in einer unruhigen Zeit, wie sie viele Menschen momentan erleben oder sehen. Es ist ein Bild der Hoffnung über den Tod hinaus. Das heutige Fest erinnert an die Zusage Gottes: du bist angenommen, ich bin für dich da!
Aus Anlass der Ausstellung Rubens 2017 (Eröffnung Herbst 2017) im KHM, Wien, ein Gemälde aus dem KHM: „Mariä Himmelfahrt“ von P. P. Rubens, um 1613/20, barockes Gemälde.
Die Darstellung folgt dem Bericht aus der „legenda Aurea“. Es handelt sich hier um ein Altarbild aus der ehemaligen Jesuitenkirche in Antwerpen. Nach der Aufhebung des Jesuitenordens von den Habsburgern im Jahre 1776 wurde es für die eigenen Gemäldegalerie angekauft.
Legenda aurea
Durch die »Legenda area« (= die goldene Legende) aus dem 13. Jhdt. kam es zur Verbreitung einer bestimmten Vorstellung von der Entschlafung Mariens und von ihrer Aufnahme in den Himmel.
In der christlichen Ikonographie begegnen wir fast ausschließlich diesen beiden Erzählungen:
die Apostel, die sich einerseits um das Totenbett bei der Entschlafung Mariens versammeln (sie wurden alle von Engeln zum Totenbett geholt) und der »Seele Mariens« kleinfigürlich dargestellt, die von Christus im »Himmel« empfangen wird, andererseits blicken die Apostel im Freien himmelwärts, während Maria von Engeln in den Himmel getragen, gehoben wird. Dort wird sie „nur“ von Christus oder von der Dreifaltigkeit empfangen (oft schon mit vorbereiteter Krone für die »Krönung Mariens«).
Foto: Hannelore Jäggle