Hirte - Winzer – Fischer
Es ist wieder Gut-Hirten-Sonntag. Die Idylle des Schäferlebens ist selten geworden. Dennoch ist die Pastoraltheologie auch heute noch danach benannt. Aber den Pastoren bleibt kaum Zeit für nach-gehende Seelsorge. Im Weinberg ist viel Arbeit - Mancher Winzer bekommt keine Taglöhner, ja nicht einmal einen Nachfolger. Landwirtschaft rechnet sich nicht mehr, eine Familie kann nicht mehr davon leben. Ist die Frage nach einer heutigen Berufungstheologie erlaubt? Zu Menschenfischern hat Jesus wetterfeste Männer bestellt - warum wohl wollen junge Männer heutzutage kaum mehr Menschen fischen und mit Netzen zu tun haben? Sind ihnen die Rahmenbedingungen vielleicht zu suspekt?
Nur beten? Und wofür beten?
Wir sollen also für Priesterberufe beten. Weiter nichts? Die Priesterdonnerstagsbewegung tut dies seit Jahrzehnten, gewachsene Gemeinden beten heute darum, dass sie wenigsten noch einen Messeleser behalten können. Bischöfe müssen Gemeinden wegen Priestermangels zusammenlegen und wegen rückläufiger Kirchen-Finanzen werden Sakralbauten profaniert.
Dabei hat der Herr versprochen: "Alles, um was ihr in meinem Namen bittet, wird euch zuteil werden." Freilich sagt der Apostel Paulus auch: "Wir wissen nicht, um was wir bitten sollen, damit Gott uns erhören kann." ( Röm 8,26).
Ich bin sicher, Gott erhört unser Gebet, wenn auch manchmal nicht so, wie wir es gerne hätten, sondern wie es für uns am besten ist. Ich hoffe, dass auch die Bischöfe um Priesterberufe beten. Bei manchem Würdenträger bin ich mir nicht so sicher, worum er genau betet. Allerdings: wer mit den Menschen kaum redet, von dem kann ich mir schwerlich vorstellen, dass er mit Gott mehr spricht. Dabei könnte man vielleicht im Priestermangel auch eine Nachhilfestunde des Heiligen Geistes für unsere Oberhirten sehen. Von einem Bischöfemangel hört man wohlgemerkt nichts.
Bindungsscheu? nicht opferbereit?
Wir haben um Priester, Gemeindeleiter und Eucharistievorsteher gebetet, und mancher Pfarrer hat
früher das Seinige getan, um einen Nachfolger in seiner Führungsposition zu bekommen, wie das jeder weitsichtige Firmenchef rechtzeitig macht. Da haben in unserer Zeit viele junge Männer Theologie studiert, aber sie haben sich nicht weihen lassen, weil sie anscheinend zu gut Theologie studiert haben. Ein Regens sagt kürzlich: die heutige junge Generation ist bindungsscheu. Ja, wer lässt sich schon mit 20/25 Jahren für den Rest eines langen Lebens gerne binden oder festnageln? Ich dachte unwillkürlich an Isaak, den sein Vater Abraham auf den Opferaltar binden wollte, um ihn zu schlachten. Wollte denn Jesus freiwillig ans Kreuz geheftet werden, um die Welt erlöster und menschlicher zu machen? Hat er nicht gelehrt: Barmherzigkeit will ich, und nicht Opfer!? (Hebr 10,5-8; Amos 5,21 ; Hos 6,6; Mt 9,13).
Wir arbeiten für die Kirche, wenn wir zum Aufbau seines Gottesreiches arbeiten. Menschen sehnen sich nach mehr Gerechtigkeit, Friede, Wohlergehen, Freude, Hoffnung über den Tod hinaus. Und dies, so wissen wir, ist der Wille Gottes. Dies alles soll der Priester vermitteln, dafür steht er als Gewährs- und Mittelsmann. Dazu sollten Priester die Animateure sein, das sollte ihr Lebensinhalt sein. Das wollen sie in großer Souveränität vorleben.
Menschliche Bedingungen für Gottes Berufungen
Warum sollte Gott heute dazu nicht mehr berufen? Oder bitten wir ihn vielleicht nicht vorbehaltlos und ohne menschliche Bedingungen? Gott kann doch, wenn er wollte, aus Steinen Söhne Abrahams er-wecken. (Lk 3,8) Jesus hat es damals schon verabsäumt, aus Steinen Brot zu machen, obwohl selbst der Teufel es ihm zutraute. (Mt 4,3) Was Menschen selber tun können, das müssen sie schon selber tun und nicht auf Wunder warten.
Ja, es müsste heute schon mit dem Teufel zugehen, wenn kaum noch ein junger Mann Pfarrer werden will. Da hocken sie dann, dennoch Theologen geworden, alle in der kategorialen Seelsorge drin und basteln an Großraumpfarrverbänden, diese gescheiten Akademiker und Pastoralspezialisten, aber zum Aufwandeln sind sie nicht zu gebrauchen. Wo doch dies das wichtigste wäre, wenigstens nach Aussagen von Kardinal Meisner in seinem Fastenhirtenbrief 2009. "Ohne Priester ist Jesus nicht real präsent!" So schreibt er lapidar.
Könnte es nicht sein, dass Gott anders beruft als wie wir es uns billigerweise vorstellen? Der Hohepriester Kajaphas sagt: "Es ist besser, dass ein einziger Mensch für das ganze Volk stirbt." Woher nimmt er das Recht, einen Menschen für seine Interessen zu verzwecken? Die Herrscher dieser Welt, dürfen sie Menschen für ihre Vorstellungen gebrauchen und verheizen? Menschen haben und hatten dazu nie ein Recht.
Berufungstheologie in der Apostelgeschichte
Ja, sicher: Gott braucht und gebraucht Menschen, er ruft auch durch Menschen, vor allem durch die gläubige Gemeinde. Als die Stelle des Iskariot nachzubesetzen war, da betete die Gemeinde und wählte zwei aus, die die einzig wichtige Voraussetzung für ein Kirchenamt haben: sie müssen Zeugen für die Auferstehung und das Leben sein. Unter diesen beiden warfen sie das Los: Joseph Barsabbas kennt und verehrt heute kaum jemand. Matthias wurde der Nachrücker-Apostel.
Sind Ministrantenbuben (in Italien heißen sie Chiericetti = die Mini-Kleriker) auch schon Zeugen des Lebens oder haben diese jungen Schnösel von Auferstehung so viel Ahnung wie die schlafenden Wächter an Jesu Grab und haben gehätschelte Seminarknaben vom wirklichen Leben nicht so wenig mitbekommen wie die bunten Vögel, die man noch flügellahm in einen goldenen Käfig gesetzt hat, wo sie jetzt nur noch die goldenen Gitterstäbe lobpreisen können?
Aus den Menschen genommen, von und für die Menschen bestellt
Handauflegung, Beorderung, Bestellung zu einem Vorsteheramt, das ist handfest und nicht so hoch gehängt wie eine "heilige Weihe", wo Primiz als Vorschusslorbeer gefeiert wird im Zelt mit 1500 Menschen. Ein Priester oder ein Bischof soll genommen sein aus dem Volk und für das Volk, und sollte auch bestellt werden vom Volk, dem er vorsteht, und so lange wie die Gemeinde ihn in seinem Amt bestätigt. Sie sind nicht Auserwählte aus einer ganz anderen Welt, die Gott aus unergründlichem Ratschluss bevorzugen wollte. Da fließt schnell Dünkel und Einbildung mit ein, die zu Neid und Eifersüchteleien führen.
Wir sehen bei Kain und Abel, dass eingebildete Bevorzugung zu Neid, Mord und Todschlag führen kann. Seit Jesu Himmelfahrt, garantiert seit dem Jahre 70, gibt es keine Priesterkaste und keinen Tempeldienst mehr. Jeder Ort und jede Zeit und jeder Stand ist heilig. Jesus zeigte auf sich und sagt: "Reißt diesen Tempel nieder, ich werde ihn in drei Tagen wieder aufbauen!" Damit hat die Entgrenzung zwischen Heilig und Profan begonnen, das Priestertum ist entsakralisiert. "Ihr alle seid ein von Gott auserwähltes Volk, seine königlichen Priester, ihr gehört ganz zu ihm." (1. Petr 2,9).
Das neue priesterlich Volk Gottes und "das Brotbrechen"
Also: Es liegt an uns, unser Priestertum wahrzunehmen. Wir müssen das tun, was unser einziger Hoher Priester Jesu uns zu tun aufgetragen hat. Dankbar sein für das Opfer seines Lebens, seine Auferstehung und sein Bei-uns-sein bis ans Ende der Tage, Anteil nehmen an den Nöten aller Menschen, teilen der irdischen Güter mit allen Bedürftigen. Es genügt nicht, seinen Leib zu nehmen und zu essen - geschweige dieses verwandelnde Brot lediglich herzuzeigen, damit alle in Ehrfurcht versinken - und darüber dennoch verhungern. Wir müssen vielmehr dieses Lebensbrot und unser tägliches Brot teilen mit allen Menschen. Indem wir das Brot brechen und mit den Menschen teilen, beweisen wir unsere Dankbarkeit gegenüber Gott. Sonst könnten wir nicht bestehen vor dem, der sich das Angesicht eines jeden geschundenen Menschen zueigen macht - und aus diesem spricht: "Ich war hungrig - und ihr habt mich nicht gespeist!"
Wer ist gesandt?
Ja, wir haben Priestermangel. Es liegt wohl an unserem unterentwickelten Bewusstsein. Jesus hat alle Getauften auch zu seinen Jüngern und Zeugen bestellt. Wir sind Apostel, Gesandte, Missionare durch unser Sosein. Es wäre fatal, wenn einige wenige sich dafür auserwählt wähnten, dass sie allein Gesandte, Beauftragte, Eingeweihte seien. Wir können es nicht zulassen, dass diese sich das Monopol auf Gottes Gnadengaben unter den Nagel reißen wie Mautner oder Zolleinnehmer an belebten Durchgangsstraßen im Mittelalter.
Ja, wir haben Mangel an Begeisterten, wenngleich alle in Taufe und Firmung den Heiligen Geist empfangen haben zur Mündigkeit und Verantwortung. Weil 14-jährige und dann die so genannten "Laien" dessen ungeachtet kaum etwas zu sagen haben, deswegen gehen sie auf und davon, so ähnlich wie die Fledermäuse den zu aufwändig restaurierten Kirchturm meiden werden. Ist denn Mitdenken und Mitarbeiten und Mitbestimmen der Kirche wesensfremd gleichwie die Demokratie? Wenn das so ist, dann ist auch Hierarchie der Kirche wesensfremd. "Der Größte unter euch sei der Diener aller!" Und dies nicht nur in schönen Sprüchen und symbolhaft.
Zwei oder drei im Namen Jesu versammelt
Ja, wir haben einen Mangel an kleinen, lebendigen Gemeinschaften, - "small is beautiful" - wo noch jeder mit jedem bekannt ist und jeder für jeden verantwortlich sein kann. "Wir machen das schon für euch, wir werden dafür ja schließlich bezahlt!" Und die Weisheit der Sieben Schwaben kennen wir ja auch: "Hannemann, geht du voran, du hast die größeren Stiefel an!" Übrigens: der Paulus war Apostel, obwohl er die Auferstehung versäumt hatte und er arbeitete auf Missionsreise immer noch als Zeltweber, um von seiner eigenen Hände Arbeit zu leben und niemandem zur Last zu fallen. Er wollte sich wohl von niemandem sagen lassen: "Wird doch alles bezahlt!" Und wer zahlt, der schafft an.
Und als Petrus nach dem Evangelisten Matthäus aufzählt, dass er alles verlassen hat und den Herrn bedrängt: Was wird uns denn dafür zuteil werden? Da zählt Jesus vieles auf, was sie verlassen haben. Bemerkenswerter Weise zählt er nicht auf die Ehefrau. Alles andere werden sie hundertfach bekommen - und das ewige Leben. Und Erste werden Letzte sein, und Letzte werden Erste im Gottesreich. Warum haben wir wieder so viele Hochwürden, Prälaten und Väter, obwohl Jesus sagt, dass sich niemand Vater nennen lassen soll, weil es mehr als genug ist, dass wir einen Vater im Himmel haben. Aber daran wollen sie offensichtlich nicht glauben, weil wir sonst wie würdige Geschwister miteinander umgehen müssten.
Wollen wir beten für alle mit Geist und Charismen Begabten und für alle Amtsträger männlichen oder auch weiblichen Geschlechts in all den Gemeinden Gottes auf dem ganzen Erdenrund, dass Menschen die Zeichen der Zeit zu deuten vermögen und nicht unter der Last ihres Amtes aufgerieben werden, sondern ihre Schwestern und Brüder im Glauben zu stärken vermögen. Seelsorger brauchen Zeit und Ansprechpartner für ihre eigene Seele, sonst erleiden sie nicht selten ein Burn-out-Syndrom.
Unsere vier Bedingungen:
Zölibatär - Akademiker - Vollzeitkraft - keine Frau?
Wir sollten Gott nicht Grenzen aufzeigen, wie und wen er berufen darf: nur ziemlich junge, unerfahrene, zölibatäre Männer. Ausnahmen von diesem scheinbar allerheiligsten Gesetz gibt es nur für Konvertiten und Proselyten, aus anderen Konfessionen Heimgeholte in die einzig wahre Kirche.
Und Akademiker sollten es wegen des Konkordats aber schon sein. Nur bei Polen und Indern kann man die Maßstäbe nicht so genau anlegen. Inkulturationskurse für sie sind wohl auch eher peinlich. Jetzt sehen wir möglicherweise, wie die Missionare im Gefolge der Kolonisatoren manchmal wie Elefanten im Porzellanladen gewirkt haben mögen. Und Priester im Ehrenamt oder mit Zivilberuf, beispielsweise Arbeiterpriester kommen auch nicht in Frage.
Die vielen Diakone kann kein Bischof - aus Rücksicht auf die weltkirchlicher Monokultur, versteht sich - fragen, ob sie nicht aus ihrem "Volkssturmstatus" (letztes Aufgebot mit unzulänglicher Ausrüstung) heraus wollen und am Sonntag anstelle von Wortgottesdiensten Eucharistiefeier halten wollten.
Und Frauen sind nach wie vor weiheunfähig. Darüber nachzudenken oder dafür Verständnis gegen tief eingeschliffene Antipathien zu wecken ist nach wie vor "kraft päpstlichen Amtes" untersagt. Viele meinen, dies sei ein Dogma, dabei ist es nur ein sexistischer Skandal, dass die beiden letzten Päpste in diesem Punkt mit den Mullahs Hand in Hand gehen.
Entgrenzung und christliche Freiheit in der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche
Warum hat sich das Christentum damals gegen das Judentum so rasch und leicht durchgesetzt?
Weil Jesus von Menschen erdachte Grenzen niedergerissen hat. "Da ist nicht Jude noch Grieche, da ist nicht Sklave noch Freier, da ist nicht Mann noch Frau; denn ihr alle seid eine neue Schöpfung in Christus Jesus." (Gal 3,28). "Durch Christus wurde euch die Freiheit geschenkt. Nehmt daher in gegenseitiger Liebe Rücksicht aufeinander." (Gal 5,13).
Wir sollten wieder buchstabieren lernen: wir glauben an die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche. Diese Kirche wächst von unten, wie aus einem Senfkorn wächst das Reich Gottes, nicht aus Machtbündnissen und Staatsverträgen. "In Stille und Vertrauen ruht eure Kraft" (Jes 30,15). So ähnlich wie ein Weizenkorn müssen wir sein, das sich selber stirbt, aber so hundertfache Frucht trägt.
Manche werden vom Mutterleib an geistliche Herren. Andere sehen spät, was und wie gnadenvoll ihre ureigenste Berufung war, gegen die sie sich lange zur Wehr gesetzt haben wie gegen ein undankbares Prophetenschicksal.
© Wolfgang Dettenkofer (ehem. Berufsschulreligionslehrer) Eisenbartlingerweg 2, D-83093 Bad Endorf, Tel. +49 (8053) 795 661.
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