Von einer neuen Welt träumen
Ein schönes Lied, das Jugendliche und junge Menschen gerne singen, trägt den Titel: "Unterwegs in eine neue Welt, in der ein Glaube uns zusammenhält. Unterwegs in eine neue Zeit, wir vertrauen auf Gottes Ewigkeit."
Das Lied spricht von Frieden, der aus dem Glauben kommt, von den Füßen, die Friedenswege finden, von der Bewahrung der Schöpfung, die ihre Ursache in der Hoffnung hat. Wir besingen die Gerechtigkeit, die Sorge um die Armen und den Willen Not zu wenden, die aus einem liebenden Herzen erwachsen. In der 4. Strophe fasst das Lied alle Hoffnungen als einen Traum von einer neuen Welt zusammen, in der jeder wichtig ist, und die drei Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe, sowie Gottes Segen uns auf unseren Wegen begleiten.
Junge Menschen träumen von einer neuen Welt. Sie haben Ideale und Wünsche. Sie suchen nach Glück und nach Zufriedenheit für ihr Leben, aber oft auch für das Leben der Welt. Ein Beispiel ist für mich, wenn ich erfahre, dass viele jungen Menschen nach dem Abitur oder einer Ausbildung eine Zeit als "Missionar auf Zeit" in andere Länder gehen wollen und danach bereichert zurückkommen. Wenn ihre Ziele auch hier und da unausgegoren erscheinen und auch ein Zeichen von fehlender Lebenserfahrung sind, so müssen wir sie immer ernst nehmen. Denn nur so kann sich Neues entwickeln. Nur so können neue Wege ausprobiert werden.
Wer aufhört zu träumen, hat auch oft schon resigniert. Träumen von einer neuen Welt, Ideen über neue Wege, das ist in jedem Alter erlaubt und sogar sehr wünschenswert. In seiner berühmten Rede beginnt Martin Luther King, der Bürgerrechtler in den USA, der wegen seines Einsatzes für die Rechte der schwarzen Bevölkerung ermordet wurde, jeden Satz mit den Worten: "Ich habe einen Traum ..."
'Der Traum Jesu von einer neuen Welt
Jesus hatte einen Traum. Er träumte von einer neuen Welt, von der Welt wie sie sich Gott gedacht hat. Doch Jesus hatte nicht nur einfach einen Traum. Sondern Jesus hat genau gesehen, wie diese Welt und das Leben der Menschen sein kann. Darum hat Jesus nicht einfach ein schönes, aber unrealistisches Bild von der Welt und dem Leben der Menschen gemalt. Wir, die wir an ihn und seine Worte glauben, die unser Leben mit ihm zu gestalten versuchen, sind mit ihm unterwegs in eine neue Welt. Jesus schenkt uns auf dem Berg die Seligpreisungen. Die Seligpreisungen - wie immer man sie auch ansieht - sind wie Richtlinien in dieser neuen Welt.
Man mag zuerst ein wenig zurückschrecken, sich überfordert fühlen. Man mag sie als Träumerei abtun, nur für bestimmte, besondere Christen und Christinnen umzusetzen. Wer sich in unserer Welt behaupten will, für den scheinen sie Gift zu sein. Schon gar nicht ist sie für die Gestaltung des Lebens in Wirtschaft und Politik geeignet. Auch viele Christen glauben das!
Jesus zeigt in der Bergpredigt den vollkommenen und vollendeten Menschen, nicht den perfekten, fehlerlosen Menschen. Jesus spricht davon, dass Menschen ihr Glück nur in der Einheit mit Gott und im Glauben an ihn finden.
Gebote einer neuen Welt
Und es lohnt sich, diese Seligpreisungen, die Gebote der neuen Welt einmal anzuschauen. Sie sind Einladungen, verbunden mit Verheißungen für die, die sich auf die Botschaft von Jesus einlassen.
Jesus sagt: "Selig, die arm sind vor Gott, denn ihnen gehört das Himmelreich." Das ist beileibe keine Vertröstung der Armen auf das Himmelreich. Es rechtfertigt die Armut in der Welt nicht. Ich glaube auch nicht, dass ein Mensch gemeint ist, der zwar arm ist, aber das Herz eines Reichen hat, neidisch auf andere, die mehr besitzen. Arm vor Gott sein heißt für mich: ich bin so wie ich bin einzig und allein auf Gott angewiesen. Mein Leben betrachte ich als Geschenk, alles, was ich im Leben erreiche und bekomme, ist Geschenk. Das trifft für alle Bereiche des Lebens zu. Dieser Mensch lebt aus Gott. Aus dieser Haltung heraus ist ein Mensch bereit, so gut er kann und es möglich ist, weiter zu schenken, das, was man im Leben erhalten hat.
Wie anders könnte das Leben und die Welt sein, würden sich die Menschen mehr an Gott halten. Oft stelle ich das selber fest. Diese Erfahrung kann traurig machen. Hat Jesus mit den Trauernden, die getröstet werden, nicht an alle Menschen gedacht, die unter der Welt, unter ihrem Leben leiden, weil jeder Mensch, auch ich selber noch nicht so lebe, wie ich es könnte? Doch Gott schenkt Trost.
Trost bedeutet auch "Stärkung". Der Glaube an Gott stärkt mich, macht mich stark. Weil ich durch den Glauben an Gott stark bin, brauche ich mir nicht mit Gewalt Macht aneignen. Eine Macht, die ich mit Gewalt und gegen Mitmenschen mir aneigne, muss ich oft auch mit Gewalt und Unterdrückung verteidigen. Ich brauche keine Gewalt, kein Recht um jeden Preis.
Weil es meine Sehnsucht ist, bei Gott und mit ihm zu leben, darum hungere und dürste ich nach Gerechtigkeit. Auch das Wort Gerechtigkeit bedeutet vieles. Da ist die Gerechtigkeit im Urteil, wie auch die soziale Gerechtigkeit. Es ist die Gerechtigkeit, die allen Menschen gleiche Lebenschancen einräumt, die jedem Menschen seinen Platz zuerkennt.
Es kann bedeuten, die Welt und die Menschen mit den Augen Gottes zu sehen. Daraus erwächst auch Barmherzigkeit. Ich verurteile einen Mitmenschen nicht, versuche in jedem ein Abbild Gottes zu sehen, in jedem armen und geringen Jesus zu entdecken, versuche zu verstehen, warum ein Mensch so und nicht anders geworden ist und überlasse das Urteil getrost und gelassen Gott.
Dann spricht Jesus von denen, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott schauen. Keiner ist fehlerlos, doch ich darf immer neu anfangen, es kann für mich bedeuten, mein Herz immer wieder zu erneuern, neu mit Gott anzufangen, von Zeit zu Zeit. Für uns, die wir zur katholischen Kirche gehören, ist eine Möglichkeit die Beichte, Christinnen und Christen anderer Konfessionen haben andere Möglichkeiten. Doch auch ein reines Herz ist etwas, was ich nicht machen kann, nein: ich darf es mir von Gott schenken lassen, ich bin hier angewiesen, darf mich hier als armer vor Gott ansehen.
Weil ich ganz eins lebe mit Gott, darum lebe ich in Shalom, in Frieden mit ihm. Diesen Frieden strahle ich aus und so werde ich zum Friedensstifter. Dieser Friede geht weiter als die Abwesenheit von Krieg und Streit.
Neue Lebensmöglichkeit
Wenn ich jetzt die letzten Gedanken Revue passieren lasse, dann spüre ich: Jesus hat uns hier eine neue Lebensmöglichkeit aufgezeichnet. Was verheißt, das können wir bereits in diesem Leben erfahren. Auf dem ersten Blick scheinen Menschen zu verlieren, aber wer mit Jesus lebt, der gewinnt. Gottes Leben, unser Ziel erfahren wir, wenn auch in Anfängen, bereits hier und heute.
Wer mit seinem Glauben ernst macht, wer nicht nur an Jesus glaubt, sondern sein Jünger ist, der kann auch heute noch beschimpft, und verfolgt werden. Weil dieser Mensch anders lebt. Dieser Mensch unterscheidet sich von der großen Masse und wird damit anderen zur Anfrage.
Dieser Mensch ist unterwegs zu einer neuen Welt, unterwegs zu einer Welt. Diese unterscheidet sich von dem, was wir erleben. In ihr anderes zählt als Ansehen, Stärke, sondern einzig und allein der Glaube an Gott. Zu dieser Welt sind wir unterwegs. Für mich bedeutet das: ich darf in die Haltung, die Jesus mir aufzeigt, hineinwachsen. Je mehr mir das gelingt, je mehr ich diese Einladung annehme, umso mehr lebe ich schon jetzt in der Welt Gottes. Ich wünsche uns, dass wir das immer tiefer spüren.
Hans Hütter (1999)