Hinter und vor der Tür
Es war einmal ein reicher Mann, es war einmal ein armer Mann … Jesus erzählt uns heute eine Geschichte, in der Abgründe und trennende Türen eine Rolle spielen. Und in der am Ende nicht alle zusammenkommen in seliger Verbundenheit.
Der Reiche, ein Mann ohne Namen – fast ist man geneigt hier an eine modernere Geschichte aus der Neuzeit zu denken, die Geschichte vom Schauspiel des Jedermann, der ebenfalls namenlos prasst und protzt. Jeden Sommer zu besichtigen in Salzburg. Ein Namenloser, anhand dessen Beispiel offensichtlich ein Entwurf vom Leben dargestellt werden soll, der es in sich hat, letztlich vollkommen danebenzugehen. Aber daneben - nur in der Perspektive von außen. In der Innenansicht geht es dem Mann prächtig. Er genießt in vollen Zügen, schwelgt im Überfluss.
Und dann der Arme – aber der hat einen Namen: Lazarus. Der Name passt. Denn der bedeutet so viel wie „Gott hilft“. Und wirklich, diesem armen Teufel kann anscheinend nur mehr Gott helfen, denn der hinter der Tür, der es auch könnte, der sieht ihn nicht, hört ihn nicht, riecht ihn nicht. Der Reiche ist zu eingetaucht in seine Fülle, hat dichtgemacht für den da draußen.
Rollentausch
So gehen zwei äußerst ungleiche Leben dahin, hinter und vor der Tür - bis der Tod kommt. Aber dieser Tod ist kein großer Gleichmacher. Ganz im Gegenteil, er dreht das Spiel um. Jetzt sind die Rollen vertauscht.
Plötzlich ist der namenlose Reiche draußen vor der Tür, er sitzt in der Unterwelt. Gequält blickt er auf Lazarus, den armen Teufel, der sich plötzlich wiederfindet in Abrahams Schoß. Endlich geborgen, endlich aufgehoben, endlich getragen.
Und so sehr sich der Reiche auch müht, da führt kein Weg zusammen. Er hatte im Leben alles. Er genügte sich vollauf selbst. Jetzt ist die Geschichte gegessen, Abraham lässt sich nicht mehr erweichen.
Reich und Arm
Ich erspare mir Ausführungen, die Ihnen alle selber wohl rasch in den Sinn kommen werden zum Thema Reich und Arm.
Ein Blick in unsere Gemeinden und Städte, in die Zeitung, in den Bildschirm genügen.
1000fach sehen wir Reiche, die so leben: unbekümmert, ungerührt, unberührt. 1000fach sehen wir Lazarusse: Menschen mit einem Namen, die draußen liegen, hier bei uns und überall in der Welt. 1000fach der Abgrund, der Graben, die geschlossene Tür. Wir sehen Menschen, die sich dichtmachen durch den eigenen Krempel und Besitz, den sie ihr Eigen nennen.
Irgendwann ist es zu spät
Wohl geht es Jesus nicht darum, den Reichen zu verurteilen, weil er reich ist. Nein, das ist wohl nicht die Pointe dieser mahnenden Geschichte. Die Pointe sehe ich eher darin, dass wir (und im Weltmaßstab zählen auch viele von uns zu den Reichen!) aufgerufen werden, nicht vollkommen aufzugehen im Haben. So schön es ist zu genießen, zu besitzen, zu haben, so sehr sind der und die zu bedauern, die daraufhin alles andere wegblenden, die blind werden für die, die draußen stehen und liegen. Ein Lehrstück, wie wir nicht leben sollen. Schaut nicht vorbei, lasst euch nicht zumüllen mit dem ganzen Zeug, das ihr euch angehäuft habt! Nutz deine Zeit und dein Eigentum. Mach dich auf für andere, verkapsele dich nicht in deinem gut ausgestatteten Nest!
Denn irgendwann ist es zu spät, die Chance vertan, und niemand kann es ändern. Kein plötzlich von den Toten Auferstandener, auch kein Gespenst kann dann mehr helfen, um die Zurückgebliebenen in einen heilsamen Schock zu versetzen. Nein, worum es geht ist klar, steht geschrieben, ist abzulesen aus der Bibel, aus unseren Herzen, sofern wir sie nicht ersticken lassen, aus unseren Begegnungen, wenn wir uns einander zuwenden. Macht die Tür auf, geht über die Schwelle, gebt DEM und DER da draußen ein Ansehen! Wuchert mit dem, was euch gegeben worden ist!
Den Graben überwinden
Vielleicht sitzt ja heute vor der Kirchentür gerade wieder ein Mensch, der die Hand aufhält, der bettelt. Draußen vor der Tür … was soll man da tun? Ich habe keine Handlungsanleitung zum richtigen Anpacken, aber klar ist: da ist ein Graben – den könnten, sollten wir laut Jesus auch überwinden.
Wie genau, das ist an uns, zu entscheiden. Dazu braucht es unsere Phantasie, unseren Mut und unsere Kreativität. Wir dürfen es ausbuchstabieren in unserer täglichen Praxis!
Nur so kann es gelingen, dass diese traurige Geschichte von Lazarus und dem Reichen neu geschrieben werden kann. Als eine Geschichte von einem Reichen, der sich als Mit-Mensch erwiesen hat. Eine Geschichte vom überwundenen Abgrund.
(c) DSA Mag. Wilfried Scheidl, Caritas Oberösterreich, Regional-Koordinator für Wels Stadt und Wels Land.