Aufnahmeprüfung bestanden
Die Sommermonate sind für viele junge Menschen eine Zeit der Aufnahmeprüfungen: Es gibt Aufnahmeprüfungen für die Universitäten, für Lehrstellen und Berufe, für unterschiedliche Arbeitsplätze. Bei einer Aufnahmeprüfung versucht jeder und jede, sich von der besten Seite zu zeigen. Jeder Nachweis einer Zusatzausbildung oder einer besonderen Leistung kann dabei wichtig sein. Wir bereiten uns für die Aufnahme in einen Beruf jahrelang mit der Schule oder besonderen Ausbildungen vor.
Das heutige Fest heißt: „Aufnahme Mariens in den Himmel“. D.h. wir feiern heute, dass Maria unmittelbar nach ihrem Tod von ihrem Sohn zu sich in den Himmel geholt worden ist. Mit anderen Worten: Maria hat gewissermaßen die „Aufnahmeprüfung für den Himmel“ sofort bestanden!
Von Gott geprüft
„Prüfung“ – das ist aber ein Wort, das für uns üblicherweise nicht positiv klingt. Mit Prüfungen verbinden wir, dass man auch durchfallen kann. Man kann sich blamieren oder man kann dabei scheitern. Prüfungen verlangen Vorbereitung – und dann ist da einer oder eine, die uns prüfen.
Doch Prüfungen sind etwas ganz Biblisches: In der Bibel ist immer wieder von Prüfungen die Rede – und oft ist es Gott selbst, der die Menschen und ihren Glauben prüft. Da heißt es z.B. im Buch Deuteronomium 13,4: „Der Herr, euer Gott, prüft euch, um zu erkennen, ob ihr das Volk seid, das den Herrn, seinen Gott, mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele liebt.“
Das Volk Israel versteht seinen Weg durch die Wüste als Weg der Prüfung durch Gott. Die Psalmen sprechen davon, dass der Herr „Gerechte und Frevler“ (Ps 11,5) prüft. Vor allem aber ist Gott einer, der die Herzen prüft und der in das Innerste des Menschen schaut (Spr 24,12; Jer 11,20).
Auch der Apostel Paulus fordert dazu auf, sich selbst zu prüfen und zu schauen, ob man noch im Glauben ist oder nicht (2Kor 13,5).
Kann man sich den Himmel verdienen?
Wie aber sieht es vor diesem Hintergrund aus mit der Aufnahmeprüfung für den Himmel? Paulus würde hier zu Recht fragen: Kann man sich den Himmel denn überhaupt verdienen? Kann ich durch meine eigene Leistung dorthin kommen? Und er würde sagen: Nein! Der Himmel ist nicht zu verdienen – denn er ist Geschenk Gottes! Und so heißt es heute auch in der Lesung aus dem Brief des Paulus an die Gemeinde in Korinth: Der Stachel des Todes, die Sünde, ist besiegt – und diesen Sieg hat uns Gott durch Jesus Christus geschenkt. Das heißt: Der Himmel ist uns schon einmal geschenkt, wir brauchen ihn uns nicht zu verdienen!
Und dennoch geht es nicht ohne das Dazutun des Menschen: Denn Gottes Geschenk ist eine Einladung, kein Zwang; er erwartet sich, dass wir uns seines Geschenkes würdig erweisen – und das heißt: nach seinem Wort leben und handeln. Die Aufnahmeprüfung ist somit unser eigenes Leben, unser Handeln und unser Tun.
Maria als Vorbild
In diesem Sinn hat Maria eine Vorbild- und Vorreiterfunktion für einen jeden Menschen übernommen – so wie der große Theologe Karl Rahner den Sinn dieses heutigen Marienfestes ausdrückt: „Geliebte Menschen, sagt der heutige Tag, sind gerettet, sind heil, sind endgültig; sie mit ihrer konkreten Geschichte, mit ihrer ganzen Leibhaftigkeit, in der ein Mensch erst er selbst ist. Kein Gespenst, keine Seele“, ein Mensch ist im vollen Heil.
Dass wir von der Aufnahme Mariens „mit Leib und Seele“ sprechen – das ist mir für unseren christlichen, katholischen Glauben sehr wichtig: denn es bedeutet, dass der Himmel nicht eine Negierung, eine Verneinung der menschlichen Bedürfnisse ist, sondern deren Erfüllung. Der eigentliche Inhalt des heutigen Festes ist daher die Auferstehung – und dass sie nicht nur ein fromme Hoffnung, sondern Realität ist, das will das Dogma von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel ausdrücken.
Wie die Auferstehung aussieht, wie dies vor sich geht: wir wissen es nicht; wir können es uns nicht vorstellen. Es bleibt uns der Glaube, dass der Tod zwar das letzte Wort in diesem Leben auf Erden hat; dass er aber nicht Gottes letztes Wort ist. Denn das letzte Wort Gottes ist das Wort der Liebe; es ist das Wort, mit dem er die Menschen geschaffen hat, liebt und zu sich heimholt.
Maria ist uns somit um diesen einen Schritt voraus: Sie ist bei dem Ziel angelangt, auf das hin wir unterwegs sind; unterwegs mit der Hoffnung, wie Karl Rahner sie formuliert: "Geliebte Menschen sind gerettet, sind heil, sind endgültig."