"Ich gehe fischen"
Ein schnörkelloser Satz - mitten im Evangelium: "Ich gehe fischen". Ich kann mir Petrus auch richtig vorstellen. Dass er ein gestandener Fischer ist, mit langjähriger Erfahrung, hätte ich fast vergessen. Ich habe ihn immer nur mit Jesus ziehen gesehen. Er ist einer seiner Jünger. Vollmundig, überzeugt - manchmal gar draufgängerisch. Als Jesus gefangen genommen wird, scheut er nicht davor zurück, sich schützend mit dem Schwert einzumischen, aber als er im Hof des Hohenpriesters von einer Magd angesprochen wird, leugnet er gar dreimal, ihn überhaupt zu kennen. Das liegt erst Tage zurück. Eine dichte, angstvolle Zeit. Dann war Petrus am Grab. Nur mit der Botschaft der Frauen im Ohr, sie hätten von seiner Auferstehung gehört. Gesehen hat er - nur eine leere Stelle. Sie spiegelt sein Inneres. Leer fühlt er sich auch - der Petrus. Dabei hat er den schönen Namen "Fels" - wie sein Namen übersetzt heißt - bekommen, als er das Bekenntnis formulierte: Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Es ist, als ob es erst gestern gewesen wäre. Jetzt hören wir ihn nur sagen: "Ich gehe fischen". Der Alltag ist wieder da. Mehr noch: Petrus geht in sein altes Leben zurück. Sogar der Ort stimmt: der See von Tiberias. Dort kannte er die Gräser und die Wellen, die Menschen und ihre Geschichten - hier war er zu Hause. Die anderen Jünger schließen sich Petrus an. In dieser Nacht fangen sie aber nichts. Ihnen gehen nicht einmal die Fische ins Netz. Als der Morgen graut, stehen sie mit leeren Händen da.
Unausgesprochen steht eine Frage im Raum: Jesus, nur eine Episode? Ein Traum?
Jesus, nur eine Episode?
Die Frage, ob Jesus nur eine Episode ist, bewegt mich sehr. Ich sehe ja nicht nur die Jünger. Ich sehe mich, ich sehe uns hier. Ostern haben wir hinter uns gelassen. Buchstäblich. An die Feste im Jahreslauf haben wir uns gewöhnt - aber wir haben uns auch daran gewöhnt, dass das Leben weitergeht - wir haben uns sogar daran gewöhnt, dass der Tod wieder unsere Herzen und Köpfe belauert und belagert. Dass es einen regelmäßigen, vertrauten Alltag gibt, gehört darum auch zu den großen Sehnsüchten. Der Satz "Ich gehe fischen" - oder: "Ich gehe jetzt arbeiten" - hat etwas Heilsames an sich, fast schon Therapeutisches. Ausdrücken können, nicht in ein Loch zu fallen, nicht der Leere anheim zu fallen, ist wie ein Geschenk. Ich kenne zu viele Menschen, die nur noch sagen können: Ich werde nicht mehr gebraucht. Da ist es wie ein Evangelium in Kleinformat, wenn wir Petrus sagen hören: "Ich gehe fischen".
"Meine Kinder, habt ihr nichts zu essen?"
Als die Jünger nach der ersten erfolglosen Nacht in ihrer alten Heimat mit ihren Booten anlanden, stehen sie einem Unbekannten gegenüber. Keiner hat ihn kommen sehen. Sie waren auch zu sehr mit sich beschäftigt. Überdies steckt die Nacht in den Knochen. Der Fremde tritt auf sie zu mit einer Frage: "Meine Kinder, habt ihr nichts zu essen?"
Es ist eine sehr vertrauliche Anrede. Sie setzt Erinnerungen frei, lässt Geschichten in den Kopf schießen, bringt Vergangenes zurück: "Meine Kinder" - wer ist der Unbekannte? Und was bewegt ihn, nach etwas Essbarem zu fragen? Lädt er sich ein? Teilt er die erfolglose Nacht?
Es gehört zu den immer wieder neu variierten Zügen der Ostergeschichten, dass ein Unbekannter erscheint. Sie erinnern sich noch an die Jünger auf dem Weg nach Emmaus? Als sie sich in ihren eigenen Erinnerungen verlieren, ist da auf einmal der unbekannte Fremde, der ihnen Zunge und Seele löst. Als er mit ihnen das Brot bricht, gehen ihnen die Augen auf - aber da sind sie dann auch schon wieder mit sich allein. Allerdings: Verändert. Selbst auch nicht mehr die Alten. Es gehört zu den schönsten Zügen der Ostergeschichte, dass ein Unbekannter auftritt: Nicht auf dem ersten Blick erkennbar, auch nicht einzuordnen, aber: bei ihm genügt ein Satz, eine Geste, eine Zuwendung, um eine ganz neue Begegnung zu schenken. Er lässt es eigentlich erst richtig Ostern werden - wenn Ostern schon wieder vergangen ist: "Es ist der Herr".
Ressourcen teilen
Was steckt nicht alles in der Frage "Habt ihr nichts zu essen?"! Wir hören diese Frage auch, ausgesprochen - oder auch einfach nur zwischen den Zeilen - oft. Sie wird an uns herangetragen. Wenn wir unsere Ressourcen teilen, von unserem Reichtum abgeben, Menschen eine Hoffnung geben, werden wir sogar die Erfahrung, die die Jünger gemacht haben, wiederholen: Wir stehen eben nicht mit "nichts" da, auch nicht mit leeren Händen. Denn das Evangelium schöpft aus dem Vollen - und gibt sich mit nicht weniger zufrieden, als uns alles anzuvertrauen.
Wir sehen die Jünger noch einmal auf ihren See fahren. Sie werfen ihre Netze aus - und fangen 153 große Fische. Die Zahl 153 wird sogar ausdrücklich erwähnt - jeder Fisch scheint abgezählt, in die Hand genommen, behutsam in den Korb gelegt zu sein. Sollten Sie jetzt verwundert auf die 153 Fische starren - und den Fang für gering erachten: In der Zahl 153 steckt der gesamte Fischreichtum, der einmal bekannt war. Es gab tatsächlich - 153 Fischsorten. Ein tolles Bild: Die ganze Fischwelt in dem kleinen See Tiberias - und jetzt im Netz. Mehr und größeres lässt sich von Reichtum nicht erzählen. Was für Ressourcen! Nicht zu zählen, nicht zu wägen - schon gar nicht für einen allein.
Sie wussten, heißt es im Evangelium, dass es der Herr ist!
"Sie wussten, dass es der Herr war"
Ich schaue auf das Evangelium zurück. Es ist eine wunderbare Begegnung, die Menschen in ihrem Alltag widerfährt. Wir hören Gespräche, Fragen: "Ich gehe fischen", sagt Petrus. "Meine Kinder, habt ihr nichts zu essen?" fragt der geheimnisvolle Fremde - und dann die große Entdeckung: "Es ist der Herr".
Selten habe ich den Alltag so wundervoll beschrieben gesehen wie hier. Jetzt darf ich meinen eigenen Alltag mit neuen Augen sehen. Ich gehe doch auch jeden Tag arbeiten. Manchmal auch nicht gerade erfolgreich. Vieles gelingt mir nicht. Aber dann begegnen mir unbekannte Menschen. Sie möchten mit mir den Reichtum teilen, auch den Reichtum, von dem ich noch gar nichts weiß. Meine eigenen Zweifel werden klein, meine Bedenken lösen sich auf: Zusammen kommen wir auf 153 große Fische - auf die Fülle geschenkten Lebens. Und ER, der Herr? Von ihm heißt es - ganz zum Schluss:
"Jesus trat heran, nahm das Brot und gab es ihnen, ebenso den Fisch.
Dies war schon das dritte Mal, dass Jesus sich den Jüngern offenbarte, seit er von den Toten auferstanden war."
Das dritte Mal: Jetzt bin ich dabei!
Und der Friede Gottes,
der höher ist als alle Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus, unserem Herrn.