Gute Aussichten
So ein ernstes, so ein schreckliches Evangelium! Es ist, als ob ich heute erst einmal in meinen Kleiderschrank, meine Brieftasche, mein Konto schauen muss - um mich von der Hälfte zu trennen. Nach dem ersten Entsetzen stellt sich aber Gelassenheit ein. Richtig ist, einmal darüber nachzudenken, was mich alles besitzt, festhält und belastet. Richtig ist auch, einmal darüber nachzudenken, wie wir Glück und gutes Leben mit Menschen teilen können, die auf die Schattenseite geraten sind - oder einfach immer schon da waren. Aber Johannes schlägt einen größeren Bogen. Er sieht den Messias kommen. Der Prediger in der Wüste - wie Johannes auch genannt wird - sagt den Menschen: "Ich taufe euch nur mit Wasser. Es kommt aber einer, der stärker ist als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe aufzuschnüren. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen."
Wer ihn empfangen will, darf sich sein eigenes Leben nicht zustellen. Darf sich auch nicht mit sich zufrieden geben. Darf sich nicht dicht machen. - Wir stehen mit leeren Händen da. Fasziniert bin ich davon, dass es viele Menschen gibt, die das hören wollen! Einst pilgerten sie aus ihren Städten und Dörfern an den Jordan, heute sind wir - hier. Wir entdecken neue Seiten in unserem Leben. Wir entdecken die Welt neu, wenn wir uns auf Jesu Kommen einlassen. So ein freundliches, so ein zukunftsträchtiges Evangelium!
Jubel
Wir feiern heute den 3. Advent. Draußen bekommen wir die Hetze mit, den Rummel, die Anspannung. Manchmal merken wir das auch in uns. Wir kommen nicht zur Ruhe. Als Konsumenten nicht, als Angestellte, Verkäuferinnen und Dienstleister schon gar nicht. Es muss noch so viel gemacht werden, so viel erreicht, soviel durchgeboxt. Dabei geht es um Geld, um viel Geld. Aber wir können uns nicht kaufen, was uns im Leben hält und trägt, was uns glücklich macht über den Tag hinaus, was uns Frieden schenkt und zufrieden macht.
In den Lesungen dieses 3. Advents klingt ein besonderer Ton. Es ist der Ton großer Freude. "Juble, Tochter Zion! Jauchze, Israel! Freu dich, und frohlocke von ganzem Herzen, Tochter Jerusalem!" Der Prophet Zephanja ruft - während Zion nichts zu lachen hat und die Tochter Jerusalem auf dem Boden liegt. Kennen Sie eigentlich Zephanja? Noch nie etwas von ihm gehört? Er gehört zu den 12 kleinen Propheten. Aber er hat einen tollen Namen. "Gott hat aufbewahrt" oder auch "Gott hat versteckt" - das ist die Bedeutung seines Namens. Zugleich Lebensprogramm - und Zuspruch. Ein Adventslieds geht sogar auf ihn zurück - mit der Melodie Friedrich Georg Händels aus seinem Oratorium "Messias":
"Tochter Zion, freue dich, jauchze laut, Jerusalem!
Sieh, dein König kommt zu dir, ja, er kommt, der Friedefürst
Tochter Zion, freue dich, jauchze laut, Jerusalem!
Hosianna, Davids Sohn, sei gesegnet deinem Volk!
Gründe nun dein ewges Reich, Hosianna in der Höh!
Hosianna, Davids Sohn, sei gesegnet deinem Volk!
In harter und auch verhärteter Zeit hören Menschen: Der Herr, dein Gott, ist in deiner Mitte - und dann, unerwartet, auch unvorbereitet: er (Gott) jubelt über dich - er erneuert seine Liebe zu dir. Gott freut sich - über uns, an uns. Geliebt sind wir. Bewahrt. Aufgehoben. Das ist Evangelium, mitten im Alten Testament. Alt ist da übrigens überhaupt nichts! Wie neu, wie frisch, wie lebendig das klingt: "Lass die Hände nicht sinken!"
Wenn Hände sinken, schlaff nach unten hängen, nichts mehr halten, nichts mehr tragen können, drücken sie unsere Hilflosigkeit, unsere Schwäche aus. Wir haben dann nichts mehr Zupackendes - mit unserer Dynamik ist es am Ende. Zephanja ist ein Meister des Wortes und ein Kenner unserer Seelen: Appelle sind seine Sache nicht, Durchhalteparolen gibt er nicht aus, er packt die Menschen nicht einmal bei ihrer Schuld - er lädt einfach zur Freude ein - und zeigt uns das fröhliche Herz Gottes. Die Zeit ist vorbei, verhärmt, verbittert und kleinmütig zu sein. Lachende Gesichter machen die Welt hell.
Johann Sebastian Bach hat dann in seinem Weihnachtsoratorium den Worten einen großen Schwung beigesellt: Jauchzet, frohlocket. Die Kirchen und Konzerte sind voll, wenn das gesungen wird - und wer in einem Chor mitsingt, legt sich selbst in diese Worte. Wir spüren, wie die Melodien tragen - wir werden weggetragen. Die neue Welt kann man nicht immer sehen, es reicht, sie zu hören, sie zu besingen, sie einander zuzusingen.
Bußpredigt
Der Täufer in der Wüste tut mir jetzt fast ein wenig leid. Habe ich ihm jetzt die Schau gestohlen? Seinen Stand schwer gemacht? Hätte ich Zephanja lieber verschweigen sollen? Ach, Johannes steht darüber. Mit Zephanja, seinem alten Berufs-Genossen, verbindet ihn eine große Leidenschaft. Bei seiner Predigt brechen die Leute aber nicht in Jubel aus - nein, er sagt es ihnen auch nicht. Ernst und schwer wiegen seine Worte. Ja, manchmal müssen sie ernst und schwer wiegen. Der Messias kommt - aber: "Schon hält er die Schaufel in der Hand, um die Spreu vom Weizen zu trennen und den Weizen in seine Scheune zu bringen; die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen."
Ich zucke zusammen und ziehe die Schultern ein. Aber: wenn Gott kommt, kann die Welt doch nicht so bleiben, wie sie ist (oder von Menschen missbraucht wird). Das muss gesagt werden. Wir brauchen Worte, in denen uns die Wahrheit geschenkt wird:
Was Gott bewahrt - und was untergeht.
Was geliebt bleibt - und was nicht bestehen kann.
Was erneuert wird - und was vergessen werden darf.
Heute müssen gleich zwei Propheten reden: Zephanja und Johannes. Sie zeigen uns, jeder auf seine Weise, die Welt Gottes - und unsere dann auch. Wir werden von Gottes Freude und Liebe angesteckt. Mehr, viel mehr noch: Gott wird Mensch. Weil er ins uns verliebt ist. Zu Weihnachten werden wir diese Geschichte erzählen, besingen, bestaunen. Ein Kind! Ein Kind wird uns gegeben!
Wissen Sie eigentlich, wie der 3. Advent auch heißt?
Gaudete in Domino semper. "Freut euch im Herrn allezeit" -
GAUDETE!
Geben wir am Schluss Paulus das Wort. Von ihm ist die 2. Lesung dieses Tages.
Paulus ist inhaftiert. Wie sein Verfahren ausgehen wird, weiß er nicht. Im schlimmsten Fall muss er mit einem Todesurteil rechnen. Im Gefängnis aber schreibt er seiner "Lieblingsgemeinde" in Philippi einen Brief. Hier finden wir einen, hier finden wir seinen Freudenruf. Aus den Tiefen seines Herzens:
Freut euch im Herrn zu jeder Zeit!
Noch einmal sage ich: Freut euch!
Eure Güte werde allen Menschen bekannt.
Der Herr ist nahe.
Sorgt euch um nichts,
sondern bringt in jeder Lage betend und flehend
eure Bitten mit Dank vor Gott!
Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt,
wird eure Herzen und eure Gedanken
in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren.