Der Sonntag ist für den Menschen da. Er erinnert daran, dass unser Leben mehr wert ist, als wir durch Arbeit an Wertschöpfung hervorbringen.
Sonntagsarbeit
Vor einigen Jahren war ich bei einem Fest der KAB (Katholische Arbeiterbewegung). Dieses Fest fand am Sonntag statt. Als wir das Fest organisierten, beschlossen wir, statt beim Bäcker Brötchen zu kaufen, ganz bewusst einen Tag vorher Brot einzukaufen. Der Grund: Wir wollten ein Zeichen setzen gegen Sonntagsarbeit. Sonntagsarbeit greift immer mehr um sich. Immer öfters finden verkaufsoffene Sonntage statt. Manches Mal frage ich mich: muss das eigentlich sein. Ist unsere Gesellschaft nicht deswegen so ausgebrannt, weil immer mehr dem Diktat des Konsums unterworfen wird. Arbeit – so wichtig sie ist, hat auch eine große Gefahr: der Mensch wird immer mehr versklavt. Viele finden immer weniger freie Zeit für sich selbst.
Versklavt – das waren die Israeliten in Ägypten. Gott hat sie befreit aus der Gefangenschaft, aus der unwürdigen Sklaverei. Ein Sklave ist ein Mensch, dessen Wert davon abhängig ist, wie gesund er ist, wieviel er arbeitet. Ein Sklave wird gekauft oder verkauft. Ein Sklave ist der Inbegriff von Unfreiheit, ein Mensch ohne Rechte. Israel war versklavt an die Arbeit.
Als Mensch aufatmen
Der Mensch soll diese Situation nie vergessen. Darum wollte Gott, dass der Mensch einen Tag in der Woche hat, an dem er nicht arbeitet. Gott will schon, dass wir durch unsere Arbeit und unser Tun die Welt gestalten. Doch wir sind mehr als unsere Arbeit. Unseren Wert bekommen wir daher, dass Gott uns liebt, dass wir mit ihm und untereinander Gemeinschaft haben und pflegen. Durch das Gebot den Sabbat zu heiligen, hat Gott den Menschen eine neue Freiheit geschenkt. Es ist die Freiheit, sich von der Arbeit beherrschen zu lassen.
Gerade am Gebot des Sabbats sehen wir, dass in Gottes Handeln der Mensch mit seinen Bedürfnissen in den Mittelpunkt stellt. Es ist das Bedürfnis nach Ruhe, nach Erholung. Es ist auch das Bedürfnis für die schönen Dinge im Leben, für die Musik, für das Spiel, für das Zusammensein mit vertrauten Menschen, für das Zusammensein in der Familie. Gut, dass es Gruppen und Verbände gibt, die sich dafür einsetzen.
Zur Freiheit berufen
Wie sehr der Mensch im Mittelpunkt steht, das zeigt Jesus. Denn hier sehen wir, wie sehr das Gebot, den Sabbat zu heiligen auch missverstanden werden kann. Den Sabbat zu heiligen, heißt nicht, dass man nichts tut. Denken wir uns einmal den Dienst der vielen Menschen in den Krankenhäusern weg. Denken wir uns einmal nur den Dienst der Polizei am Sonntag weg, ganz zu schweigen von den Menschen, die im Gastgewerbe arbeiten. Es ist der Dienst am Menschen, am kranken Menschen, den Dienst am Menschen, der Schutz braucht und den Dienst am erholungsbedürftigen Menschen.
Mit diesen Gedanken wird keiner Schwierigkeiten haben. Doch zeigt das Evangelium: Durch zu kleinliche, ja durch missverständliche Auslegung eines Gebotes wird der Sinn entstellt. Der Mensch, der von Gott zur Freiheit berufen ist, wird davon wieder versklavt. Steht das Einhalten eines Gebotes über die menschlichen Bedürfnisse, über notwendiges Helfen, über notwendige Aufgaben, wie Kleinkinder zu betreuen, dann ist der Sinn verfehlt.
Die Gebote sind für den Menschen da
„Der Sabbat ist für den Menschen da und nicht der Mensch für den Sabbat“. die Gebote sind für den Menschen da und nicht der Mensch für die Gebote. Gott hat seine Gebote gegeben, damit unser Leben gelingt, damit es erfüllt wird. Absichtlich so zu arbeiten, dass man einen Herzinfarkt erleidet, das ist unvernünftig und kein Heldentum. Sicher ist es gut, für die Mitmenschen zu leben. Doch zeigt das Gebot den Sabbat zu heiligen, dass wir unsere Grenzen haben. Es ist dann sinnvoll ausgelegt, wenn es die Qualität des Lebens und auch des Zusammenlebens steigert. Der Mensch ist auch nicht für die Arbeit da, sondern die Arbeit für den Menschen!
Der Sonntag ist für den Menschen da
Der Mensch ist Gott am wichtigsten. Das Gebot, als Christen und Christinnen den Sonntag zu halten, hat einen ganz tiefen Grund. An diesem Tag können wir Gott begegnen. Dazu sind wir eingeladen. Der Gottesdienst ist eine Zeit und auch eine gute Gelegenheit, Gott zu hören in der Lesung, im Evangelium, in der Predigt. Wir können Worte hören, die uns befreien können aus den Zwängen, immer nur funktionieren zu müssen, unseren Wert durch Leistung zu steigern. Der Gottesdienst ist eine Gelegenheit, die Liebe zu Gott zu pflegen. Wir können seine Hingabe an uns feiern in der Eucharistie. Jesus hat auch uns befreit durch seine Liebe, durch seine Hingabe. Jesus befreit uns vor aller Selbstsucht, aus einem Leben, das nur für sich selbst lebt. Der Gottesdienst braucht nicht als Pflicht angesehen werden, die es abzuleisten gilt. Vielmehr ist ein Gottesdienst eine Zeit, in der wir Kraft schöpfen für unser Leben, in der uns Gott uns unseren Wert zusagt, in dem uns Gott versichert, dass wir geliebt sind.
Wir können Gott begegnen in der Stille, im Gebet, sicher auch dann, wenn wir einander als Schwestern und Brüder begegnen. Je mehr wir aus der Quelle leben, umso mehr kann sich das auswirken auf unser Leben im Alltag, auf unsere Art und Weise, wie wir unsere Arbeit tun. Es kann sich auswirken auf das Leben mit unseren Schwestern und Brüdern.
Gott die Ehre zu geben, ihn anzuerkennen als Sinn und Ziel unseres Lebens, das ist der Sinn des Sonntagsgebotes. Dann kann alles, was unser Leben sonst noch ausmacht, seinen wahren und richtigen Platz bekommen und nicht wieder selbst zum Götzen werden, die uns unfrei machen. Dafür hat sich beim Sommerfest an einem Sonntag die KAB eingesetzt. Gott will uns nicht unfrei machen.
Hans Hütter (2000)