Was ist Wahrheit?
"Was ist Wahrheit?" fragt im Johannesevangelium Pilatus Jesus, als dieser als Angeklagter vor ihm als Richter stand. Von einem Richter erwarten wir, dass er die Wahrheit herausfindet.
Was wahr ist, lässt sich auch heute oft nur schwer in der gegenwärtigen Hochkunjunktur von »fake news« herausfinden. Oft werden Nachrichten bewusst gefälscht. Medienberater wissen, wie man Aufmerksamkeit erregende Behauptungen verbreitet und damit Stimmung macht, ganz gleich ob sie wahr sind oder nicht. Viele schrecken nicht davor zurück, Unwahrheiten in die Welt zu setzen. Die neuen Medien machen das noch mehr möglich als je zuvor. Seriöse Medien sehen ihre Aufgabe darin, die Behauptungen einem »Faktencheck« zu unterziehen und aufzuklären, wieviel und welche Wahrheit dahintersteht.
Wir Christen feiern zu Ostern unseren Glauben, dass Jesus von den Toten auferstanden ist. Wenn es stimmt, dann ist dies die aufregendste Nachricht, die man sich vorstellen kann. Dann hat der Tod seinen Schrecken verloren, dann sieht unsere Zukunft ganz anders aus und überhaupt: unser Leben steht unter ganz anderen Vorzeichen. Ein solches Faktum kann man nicht genug feiern und in die Welt hinausschreien. Es irritiert jedoch, dass der Osterjubel der Christen nicht mehr Echo hat. Weltweit sind Menschen gegenüber religiösen Botschaft skeptisch geworden, weil mit religiösen Botschaften viel Schindluder getrieben wird.
Was bleibt übrig, wenn wir unseren Glauben an die Auferstehung Jesu und damit auch unsere Hoffnung auf unsere eigene Auferstehung einem Faktencheck unterziehen? Auf welche Grundlagen stützen wir uns? Was gibt es an Beweisen?
Um es gleich vorweg zu nehmen: Es gibt keine handfesten hieb- und stichfesten Beweise, die jede weitere Diskussion überflüssig machten. Es gibt aber Fakten, die trotz aller Zweifel einer kritischen Öffentlichkeit zum Nachdenken herausfordern.
Was beweist ein leeres Grab?
Wir haben im Markusevangelium gehört, was einige Frauen, die in aller Frühe nach dem Sabbat am Leichnam Jesu das jüdische Bestattungsritual nachholen wollten, erlebt haben. Sie wundern sich, dass der schwere Stein, der das Grab verschlossen hatte, weggewälzt war. Sie finden das Grab leer. Sie sehen einen jungen Mann in weißem Gewand, der ihnen erklärt, Jesus von Nazareth, der Gekreuzigte, sei auferstanden. Obwohl Jesus den Frauen aufträgt, sie sollen dies den Jüngern ausrichten und ihnen sagen, sie sollten nach Galiläa gehen, dort würden sie ihn sehen, sind sie so von Schrecken und Entsetzen gepackt, dass sie fortlaufen, ohne davon etwas zu erzählen.
Dieser Bericht findet sich in der Bibel in vier Varianten. Für Skeptiker zu wenig, um damit etwas beweisen zu können. Für Gläubige ein Faktum, an das sie unglaublich große Hoffnungen knüpfen. Für beide Seiten ist das leere Grab eine Leerstelle, das Verschwinden des Leichnams mit phantastischen Geschichten auszumalen. Ein prächtiger Nährboden für »fake news«!
Was beweist das leere Grab? – Es ist eine Leerstelle, mit der wir leben müssen, auch wenn wir auf die Botschaft von der Auferstehung Jesu unser ganzes Lebenskonzept aufbauen. Aber immerhin, das leere Grab können wir nicht einfach abtun. Es fordert uns heraus, über die Botschaft, dass Jesus auferstanden sei, nachzudenken.
Menschen, die Jesus als Auferstandenen gesehen haben
Dazu kommt ein zweites Faktum: Menschen, die Jesus nahestanden, behaupten, sie seien ihm nach seinem Tod begegnet. In den nächsten Tagen werden wir in den Gottesdiensten eine Reihe von Erzählungen hören, die davon berichten. Paulus fasst diese Berichte etwa zwanzig Jahre später im ersten Brief an die Korinther (1 Kor 15,1-11) zusammen und nennt Petrus, die Zwölf und dann mehr als fünfhundert Brüder zugleich. (Frauen zählen für ihn offenbar nicht. Das war damals so üblich.) Das Interessante daran ist, dass die meisten von ihnen auf diese Begegnung hin ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt haben. Viele von ihnen sind in die Welt hinausgezogen, um diese Botschaft allen Menschen bekannt zu machen. Manche haben die Verwirrung, die sie damit hervorgerufen haben, sogar mit ihrem Leben bezahlt. Diese Entwicklung lässt sich historisch nicht leugnen.
Im Zentrum: Jesu Glaube an einen liebenden Gott
Ein drittes Faktum sehe ich im Glauben, an dem Jesus selbst bis in seinen Tod hinein festgehalten hat. Er ist davon überzeugt, dass ihn Gott liebt und ihn nicht im Stich lassen wird, auch wenn er für diesen radikalen Glauben in den Tod geschickt wird. In Wort und Tat leitete er die Menschen an, selbst diese Liebe Gottes zu entdecken und das Leben danach auszurichten.
Ein solcher Glaube ist etwas zutiefst Persönliches und wird einem Faktencheck nur insofern standhalten, dass man zur Kenntnis nehmen muss, dass nicht wenige Menschen sich davon haben überzeugen lassen.
Wer sich von Jesus auf den Weg des Glaubens mitnehmen lässt, wird die Leerstellen des leeren Grabes mit anderen Vorstellungen füllen als Menschen, dies diesen grundlegenden Glauben Jesu nicht teilen können. Für Gläubige ist das leere Grab Anlass, darüber nachzudenken, was einem Gott zuzutrauen ist, der seine Schöpfung und jeden einzelnen von uns von Herzen liebt.
Was ist Wahrheit? – Diese Frage kann letztlich nur jeder selbst beantworten. Jede und jeder muss sein Osteralleluja selbst buchstabieren und anstimmen. Es wird unterschiedlich laut und kunstvoll ausfallen. Wer jedoch in diesen Osterjubel mit ganzem Herzen einstimmen kann, wird entdecken, dass sich von daher das ganze Leben in einem neuen Licht zeigt.
In dieser Überzeugung rufe ich Ihnen zu: Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaft auferstanden! Und ich wünsche Ihnen die Freude und Hoffnung, die von dieser Überzeugung ausgeht.