Die biblischen Lesungen wurden mit freundlicher Genehmigung der Ständigen Kommission für die Herausgabe der gemeinsamen liturgischen Bücher im deutschen Sprachgebiet den Lektionaren 2018 ff entnommen. - © 2024 staeko.net. - vgl. Impressum.
Die Katholischen Bibelwerke in Deutschland, Österreich und Schweiz stellen auf ihren Webseiten ausführliche Kommentare und Anleitungen zum Lesen der biblischen Lesungen für Sonn- und Feiertage zum Download im PDF-Format zur Verfügung. Mit freundlicher Genehmigung der Katholischen Bibelwerke übernehmen wir die Kurzeinleitungen zu den Lesungen.
Predigten vom 24. Sep. 2023 - 25. Sonntag im Jahreskreis (A)
24. Nov. 2024
Christkönigsonntag (B)
17. Nov. 2024
33. Sonntag im Jahreskreis (B)
10. Nov. 2024
32. Sonntag im Jahreskreis (B)
03. Nov. 2024
31. Sonntag im Jahreskreis (B)
02. Nov. 2024
2. November: Allerseelen (A/B/C)
01. Nov. 2024
1. November: Allerheiligen (A/B/C)
27. Okt. 2024
30. Sonntag im Jahreskreis (B)
20. Okt. 2024
29. Sonntag im Jahreskreis (B)
13. Okt. 2024
28. Sonntag im Jahreskreis (B)
06. Okt. 2024
27. Sonntag im Jahreskreis (B)
29. Sep. 2024
26. Sonntag im Jahreskreis (B)
22. Sep. 2024
25. Sonntag im Jahreskreis (B)
15. Sep. 2024
24. Sonntag im Jahreskreis (B)
14. Sep. 2024
14. September: Kreuzerhöhung (Fest)
08. Sep. 2024
8. September: Mariä Geburt (Fest)
08. Sep. 2024
23. Sonntag im Jahreskreis (B)
01. Sep. 2024
22. Sonntag im Jahreskreis (B)
31. Aug. 2024
Erntedank (Sonst.)
25. Aug. 2024
21. Sonntag im Jahreskreis (B)
18. Aug. 2024
20. Sonntag im Jahreskreis (B)
15. Aug. 2024
15. August: Mariä Himmelfahrt (Fest)
11. Aug. 2024
19. Sonntag im Jahreskreis (B)
06. Aug. 2024
6. August: Verklärung des Herrn (Fest)
04. Aug. 2024
18. Sonntag im Jahreskreis (B)
28. Jul. 2024
17. Sonntag im Jahreskreis (B)
21. Jul. 2024
3. Sonntag im Juli: Heiligster Erlöser (Fest)
21. Jul. 2024
16. Sonntag im Jahreskreis (B)
14. Jul. 2024
15. Sonntag im Jahreskreis (B)
07. Jul. 2024
14. Sonntag im Jahreskreis (B)
30. Jun. 2024
13. Sonntag im Jahreskreis (B)
29. Jun. 2024
29. Juni: hl. Petrus und Paulus (Fest)
27. Jun. 2024
27. Juni: Fest der Mutter von der Immerw. Hilfe (Fest)
24. Jun. 2024
24. Juni: hl. Johannes des Täufers (Fest)
23. Jun. 2024
12. Sonntag im Jahreskreis (B)
20. Jun. 2024
20. Juni: Weltflüchtlingstag (Sonst.)
16. Jun. 2024
11. Sonntag im Jahreskreis (B)
09. Jun. 2024
10. Sonntag im Jahreskreis (B)
07. Jun. 2024
Heiligstes Herz Jesu (B)
02. Jun. 2024
9. Sonntag im Jahreskreis (B)
30. Mai. 2024
Fronleichnam (B)
26. Mai. 2024
Dreifaltigkeitssonntag (B)
20. Mai. 2024
Pfingstmontag - Maria, Mutter der Kirche (B)
19. Mai. 2024
Pfingstsonntag (A/B/C)
18. Mai. 2024
Pfingsten, am Vorabend (A/B/C)
12. Mai. 2024
7. Sonntag der Osterzeit (B)
09. Mai. 2024
Christi Himmelfahrt (B)
06. Mai. 2024
Bitttage (A/B/C)
05. Mai. 2024
6. Sonntag der Osterzeit (B)
01. Mai. 2024
1. Mai: Tag der Arbeit, hl. Josef (Fest)
30. Apr. 2024
1. Mai: Tag der Arbeit, hl. Josef (Fest)
28. Apr. 2024
5. Sonntag der Osterzeit (B)
21. Apr. 2024
4. Sonntag der Osterzeit (B)
14. Apr. 2024
3. Sonntag der Osterzeit (B)
08. Apr. 2024
25. März: Verkündigung des Herrn (Fest)
07. Apr. 2024
2. Sonntag der Osterzeit (B)
01. Apr. 2024
Ostermontag (A/B/C)
31. Mär. 2024
Ostersonntag (A/B/C)
30. Mär. 2024
Osternacht (B)
29. Mär. 2024
Karfreitag (A/B/C)
28. Mär. 2024
Gründonnerstag (A/B/C)
24. Mär. 2024
Palmsonntag (B)
19. Mär. 2024
19. März: hl. Josef (Fest)
17. Mär. 2024
5. Fastensonntag (B)
10. Mär. 2024
4. Fastensonntag (B)
03. Mär. 2024
3. Fastensonntag (B)
25. Feb. 2024
2. Fastensonntag (B)
18. Feb. 2024
1. Fastensonntag (B)
14. Feb. 2024
Aschermittwoch (A/B/C)
11. Feb. 2024
6. Sonntag im Jahreskreis (B)
04. Feb. 2024
5. Sonntag im Jahreskreis (B)
02. Feb. 2024
2. Februar: Darstellung des Herrn (Fest)
28. Jan. 2024
4. Sonntag im Jahreskreis (B)
21. Jan. 2024
3. Sonntag im Jahreskreis (B)
14. Jan. 2024
2. Sonntag im Jahreskreis (B)
07. Jan. 2024
Taufe des Herrn (B)
06. Jan. 2024
Erscheinung des Herrn, Dreikönig (A/B/C)
01. Jan. 2024
Neujahr - Fest der Gottesmutter Maria (A/B/C)
31. Dez. 2023
31. Dezember: Jahresschluss (Sonst.)
31. Dez. 2023
Fest der hl. Familie (B)
26. Dez. 2023
26. Dezember: hl. Stephanus (Fest)
25. Dez. 2023
Weihnachten, am Tag (A/B/C)
25. Dez. 2023
Weihnachten, am Morgen (A/B/C)
24. Dez. 2023
Weihnachten, in der Nacht (A/B/C)
24. Dez. 2023
Weihnachten, am Vorabend (A/B/C)
24. Dez. 2023
4. Adventsonntag (B)
17. Dez. 2023
3. Adventsonntag (B)
10. Dez. 2023
2. Adventsonntag (B)
08. Dez. 2023
8. Dezember: Mariä Empfängnis (Fest)
03. Dez. 2023
1. Adventsonntag (B)
26. Nov. 2023
Christkönigsonntag (A)
19. Nov. 2023
33. Sonntag im Jahreskreis (A)
12. Nov. 2023
32. Sonntag im Jahreskreis (A)
09. Nov. 2023
9. November: Weihe der Lateranbasilika (Fest)
05. Nov. 2023
31. Sonntag im Jahreskreis (A)
02. Nov. 2023
2. November: Allerseelen (A/B/C)
01. Nov. 2023
1. November: Allerheiligen (A/B/C)
29. Okt. 2023
30. Sonntag im Jahreskreis (A)
22. Okt. 2023
29. Sonntag im Jahreskreis (A)
15. Okt. 2023
28. Sonntag im Jahreskreis (A)
08. Okt. 2023
27. Sonntag im Jahreskreis (A)
07. Okt. 2023
Erntedank (Sonst.)
01. Okt. 2023
26. Sonntag im Jahreskreis (A)
24. Sep. 2023
25. Sonntag im Jahreskreis (A)
Einführungen zu den Gottesdienstlesungen - Ltg 0
1. Lesung - Jes 55,6-9
Lesung aus dem Buch Jesaja.
Sucht den Herrn, er lässt sich finden,
ruft ihn an, er ist nah!
Der Frevler soll seinen Weg verlassen,
der Übeltäter seine Pläne.
Er kehre um zum Herrn,
damit er Erbarmen hat mit ihm,
und zu unserem Gott;
denn er ist groß im Verzeihen.
Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken
und eure Wege sind nicht meine Wege – Spruch des Herrn.
So hoch der Himmel über der Erde ist,
so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege
und meine Gedanken über eure Gedanken.
Der vorliegende Teil entstammt dem Deuterojesaaja, jenem Teil des Buches, der im Babylonischen Exil entstanden ist. Es sind zum einen Wortes des Trostes an das Volk in der Bedrängnis. Andererseits nähert sich der Text auch der Frage an, warum das Volk das Leid erleben muss und welche Rolle Gott in der Exilssituation spielt.
Jes 40-55 ist ein eigenes Buch im Buch Jesaja. Es stammt nicht von Jesaja selber, sondern von einem unbekannten Autor, der ca. 200 Jahre nach dem Tod des Propheten Jesaja in dessen Namen schreibt. Wie der erste Jesaja liest und deutet dieser die Zeichen der Zeit für sein Volk Israel. Aber inzwischen hat sich die Lebenssituation der Israeliten völlig verändert: Der Tempel ist zerstört, die Stadt Jerusalem in Brand gesteckt, der König aus dem Hause Davids abgesetzt und zusammen mit Oberschicht und "allem, was lesen und schreiben kann" ins Feindesland nach Babylon verschleppt. Israel, so scheint es dem kläglichen Rest des Volkes, ist am Ende. Alle alten Verheißungen scheinen wertlos geworden zu sein: das "Land, in dem Milch und Honig fließen", unwiderbringlich verloren, der Tempel, das "Haus Jahwes" verunreinigt und unbewohnbar gemacht. Auf was kann man sich noch verlassen? In diese Endzeitstimmung hinein klingt nun die neue Gottesbotschaft des "zweiten Jesaja", und ihr Beginn in Jes 40,1 ist Programm: "Tröstet, tröstet mein Volk" – es sind ganz neue Töne, die dieser große Dichter der Hoffnung und des Gottvertrauens anschlägt.
Eine Etappe auf dem Weg aus der Glaubenskrise in eine neue Hoffnung ist die Verwandlung des bisherigen Gottesbildes. Jes 55,6-9 ist dem Schlußwort des zweiten Jesajas entnommen. In ihm faßt er das heilende Gottesbild in Worte, daß hinter seiner tröstenden Botschaft steht:
Gott ist ganz anders, als es sich der Mensch ausrechnen kann. Er ist unbegreifbar, seine Wege sind nicht vorhersehbar. Genau das ist war ja der Auslöser der Glaubenskrise der Israeliten im babylonischen Exil: Ihr Gott war auf einmal nicht mehr berechenbar, hielt sich nicht an die Bilder, die man sich jahrhundertelang von ihm gemacht hatte, handelte anders, als man es von ihm erwartete.
Trotzdem und gerade deswegen lädt Jesaja ein, sich diesem unberechenbaren Gott anzuvertrauen. Er läßt sich nicht manipulieren und nicht in ein Schema pressen, er kann nicht auf einen Nenner gebracht werden, und ganz sicher garantiert er keine leidfreie Zukunft. Aber er läßt sich vom Menschen finden, er ist schnell im Verzeihen, er ist nahe. Der unendlich unbegreifliche Gott hört nie auf, der "Ich-bin-da" zu sein: Ich kann seine Gedanken nicht erraten, aber er ist immer ganz nahe und einladend.
Die Einladung von Jes 55:1-3 ("Auf, ihr Durstigen, kommt alle zum Wasser!") wird weitergeführt. Es handelt sich um einen feierlichen Aufruf, dem sich eine Verheißung anschließt: Jetzt lässt sich Gott finden, jetzt ist er nahe!
„Meine Wege und Gedanken“ drückt in menschlichen Begriffen und Vorstellungen aus, was Gott vorhat und wie es durchführt. Gott geht seine Wege, wie Menschen ihre Wege gehen.
Der Prophet, den wir nicht kennen und Deuterojesaja (d. h. "zweiter Jesaja") nennen, gibt Israel in einer Stunde der Verzweiflung und der Resignation Vertrauen in die Möglichkeiten Gottes, die sie angesichts der gegenwärtigen inneren Lage, in die hinein der Prophet zu predigen berufen wird, nicht mehr zu sehen vermögen: Das Auslöschen der Existenz des Volkes im Exil scheint unaufhaltbar, vgl. auch die Psalmen 39; 49; 90: „... wir sind ein vergehendes Volk, genau wie die vielen, unzähligen vernichteten Völker vor uns ...“.
Der Prophet beschließt seine Botschaft mit der Versicherung, dass diese Geschichte weitergeht.
Antwortpsalm - Ps 145,2-3. 8-9. 17-18
Kv: Der Herr ist nahe allen, die ihn rufen. – Kv
GL 76,1
Herr, jeden Tag will ich dich preisen *
und deinen Namen loben auf immer und ewig.
Groß ist der Herr und hoch zu loben, *
unerforschlich ist seine Größe. – (Kv)
Der Herr ist gnädig und barmherzig, *
langmütig und reich an Huld.
Der Herr ist gut zu allen, *
sein Erbarmen waltet über all seinen Werken. – (Kv)
Gerecht ist der Herr auf all seinen Wegen *
und getreu in all seinen Werken.
Nahe ist der Herr allen, die ihn rufen, *
allen, die ihn aufrichtig rufen. – Kv
2. Lesung - Phil 1,20ad-24. 27a
Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus
an die Gemeinde in Philíppi.
Schwestern und Brüder!
Ich erwarte und hoffe,
dass Christus verherrlicht werden wird in meinem Leibe,
ob ich lebe oder sterbe.
Denn für mich ist Christus das Leben
und Sterben Gewinn.
Wenn ich aber weiterleben soll,
bedeutet das für mich fruchtbares Wirken.
Was soll ich wählen?
Ich weiß es nicht.
Bedrängt werde ich von beiden Seiten:
Ich habe das Verlangen, aufzubrechen und bei Christus zu sein –
um wie viel besser wäre das!
Aber euretwegen
ist es notwendiger, dass ich am Leben bleibe.
Vor allem:
Lebt als Gemeinde so,
wie es dem Evangelium Christi entspricht!
Martin Stewen (2014)
Antonia Keßelring (2002)
Judith Putz (1999)
Dieser Paulusbrief hat als Hintergrund die drohende Hinrichtung des Apostelfürsten. In dieser Situation wendet er sich an die Gemeinde von Philippi. Aus den Worten spricht die absolute Gewissheit, nach dem Tod ewiges Leben zu haben. Der Tod ist eine gleichwertige Alternative zum Weiterleben.
Die Gemeinde von Philippi ist in dreifacher Hinsicht etwas Besonderes: Sie ist die erste christliche Gemeinde auf europäischem Boden – nämlich in Mazedonien. Bemerkenswert sind auch ihre "Gründungsmitglieder": Laut Apostelgeschichte 16 begann die Geschichte der Gemeinde in Philippi mit der Bekehrung der Purpurhändlerin Lydia. Sie stand bereits dem Judentum nahe und ließ sich nach der Predigt des Paulus mit ihrem ganzen Haus – allen, die mit und von ihr lebten – taufen. Man könnte also sagen, daß das Christentum in Europa auf die Lebenswende dieser reichen und unabhängigen Frau zurückgeht! Und schließlich scheinen die Philipper wohlhabender gewesen zu sein als die übrigen Paulusgemeinden: Nur von ihnen ließ sich Paulus finanziell unterstützen. Der Dank für eine Geldspende ist übrigens – neben anderem – auch ein Grund dieses Schreibens.
Als Paulus um ca. 55 n. Chr. an die Gemeinde in Philippi schrieb, war er im Gefängnis und spürt die "die Last seiner Ketten" (1,17). Die meisten Bibelwissenschaftler nehmen eine Gefangenschaft in Ephesus an, die in der Apostelgeschichte zwar nicht erzählt wird, auf die aber Paulus vor allem im 2. Korintherbrief mehrfach anspielt.
Durch die Zeilen des Philipperbriefs weht Gefängnisluft: Worte wie "sehnen", "hoffen", "warten" kehren häufig wieder, wenn Paulus von sich selber schreibt. Die Gegenwart ist bedrückend, seine Zukunft gänzlich ungewiß. Es ist durchaus möglich, daß er das Gefängnis nicht mehr lebend verlassen wird.
Aus unserer sicheren, warmen und unbedrohten Lebenswelt könnten wir diese Perikope leicht als eine Verherrlichung des Jenseits und eine Abwertung des Diesseits lesen. Das gegenwärtige Leben des Paulus ist aber ein gequältes, eingeschränktes – ein Gefängnis um 55 n.Chr. ist kein Wellnes-Urlaub. Paulus muß sich mit der sehr realen Möglichkeit eines nahen Todes auseinandersetzen. Angesichts dieser Bedrohung ist keine Zeit für Smalltalk – in diesen Zeilen spürt Paulus der Essenz seines Lebens nach, was es ist, das ihn zuinnerst leben läßt. Hier findet er den Lebenssatz "Für mich ist Christus das Leben". Damit hat er den Dreh- und Angelpunkt gefunden, von dem aus er seinem Leben und Sterben neu und gelassener gegenüberstehen kann.
Die Gemeinde von Philippi hat Paulus auf seiner sog. zweiten Missionsreise gegründet. Mit ihr war er in einer sehr guten Beziehung, sodass er sich von ihr auch unterstützen ließ, was eine große Ausnahme war. Paulus hat den Philipperbrief aus einer Gefangenschaft geschrieben.
Die Gemeinde steht unter der Verfolgung, zu der es nach apokalyptischem Verständnis in der Endzeit kommen muß???
Paulus möchte zwar lieber die Gemeinschaft mit Christus im Tod, ist aber bereit, um der Philipper willen noch weiterzuleben, damit diese sich einzig am Evangelium Christi orientiere und Einheit und Liebe lebe.
2. Lesung (ungekürzte Fassung) - Phil 1,20-27
Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus
an die Gemeinde in Philíppi.
Schwestern und Brüder!
Ich erwarte und hoffe,
dass Christus verherrlicht werden wird in meinem Leibe,
ob ich lebe oder sterbe.
Denn für mich ist Christus das Leben
und Sterben Gewinn.
Wenn ich aber weiterleben soll,
bedeutet das für mich fruchtbares Wirken.
Was soll ich wählen?
Ich weiß es nicht.
Bedrängt werde ich von beiden Seiten:
Ich habe das Verlangen, aufzubrechen und bei Christus zu sein –
um wie viel besser wäre das!
Aber euretwegen
ist es notwendiger, dass ich am Leben bleibe.
Im Vertrauen darauf weiß ich,
dass ich bleiben und bei euch allen verbleiben werde,
um euch im Glauben zu fördern und zu erfreuen,
damit ihr euch in Christus Jesus umso mehr meiner rühmen könnt,
wenn ich wieder zu euch komme.
Vor allem:
Lebt als Gemeinde so,
wie es dem Evangelium Christi entspricht!
Ruf vor dem Evangelium - Apg 16,14b
Halleluja. Halleluja.
Herr, öffne uns das Herz,
dass wir auf die Worte deines Sohnes hören.
Halleluja.
Evangelium - Mt 20,1-16
Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus.
In jener Zeit
erzählte Jesus seinen Jüngern das folgende Gleichnis:
Mit dem Himmelreich
ist es wie mit einem Gutsbesitzer,
der früh am Morgen hinausging,
um Arbeiter für seinen Weinberg anzuwerben.
Er einigte sich mit den Arbeitern auf einen Denár für den Tag
und schickte sie in seinen Weinberg.
Um die dritte Stunde ging er wieder hinaus
und sah andere auf dem Markt stehen,
die keine Arbeit hatten.
Er sagte zu ihnen: Geht auch ihr in meinen Weinberg!
Ich werde euch geben, was recht ist.
Und sie gingen.
Um die sechste und um die neunte Stunde
ging der Gutsherr wieder hinaus
und machte es ebenso.
Als er um die elfte Stunde noch einmal hinausging,
traf er wieder einige, die dort standen.
Er sagte zu ihnen:
Was steht ihr hier den ganzen Tag untätig?
Sie antworteten: Niemand hat uns angeworben.
Da sagte er zu ihnen: Geht auch ihr in meinen Weinberg!
Als es nun Abend geworden war,
sagte der Besitzer des Weinbergs zu seinem Verwalter:
Ruf die Arbeiter und zahl ihnen den Lohn aus,
angefangen bei den Letzten,
bis hin zu den Ersten!
Da kamen die Männer,
die er um die elfte Stunde angeworben hatte,
und jeder erhielt einen Denár.
Als dann die Ersten kamen,
glaubten sie, mehr zu bekommen.
Aber auch sie erhielten einen Denár.
Als sie ihn erhielten, murrten sie über den Gutsherrn
und sagten: Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet
und du hast sie uns gleichgestellt.
Wir aber
haben die Last des Tages und die Hitze ertragen.
Da erwiderte er einem von ihnen:
Freund, dir geschieht kein Unrecht.
Hast du nicht einen Denár mit mir vereinbart?
Nimm dein Geld und geh!
Ich will dem Letzten ebenso viel geben wie dir.
Darf ich mit dem, was mir gehört,
nicht tun, was ich will?
Oder ist dein Auge böse,
weil ich gut bin?
So werden die Letzten Erste sein
und die Ersten Letzte.
Martin Stewen (2014)
Antonia Keßelring (2002)
Judith Putz (1999)
Die vorliegende Evangelienperikope fokussiert das gütige und barmherzige Handeln Gottes. Die scheinbar ungerechte Entlohnung des Weinbergbesitzers löst sich auf in der impliziten Zusage, dass alle Tagelöhner genug erhalten und niemand ums Überleben kämpfen muss.
Die Bedeutung dieser Aussageabsicht ist nicht sicher (Gnilka, Matthäus): Entweder stellt das Gleichnis eine Ermahnung an die Pharisäer dar, die Güte Gottes wie Jesus vorzuleben, der sich mit Zöllner und Sündern an einen Tisch setzt. Oder man sieht es als eine programmatische und grundsätzliche Rede über die Liebe Gottes an, die sich an die Ohren der Evangeliumshörer richtet.
Zusammenhang im Matthäusevangelium: Verkehrte Welt
Das Gleichnis in Mt 20 von den Arbeitern am Weinberg kommt in den Evangelien nur bei Matthäus vor. Solche "Extrazuckerln" enthalten oft ein Kernanliegen des Evangeliums. Es gibt noch einen weiteren Hinweis darauf, wie wichtig Matthäus die Botschaft des Gleichnisses ist: Der Schlusssatz – die "Moral von der Geschicht" – kommt fast wortwörtlich schon einmal im Evangelium vor, und zwar unmittelbar vor unserer Perikope in Mt 19,30: "Viele aber, die jetzt die Ersten sind, werden dann die Letzten sein, und die Letzten werden die Ersten sein." Wem gehört das Himmelreich, das neue Leben nach Jesu Art? Dieses Thema wird auf dem Weg Jesu nach Jerusalem hinauf, in dessen Zusammenhang das Gleichnis vorkommt, mehrfach variiert. Die Antworten und Beispiele Jesu, die wir um unser Gleichnis herum finden (Mt 19,13-20,28), stellen alle bisherigen Auffassungen auf den Kopf: Anteil an dieser gesegneten Gemeinschaft mit Gott und den Menschen haben auf jeden Fall die Kinder (die im alten Orient gar nichts galten) nur selten die Reichen (die – nicht nur im alten Orient – sehr viel gelten), nicht einmal die, die alle Gebote halten die, die um Jesu willen alles und alle verlassen haben aber auch unter ihnen sollen die Rangordnungen der Welt völlig auf den Kopf gestellt werden: "Wer bei euch der erste sein will, soll euer Sklave sein" (Mt 20,27), weil auch Jesus nicht anders gehandelt hat.
Warum Jesus Gleichnisse erzählt
In diese "verkehrte Welt" passt unser Gleichnis gut hinein. Denn gerade das ist die besondere Wirkung der Gleichnisse Jesu: Er lädt uns ein, sichere und "vernünftige" Verhaltensweisen beiseite zu lassen (die uns bisher nicht glücklich gemacht haben) und es einmal mit der "Unvernunft Jesu" zu versuchen: Mit Jesu Art, sich Gott gegenüber nicht "abzusichern", sondern einfach Vertrauen zu wagen.
Z.B.: Jesu Gleichnis vom Senfkorn holt uns aus einer "vernünftigen", aber verzagten und mutlosen Einstellung heraus. Er sagt uns damit: Natürlich kenne ich das Gefühl "von Nix kommt Nix" oder "von so etwas Kleinem erwarte ich mir lieber nicht zuviel". Schlechte Erfahrungen haben dich diese Vorsicht gelehrt. Aber mit dem Reich Gottes ist es ganz anders! Das hält sich nicht an die menschliche Vernunft. Denk an das Senfkorn: Da entsteht aus etwas Winzigkleinem etwas Riesiges. Versuch es doch mal mit Vertrauen! Wenn du dich darauf einlässt, dann erlebst du am eigenen Leib schon ein bisschen "Reich Gottes": Befreiung von deinem Misstrauen und deiner übertriebenen Vorsicht.
Es gibt wohl kein Gleichnis, das unserem Alltag, unserer buchhalterischen Vernunft, unserer Weltklugheit mehr zuwiderläuft, als unser Vorliegendes in Mt 20 von den Arbeitern im Weinberg. Darum ist es so "anstößig" im besten Sinne des Wortes: Es bringt unseren Alltagstrott zum Stolpern und schubst uns in eine neue Richtung – ein sehr heilsames Gleichnis.
Die Perikope von den Arbeitern im Weinberg bzw. besser vom guten Weinbergbesitzer ist Sondergut des Evangelisten Matthäus. Sie spielt im Rahmen des Evangeliums eine bedeutsame Rolle.
Das Gleichnis erzählt von einem Gutsherrn, der zur Erntezeit zu verschiedenen Stunden des Tages Arbeiter für seinen Weinberg sucht, aber nur mit den ersten den Tageslohn vereinbart: 1 Denar (reicht als Nahrung für 12 Personen).
Der gute Herr gibt den zuletzt angeworbenen Arbeitern denselben Lohn wie jenen von der ersten Stunde und verhilft ihnen so zur gleichen Lebensmöglichkeit.
Die Hörer sollen verstehen: So handelt Gott. Wahrscheinlich hat Jesus damit erklärt, warum er sich gerade um die Schwachen und die Sünder kümmert. Er will in seiner Botschaft und in seinem Verhalten den Menschen die unendliche Güte Gottes nahebringen gegenüber allen selbstgerechten Frommen, die sein Verhalten missbilligen.
Das Gleichnis vermittelt uns ein großartiges Gottesbild. Im Kern geht es hier nicht um Lohn - der Kontext des Spruches von den Ersten und Letzen muss bedacht werden, damit das Wesentliche der Botschaft zum Tragen kommt - sondern um die unerwartete Güte Gottes, der jedem Menschen eine Chance gibt, eben auch jenen mit schlechteren Startbedingungen.
Wieviel Himmel ist schon auf Erden möglich?
Alljährliches Ringen um gerechte Löhne
In diesen Tagen beginnen in unserem Land die Lohnverhandlungen der einzelnen Branchen. Es wird spannende und spannungsreiche Verhandlungsrunden geben. Die Arbeitnehmervertreter fordern verständlicherweise einen Ausgleich für die hohe Inflation, die Arbeitgeber stöhnen aber ebenso unter dem Einbruch der Wirtschaft infolge der Inflation usw. usw… Unter diesen Bedingungen Gerechtigkeit zu schaffen, ist eine große Herausforderung für die Sozialpartner, eine sprichwörtliche Quadratur des Kreises. Zur gleichen Zeit verhandeln Vertreter des Bundes, der Bundeländer und der Gemeinden um einen Schlüssel zur gerechten Aufteilung des Stuerkuchens…
Unter Fachleuten wird schon seit Jahren diskutiert, ob man diesem immer wiederkehrenden Tauziehen und Neuverhandeln nicht durch neue Modelle des sozialen Ausgleichs begegnen könnte, z.B. durch ein bedingungsloses Grundeinkommen. Dieser Weg wäre so neu, dass niemand die Folgen abschätzen kann und sich kein Staat über eine solche Lösung drübertraut.
Jesu Vision vom Himmelreich
Im Evangelium haben wir ein gewagtes Gleichnis Jesu gehört. Ein Weingutbesitzer zahlt allen Arbeitern den gleichen Lohn, gleich ob sie den ganzen Tag oder nur 1 Stunde gearbeitet haben. Alle bekommen den üblichen Lohn für einen ganzen Tag Arbeit. Verständlich, dass sich die, die sich den ganzen Tag abgerackert haben, über diese Ungerechtigkeit aufregen.
Ich bin überzeugt, dass Jesus dieses Gleichnis nicht erzählt hat, um damit einen neuen Lösungsvorschlag für den Arbeitsmarkt vorzustellen. Vielmehr stellt er mit diesem Gleichnis das Verdienst- und Lohndenken viel grundsätzlicher in Frage. Damals wie heute wird die Höhe des Lohnes nach Angebot und Nachfrage geregelt. Es gelten die Regeln der Marktwirtschaft. Dem modernen Staat kommt es zu, dass er für Bereiche wie Bildung, Wissenschaft, Pflege der Kranken und Erwerbsbehinderten und für den Lebensunterhalt der Älteren einen Ausgleich schafft. Die Frage nach dem gerechten und leistbaren Lohn sowie nach angemessenen Sozialleistungen und sonstigen Staatsausgaben muss damit immer neu diskutiert werden.
Jesus bedient sich eines rhetorischen Tricks, um die Diskussion um gerechten Lohn auf eine ganz andere Ebene zu heben. Er kleidet seinen Diskussionsbeitrag in ein Gleichnis, das er ins Himmelreich verlegt. Im Himmelreich wird mit der Frage der gerechten Verteilung der Lebensgüter ganz anders umgegangen werden. Da werden alle genug für ihren Lebensunterhalt zur Verfügung haben. Alle werden aber auch freiwillig das Ihre zum Lebensunterhalt beitragen, was sie beitragen können. Dieses Verteilungsmodell funktioniert, weil für alle genug da ist, alle ihren Beitrag leisten und alle Beteiligten nicht ständig besorgt sein müssen, genug zu bekommen.
Wieviel Himmel ist schon auf Erden möglich?
Noch leben wir auf der Erde. Alle Ideologien, die uns den Himmel auf Erden verheißen haben, sind bis jetzt gescheitert. Gescheitert sind auch jene, die dies mit einen religiösen Gottesstaat versucht haben. Gescheitert sind aber auch jene, die versucht haben, die Menschen auf ein besseres Jenseits zu vertrösten und sie damit betrogen haben.
Was bringt dann ein solches Gleichnis?
Es lädt uns ein, über unsere Lebensbedingungen und unsere Einstellung zu Besitz und Einkommen nachzudenken und einige für unumstößlich gehaltene Voraussetzungen in Frage zu stellen.
Das Gleichnis geht davon aus, dass für alle genug da ist. - Gilt das nicht schon für das Leben hier und jetzt auf dieser Erde?
Wenn wir verantwortungsvoll und nicht verschwenderisch mit unseren Ressourcen umgingen…
Wenn wir nicht durch Kriege, Besitzgier und Egoismen so viel davon vernichteten… Wir erleben das gegenwärtig durch einen Krieg, der uns alle mitbetrifft.
Wenn wir uns gemeinsam anstrengten, bessere Lösungen, z.B. für die Energiegewinnung, aber auch für die medizinische Versorgung und in vielen weiteren Bereichen zu entwickeln…
Stattdessen stecken wir unvorstellbare Summen in die Entwicklung neuer Waffensysteme…
Bleibt uns wirklich nur das Warten auf einen Himmel nach diesem Erdenleben? Jesus hat gepredigt: "Das Himmelreich ist nahe." (Mt 3,2 und Mt 4,17). Ich glaube nicht, dass er dabei nur an eine besseres Jenseits gedacht hat und die Leute ein wenig trösten wollte. Das Himmelreich ist vielmehr näher, als wir uns das zutrauen.
Ein Stück Himmel kann schon hier und jetzt beginnen, wenn wir unsere Lebenseinstellungen ändern, unsere Angst zu kurz zu kommen ablegen, uns nicht von Gier nach immer mehr treiben lassen, den Menschen, die mit uns auf dieser Erde leben, mehr Beachtung schenken, uns neue Ziele für die Zukunft setzen…
Um das Tauziehen um gerechte Löhne, Sozialausgaben und wirtschaftliche Entwicklung werden wir auch in Zukunft nicht herumkommen. Die Frage ist jedoch, mit welchen Einstellungen wir an diese Aufgaben herangehen. Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg lädt uns ein, über unsere Lebenseinstellungen nachzudenken und sie an der Botschaft vom nahen Himmelreich auszurichten.
Geschenk und Gnade, nicht Verhältnis und Vergleich
Gottes Wege sind nicht unsere Wege
Ein Arbeitgeber, der für eine Stunde Arbeit gleich viel Lohn bezahlt wie für die Arbeit eines ganzen Tages, würde in unserer Welt weder von den Berufskammern noch von der Gesellschaft und schon gar nicht von den Gewerkschaften akzeptiert werden. Er würde unser mühsam aufgebautes System völlig durcheinanderbringen.
Das heutige Evangelium hat aber auch nicht die Absicht unsere sozialen und arbeitsrechtlichen Strukturen einzugreifen. Es will uns durch die Darstellung Gottes als Weinbergbesitzer auf der Suche nach Arbeitern, die seinen Weinberg bestellen mit seiner speziellen Art von Belohnung bekannt machen.
Jesus ist wichtig, den Unterschied zwischen göttlicher und menschlicher Dimension aufzuzeigen. Denn wie der Prophet sagt: seine Wege sind nicht unsere Wege.
Während menschlicher Lohn immer nach mathematischer Ausgewogenheit strebt, soll Gottes Entlohnung jedem, der für ihn gearbeitet hat, ein gutes Leben ermöglichen. Sein Lohn ist immer Geschenk und Gnade, nicht Verhältnis und Vergleich.
Gott will gutes Leben für jeden Menschen
Der vereinbarte Lohn der ersten Arbeiter wurde in voller Einigkeit beschlossen und von den Arbeitern akzeptiert. Das heißt, es muss sich um einen Betrag gehandelt haben, der einem Menschen ein gutes Leben ermöglicht hat. Den ersten Arbeitern wurde alles gegeben was versprochen war. Sie erlitten kein Unrecht. Jedem Arbeiter, dem der Gutsherr auf Grund kürzerer Arbeitszeit weniger bezahlt hätte, wäre es nicht möglich gewesen, für seine Familie anständig zu sorgen. Vielleicht hätte das Geld für das Überleben gereicht, aber sicher nicht für ein gutes Leben. Gottes Ziel ist ein gutes Leben für jeden Menschen. Deshalb gleichen Lohn für alle. Warum ist das so wichtig?
Immer wieder hat Jesus das Thema Armut in den Mittelpunkt seiner Botschaft gestellt und die Menschen aufgefordert dafür zu sorgen, dass niemand so wenig hat, dass ihn die beständige Sorge „Wie kann ich es bewerkstelligen, dass meine Familie überleben kann“ plagt. Gründe dafür sind: Erstens können Armut und Not zum direkten Wegweiser in Kriminalität und Verbrechen werden, zweitens führt die Sorge ums nackte Überleben oft von der wichtigen Aufgabe, am Aufbau des Gottesreiches mitzuarbeiten, weg. Die Sorge um den Lebensunterhalt ist so vereinnahmend, dass sie alle für Reich Gottes nötigen Ideen und Anstrengungen blockiert.
Mitarbeit im Reich Gottes
Aber laut Paulus im heutigen Brief an die Philipper ist unsere biologische Existenz erst dann als Leben zu bezeichnen, wenn wir eine Verbindung zu Gott aufgebaut haben. Dass wir uns anheuern lassen, um im Weinberg Gottes mitzuarbeiten. Das meint nichts Geringeres, als am Aufbau seines Reiches in dieser Welt mitzuwirken.
Wie das konkret aussieht, hat Jesus uns vorgelebt und zur Nachahmung empfohlen. Jede Mitarbeit am großen Auftrag Gottes: in der Welt seine Herrschaft anzuerkennen und auf seine Liebe und Gerechtigkeit zu bauen, hat auch für uns äußerst positive Auswirkungen. Sie verhilft uns zu einem kritischen Umgang mit allen Pseudoerlösern die sich auf dieser Welt herumtreiben. Sie bewahrt uns davor, in bedrohlichen individuellen und gesellschaftlichen Lebenssituationen auf verführerische Einfachlösungen zu setzen und so in Abhängigkeiten zu schlittern. Daraus resultiert ein Gefühl von Freiheit und gleichzeitiger Geborgenheit, die durch nichts anderes bewirkt werden kann.
Gott schenkt uns Freiheit, Fülle und ewiges Leben, ganz unabhängig von der Zeit, die wir in seinem Weinberg arbeiten. Wichtig ist ihm nur, dass wir anheuern. Alle bekommen den gleichen Lohn, das ewige Leben in seinem Reich. Fatal wäre nur, wenn wir den Zeitpunkt versäumen, an dem ein Anheuern noch möglich ist.
Arbeiter im Weinberg – wie wir!
Ist das gerecht?
In verschiedenen Altersstufen durchleben wir auch verschiedene Entwicklungsstufen des Glaubens, hat der deutsche Theologe Bernardin Schellenberger u.a. anhand des Gleichnisses von den „Arbeitern im Weinberg“ (Mt 20,1–16) ausgeführt.
Dass alle Arbeiter, egal zu welcher Stunde sie angeworben wurden, am Ende dasselbe erhalten, sorgt bei vielen für Kopfschütteln. Ist das gerecht? „Gott geht auf die Menschen zu“, meinte eine Fünfzigjährige, „so, wie der Mann immer auf den Marktplatz gegangen ist“ (vgl. Schellenberger, Aufstieg in die Weite, Kevelaer 2015, S. 81ff).
Gott gibt den Menschen nicht auf
Gott gibt die Menschen nicht auf. Er ruft sie auf verschiedenste Weise dazu auf, in seinem Sinne aktiv zu werden. Der Weinbergbesitzer ruft noch zur elften Stunde Arbeiter zu sich, als das Tagwerk fast getan ist (Mt 20,6). Bei einem 12-Stunden-Arbeitstag zur Zeit der Weinlese, von 6 bis 18 Uhr, wäre das erst gegen 17 Uhr!
Am Schluss wird keiner mit weniger Lohn abgespeist. Der Gutsbesitzer schließt die Einkommensschere und ermöglicht jedem Arbeiter dasselbe Grundeinkommen. Einen Denar hat damals eine Kleinfamilie, die keine großen Ansprüche hatte, an einem Tag zum Leben gebraucht. Gut, ein Porsche war nicht drinnen, aber der war damals eh noch nicht erfunden.
Was es damals jedoch schon gab, war das neidvolle Hinüberschielen (Mt 20,15), um zu schauen, ob ein anderer nur ja nicht mehr vom Kuchen bekommen hat. Das ist bis heute so: Nichts lässt den Wert eines Autos schneller sinken, als wenn sich der Nachbar ein neues kauft. Im Gleichnis beruhigte der Weingartenbesitzer die murrenden Arbeiter: „Bleibt’s cool. Ihr habt’s doch alle den ausgemachten Lohn erhalten!“ (frei nach Mt 20,13).
Gnade vor Recht
Wie Gott andere in seiner Güte entlohnt, das ist seine Entscheidung. Er nimmt uns auch dann noch an, wenn wir sehr spät im Leben zu ihm finden. Sobald ich mit klopfendem Herzen bei ihm anklopfe, öffnet er mir und lässt mich eben nicht im Regen stehen. Jeder ist ihm gleichviel lieb und wert.
Am Ende des Gleichnisses von den Arbeitern im Weinberg steht: „Die Letzten werden die Ersten sein und die Ersten die Letzten“ (Mt 20,16). Unsere menschliche Auffassung von Wertigkeit wird im Reich Gottes zuweilen geradezu auf den Kopf gestellt. Es ist ein wenig wie beim Wandern oder Wallfahrten. Wenn wir uns auf den Weg machen, gehen einige schnellen Schritts voran und andere kommen kaum nach. Wenn sich aber herausstellt, dass wir falsch abgebogen sind, und zurückgehen müssen, befinden sich jene, die bislang mit Mühe hinterhergehechelt sind, plötzlich in der Pole Position. „Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ hat Jesus gleich zu Beginn seines öffentlichen Wirkens gerufen (Mk 1,15). Denn in der zukünftigen Welt gibt es eine kräftige Umkehr bestehender Verhältnisse. Zugleich durchbricht Gottes Gnade jegliche schicksalsbestimmende Tat. Gott ist kein Erbsenzähler, sondern er lässt Gnade vor Recht ergehen.
© Diakon Oliver Meidl, Wien-Inzersdorf. diakon(at)eni.wien.
Kann Barmherzigkeit gerecht sein?
Im Stundentakt
Früh am Morgen gehen die Ersten in den Weinberg. 6 Uhr in der Früh. Es wird ein harter, langer Tag. Mittagshitze eingeschlossen. Am Abend sind die Gaumen trocken, die Hände tun weh. Dann das! Gleicher Lohn für alle! Es lässt sich nicht verheimlichen: Sozusagen im Dreistundentakt trudeln die Neuen ein. Um 9 Uhr, 12 Uhr, 15 Uhr – und tatsächlich auch noch um 17 Uhr. Eine Stunde, bevor der Tag zu Ende geht. Lakonisch heißt es nur:
Als es nun Abend geworden war,
sagte der Besitzer des Weinbergs zu seinem Verwalter:
Ruf die Arbeiter und zahl ihnen den Lohn aus,
angefangen bei den Letzten, bis hin zu den Ersten!
Wie fühlen sie sich jetzt? Sie kennen die Geschichte? Und lieben Sie sie? Sollen wir mal Arbeitgeber und Gewerkschafter fragen? Die Zeitung auf die Spur bringen? „Dicke Luft im Weinberg“ darüber schreiben?
Das Thema ist virulent. Die Stichworte verlaufen wie Farben auf dem Papier: gerechter Lohn, Mindestlohn, Abstand zwischen Lohn und Sozialhilfe, Schere zwischen Arm und Reich und und und… Als hätte es die Zeitung in dieser Woche geahnt, gut platziert mit der Schlagzeile:
„Lohnunterschiede: Was heißt hier gerecht?“ Und das Bild dazu, plakativ: „Ich bin mehr wert.“ (FAZ 14.09.2020). Auch wenn wir jetzt nicht diskutieren können: die Geschichte, die in einem Weinberg spielt, bringt uns auf neue Gedanken. Verträgt Gerechtigkeit Barmherzigkeit? Kann Barmherzigkeit gerecht sein?
Die Offenbarung am Abend
Mit großen Worten können wir Menschen nicht gut leben. Aber mit Geschichten! Die Geschichte heute spielt auf einem Markt, auf einem Arbeitsmarkt. Hier gibt es ein Angebot – und hier gibt es eine Nachfrage. Hier versammeln sich schon in der Früh Menschen, um angeheuert zu werden. Wer Glück hat, findet sofort einen Job – wer Pech, geht leer aus. Jeden Tag das gleiche Spiel. Jeden Tag die Unsicherheit. Jeden Tag die Sorge um das tägliche Brot. Die Menschen, von denen Jesus erzählt, stehen den ganzen Tag bereit. Gespannt und voller Hoffnung. Neugierig und geduldig. Trotzig und unbeirrt. Jetzt, jetzt muss es doch Arbeit für mich geben! Die Männer denken an ihre Frauen und Kinder. Wie lange reicht ein Tageslohn? Bis morgen, übermorgen, überübermorgen? Was ist, wenn ältere oder nicht mehr so gesunde Menschen überhaupt keine Chance bekommen? Sie bieten sich auf dem Markt an, als wären sie eine Ware - aber der Markt kennt weder Gerechtigkeit noch Barmherzigkeit. Hier hausen die Sehnsucht, die Hoffnung, aber auch die Sorge, die Angst, die Enttäuschung. So viel Zeit zum Nachdenken, zum Fluchen und zur Lethargie! Die Mittagshitze ist schrecklich.
Einzelschicksale, Namen und Familiengeschichten kennen wir nicht – oder doch? Wenn vielleicht auch anders, moderner? Dann die Offenbarung am Abend: Die, die noch vor Toresschluss in den Weinberg kamen, bekommen einen vollen Lohn. Sogar als Erste! Jetzt gibt es nur noch große Augen. Neid und Wut blinzeln auf. Auflösen lassen sich die vielen Geschichten am Abend nicht. Gibt’s ein Geheimnis, das wir nicht kennen? Aber kennen sollten?
Himmelreich am Tag
Im Vorspann zu dieser abenteuerlichen Geschichte ist von einem Gleichnis die Rede, von einem Gleichnis für das Himmelreich, für das Reich Gottes, für die neue Welt Gottes. Aber: das Gleichnis spielt in einem Weinberg! Wer die alten Geschichten kennt, weiß, dass der Weinberg als eine wunderschöne Pflanzung Gottes gilt. Liebevoll legt er ihn an – mit Brunnen, Mauern und Wegen. Es gibt dazu sogar ein Lied – das Weinberglied. Wollen Sie es nachlesen? Jesaja 5!
Die Geschichte, die Jesus erzählt, um die Welt Gottes auch als Maßstab vorzustellen, als Bild einer Zukunft für alle Menschen, leuchtet in einer Frage auf: Was steht ihr hier den ganzen Tag untätig? Wie verliert ihr euer Leben? Wie vertut ihr euer Leben?
Sie antworteten: Niemand hat uns angeworben.
Da sagte er zu ihnen: Geht auch ihr in meinen Weinberg!
In der 11. Stunde – so heißt es im Evangelium – finden Menschen noch ihren Weg, gehen Hoffnungen in Erfüllung, ist das Warten nicht umsonst. Sie werden aufgenommen. Sie werden gebraucht. Warum der Weinbergbesitzer sie nicht gleich in Arbeit und Brot gesteckt hat? Das ist sein Geheimnis – um alle unsere Werte noch einmal neu zu besehen und abzuwägen? Mitten in der Frage nach Gerechtigkeit leuchtet die nach Barmherzigkeit auf. Dass Jesus in einem Gleichnis vom Himmelreich zählt und rechnet, war von Anfang an nicht zu erwarten. Und das ist befreiend – ein Lichtblick. Ein Lichtblick in einer Welt, die mit Gerechtigkeit kämpft und ständig neue Ungerechtigkeiten schafft.
Stunde um Stunde
Es ist ganz schön beschwerlich, die vielen Aspekte unter einen Hut zu bekommen. Ich ertappe mich dabei, mich auf die Seite der Gerechtigkeit zu schlagen – auch im Blick auf Menschen, die nicht gerecht behandelt werden. Die Frage nach gerechten Löhnen, überhaupt nach gerechten Arbeitsbedingungen, ist unübersichtlich, heftig umstritten, ständig in Zerreißproben. Die Kirche hängt da mitten drin. Ich sehe das Bild aus der Zeitung vor mir: „Ich bin mehr wert.“
Für viele Menschen wacht am Morgen die Sorge mit ihnen auf. Schon wieder ist sie da. Am Abend geht sie mit ihnen schlafen. Jesus erzählt in seinem Gleichnis zwar eine Geschichte, die uns fremdartig, vielleicht sogar befremdlich, erscheint, aber sie bringt die Barmherzigkeit ins Spiel und öffnet der Gerechtigkeit neue Seiten. Ich sehe wieder das Bild aus der Zeitung: „Ich bin mehr wert.“
Die Barmherzigkeit wächst im Dreistundentakt: um 6, um 9, um 12, um 15, um 17 Uhr. Sie wächst über den ganzen Tag und offenbart sich am Abend.
Gelesen haben wir das auch:
Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken
und eure Wege sind nicht meine Wege – Spruch des Herrn.
So hoch der Himmel über der Erde ist,
so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege
und meine Gedanken über eure Gedanken.
Das überrascht mich heute schon!
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.
"Eure Wege sind nicht meine Wege"
Ein Fall für die Gewerkschaft?
Wer dieses Gleichnis liest ohne genauere Bibelkenntnis, aber sehr fest verankert auf dem Boden der Realität steht, wird möglicherweise feststellen: Ein Fall für Sozialpartner wie Gewerkschaft und Arbeiterkammer. Bekanntlich sind in unserer Leistungsgesellschaft Kollektivverträge genau einzuhalten.
Ist dieses Gleichnis überhaupt für unser Glaubensleben tauglich, wenn behauptet wird, Gleichnisse seien das „Urgestein unseres Glaubens“? Diese Textstelle finden wir nur bei Matthäus, wie die Wissenschaft sagt als Sondergut.
Wahrscheinlich spielt es um die Zeit der Traubenernte, wo die reifen Trauben möglichst rasch abgeschnitten und verarbeitet werden sollen. Bereits der erste Satz lässt aufhorchen: „Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Gutsbesitzer, der früh am Morgen hinausging, um Arbeiter für seinen Weinberg anzuwerben.“ (Mt 20,1). Gleichnisse sollen veranschaulichen, indem sie bildhaft den Glauben weitergeben. Dabei werden wir zunächst in eine sehr harte, anstrengende Arbeitswelt eingeführt. Genauso herausfordernd ist sehr oft auch das (Glaubens)leben. Da werden Ungerechtigkeiten bis in die Entlohnung hinein sichtbar.
Der Weinberg als das unvollendete Reich Gottes, Arbeitsfeld Gottes und der Menschen, es soll hin zum Himmelreich, der unendlichen Liebe des Glücks führen. Die Sehnsucht nach dem Ganzen, nach der heilen Welt ist wohl das Himmelreich, wo alles vollendet wird, was hier unvollständig bleibt. Wie soll das aber vor sich gehen, wenn die Menschen unterschiedlich lange arbeiten? Wie ist es erklärbar für ganz kurze, aber auch lange Arbeitszeit denselben Lohn zu erhalten?
Gott tritt immer wieder in unser Leben
Vielleicht können die Zeitangaben der 3., 6., 9. und 11. Stunde hilfreich sein, ansatzweise zu erklären, wie diese irdischen Ungerechtigkeiten bis hin zur Bezahlung des Lohnes ausgeglichen werden. Gott ist der große Chefplaner unseres Lebens, aber er will nichts tun ohne das Ja des Menschen. Dazu gehören auch Glaube und Vertrauen als aktives Mittun des Menschen, weil er ja unter der Freiheit und Liebe Gottes steht. Manche schlendern aber gleichgültig an Gott vorbei, oberflächlich und brauchen sehr lange bis sie den richtigen Weg finden. Auffallend in diesem Gleichnis: der Gutsherr kommt immer wieder um die dritte, sechste, neunte und elfte Stunde, um nachzuschauen und Mitarbeiter zu gewinnen. Das heißt doch: Gott als der Gutsherr wird immer wieder sichtbar im Labyrinth unseres Lebens. Er macht sich bemerkbar, wenn er sich durch einschneidende Lebensereignisse zeigt, wenn wir an manchen unserer Pläne nicht festhalten können, wenn er sich durch leise Anregungen bemerkbar macht, etwa durch eine gute Idee, die aufzuleuchten beginnt.
Umwege
Manche der Arbeiter kommen schon früher dahinter, worum es geht, manche etwas später und andere sogar sehr spät.
Das Gleichnis lehrt aber auch, dass Umwege keine verlorene Zeit sind, das Ziel zu erreichen, ja dass die Liebe Gottes als Geschenk auch in der letzten Lebensphase zugänglich ist und angenommen werden kann.
„Darf ich mit dem, was mir gehört, nicht tun, was ich will? Oder bist du neidisch, weil ich zu anderen gütig bin?“ (Mt 20,15). Wir vergleichen sehr gerne Lebensschicksale, Gesundheitszustand, Ausbildungsmöglichkeit, Lebensstandard untereinander, was da und dort auch Wut, zynische Bemerkungen auslöst. „Da streiten sich die Leut' herum oft um den Wert des Glücks“ (Hobellied aus Ferdinand Raimunds „Der Verschwender“). Glück ist zu verstehen als Ordnung in der Seele, als Zufriedenheit, innere Ausgeglichenheit.
„Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege- Spruch des HERRN“ (Jes.55,8). Manchmal kann man nur „Gott sei Dank!“ sagen, dass Gott anders denkt. Wer sich von Jesus in den Dienst nehmen lässt, erhält seine Liebe und auch seinen Lohn, der bei Weitem einen Denar Entlohnung übersteigt.
SchöpfungsZeit 2020 - 25. Sonntag im Jahreskreis A
"SchöpfungsZeit 2020 - 25. Sonntag im Lesejahr A in der Liturgie der Römisch-katholischen Kirche" - als PDF herunterladen
Mehr Information zur SchöpfungsZeit und zum Verein oeku Kirche und Umwelt finden Sie unter folgendem Link:
https://www.oeku.ch/de/schoepfungszeit.php
Ökonomisches Manifest
Jesus-Partei
Heute wird in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt. An Laternenpfählen, Bäumen und auf Plakaten werden die tollkühnsten, langweiligsten und nichtssagendsten Parolen ausgehängt, mal mit, mal ohne den dazu gehörenden Gesichtern. Ich mag das nicht alles aufzählen. Fürchte auch, nicht gerecht zu sein.
Aber stellt euch vor: Ein Slogan, ein wenig versteckt, taucht auf: „Die Letzten werden die Ersten sein“. Und darunter: Jesus-Partei. Gewöhnungsbedürftig? Fremdartig? Unmöglich? Aber beim Wort genommen, ist das schon eine umwerfende Aussage. Meinetwegen aber auch die alte. Wir sehen, dass Gott eine eigene Sicht auf seine Schöpfung hat. Wir können dazu Bilder, Geschichten, Parolen finden – ein (Ideen)Wettbewerb, sozusagen. Wir nehmen alles noch einmal in die Hand, was wir kennen, verdrängen oder glorifizieren, wir wägen ab, was sich bei uns einnistet oder einschmeichelt, wir zeichnen neu aus, was wir abschreiben oder längst verloren gegeben haben. Seien es Erfahrungen, seien es Menschen.
Jesus-Partei – das gefällt mir. Der Name drückt aus, dass Jesus Partei ergreift. Im besten Sinn des Wortes - parteiisch. Und dass wir Partei ergreifen. Auch im besten Sinn - parteiisch. Parteigänger, eben. Jesus hat sich entschieden. Für uns. Für die Menschen. Für die Welt. Es gilt, sich zu ihm zu bekennen!
Erste und Letzte
Nehmen wir das Evangelium! So provokant und herausfordernd ist uns schon lange kein Evangelium über den Weg gelaufen! Stellt euch vor: die, die zuletzt in den Weinberg gehen, bekommen denselben Lohn wie die, die vom frühen Morgen an sogar in der Mittagshitze geschuftet haben. Körperlich. Einen ganzen Tag. Dass im Laufe des Tages immer wieder neue Tagelöhner dazu kommen, erhöht die Spannung nur. Am Ende schreit – in den Augen der Leute – die Ungerechtigkeit. Selbst den „Letzten“ wird mulmig zu Mute gewesen sein. Ich sehe das schlechte Gewissen schon auf ihren Gesichtern. Doch in der Geschichte Jesu kommen, merkwürdig genug, nur die – Ersten vor. Von ihnen heißt es: „Da begannen sie, über den Gutsherrn zu murren, und sagten: Diese letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, und du hast sie uns gleichgestellt; wir aber haben den ganzen Tag über die Last der Arbeit und die Hitze ertragen.“ Originalton. Hier die Ersten – dort die Letzten. Wie hört sich Murren eigentlich an?
Keine gute Geschichte für Gewerkschafter, Arbeitsmarktforscher und Wirtschaftspolitiker. Von uns käme keiner auf die Idee, eine solche Geschichte zu erzählen – oder wenn, dann als Karikatur, als Persiflage, als Kabarett. Auch nach der kath. Soziallehre, nach den ökumenischen Stellungnahmen zu einer gerechten Wirtschaft, nach Predigten von Papst Franziskus ist gerechte Entlohnung ein so großes Thema, dass die vielen Ungerechtigkeiten, die es nach wie vor weltweit gibt, immer wieder neu ausgeleuchtet werden. Ist Jesus noch bei Verstand? Oder verstehen wir ihn nur nicht? Dass die Letzten die Ersten sein werden, wollen wir nicht glauben. Können wir nicht glauben. Vielleicht auch, weil wir – gefühlt, berechnend oder mit Statussymbolen unterstrichen – natürlich die Ersten sind? Und zu bleiben gedenken? Nicht unwichtig: Jesus erzählt eine Geschichte von Ersten. Für Erste.
Selbst wenn ich mich nicht dazu rechne - ratlos bin ich trotzdem. Was mache ich jetzt?
Auf dem Markt
Schauen wir auf den Anfang, wird uns eine Geschichte angekündigt, die auf einem Markt spielen wird. Einen Arbeitsmarkt. Tatsächlich. Damals tummelten sich da die Menschen, genauer, die Männer, die für den Tag Arbeit und Brot für ihre Familien suchten. Feste Anstellungen mit Tarifvertrag, betrieblicher Altersversorgung und Rechtsschutz waren noch nicht erfunden, auch noch nicht erkämpft. Selbst die Generation Praktikum war noch nicht gesichtet. Das Modell hier heißt: Tagelöhner. Die einen werden genommen, die anderen nicht. Die einen hatten einen ganzen Tag zu tun, die anderen kamen nur auf ein, zwei Stunden. Zu Hause warten Frauen und Kinder. Man lebte von einem Tag zum anderen. Perspektive für die Zukunft? Ungewiss. Am besten, du denkst nicht groß nach. Das Spiel wird jeden Tag gespielt. Jeden Tag Hoffnung, jeden Tag Enttäuschung. Heute Lohn, morgen nichts. Ich sehe sie auf dem Markt, die Tagelöhner. Wer warten muss, wer nicht gleich dran kommt, lungert notfalls den ganzen Tag herum, muss aber präsent sein. Dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Und warten. Wer geht, hat keine Chance. Verfluchtes Leben.
Ich muss jetzt nicht erzählen, dass es bis heute Tagelöhner gibt, die eine Wegwerfgesellschaft im Kleinen sind. Die auf Baustellen und in Erntezeiten missbraucht werden. Die für einen Apfel und Ei arbeiten. Die nicht wohnen, die nur hausen. Möglichst versteckt. Den Reibach machen andere. Die fahren mit Stern vor den Augen. Vielleicht schaffen sie es sogar, als Unternehmer einen Preis zu bekommen. Schlimmstenfalls haben sie mit einem Verfahren zu rechnen. Gute Anwälte sind dann ihr Geld wert. Es ist klar, wer Erste sind und wer Letzte. Entschuldigung. Das Letzte.
Und Jesus erzählt eine Geschichte davon. Mit Protagonisten, die wir eigentlich kennen. Ein Markt ist immer ergiebig für Geschichten. Die Menschen erzählen viel. Sie klagen. Sie spielen. Sie schlagen die Zeit tot. Sie sind müde. Selbst, wenn sie den ganzen Tag nichts machen konnten. Eine bleierne Stimmung liegt über dem Markt. Wer ist hier Gewinner? Wer Verlierer?- In der Geschichte Jesu werden die Letzten Gewinner – und die Ersten!! Wirklich, beide! Die Letzten, weil sie für diesen Tag ein volles, gelungenes Leben haben. Die Ersten, weil auch sie ein volles, gelungenes Leben haben. Weil sie alle satt werden. Auch die, die nicht jeden Tag satt werden. An einem Tag – mehr muss es jetzt nicht sein – haben alle, was ihnen ein Tag gewähren kann. Der Tag wird zu einer Chiffre des gelungenen und satten Lebens. Haben die Ersten, die murren, nicht die Hoffnung, dass ihnen morgen auch der volle Lohn gezahlt wird, wenn sie die Letzten wären? Warum murren sie heute? Am Abend eines Tages? Ein Tag lässt sich nicht abrechnen, die Woche nicht, das Leben nicht. Jesus lehrt uns beten: Unser tägliches Brot gib uns heute. Was in der Geschichte so ärgerlich und unbequem ist, wird zu einer Begegnung in einer neuen Welt. Bei Lichte betrachtet: Klüger kann eine Geschichte nicht sein, die Tagelöhnern ein erfülltes Leben verspricht. Und weitsichtiger kann eine Geschichte nicht sein, die von einem Tag erzählt, der für alle Tage steht. Darum erzählt Jesus ein Gleichnis. Ein Gleichnis vom Himmelreich. Mit dem Reich Gottes ist es so … Mit dem Reich Gottes verhält es sich so … Mit dem Reich Gottes wirst du …
Ökonomisches Manifest
Je länger ich mich in dieser Geschichte tummle, umso schöner wird sie mir. Natürlich erzählt sie von der Güte und Weitsicht Gottes. Ich kann sie auch erbaulich und fromm nacherzählen. In höchsten Tönen. Aber sie erzählt dann doch auch davon, dass nach Gottes Willen jeder Mensch jeden Tag gut leben kann. Was mehr ist, als nur über die Runden zu kommen. Der Tag steht für erfülltes Leben. Für Glück.
Über die Schere von arm und reich zu reden, heben uns für ein andermal auf, aber dass Menschen, bewusst in Kauf genommen, abgehängt werden und abgehängt bleiben, Füllmasse und Abfallprodukte in einer durchaus reichen Welt, wird uns in diesem Evangelium offengelegt. Vor die Füße gelegt. Offenbart.
Wir sehen Menschen, die in der Verkleinerungs- oder Verniedlichungsform „Flüchtlinge“ genannt werden und auf unseren Arbeitsmärkten oft auch keinen besseren Status haben als die Tagelöhner einst. Sie möchten sich einbringen (sprich: integrieren), dürfen aber nicht. Paragraph sowieso.
Wir sehen Menschen, die auf den Arbeitsmärkten nicht mehr vermittelbar sind, weil sie psychisch labil oder nicht belastbar sind - und auch nicht mehr an sich glauben.
Wir sehen auch Menschen, die nie gelernt haben, für sich und andere Verantwortung zu übernehmen, die Zeit und Leben verplempern.
Viele Geschichten, die im Evangelium einen Platz finden.
Die Güte und Weitsicht Gotteswird uns anvertraut und zum Maß gemacht. Genau genommen ist die Geschichte, die Jesus erzählt, ein ökonomisches Manifest. Es geht um Lebensbedingungen – und um Gerechtigkeit. Um Gerechtigkeit auch für die, die keine Chance haben, Erste zu werden. Oder Erste zu bleiben. Es gibt die Letzten. Es gibt auch die letzten Plätze. Die letzten Gelegenheiten. Was gerecht ist? Gerechter Lohn? Mir geht heute auf: was ich als gerecht ansehe, kann in hohem Maße ungerecht sein. Jeder Mensch hat seine eigene Geschichte. Jeder Mensch braucht auch seine Gerechtigkeit. Seinen Fürsprecher. Seinen Tag! Am Abend soll nicht der Hunger stehen. Oder das misslungene Leben. Oder die Bitterkeit, wieder versagt zu haben. Dass Jesus den Tagelöhnern ein Denkmal setzt, ist auch im Evangelium einmalig – liegt aber ganz auf seiner Linie. In seiner Bergpredigt sagt Jesus: „Sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat“ (Mt. 6,34).
Letzte Sätze
Lassen wir die letzten Sätze der beiden Lesungen und des Evangeliums noch einmal Revue passieren: Der Prophet Jesaja: „So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken.“ Paulus in seinem Brief nach Philippi: „Vor allem: lebt als Gemeinde so, wie es dem Evangelium Christi entspricht.“
Und dann Jesus: „So werden die Letzten die Ersten sein.“
Letzte Sätze klingen nach Vermächtnis. Wie letzter Wille. Oder einfach: so ist es. Das ergibt an diesem Sonntag ein illustres Bild. Ganz nach Gottes Art. Wie er sich die Welt vorstellt, die er geschaffen hat und immer neu schafft. Ein Slogan, ein wenig versteckt, taucht auf: „Die Letzten werden die Ersten sein“. Und darunter: Jesus-Partei. Zu ihr gehöre ich doch, sage ich mir. Und es ist ein toller Gedanke. Es muss doch nicht alles so bleiben, wie es ist – oder?
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.
„Bist Du neidisch, weil ich zu anderen gütig bin?“ - Eine harte Nuss für uns gefühlte Leistungsträger...
Wo bleibt da die Gerechtigkeit?
Immer wieder mal stößt man auf Stellen in der Bibel, die es einem/einer schwer machen, das so einfach zu schlucken. Gut so, möchte man sagen - eine Chance sich daran zu reiben, sich daran abzuarbeiten, in der Hoffnung auf ein Stück Erkenntnisgewinn; so auch an diesem Sonntag mit diesem Evangelium.
Hand aufs Herz: Wen von uns irritiert das denn nicht: Da arbeitet einer den ganzen Tag in der Hitze im Weinberg und am Ende des Tages bekommt er gleich viel raus wie der andere, der eine Stunde am späten Nachmittag engagiert war. Das stößt doch auf - wird da doch gefühlt extrem ungerecht vorgegangen. Das wurmt einen doch, wenn man diese Geschichte hört...
Also eine harte Nuss für uns. Nebenbei: Wenn wir so fühlen und denken, identifizieren wir uns unwillkürlich mit denen, die bereits am frühen Morgen ans Werk gegangen sind. Wir stehen auf Seite derer, die viel gearbeitet haben. Würden wir uns in die Fußstapfen derer stellen, die erst am Nachmittag gearbeitet haben, wäre es für uns vielleicht weniger schwierig. Wir wären dann eventuell überrascht, würden uns freuen über dieses unvermutete Ende. Der Besitzer hat uns das gegeben, was in seinen Augen recht ist.
Gerechter Lohn
Was ist recht für die Arbeit? Nun, ein Denar - diese römische Münze - das hat damals gereicht, um einer Kleinfamilie die Existenz für einen Tag zu sichern. Mit einem Denar hat es gerade gereicht, um Frau und Kinder für einen Tag zu versorgen. Morgen aber, da muss man aufs Neue sein Glück versuchen, an der Straße stehen und warten, dass hoffentlich einer kommt der Arbeit gibt. In unzähligen Ländern der Welt ist das heute noch so: keine geregelte Festanstellung, kein sicheres Einkommen, sondern Tag für Tag aufs Neue warten und hoffen, dass es am Ende des Tages reicht.
Nun, man könnte meinen, der Gutsbesitzer denkt da sehr sozial - er schaut auf die Bedürftigkeit der eingestellten Leute. Und wie auch im Text erwähnt: „Niemand hat uns angeworben“, sagen die, die um die 11. Stunde engagiert werden. Es lag nicht an ihnen, dass sie nicht früher angeworben wurden - sie haben sich auf dem Arbeits-Markt angeboten.
Neid spaltet
Was es schwer macht für die zuerst Eingestellten, das ist der Neid. Sie neiden den später Gekommenen das Existenzminimum für den Tag. Wohlgemerkt: Würde der Gutsbesitzer denen z.B. nur einen Vierteldenar geben, dann hätten sie wohl kein Problem. Ihr Denar als Lohn bliebe ja gleich - so wurde es vereinbart mit dem Gutsbesitzer. Aber dass die anderen auch so viel kriegen - das wurmt, das verleidet einem das Eigene. Der Neid, er wirkt...
Der Sozialexperte Martin Schenk weist darauf hin, was der Neid tut: er spaltet - er macht aus einem Wir ein Ich gegen Dich. In Österreich ist aus den letzten Monaten wohl die Debatte erinnerlich, dass man anerkannten Flüchtlingen die Sozialleistungen kürzen muss. Ihnen stünde nicht so viel zu, wie den Einheimischen. Und in einigen Bundesländern wurde das ja auch schon umgesetzt. Es stand nicht die Frage im Vordergrund: was braucht wer zum Überleben, was braucht wer in seiner Bedürftigkeit?
Neid ist ein Freund der Mächtigen
Nein, der Neid stand im Vordergrund. Und damit hat die Politik gespaltet. Es wurde nicht diskutiert: wie geht es den BezieherInnen von Mindestsicherung allgemein - was wäre hier zu verbessern? Nein, es wurde gesagt: Wieviel könnten wir „denen“ kürzen? Und klammheimlich hat man zugleich auch gekürzt bei kinderreichen Familien, bei Alleinerziehenden, bei pflegenden Angehörigen. Und zwar ungeachtet der Herkunft! Neid spaltet, Neid ist ein Freund der Mächtigen, die ihre eigene Agenda verwirklichen wollen.
Neid ist ein Gefühl, das sich auf die Menschen in meiner Nähe, in meinem Umfeld bezieht. Auch damals gab es Einkommen von mehreren Hundert Denaren im Jahr bei hochrangigen Funktionären des Systems. Aber den Neid, den haben die Arbeiter auf die Ihresgleichen. So auch heute: Der Neid trifft z.B. die Geflüchteten, denen man ihre kärgliche Versorgung neidet. Nicht aber neidet man dem Multimillionär mit seinem in Steueroasen geparkten Vermögen - das ist bestenfalls ein flüchtiges Gefühl. Aber der Geflüchtete neben mir mit seiner Mindestsicherung - das kann mich zur Weißglut treiben. Siehe dazu auch die diversen Vorwürfe in den Untiefen des Internets. Daraus lässt sich vortrefflich politisches Kleingeld machen.
Gefühlte Verbesserung
Und es geht weniger darum, dass ich dann mehr habe - nein, Hauptsache der andere hat weniger - erst dann geht es mir besser. So argumentieren ja auch viele politische VertreterInnen: Mit dem Hinweis auf die Kürzung der Mindestsicherung wird gleichzeitig verkündet, dass nun wieder mehr „Leistungsgerechtigkeit“ herrsche. Eigentlich verrückt: Man hat in einem Bereich gezielt verschlechtert, ansonsten hat sich nichts geändert. Aber „gefühlt“ ist es nun eine Verbesserung, von der aber kein Mensch in Wirklichkeit etwas hat.
So hätten es sich vielleicht auch die Arbeiter im Gleichnis gewünscht: Hauptsache die anderen müssen mit weniger auskommen; dann, ja dann erst kann ich meins genießen. Ansonsten ist es mir vergällt.
Kein Leistungsdruck im Himmelreich
Nun, Jesus zielt mit diesem Gleichnis wohl keine sozialpolitische Diskussion an - wiewohl der Gedanke, dass alle zumindest das für den Tag Notwendige bekommen sollten, weiterhin gültig ist (und die ArbeiterInnen im Gleichnis wollen ja auch was tun!). Aber Jesus weiß doch sehr gut, wie wir ticken. Wie wir uns unwillkürlich selber das Leben schwer machen, indem wir auf das schauen, was der/die andere neben uns hat, statt uns zu fragen ob das Eigene für uns nicht reicht. Wir könnten ja auch genießen, was uns gegeben wurde und uns daran freuen, anstatt in die Neidspirale zu kommen.
Mit dem Himmelreich ist DAS endlich vorbei: das Starren auf Mein und Dein, das ständige Beurteilen, Vergleichen und Aburteilen. Das Fixiert sein auf die eigene Leistung. Gott sei Dank zählt im Himmel keine Liste mit den geleisteten Arbeitsstunden - nicht wer hat mehr getan im Weinberg. Nein, himmlisch (und damit ganz anders als unser Maßstab) wirkt die Güte Gottes und sein Geschenk an uns: unsere Bedürftigkeit entscheidet darüber, was wir bekommen. Kein Fleißkärtchen, kein Punktesystem, keine Leistungsträgerlogik zählt. Das ist erleichternd und gibt uns auch frei.
Himmlische Logik auf Erden
Wenn wir schon in Zeiten des wachsenden Neides leben (und zwar des Neides auf die Kleinen, die Schwachen im System, und nicht auf die großen Mächtigen), dann ist das Evangelium heute ein Gegengift. Dann kann uns das Gleichnis aus dem emotionalen Wirbel befreien, in den sich viele immer mehr reinziehen lassen.
Gegen Neid, so Martin Schenk, hilft das Genießen können. Wenn ich genießen kann, dann werde ich genießbarer und gönne auch den anderen ihren Teil. Gegen die Kränkung, die bei so vielen Leuten mit Neidgefühlen wohl im Hintergrund steht, hilft die Anerkennung: wieder gesehen zu werden, gefragt zu werden. Und gegen die Ohnmacht, die sich bei vielen so artikuliert, dass nach oben gebuckelt und nach unten getreten wird, hilft die Erfahrung, selber wieder etwas bewirken zu können.
Das wäre also unser Auftrag als „Bodenpersonal“, ein Stück „Himmel auf Erden zu verwirklichen“, Gelegenheiten zu eröffnen, in welchen Menschen aussteigen können aus dieser unguten Spirale, bei der letztendlich alle verlieren. Räume schaffen, wo man genießen kann, wo man Ansehen erfährt, wo man lernt, wieder etwas bewirken zu können.
Wir als Christinnen und Christen haben allen Grund dazu, diese „himmlische Logik „sich in uns entfalten zu lassen. Gegen alle verinnerlichte Leistungsträgerlogik die innere Weite zu bekommen, auszusteigen aus diesem Teufelskreislauf. Und heilsam zu wirken: gegen den Neid-Wurm, der in uns und in vielen nagt...
© DSA Mag. Wilfried Scheidl, Leiter RegionalCaritas Linz
Bei Gott ist alles anders
Eine schiefe Optik
In den Gleichnissen arbeitet Jesus bei seinen Reden mit Bildern. Auch die moderne Hirnforschung lehrt uns, dass wir uns neue Inhalte in unserem Gedächtnis besser und leichter merken können, wenn wir sie mit Bildern verknüpfen. Im heutigen Gleichnis sind die Bilder der Weinberg und der Gutsbesitzer. Der „Weinberg des Herrn“ ist ein Symbol für den Herrschaftsbereich Gottes. Dorthin lädt er ein – immer wieder, 5x an diesem Tag.
Dabei ist keine Rede von der zu verrichtenden Arbeit. Auch ein allfälliger Lohn wird nur mit der ersten Gruppe besprochen: 1 Denar am Tag, das ist ca. so viel, dass eine Familie einen Tag davon versorgt ist. So weit ist alles ok. Ärgerlich wird es erst bei der Entlohnung am Ende des Tages. Die Optik von der Bezahlung derer, die am Beginn des Tages angeworben wurden und derer, die später bzw. erst ganz zum Schluss kamen, erscheint uns schräg. Wenn wir es vom Aspekt der Leistung – nach der physikalischen Formel der Arbeit in der Zeiteinheit – betrachten, ist der Gutsbesitzer ungerecht. In Zeiten wie diesen, wo wir für Frauen und Männer um gleichen Lohn für gleiche Arbeit kämpfen, erscheint uns diese Art der Bezahlung als ein No-go.
Aber darum geht es hier nicht. Wenn wir von der Deutung des Weinbergs als Herrschaftsbereich Gottes ausgehen, dann geht es einzig und allein darum, bei Gott zu sein. Und da haben doch die Ersten einen größeren Gewinn als die Letzten, die erst kurz vor Einbruch der Dunkelheit in das Reich des Vaters gekommen sind.
Vom Zweck zum Sinn
Diese Gleichnis lenkt unseren Blick von der „Warum-Frage“ in unserem Leben auf die „Wozu-Frage“. Warum trifft uns dieses oder jenes Unheil? Warum geht es dem Nachbarn so viel besser? Warum habe ich den guten Job nicht bekommen? usw. Wenn wir um das Warum bei den Arbeitern im Weinberg fragen, dann fragen wir nach dem Zweck und es steht die ungleiche Bezahlung im Vordergrund. Wenn wir aber das Wozu betrachten, welchen Sinn ihre Stunden im Weinberg haben, dann ist es das Sein im Weinberg des Herrn, das Sein mit und bei ihm. Das schenkt Sinn: denen, die seit der Morgenfrühe bei ihm sind, aber auch denen, die erst kurz vor Tagesende von ihm angeworben wurden.
So ist es auch im Alltag unseres Lebens. Wenn wir es schaffen, in den vielen Ungereimtheiten unseres Lebens an einen Sinn des Ganzen zu glauben, dann können wir Ja zum Leben sagen und so manche schwierige Lebenssituation leichter meistern. Der Glaube an einen gütigen Gott – der „gut ist“ – kann uns dabei eine Hilfe sein.
Es liegt an uns, an unserer Entscheidung, wie wir eine bestimmte Lebenssituation meistern. Es liegt auch an den Arbeitern im Gleichnis, ob sich die zuerst angeworbenen, ihr Leben vergiften, indem sie sich der vermeintlichen Ungerechtigkeit ergeben und ihren Lebenshorizont einengen, oder, ob sie versuchen, dem Sinn der Einladung des Gutsherrn nachzuspüren und den Wert für ihr persönliches Leben darin zu entdecken vermögen.
Denn im Endeffekt sind wir Menschen alle so auf die Sinnfrage in unserem Leben ausgerichtet, dass wir unsere Lebensumstände, unser ganzes Sein, nur bejahen können, wenn wir dabei für uns einen Sinn sehen. Ihn zu entdecken, tiefer zu schauen, dem Sinn alles vorerst auch noch so widersinnig Erscheinenden nachzugehen, macht unser Leben reich, macht uns weit und lässt uns letztlich erst im Vollsinn leben.
Ein kapitalistischen Gottesbild?
Soziale Gerechtigkeit?
Wenn es in politischen Diskussionen um das Thema »Soziale Gerechtigkeit«, dann es kann schnell sehr hitzig werden. Wenn wir gerade heute Situationen von Ländern und Gesellschaften anschauen, dann gilt meistens doch unser erster Blick den sozialen und bald auch den wirtschaftlichen Gegebenheiten. Werden alle gerecht entlohnt? Wie ist die Rolle der Frau in der Arbeitswelt? Und vieles mehr. Und diese soziale Sensibilität ist in unserer heutigen »globalisierten« Gesellschaft, in der so viel Ungerechtigkeit durch hochkomplexe weltweite Zusammenhänge zustande kommt, von großer Notwendigkeit.
Als vor wenigen Tagen die Firma Apple ihr neustes Handy auf den Markt gebracht hat, waren sofort die europäischen Fernsehkanäle voll von Berichten über die Situation der Arbeiterinnen und Arbeiter in den asiatischen Zuliefererfirmen. Spitze aller Enthüllungen dabei: Die Firma Apple kündigte einer Zulieferfirma die Lieferverträge, weil diese die Situation der Angestellten verbessert hat und daraufhin ihre Produkte teurer wurden.
In der Kirche werden wir durch Aktionen wie »Fastenopfer« regelmässig darauf aufmerksam gemacht, wie sehr wir hier in unseren Landen durch den Kauf global hergestellter Produkte in soziale Ungerechtigkeit in aller Welt verwickelt sind.
Auch in nächster Nähe wird für soziale Gerechtigkeit in den unterschiedlichsten Lebensbereichen gestritten. Es geht dabei nicht nur um gerechte Löhne, sondern genauso oft auch um lebensfreundliche Arbeitssituationen und vieles mehr.
Das Himmelreich unter Feudalherrschaft?
Nichts von all dem gilt im Himmelreich, das im heutigen Evangelium mit einem Weinberg verglichen wird. Anscheinend hemmungslos beutet der Besitzer des Weinbergs die Tagelöhner aus, die an den Straßenecken sitzen und darauf warten, dass jemand kommt, der Arbeit für sie hat. Kein Tarifvertrag und Ähnliches schützt sie. Der Grundbesitzer muss sie nicht nach Leistung, sondern kann sie nach seiner eigenen Vorstellung bezahlen: "Mein Freund, dir geschieht kein Unrecht. Hast du nicht einen Denar mit mir vereinbart?” - Was hätten denn die Tagelöhner anderes machen sollen, als die Situation hinzunehmen? Kein Job und gar kein Lohn wären die Alternative gewesen. Und dann auch noch der Nachsatz: "Darf ich mit dem, was mir gehört, nicht tun, was ich will?” Das Himmelreich, das ‘Reich der Gerechtigkeit und des Friedens’(Jes 32), wie es der Prophet Jesaja nennt, soll nach Aussage des Evangelisten Matthäus vor Ungerechtigkeit nur so strotzen? Wir stehen vor einer Herausforderung.
"Habt Vertrauen”
Nun ist dieses Evangelium keine Erklärung zum Thema »Soziale Marktwirtschaft«, die man zu antiken Zeiten auch nicht kannte. Jesus wollte die Menschen auch nicht darüber belehren, dass es im Himmel vielleicht doch keine Gerechtigkeit gibt.
Jesu Botschaft an die Menschen: Gott lässt sich von euch nicht einfordern. Einen Anspruch des Menschen an Gott, was dieser den Menschen zu geben hat, gibt es nicht. Gott handelt an den Menschen aus Gnade und Barmherzigkeit. Und Jesus lädt mit dieser Rede dazu ein, blind darauf zu vertrauen und fest daran zu glauben, dass im Reich Gottes wirklich niemand zu kurz kommt - auch wenn dort eben soziale Marktwirtschaft nicht gilt. Keiner wird dort der Letzte sein oder wie ein solcher behandelt - folglich kann auch niemand auf Privilegien setzen. Voraussetzung ist ein absolutes Vertrauen in diesen Gott, dass es in unserem Leben schon gut kommt.
Die schwerste Übung des Lebens
Ein Vertrauen, das in menschlichen Zusammenhängen halt immer wieder schwer enttäuscht wird, wenn wir persönlich im Kleinen oder in größeren Zusammenhängen erleben müssen, dass Menschen sich gegenseitig übervorteilen und ausnutzen. Beispiele habe ich anfangs genannt, weitere Beispiele aus der täglichen Erfahrung kann wohl jeder und jede bieten.
Das Evangelium dieses Sonntags lädt uns nun ein, diese Art des Himmelreiches mitten in der Welt schon anbrechen zu lassen: Wir sind aufgerufen, Lebensumstände und Situationen zu schaffen, die Vertrauen wachsen lassen, dass es für alle schon gut kommt. Ein Vertrauen darin, dass es für uns nicht um jeden Preis notwendig ist, stets unbedingt den eigenen Vorteil zu sichern. Weil dieser Gott das in der Gestalt seines Sohnes vorgemacht hat.
Eine riesige Herausforderung. Denn klar ist: Wer Anderen Möglichkeiten im Leben zugesteht, verzichtet unter Umständen auf eigene Chancen. - Die Bezahlung für bessere Lebensumstände der anfangs genannten asiatischen Arbeiter hätte den Gewinn der Firma Apple gemindert. Andere Beispiele lassen sich finden. Diesen Verzicht muss man wollen. Und wer das will, schwimmt gegen den Strom. Üblich ist das also nicht. Mir kommt das Bild von einer Wippschaukel vor Augen: Es müssen an beiden Enden die Schaukelnden bereit sein, von der Erde loszulassen - sonst kommt die Wippe nicht ins Gleichgewicht.
Einer muss anfangen
Überall, wo das Vertrauen in Solidarität wächst und die Angst, auf der Strecke zu bleiben, schwindet, dort wird umgesetzt, was der Apostel Paulus von seiner Gemeinde fordert: "Lebt als Gemeinde so, wie es dem Evangelium Christi entspricht." Das aber wird nicht in einem Großkonzern wie Apple beginnen, das wird auch kaum durch eine staatliche Ordnung vorgegeben werden können. Das kann nur geschehen, wo einzelne Menschen sich in ihren Kreisen dazu entschließen, Frohbotschaft vorzuleben. Oder - um im Gedankengang des Paulus zu bleiben: Das christliche Zeugnis von einer solidarischen Welt muss dort anfangen, "wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind"
Vom Himmelreich und Arbeitswelten
Härte statt Güte und Barmherzigkeit
"Machst du ein böses Gesicht, weil ich gütig bin?" Die Reaktion von damals könnte auch heute wieder ähnlich ausfallen. Härte statt Güte und Barmherzigkeit, Leistung und Rechthaberei statt Gerechtigkeit und Himmelreich. Die Bibel als Buch, in der der Maßstab das Menschenfreundliche und Lebensfördernde ist, erstaunt uns immer wieder aufs Neue, fordert auf zu Um- und Neudenken, zu Umkehr und neuen, menschlichen Wegen.
"Die Reallöhne stagnieren seit 25 Jahren", hieß es im Frühjahr 2014 in einer Nachrichtensendung auf Ö1. In den Oberösterreichischen Nachrichten stand beim Abschluss der Gehaltsverhandlungen der Eisenbahner die Meldung: "Kein Reallohnverlust für die österreichischen Eisenbahner. Einigung in der siebten Verhandlungsrunde." Ältere Arbeitslose bekommen noch ganz anderes zu hören:
Gerechter Lohn
"Um das Geld, das Sie kosten, bekomme ich zwei Junge." Von der Forderung, den Arbeitern den gerechten Lohn zukommen zu lassen, wie es im Buch Jesus Sirach steht, scheinen wir weit entfernt zu sein. Anders ausgedrückt: Den arbeitenden Menschen bleibt immer weniger Geld zum Leben, wir arbeiten immer billiger. Gute Arbeit, gerechter Lohn sind wesentliche und wichtige Fragen, nicht nur heute, wenn Kollektivverträge ausverhandelt werden oder Betriebsvereinbarungen erstritten werden, sondern auch in der Botschaft der Bibel. Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Gutsherrn ...
Matthäus erzählt in seinem Text von realen Arbeitsbedingungen und setzt sie in ein neues Verhältnis. Es ist ein Alltagsvorgang in der Erntezeit, dass ein Weinbergbesitzer auf dem Markt Taglöhner einstellt. 12 bis 13 Stunden dauerte ein Arbeitstag zur Zeit der Traubenernte. Alles musste vor der Finsternis erledigt sein. Mit den Taglöhnern am frühen Morgen wurde mündlich ein Taglohn vereinbart, ein Denar für einen Tag, ein Lohn, mit dem eine vierköpfige Familie ihren Tagesbedarf decken konnte. Um die anstehenden Arbeiten an diesem Tag zu erledigen, ging der Weinbergbesitzer auch um die dritte und die sechste Stunde auf den Markt. Was recht ist, will ich euch geben.
So eine Vereinbarung würde in der heutigen Arbeitswelt stutzig machen. Man kennt die Entwicklung der Löhne immer mehr in Richtung Kollektivvertrag als Lohnuntergrenze. Die Arbeitgeber wollen so wenig wie möglich für Arbeit bezahlen. Was uns bei Gehaltsverhandlungen dann als Lohnerhöhung angeboten wird, deckt meist nicht einmal die Inflationshöhe ab. Der reale Warenkorb, der die täglichen Gebrauchsgüter und Existenznotwendiges, wie Wohnen und Energie mitrechnet, übersteigt diese so genannten Lohnerhöhungen bei weitem. Bei steigenden Gewinnen der Wirtschaft wird bei den Kollektivvertrags-Verhandlungen um jedes Prozent, ja Promille gefeilscht.
Im Himmelreich...
Um die elfte Stunde, zwei Stunden vor Tagesende, waren immer noch Menschen auf dem Markt, die niemand angeworben hatte. Arbeitslos und vielleicht auch schon ein Stück hoffnungslos, ihren Tagesbedarf noch selbst bestreiten zu können. Der Weinbergbesitzer schickt sie in seinen Weinberg, er braucht auch sie noch, um das Tagwerk vollenden zu können. Angesichts nahender Finsternis bleibt keine andere Möglichkeit als neue Leute einzustellen.
Heute würde das so niemandem einfallen. Es würde wahrscheinlich der Druck erhöht oder an der Ausdehnung der täglichen Arbeitszeit gefeilt und gebastelt. Aber wie gesagt, mit dem Himmelreich ist es wie ...
Franziskus, Bischof von Rom, schreibt in seinem Rundschreiben Evangelii Gaudium: "Nein zu einem Geld, das regiert, statt zu dienen. Geld muss dem Leben, der Menschlichkeit dienen." Ob er da etwa unser heutiges Evangelium, eine Frohbotschaft der Veränderung der herrschenden Verhältnisse vor Augen hatte?
Total verkehrt...
Dann ist Feierabend. Nicht die Ersten stempeln als erste aus, die zuletzt Geworbenen sind die ersten Lohnempfänger. Unser Denken und Wirtschaften wird hier komplett auf den Kopf gestellt, radikal und neu, ungewohnt sind die Denkweisen eines Wirtschaftens gemäß dem Himmelreich. Da geht es auch um ganz Handfestes, nämlich dem Lohn. Jene Dimension des Arbeitens, über die man in Österreich ja bekanntlich nicht spricht. Hier wird ein neuer Weg eröffnet. Der Lohn - hier für alle einsehbar - wird so diskutierbar und sorgt sogleich für Gespräche. Das macht die Geschichte so richtig spannend.
Die Auszahlung sorgt für Überraschung. Die ArbeiterInnen der elften Stunde bekommen einen Denar, das Existenzminimum also. Und schon hört man das Rädchen im Kopf derer, die seit dem frühen Morgen im Weinberg gearbeitet haben. Wenn die schon einen Denar bekommen, dann müssen wir nach der herkömmlichen Regel "soundso viel Arbeit ist soundso viel Geld" ein Vielfaches von dem bekommen. Arbeitszeit misst sich in ihrem Denken proportional in Geldwert - das ist ihre Vorstellung von Gerechtigkeit.
Unterschiedliche Auffassungen von Lohn und Gerechtigkeit
Es kommt zur Auszahlung und auch sie erhielten einen Denar. Und sind brüskiert. Organisieren sich, gehen zum Weinbergbesitzer und beschweren sich. Wollen mehr als den einen Denar, wollen mehr bekommen als die andern, argumentieren mit der Hitze des Tages. In dieser sind aber auch die anderen in existentieller Unsicherheit am Markt herumgestanden, ohne Aussicht auf Arbeit. Die zuerst eingestellten Arbeiter hatten zudem noch die Möglichkeit, von den Trauben, die sie gepflückt haben, zu essen, damals ein gesetzlich gesichertes Recht. So sparten sie auch an Geld für den Tagesunterhalt. Quasi ein Zubrot zum Lohn.
Anhand der Auszahlung der Löhne werden wir mit unterschiedlichen Auffassungen von Lohn und Gerechtigkeit konfrontiert. Der Weinbergbesitzer argumentiert neu, ungewöhnlich für die damalige Zeit, unvorstellbar eigentlich aber auch für uns. Er rechnet anders, es geht nicht um das uns so vertraute Verhältnis Arbeitszeit und Geld, sondern um die Gesamtbedingungen des Lebens. Alle erhalten so viel, wie für das tägliche Leben notwendig ist, das Existenzminimum also, die Garantie, den Tag zu überleben. Keiner erhält mehr! Bezeichnenderweise beschweren sich nur die ArbeiterInnen der ersten Stunde. Alle anderen sind offenbar zufrieden, dass sie ihre Existenz gesichert haben.
Matthäus stellt die Lebenswirklichkeit der Weinbergernte bis auf einen wesentlichen Punkt abbildhaft dar. Das Verhalten des Arbeitgebers bei der Auszahlung irritiert und steht in scharfem Kontrast zur Realität. Ein neues Bild redet von der Güte des Weinbergbesitzers, möglichweise auch ein Bild für die Güte Gottes und verweist auf ein neues Verhalten der Menschen untereinander hin, lädt ein zu einem Denken, dass alle Leben haben. Jede und jeder kann mit dem, was er oder sie erhält, das Existenzminimum decken, keiner erhält mehr Geld. Auch der Besitzer füllt nicht seine Taschen, kauft keinen neuen Traktor, eine nächste Immobilie. Er gibt das, was gemeinsam erarbeitet wird, als Lebenslohn zurück.
Umdenken
Der Weinberg ist biblisch immer wieder auch Synonym für das Reich Gottes. Die Mitarbeit am Weinberg Gottes braucht viele HelferInnen. Dafür ist jede Arbeit, egal wie lange, wertvoll und notwendig. Für die Veränderung der real existierenden Verhältnisse, gerade auch in unseren Arbeitswelten braucht es ein neues Denken und Verständnis von Gerechtigkeit oder auch Güte. Matthäus wirft mit seinem Nachdenken über die Güte Gottes ein scharfes Licht auf die unbarmherzige Wirklichkeit des Lebens. Der implizite Kontrast zum gütigen Gott ist vielmehr jener Arbeitgeber in der Alltagswelt, der den Lohn so niedrig wie möglich hält.
Die Güte Gottes steht in einem Zusammenhang mit den Konsequenzen für das Leben der Menschen miteinander. Kritisiert wird ein unbarmherziges, unsolidarisches Verhalten, das nur den Eigennutz und die Eigeninteressen wahren will. Vom Kollektiv, von der Gesellschaft her gedacht, entwirft sich ein menschliches Miteinander neu. Es braucht für ein gemeinsames Leben und Überleben den Blick der Zuwendung zum Nächsten, den Blick der Ersten für die Letzten - und umgekehrt. Im Blick auf unsere Arbeitswelten könnte das bedeuten, darüber zu reden, was wir verdienen, auszuverhandeln, was wir benötigen und uns für lebenssichernde Löhne für alle einzusetzen, gemeinsam, branchenübergreifend.
Unterschiedliche Perspektiven
Im Blick auf heute lade ich ein, sich in die dargestellten Personen hineinversetzen. Wie stellt sich die Geschichte aus heutiger Chefperspektive dar? Fallen uns da Sätze ein wie: "Heh, anzahn, sonst werden wir heute nicht mehr fertig." Oder: "Ich zahle euch ja nicht umsonst - draußen stehen noch genug, die auf Arbeit warten." Oder aus der Sicht eines/r Arbeitslosen: "Immer kommen zuerst die Jungen und Starken dran, es ist zum Verzweifeln. Ich möchte doch auch meinen Beitrag in der Arbeitswelt leisten. Hoffentlich stellt mich wer ein."
Die Langzeitarbeiter wären ruhig gewesen, hätten die anderen erkennbar weniger als sie bekommen, also weniger oder zu wenig zum Leben. So hat die Erzählung klar zum Ziel, Solidarität zu lehren. Alle ArbeiterInnen leben in enger Lebensgemeinschaft. Auch die jetzt zuerst Angeworbenen, weil vielleicht jung und vor Vitalität strotzend, werden älter, gebrechlicher, schwächer. Sie werden dann möglicherweise auch später am Arbeitsmarkt angeworben. In einer solidarischen Gesellschaft dürfen sie darauf vertrauen, dass sie dann auch genug zum Leben haben werden.
Solidarität der Menschen als Konsequenz der Güte Gottes?
Die Güte Gottes hat zur Konsequenz die Solidarität der Menschen. Gütig sein untereinander, sich gegenseitig das gönnen, was zum Leben notwendig ist, sich nicht mehr herausnehmen als das zum Leben Nötige, wären neue Kategorien für ein Wirtschaften, wo es darum geht, dass niemand sich auf Kosten anderer bereichert, dass gemeinsam Erwirtschaftetes auf alle aufgeteilt wird, dass am Ende des Tages alle genug zum Leben haben. Und das nicht erst im Himmelreich sondern gerade auch jetzt und hier auf Erden.
© Mag. Fritz Käferböck-Stelzer
Menschliche Leistung und göttlicher Lohn
Die literarische Gestalt der Erzählung.
Die Geschichte von den Arbeitern im Weinberg zählt zu den bekanntesten Gleichnissen. Sie ist jedoch nicht so leicht zu deuten, wie es auf den ersten Blick scheint. Wir haben wieder eine Parabel vor uns mit den für sie typischen Merkmalen. Denn sie nimmt einen Verlauf, den man so nicht erwarten kann. Auf eine überraschende, provokative Weise wird sie zu Ende geführt.
Goethe hat einmal gesagt, dass Jesus mit seinen gleichnishaften Erzählungen in der Weltliteratur unübertroffen sei. Man darf in Erzählungen, wie es auch die Gleichnisse sind, durchaus ein literarisches Kunstwerk sehen, denn die künstlerische Gestaltung einer Erzählung hat auch etwas mit ihrem Inhalt zu tun. Die Weinbergsparabel mit ihren gestalterischen Elementen kann dafür ein Beispiel sein. Ihre Handlung entwickelt sich in drei Schritten: Die Anwerbung der Arbeiter, der Konflikt bei der Auszahlung, die Klärung im Schlussdialog. Am Geschehen sind drei Personen bzw. Personengruppen beteiligt: Der Weinbergbesitzer, die zuerst angeworbenen Arbeiter und diejenigen, die als letzte in den Weinberg gegangen und nur eine Stunde gearbeitet haben. Weiter gibt es die damals üblichen vier Zeitabschnitte des Tages im Drei-Stunden-Rhythmus, in denen die Arbeiter angeworben werden. Auch dies ist kunstvoll gestaltet, denn auf diese Weise wird erreicht, dass eine ungleiche Arbeitsleistung zustande kommt.
Das Verhältnis von menschlicher Leistung und göttlichem Lohn
Jesus lag daran, im Handeln des Gutsherrn gleichnishaft die alles menschliche Maß überschreitende Liebe Gottes zur Sprache zu bringen. In der Parabel geht es um das Verhältnis von menschlicher Leistung und göttlichem Lohn. Es wird nicht gesagt, anders als vor den drei Gleichnissen im 15. Kapitel des Lukasevangeliums, an wen die Parabel gerichtet ist. Doch auch hier könnte man an die Schriftgelehrten und Pharisäer denken, die von Gott ihren gerechten, ihren verdienten Lohn erwarteten. Am Schluss des Kapitels, das der Parabel vorausgeht, wird von einem Gespräch zwischen Petrus und Jesus erzählt. Petrus fragt Jesus, was der Lohn sei, den er für den Weg in seiner Nachfolge erhalte. "Du weißt, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Was werden wir dafür bekommen?" Jesus antwortet mit dem Hinweis auf den geistigen Lohn, auf "das Hundertfache", und auf den Lohn im ewigen Leben (Mt 19, 27-30). Es ist nicht auszuschließen, dass der Evangelist mit der hier angesprochenen Lohnfrage schon die frühen judenchristlichen Gemeinden im Blick hatte. Auch ihnen wird sich die Frage nach dem Verhältnis von Verdienst und Lohn gestellt haben. Wie entlohnt Gott diejenigen, die dem Ruf Jesu nachgekommen sind und sich in seinen Dienst gestellt haben? In der Erzählung von den Arbeitern im Weinberg hat Jesus darauf eine Antwort gegeben.
Der menschliche Kontext der Geschichte
Schauen wir zunächst auf das, was sich auf der menschlichen Ebene abspielt. Die Ablauf der Handlung wird vom Weinbergsbesitzer bestimmt. Während dem Verwalter in der Auszahlung des Lohnes nur eine Nebenrolle zukommt, wirbt der Herr des Weinbergs selber die Arbeitskräfte an und ist auch bei deren Entlohnung anwesend, um seine scheinbar ungerechte Handlungsweise zu rechtfertigen. Am Morgen wirbt er Tagelöhner für die Arbeit in seinem Weinberg an; wahrscheinlich war die im August anstehende Traubenernte gemeint. Er vereinbart mit ihnen einen Denar, den üblichen Tageslohn, mit dem unter den damaligen Verhältnissen auch eine mehrköpfige Familie einen Tag lang ihr Auskommen hatte. Im Ablauf des Tages gewinnt er neue Arbeiter hinzu.
Als er um die dritte Stunde Menschen antrifft, die keine Arbeit hatten, werden sie von ihm aufgefordert, in seinen Weinberg zu gehen. Wenn er ihnen sagt: "Was recht ist, werde ich euch geben"", so wird damit schon auf den Ausgang der Geschichte hingedeutet. Um die sechste und neunte Stunde geht er noch einmal auf den Markt.
Erst sehr spät, in der elften Stunde, entdeckt er Männer, die den ganzen Tag untätig herumstanden. Auf seine Frage, warum sie nicht arbeiteten, geben sie zur Antwort: "Niemand hat uns angeworben" (Mt 20,7). Daraufhin lassen sie sich in den Weinberg schicken. Obwohl der Bedarf eigentlich gedeckt war und es nicht mehr viel zu arbeiten gab, wollte der Gutsherr auch ihnen die Möglichkeit geben, etwas für den Unterhalt ihrer Familie zu verdienen. Er lässt ihnen den Tageslohn von einem Denar auszahlen, der ihnen rechtlich gesehen nicht zustand. Kein Arbeitsgeber würde sich in der Auszahlung des Lohnes so verhalten. In der Parabel ist die übliche Entlohnungspraxis, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, aufgehoben.
Ein ungerechter Weinbergbesitzer?
Die Arbeiter, die zuerst angeworben wurden, nehmen in der Parabel eine Schlüsselstellung ein. Denn mit ihrer Einschätzung von gerecht und ungerecht war der Konflikt mit dem Herrn des Weinbergs vorprogrammiert. Sie waren gegen ihn aufgebracht, machten ihrem Ärger Luft, weil sie zuletzt entlohnt wurden und mit ansehen mussten, wie die zu später Stunde Angeworbenen, die nur kurze Zeit im Weinberg gearbeitet hatten, den gleichen Lohn erhielten wie sie, die sie von früh bis abends in der Hitze des Tages ihrer Arbeit nachgegangen waren. Wenn man die im Arbeitsleben geltenden Maßstäbe anlegt, so muss man das Verhalten des Weinbergbesitzers als ungerecht ansehen.
Angemerkt sei, dass die zuerst Angeworbenen nicht auf Israel hin gedeutet werden dürfen und die zuletzt Hinzugekommenen nicht auf die so genannten Heidenvölker. Die Ersten repräsentieren auch nicht die gesetzesstolzen Pharisäer und die Letzten die von Jesus gerufenen Sünder. Jesus hat in der Parabel alle jene Menschen im Auge, die sich auf ihre Leistung berufen und den entsprechenden Lohn fordern, und er stellt sie denen gegenüber, die nicht so viel aufzuweisen haben und doch den gleichen Lohn erhalten. Und hier müssten wir uns fragen, zu welchen wir gehören wollen. Zu denen, die auf ihren Lohn pochen oder zu denen, die sich unverdient beschenkt wissen.
Ungeschuldet
Der Herr des Weinbergs wirbt gleichsam um das Einverständnis der Arbeiter. Vielleicht sagt er deswegen zu dem angesprochenen Arbeiter: Mein Freund. "Mein Freund, dir geschieht kein Unrecht. Hast du nicht einen Denar mit mir vereinbart? Nimm dein Geld und geh!" Dem Herrn des Weinbergs liegt vor allem daran, die Freiheit seines Handelns zu betonen: "Ich will dem letzten ebenso viel geben wie dir. Darf ich mit dem, was mir gehört, nicht tun, was ich will?" In diesen Worten erschließt sich der Sinn der Parabel, ihr Grundgedanke. Der Wille des Gutsherrn, dem, der zuletzt und nur kurz im Weinberg gearbeitet hat, den gleichen Lohn auszuzahlen wie dem, der den ganzen Tag seine Arbeit getan hat, entspringt nicht einer Laune. Der alleinige Grund liegt darin, dass er gut ist. Er fragt nicht danach, wer mehr oder wer weniger gearbeitet hat, sondern belohnt die zuletzt Gekommenen in gleicher Weise wie die zuerst Angeworbenen. Ungeschuldet.
Matthäus hat zwar das der Parabel hinzugefügte Wort von den Letzten und den Ersten auf das endzeitliche Gericht bezogen, es lässt sich aber auch im Kontext der Parabel deuten. Dabei geht es nicht um das Verhältnis der Letzten zu den Ersten, sondern um das der Ersten zu den Letzten. Denn die Ersten sind aufgefordert, auch den Letzten ihren Lohn zuzugestehen, sich zu lösen von einem rein rechnerischen Denken, das einzig nach dem gerechten Lohn für die geleistete Arbeit fragt. Eine solche Denkungsart führt zu Missgunst. Die Arbeiter, die Gerechtigkeit einfordern, gönnen den anderen nicht den ihnen zugeteilten geschenkten Lohn. So fragt der Gutsherr einen der gegen ihn aufgebrachten Tagelöhner: "Ist dein Auge etwa böse, weil ich gut bin?" Im alttestamentlichen Sprachgebrauch ist das "böse Auge" eine Metapher für Neid und Missgunst. Die Parabel wirbt um das Einverständnis derer, die sich in der Situation der empörten und missgünstigen Ersten befinden.
Den Blick auf Gott hinlenken
Wir sind gewohnt, von der Parabel der Arbeiter im Weinberg zu sprechen. Eigentlich müsste man sie "die Parabel vom gütigen Weinbergsherrn"" nennen. Mit der Bildgeschichte von diesem gütigen Mann will Jesus unseren Blick auf Gott hinlenken. Sie lässt uns ein wenig erahnen, wie Gott uns Menschen gesonnen ist. Von Gott können wir indes nur gleichnishaft, in Bildern sprechen, weil er alles menschliche Begreifen übersteigt. Nach den Worten des Ignatius von Loyola ist er semper magis, immer größer. Unendlich größer vor allem in seiner Liebe. Diese unwahrscheinlich erscheinende Geschichte vom gütigen Weinbergsbesitzer hat Gott wahr gemacht in seiner vorbehaltlosen Liebe Gottes einem jeden Menschen gegenüber. Er fragt nicht, ob wir seine Liebe verdient haben. Niemandem, und mag sein Handeln auch noch so unzulänglich sein, entzieht er seine Liebe.
In der Bergpredigt sagt Jesus über die Liebe zu den uns nicht gut gesonnenen Menschen, dass Gott seine Sonne aufgehen lässt über Bösen und Guten, und regnen lässt über Gerechte und Ungerechte (Mt 5, 45). Das hat Jesus besonders jene Menschen erfahren lassen, die in den Augen der Selbstgerechten nichts galten, sich von ihm jedoch in ihrer Schwachheit angenommen und geliebt wussten. Im Glauben an seine grenzenlose Güte werden alle unsere Berechnungen hinsichtlich "verdient"" oder "nicht verdient" ihre Gültigkeit verlieren. Gott macht einen Strich durch unsere Rechnung. Mit unseren Rechenkünsten verrechnen wir uns immer, denn Gott schenkt unverdient, ungeschuldet. "Ich will dem letzten ebenso viel geben wie dir. Darf ich mit dem, was mir gehört, nicht tun, was ich will?" Gott handelt in der Freiheit seiner Liebe auch denen gegenüber gut, die es nicht verdient haben. Und dazu zählen wir alle. Hier noch einmal das Wort von Helmuth Thielecke: "Gott liebt uns nicht, weil wir so wertvoll sind, sondern wir sind so wertvoll, weil er uns liebt."
Wenn wir wahrnehmen, wie unbegreiflich gut Gott an uns handelt, wie er uns mit seiner Liebe beschenkt, weit mehr als wir verdienen, dann wird dies auch zur rechten Selbsteinschätzung im Blick auf andere führen. Wir hätten dann wirklich keinen Grund, uns mit ihnen zu vergleichen oder uns sogar besser zu dünken als sie. Wir gehören ohne unser Verdienst zu denen, an die schon früh der Ruf Jesu ergangen ist, und wir versuchen, ihm zu folgen. Andere haben später erst, vielleicht nach langem Suchen, sich von Gott finden lassen. Sie durften erfahren, dass er ihnen seine ungeteilte Liebe schenkt. Ihnen nicht weniger als den zuerst Gerufenen. "Ich will dem letzten ebenso viel geben wie dir." Der Lohn für alle, für die Ersten wie für die Letzten, wird Gott selbst sein.
Gott, von deiner Liebe leben wir alle,
und doch teilen wir die Menschen ein
in solche, die viel, und solche, die wenig leisten,
in solche, die mehr und die weniger taugen.
Durchkreuze unsere Einteilungen
Und lass uns danach fragen,
wer Zuwendung und Güte braucht.
Von deiner Liebe leben wir, Gott.
Wir berechnen, was wir verdient haben
an Zuwendung und Wohlergehen,
was uns geschuldet wird an Anerkennung und Verständnis,
wie oft wir zu kurz kommen im Vergleich zu anderen.
Mach einen Strich durch unsere Rechnungen
und lass erkennen:
Von deiner Liebe leben wir, Gott.
Unsere Rangordnungen überwinde,
damit unser Herz sich auch für den Letzten öffne.
Und wenn wir von der Höhe unserer Selbstüberschätzung herabstürzen,
fange uns auf mit deiner Güte.
Dann sind wir erlöst,
weil wir nicht mehr beweisen müssen,
wie stark und bedeutend wir sind.
Wir sind erlöst,
weil wir Frieden machen können mit unserer Schwachheit.
Denn deine Barmherzigkeit schenkt uns Flügel,
und von deiner Liebe leben wir, Gott.
(Bernhard Scholz)
Güte kann nicht objektiv sein
Eine richtige Geschichte aus der Arbeitswelt. Und was für eine! Wir begegnen Menschen an einem einzigen Tag, die von einer Überraschung in die nächste fallen. Am Abend ist dann so ziemlich alles anders als es am Morgen war. Freude und Verärgerung, Staunen und Kopfschütteln inklusive. Das liegt an dem Chef, der mit seiner Güte und Großmut alle geschriebenen - und ungeschriebenen - Gesetze über den Haufen wirft. Der Clou am Schluss: Wir kommen von der Geschichte nicht mehr los. "Bist du neidisch, weil ich zu anderen gütig bin?"
Arbeitsmarkt damals
Die Geschichte geht so:
Die erste Stunde. Sonnenaufgang. Auf dem Marktplatz warten Menschen. Sie suchen Arbeit. Jeden Tag stehen sie hier. "Arbeitsmarkt" eben. Der Weinbergbesitzer kommt. Er bringt Arbeit mit. Heute hat er viel davon zu vergeben. Es ist nicht jeden Tag so. Was zu machen ist? Keine Ahnung. Nur: Arbeit. Arbeit ist Leben. Wählerisch ist hier keiner. Bescheiden geht es nur um das tägliche Brot. Um den Denar, von dem die Geschichte erzählt. Ein Denar - das ist das Existenzminimun. Große Sprünge sind da nicht zu machen, sagen die Leute. Und jeder weiß, was gemeint ist. Also, heute in den Weinberg. Der Tag verspricht, schön zu werden. Zwölf Stunden Arbeit. Und wenn die Sonne untergeht, wird es ein guter Tag gewesen sein. Nicht nur für die Arbeiter, sondern auch für die Familie. Sie bangt immer mit. Ein Denar!
Drei Stunden später, sechs Stunden später, neun Stunden später: Die Geschichte liebt die Steigerung. Da stehen immer noch Menschen auf dem Arbeitsmarkt. Seit wann sie hier stehen? Kein Wort davon. Sind sie womöglich zu spät gekommen? Haben sie schon etwas anderes gemacht? Waren sie vielleicht von Anfang an zu viel? Ich weiß ja, warum ich so frage. Gründe suche ich, auch Gründe, abzuwehren. Wenn sie's selber schuld sind, erst jetzt zu erscheinen? Sich regen, bringt Segen. Wer arbeiten will, findet auch welche. . . Die Geschichte erzählt nur, dass der Weinbergbesitzer, heute wohl der bedeutendste Arbeitgeber am Ort, geben will, was recht ist. Klar. Stunde mal Stundenlohn. Schreibt euch eure Zeiten auf, sage ich. Keiner von euch hat auch nur eine Stunde zu verschenken.
Und dann, eine Stunde vor Feierabend: "Was steht ihr hier den ganzen Tag herum, ohne etwas zu tun?" Die Männer antworteten ihm: "Uns hat niemand Arbeit gegeben." Da sagte der Herr: "Kommt, geht auch ihr in meinen Weinberg." Ich werde stutzig. Noch eine Stunde vor Schluss? Macht ein Arbeitgeber so etwas? Ich habe ja schon viel erlebt. Das nicht. Die Wegezeit abziehen, das Umziehen abziehen - was bleibt dann noch? Aber die Leute haben lange ausgeharrt. Fast den ganzen Tag. Die Enttäuschung: "Uns hat niemand Arbeit gegeben". Ein verlorener Tag. Kein Denar. Die Vernunft sagt: Geh nach Hause. Der Weinbergbesitzer: Komm in meinen Weinberg.
Arbeitsmarkt heute
In dieser Geschichte, die Jesus erzählt, treffen wir auf unsere Begriffe und Zeitungsmeldungen, die großen Worte und den Brustton der Überzeugungen. Von Arbeitsmarkt ist bei uns fast jeden Tag die Rede, die Arbeitslosenzahlen werden wenigstens einmal im Monat verkündet, und Schuldzuweisungen sind zu einem Ritual geworden. Desaster müssen erklärt werden. Arbeitsplatzbesitzer werden Arbeitslosen gegenübergestellt, Interessenvertreter gegeneinander ausgespielt - und die Gesichter von Menschen verschwinden in Statistiken, Theorien und Stammtischgeschwätz.
Das Gleichnis kommt mit wenigen Worten aus. Wir sehen Menschen auf dem Arbeitsmarkt. Wir hören sie erzählen. Sie erzählen von dem tagtäglichen Warten - und von dem Glück, genommen zu werden. Sie erzählen von der Angst, am Abend immer noch dazustehen und leer nach Hause zu gehen. Sie erzählen von der Hoffnung, dass, gerechnet über viele Tage, Monate und Jahre, etwas übrig bleibt. Es ist eine sehr menschliche Geschichte, die einlädt, die vielen kleinen und großen Geschichten aus dem Arbeitsleben zu erzählen: die fünfzigste Absage, die betriebsbedingte Kündigung, der ständige Stress mit der kontinuierlichen Entwicklung, die Lücken im Lebenslauf - und die Anforderung an sich selbst, immer der Erste zu sein, am Ball bleiben zu müssen, sich nicht abhängen lassen zu können. In den Bildern des Gleichnisses: Du musst von Anfang an dabei sein. "Präsenz" heißt ein modernes Wort dafür, "Durchsetzungsvermögen" ein anderes.
Das Gleichnis kommt nicht nur mit wenigen Worten aus: es ist viel ehrlicher und befreiender als unsere Analysen und Kommentare. Diese Geschichte ist ein Meisterwerk. Dass sie mehr ist - und auch mehr will - erschließt sich in der Gestalt des Weinbergbesitzers, der in einfachen Strichen gezeichnet wird: Er kommt morgens in aller Frühe, er kommt mehrmals am Tag - und als der Tag eigentlich schon beschlossen werden kann, kommt er noch mal und holt Menschen ab, die aufgegeben haben. Er kommt! Was ein Weinbergbesitzer sonst noch macht, spielt in dieser Geschichte nicht einmal eine Nebenrolle.
Zahltag
Mit einer Einschränkung: Am Abend wird abgerechnet. Der Verwalter, nur hier erwähnt, soll die Löhne auszahlen. Von oben abgesegnet: Die zuletzt Eingestellten sollen zuerst drankommen - und auch einen Denar erhalten. Zwei Überraschungen auf einmal. Für diese Pointe fehlen mit die Worte. Jeder bekommt einen Denar. Den Ertrag eines vollen Arbeitstages! Ich sehe verwundert zu, wie der Verwalter zu den Leuten geht und dann - zum Schluss! - auch zu denen kommt, die von der ersten Stunde an dabei waren, im Gleichnis "Erste" genannt.
Ich versuche, die Stimmen aufzufangen und in den Gesichtern zu lesen. Der Widerspruch liegt förmlich in der Luft. Die Menschen reden von der Last des Tages, von harter Arbeit und auch von dem Ausgebranntsein. Kenne ich doch, denke ich. Misstrauisches Beäugen, böse Blicke. Kann überhaupt wahr sein, was zu sehen ist? So kann die Welt doch nicht stimmen! Ach, was lob' ich mir da unsere moderne Vertraulichkeit!
Die Geschichte erzählt nüchtern, auf jedes Wort bedacht, von dem, was der Weinbergbesitzer zu sagen hat. Geradezu sich steigernd: Wir haben doch die Vergütung vertraglich geregelt - euch geschieht kein Unrecht. Und dann: was die anderen bekommen, muss ich nicht mit euch ausmachen. Schließlich, auf den Punkt gebracht: Oder blickst du deshalb so böse, weil ich großzügig bin?" Ich gebe allerdings zu: Was soll ein Mensch auf diese Frage antworten? Jede Argumentation ist hier an ihr Ende gekommen. Es gibt nichts mehr zu diskutieren. "Also nimm dein Geld und geh!".
Güte kann nicht objektiv sein
Die Geschichte, liebevoll mit Details versehen, alles Unwichtige weggelassen, lässt am Schluss einen Blick auf die Augen zu. Eine ungewohnte Perspektive, aber mit Zukunftsaussichten. Das Gleichnis lässt die Augen auf den Weinbergbesitzer ruhen, der seine Güte rechtfertigt und den kritischen Rückfragen begegnet.
Vor dem Gleichnis steht: Das Reich der Himmel. Doppelpunkt. Jesus erzählt die Geschichte Gottes, der in seiner - von Menschen nicht mehr einholbaren - Güte immer wieder kommt, Menschen abholt und ihnen das ganze Leben schenkt. Der eine Denar ist nicht nur das Existenzminimum, er steht für das geschenkte Leben, für Zukunft. Am Abend bringen Menschen den vollen Tag ein, unabhängig von allem, was gezählt und gemessen wurde. Das ist die Verheißung. Die Unterschiede zwischen Ersten und Letzten, denen da oben und denen da unten, von vorne und hinten, verlieren ihre Kraft und Bedeutung, sie trennen auch nicht mehr. Was dabei zu gewinnen ist, ist der gütige Blick.
Schauen wir einmal zurück:
"Erster" schreien Kinder. Aus dem Spiel kann schon bei ihnen Ernst werden. Ich weiß: Sie müssen um den ersten Platz kämpfen. Vieles hängt davon ab: vom Selbstwertgefühl bis zur Stellung im Leben. "Ich war zuerst hier", sagen Menschen, die ihren Platz verteidigen. Das hört sich nach Kindergarten an, drückt aber Befürchtungen aus, zurückgesetzt zu werden. Im Sport ist "Erster" das Traumziel. Die Hymne wird gespielt. Der Letzte wird nicht gefeiert. Der Letzte macht das Licht aus.
Für Leistungen, die Tag für Tag mit Mühe und Arbeit erbracht werden, wünschen wir uns, anerkannt zu werden. Wir wollen nichts geschenkt haben. Aber es soll alles stimmen. Zur Ordnung unserer Welt gehört, dass einige vorne sind, andere hinten bleiben. In einer alten Übersetzung ist von dem "scheelen Blick" die Rede, der sich bei dieser Geschichte von dem unglaublichen Weinbergbesitzer einstellt.
Jesus erzählt die Geschichte Gottes, der immer wieder kommt, Menschen abholt und ihnen das ganze Leben schenkt. Wer das nicht als Vertröstung versteht, vertagt oder kleinmacht, wird mit der Geschichte, die den Originalton Jesu aufbewahrt, die Augen neu entdecken. Die eigenen besonders, die der anderen aber auch. Die Güte kann nicht objektiv sein. Es ist tatsächlich so und wörtlich zu nehmen. "Oder blickst du deshalb so böse, weil ich großzügig bin?" Am Ende ist das Evangelium offen: für Menschen, die nicht mehr "Erste" sein müssen und als "Letzte" nicht alleingelassen werden.
Und der Friede Gottes,
der höher ist als alle Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.
- Liedvorschläge1
Hans Hütter (2017)
Liedvorschläge:
GL 143: Mein ganzes Herz erhebet dich
GL 144: Nun jauchzt dem Herren alle Welt (1. und 6. Str.)
GL 216: Im Frieden dein, o Herre mein (1. und 2. Str.)
GL 382: Ein Danklied sei dem Herrn (1., 2., 5. Str.)
GL 385: Nun saget Dank und lobt den Herren
GL 393: Nun lobet Gott im hohen Thron
GL 403: Nun danket all und bringet Ehr
GL 409: Singt dem Herrn ein neues Lied
GL 416: Was Gott tut, das ist wohl getan
GL 421: Mein Hirt ist Gott der Herr
GL 422: Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr
GL 427: Herr, deine Güt ist unbegrenzt
GL 481: Sonne der Gerechtigkeit
GL 551: Nun singt ein neues Lied dem Herren
Kehrverse und Psalmen:
GL 41: Ich bin arm und gebeugt; der Herr aber sorgt für mich - Mit Psalm 40 - IV.
GL 76: Der Herr ist nahe allen, die ihn rufen. - Mit Psalm 145 - I.
GL 77: Der Herr ist erhaben, doch er schaut auf die Niedrigen: Ja, seine Rechte hilft mir - Mit Psalm 146 - VII.
GL 79: Der Name des Herrn ist erhaben: Seine Hoheit strahlt über Erde und Himmel. - Mit Psalm 148 - VII
GL 558: Litanei vom Heilswirken Gottes.
GL 629,1: Du führst mich hinaus ins Weite, du machst meine Finsternis hell - Mit Psalm 30 - I.
GL Ö875: Preiset den Herrn, denn er ist gut.
- Einleitung6
Hans Hütter (2023)
Jesus hat sich aus tagespolitischen Auseinandersetzungen herausgehalten und trotzdem immer wieder auf seine Weise Gerechtigkeit und Barmherzigkeit eingefordert. Er predigte eine Vision von einem Reich Gottes, einem Himmelreich, in dem alles anders sein werde.
Wir fragen uns immer neu: Gibt es dieses Himmelreich erst später im Jenseits und müssen wir einfach nur darauf warten, oder können wir hier und jetzt schon etwas dazu tun? Im Evangelium dieses Sonntags erzählt uns Jesus dazu ein ungewöhnliches Gleichnis.
Am Beginn unserer Feier treten wir vor ihn hin und rufen wir ihn als unseren Herrn und Erlöser an:
Manfred Wussow (2020)
Ein richtig heißes Eisen ist das Thema „Gerechtigkeit“! Wetten, dass Sie das Ergebnis auch schon kennen? „Alles ungerecht!“ Ob es dann wenigstens noch Barmherzigkeit gibt? Jesus erzählt dazu eine Geschichte, in die wir uns vielleicht nicht auf dem ersten Blick verlieben werden – auf dem zweiten aber ganz bestimmt!
Heute singen wir auch den Psalm:
Herr, jeden Tag will ich dich preisen *
und deinen Namen loben auf immer und ewig.
Groß ist der Herr und hoch zu loben, *
unerforschlich ist seine Größe.
Ihn rufen wir an:
Manfred Wussow (2017)
Heute singen wir in unserem Gottesdienst, versammelt am Tisch unseres Herrn, den 145. Psalm:
Der Herr ist gnädig und barmherzig,
langmütig und reich an Gnade.
Der Herr ist gütig zu allen,
sein Erbarmen waltet über all seinen Werken.
Die Güte Gottes ist ein großes Geschenk, eine Verheißung, die allem, was wir kennen, einen neuen Glanz gibt. Und uns überrascht und herausfordert.
Martin Stewen (2014)
Im Himmelreich sind alle gleich. Alle brauchen gleich viel, alle bekommen gleich viel. Irgendwie haben wir das ja immer schon geahnt. Aber was heißt das denn dann für unser Leben hier auf Erden, das doch auch schon ein bisschen vom Himmel erzählen soll? Die Verkündigung des heutigen Sonntags führt uns an schwierige Fragen.
Hans Hütter (2011)
Das Wirken Gottes ist für uns Menschen nur schwer zu begreifen. Der Prophet Jesaja drückt sie aus mit den Worten: "Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege. - Spruch des Herrn. - So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken".
Dennoch konfrontieren wir uns immer wieder damit, wie Gott denkt und handelt. Dies eröffnet uns eine tiefere Einsicht in die Zusammenhänge des Lebens und fordert uns heraus umzudenken und umzukehren.
Am Beginn des Gottesdienstes bitten wir den Herrn um Vergebung und Barmherzigkeit:
Manfred Wussow (2008)
Herren kommen und gehen,
sie werden hofiert und fallen gelassen,
sie haben ihre Zeit.
Unser Herr hat das letzte Wort:
Das Heil des Volkes bin ich - so spricht der Herr.
In jeder Not, aus der sie zu mir rufen, will ich sie erhören.
Ich will ihr Herr sein für alle Zeit.
In seinem Namen versammeln wir uns zum Gottesdienst.
Ihm vertrauen wir uns an.
- Kyrie7
Hans Hütter (2023)
Herr, Jesus Christus,
du bist von Stadt zu Stadt und von Ort zu Ort gezogen
und hast verkündet: Das Himmelreich ist nahe.
Herr, erbarme dich.
Du hast aufgefordert umzudenken
und das Leben nach den Vorstellungen Gottes auszurichten.
Christus, erbarme dich.
Du hast von Gott erzählt, bei dem nicht die Leistung zählt,
sondern der Letzte zu Ersten macht und Erste zu Letzten.
Herr, erbarme dich.
Beatrix Senft (2023)
Herr, Jesus Christus,
gesandt aus der Liebe und Barmherzigkeit des Vaters.
Herr, erbarme dich.
Deine Zugewandtheit galt allen Menschen gleichermaßen, ohne Ansehen und Person.
Christus, erbarme dich.
Dem, was du vom Vater erkannt hast, bist du treu geblieben – auch in den Anfechtungen des Lebens.
Herr, erbarme dich.
Manfred Wussow (2020)
Ein richtig heißes Eisen ist das Thema „Gerechtigkeit“! Wetten, dass Sie das Ergebnis auch schon kennen? „Alles ungerecht!“ Ob es dann wenigstens noch Barmherzigkeit gibt? Jesus erzählt dazu eine Geschichte, in die wir uns vielleicht nicht auf dem ersten Blick verlieben werden – auf dem zweiten aber ganz bestimmt!
Heute singen wir auch den Psalm:
Herr, jeden Tag will ich dich preisen *
und deinen Namen loben auf immer und ewig.
Groß ist der Herr und hoch zu loben, *
unerforschlich ist seine Größe.
Ihn rufen wir an:
Manfred Wussow (2017)
Herr, wir haben uns in unserem kleinen Leben eingerichtet.
In Vorurteilen suchen wir oft Sicherheit und Bestätigung.
Herr, erbarme dich.
Christus, in deinem Herzen bewahrst du verlorene Menschen und zerbrochene Hoffnungen auf.
Du liebst und achtest alle Menschen gleich.
Christus, erbarme dich.
Herr, mit dir entdecken wir die Welt neu.
Dir befehlen wir unseren Kleinglauben und die Angst, nicht genug zu haben.
Herr, erbarme dich.
Gerecht ist der Herr in allem, was er tut,
voll Huld in all seinen Werken.
Der Herr ist allen, die ihn anrufen, nahe,
allen, die zu ihm aufrichtig rufen.
Ihn loben und preisen wir: Ehre sei Gott in der Höhe...
Martin Stewen (2014)
Jesus du Menschenfreund
du willst Gerechtigkeit und Frieden unter den Menschen.
Herr, erbarme dich.
Jesus, du Bruder in Armut und Not,
du mahnst uns, nicht auf Kosten anderer zu leben.
Christus, erbarme dich.
Jesus, du Vorbild im Leben,
du ermutigst uns, fair und ehrlich zu sein.
Herr, erbarme dich.
Der gute Gott erbarme sich,
er stärke das Gute in uns
und befreie uns von Schuld und Sünde. – Amen.
Hans Hütter (2011)
Herr, Jesus Christus,
deine Hochherzigkeit kennt keine Grenzen.
Herr, erbarme dich.
Du beschenkst uns überreich mit deiner Liebe und Güte.
Christus, erbarme dich.
Du bist groß in deinem Erbarmen und im Verzeihen.
Herr, erbarme dich.
Manfred Wussow (2008)
Herr,
du kennst die Ansprüche in unserem Leben.
Du weißt auch, was uns hilflos macht.
Herr, erbarme dich.
Christus,
wir fordern viel von unseren Mitmenschen.
Oft sind wir unbarmherzig und hart.
Christus, erbarme dich.
Herr,
du machst aus Letzten Erste.
In deiner Güte bekommt die Welt ein neues Gesicht.
Herr, erbarme dich.
- Tagesgebet3
Messbuch - TG 25. Sonntag: Das Gebot der Liebe als Erfüllung des ganzen Gesetzes
Heiliger Gott,
du hast uns das Gebot der Liebe
zu dir und zu unserem Nächsten aufgetragen
als die Erfüllung des ganzen Gesetzes.
Gib uns die Kraft,
dieses Gebot treu zu befolgen,
damit wir das ewige Leben erlangen.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.
MB 25. Sonntag im Jahreskreis
Messbuch - TG 27. Sonntag: du gibst uns mehr, als wir verdienen
Allmächtiger Gott,
du gibst uns in deiner Güte mehr,
als wir verdienen,
und Größeres, als wir erbitten.
Nimm weg, was unser Gewissen belastet,
und schenke uns jenen Frieden,
den nur deine Barmherzigkeit geben kann.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.
MB 27. Sonntag im Jahreskreis
Messbuch - TG 2. Sonntag: Gerechtigkeit, Frieden
Allmächtiger Gott,
du gebietest über Himmel und Erde,
du hast Macht über die Herzen der Menschen.
Darum kommen wir voll Vertrauen zu dir;
stärke alle, die sich um die Gerechtigkeit mühen,
und schenke unserer Zeit deinen Frieden.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.
MB 2. Sonntag im Jahreskreis
- Eröffnungsgebet6
Sonntagsbibel
Gott,
wir sind auf dein Entgegenkommen
und deine Liebe angewiesen.
Laß uns erkennen, wie sehr wir dich brauchen
und wie sehr du uns liebst.
Durch Christus, unseren Herrn.
Beatrix Senft (2023)
Unser Vater,
auch heute ließen wir uns durch deinen Sohn wieder zusammenrufen.
Vieles haben wir in der letzten Woche geleistet.
Nicht alles ist uns gelungen,
nicht alles wurde so anerkannt, wie wir es erhofft haben.
Wir bitten dich,
lass uns im Wort deines Sohnes heute erkennen,
was die wahren Werte des Lebens ausmacht
und stärke uns für unseren Dienst.
Das erbitten wir durch ihn, Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Bruder und Herrn. – Amen.
Manfred Wussow (2020)
Gott, von Anfang an bist du Liebe!
Wir danken dir,
in deiner Barmherzigkeit Kraft und Mut,
Ausdauer und Freude zu haben.
Am schönsten ist es für uns,
wenn uns jeder Tag gelingt.
Was wir vergeblich tun, was uns entgleitet,
schenkst du uns als Lehrstück zurück.
Hilf uns, barmherzig zu werden,
wenn wir gerecht sein wollen.
Für das Evangelium danken wir dir,
für die vielen Geschichten,
in denen wir den Weg in die herrliche Freiheit deiner Kinder finden.
In Jesus heute, in seinem Geist alle Zeit,
in ihm vom Ewigkeit zu Ewigkeit.
Manfred Wussow (2017)
Wir danken dir, Vater aller Menschen,
für deine Liebe und Treue.
Wir erzählen dir,
was wir in den letzten Tagen
erlebt, erlitten und erkämpft haben.
Nimm unseren Groll in deine Hand
und unsere Freude auch.
Deine Wege reichen weiter als unsere
und in deinen Gedanken sind unsere Erfahrungen und Träume gut aufgehoben.
Lass uns in der Weite des Himmels deine Güte entdecken und deinem Wort trauen.
In Christus, unserem Herrn.
Martin Stewen (2014)
Gütiger Gott,
deine Heilsbotschaft ist ein Aufruf
zu Frieden und Gerechtigkeit.
Doch Vieles liegt im Argen.
Lass uns dankbar schauen auf das,
was inmitten unserer Welt gut und gelungen ist.
Lass uns mit Tatendrang und Phantasie das verändern,
was nicht dem Menschen und deiner Schöpfung dient.
So bitten wir durch ihn, der uns Vorbild und Ansporn ist,
Jesus Christus, unser Bruder und Herr. - Amen.
Manfred Wussow (2008)
Gott,
du meinst es gut mit uns Menschen.
Du lässt uns deine Güte sehen
und vertraust uns dein Gebot an,
barmherzig zu sein.
Wir danken dir.
Überwinde unseren Kleinglauben,
die Angst, übervorteilt zu werden
und den Neid, der uns lieblos macht.
Lass uns in deiner Gegenwart
Boten deiner Großzügigkeit sein.
In Christus, unserem Herrn.
- Fürbitten8
Hans Hütter (2023)
Guter Gott,
unsere Welt leidet an Katastrophen, an kriegerischer Gewalt, an Ungerechtigkeit und Herzlosigkeit.
Wir bitten dich:
Für die Menschen in der Ukraine, in Syrien, Uganda und Armenien.
Lass sie zu einem friedlichen und gerechten Miteinander finden.
Für alle Menschen, denen durch Kriege und wirtschaftliche Verwerfungen die Lebensgrundlagen entzogen worden sind.
Lass ihnen ausreichend Nahrung zukommen.
Für die vielen Kinder, die hungern, verwahrlosen und um ihr Überleben kämpfen müssen.
Lass sie beherzten Helfern begegnen, die ihnen ein Leben in Würde ermöglichen.
Für alle Menschen, die vor einer ungewissen Zukunft stehen.
Lass sie Zusammenhalt erleben und führe sie zu guten Leben.
Für die christlichen Kirchen.
Gib ihnen den Mut, die Frohe Botschaft vom Himmelreich und vom Wirken Gottes in unserer Welt zu verkünden.
Für unsere Toten.
Lass sie die Fülle des neuen Lebens in deiner Gegenwart erfahren.
Jesus Christus, dein Sohn und unser Bruder hat uns Mut gemacht, an deinem Reich bereits hier und jetzt mitzuwirken. Steh uns bei und lass uns freudig an diese Aufgabe herangehen.
Das erbitten wir durch ihn, der mit dir in der Einheit mit dem Heiligen Geist lebt und wirkt. - Amen.
Renate Witzani (2023)
Unsere eigenen Vorstellungen versperren uns oft die Sicht auf die objektive Wirklichkeit. So ist es auch in unserer Beziehung zu Gott.
Ihn, der für uns immer unbegreiflich bleibt, bitten wir:
Hilf allen, deinem Ruf zu folgen, egal ob innerhalb oder außerhalb der Kirche, seit der Kindheit oder erst am Sterbebett, in der theologischen Auseinandersetzung oder beim Erleben deiner Schöpfung.
Hilf den Verantwortlichen in der Politik und den Einsatzorganisationen den im Mittelmeerraum Betroffenen die Hilfe zukommen zu lassen, derer sie aufgrund ihrer schweren existenziellen und seelischen Probleme nach den erlittenen Schicksalsschlägen bedürfen.
Hilf uns, einander mit deinen Augen zu sehen unabhängig von Leistung, Fähigkeiten, Herkunft und anderen Gerechtigkeitsvorstellungen, durch die wir oft keine Gnade kennen.
Hilf uns, im Glauben zu reifen, uns von dir überraschen und verändern zu lassen.
Hilf allen in ihrer Sterbestunde, wenn du sie in deine ewige Nähe rufst.
Denn du bist immer größer, höher und tiefer als wir dich denken können.
Dich beten wir an, danken dir und preisen dich jetzt und bis in Ewigkeit. - Amen.
Manfred Wussow (2020)
Wenn Jesus Geschichten erzählt, nimmt er uns in die Ereignisse hinein.
Wir warten mit den Männern auf dem Arbeitsmarkt,
wir schuften mit den Männern im Weinberg,
wir sind entsetzt am Abend. Die Welt ist nicht in Ordnung.
Heute bitten wir:
Ein Unternehmen schließt seine große und erfolgreiche Zweigniederlassung. Anderswo sind die Arbeitskräfte billiger zu haben. In der Zeitung steht in großen Lettern die Frage: Wer senkt den Daumen über 1800 Jobs?
Für die Menschen, die bangen, die sich um den Lohn ihrer Arbeit gebracht fühlen, die von heute von morgen neue Perspektiven suchen müssen, bitten wir:
Herr, erbarme dich!
Flüchtlinge suchen auf unseren Arbeitsmärkten Stellen. Auch, um für sich und ihre Familien eine bessere Zukunft erarbeiten zu können. Sie sind hochmotiviert, stoßen aber auf Regelwerke und Beschränkungen. Sie verstehen auch die Abwehrhaltung nicht, die ihnen oft entgegenschlägt.
Für die Menschen, die mit großen Augen in die westliche Welt kommen, die Freundlichkeit
erhoffen und gute Nachbarn werden möchten, bitten wir:
Herr, erbarme dich.
Ausländer werden für viele Arbeiten gebraucht, aber nicht gleichberechtigt behandelt. Sie arbeiten in der Pflege, in Fleischfabriken und in der Landwirtschaft. Oft sind es unmenschliche Bedingungen, die ihnen auferlegt werden.
Für die Menschen, die von weit her kommen, um den Lebensunterhalt ihrer Familien zu sichern, die hart arbeiten, damit manches Produkt billiger zu haben ist, die unter uns isoliert leben, bitten wir:
Herr, erbarme dich.
Falsche Nachrichten werden als Waffen eingesetzt. Kluge Leute setzen ihren Verstand ein, um Hass im Netz zu verbreiten. Was wahr ist und was nicht, wird Interessen geopfert. Menschen werden schlecht- und totgeredet.
Für die Menschen, die Nachrichten sorgfältig recherchieren, die dem Hass Paroli bieten, die
sich der verfolgten und bedrohten Menschen annehmen, bitten wir:
Herr, erbarme dich.
Unter Corona leiden viele Unternehmen. Tourismus, Gastgewerbe und Ausstellungsmacher geraten an die finanziellen Grenzen. Menschen fürchten, noch einmal neu anfangen zu müssen.
Für die Menschen, die gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen, die innovative Möglichkeiten erarbeiten, die mit Rat und Tat zur Seite stehen, bitten wir:
Herr, erbarme dich.
Du, Herr, öffnest uns die Augen für Barmherzigkeit.
Schenke uns ein helles Licht und warme Herzen, um gerecht sein zu können.
Kurz vor Torsschluss entdecken wir Hoffnungen, Lebensgeschichten und Aufbrüche.
Das ist die frohe Botschaft in Christus, unserem Herrn.
Manfred Wussow (2017)
Im Evangelium wird von dem Wunder erzählt,
dass Erste und Letzte alles bekommen, was sie für ihr Leben und ihr Glück brauchen.
Wir denken heute an viele Begegnungen und Anlässe, neue Perspektiven für die Welt zu wünschen und zu erbitten.
Lasst uns beten:
Heute wird (in Deutschland) ein neuer Bundestag gewählt.
Viele Parteien werben um Stimmen.
Herr, hilf uns, einen guten Geist in unserer Gesellschaft zu verbreiten,
Vorurteilen zu widersprechen und Ängste nicht als Ratgeber zuzulassen.
GL 481,6:
Lass uns deine Herrlichkeit /
sehen auch in dieser Zeit /
Und mit unsrer kleinen Kraft /
suchen, was den Frieden schafft. /
Erbarm dich Herr.
Heute beginnt die Interkulturelle Woche. Sie steht unter dem Motto: „Vielfalt verbindet“.
An vielen Orten kommen Menschen zum „Gebet der Religionen“ zusammen.
Herr, schenke uns einen Blick für den Reichtum, der mit Menschen anderer Traditionen, fremder Geschichten und fernen Verwandten in unser Land kommt.
Lass nicht zu, dass in deinem Namen Hass gesät, Gewalt geschürt und Terror gerechtfertigt wird.
GL 481,6
Heute denken wir an „Internationalen Tag des Friedens“ der Vereinten Nationen.
Auf der 72. Sitzung der Generalversammlung der UNO wird in diesen Tagen wieder über das Streben nach Frieden und einem würdigen Leben für alle Menschen auf unserer Erde diskutiert.
Herr, gib den Politikern weltweit die Kraft, Gewalt- und Rüstungsspiralen aufzubrechen, Konflikte friedlich zu lösen und Menschen nicht zu Geiseln ihrer Machtgelüste zu nehmen.
GL 481,6
Heute sehen wir die entsetzlichen Auswirkungen der Naturkatastrophen in Mexiko und in anderen Ländern und Städten.
Herr, öffne unsere Herzen für das Leid der Menschen, die Tote beklagen, von vorne anfangen müssen und unsere Solidarität und Nähe brauchen.
Öffne uns auch die Augen für die Mitverantwortung, die wir bei den Prozessen der Klimaveränderung haben.
GL 481,6
Heute sind wir als Gemeinde zusammen. Viele, die mit uns den Gottesdienst feiern, kennen wir nicht.
Herr, tröste die Trauernden, richte die Verzagten auf und lass uns aufeinander zugehen und
Geschichten teilen.
Menschen, die gestorben sind und die wir nicht vergessen können, bewahre uns in deinem Reich.
GL 481,6
Du, Herr, bist für uns der Letzte geworden. Hingerichtet und aufgehängt.
Aber dem Tod hast du die Macht und das letzte Wort genommen.
Wir freuen uns, zu dir zu gehören, dir zu folgen
und in der Gemeinschaft deiner Kinder zu leben.
So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken. Spricht der Herr. – Amen.
Renate Witzani (2017)
Zu Gott, der gut ist und es mit uns gut meint,
lasst uns beten:
Beten wir für die Kirche, die von einem Gott Zeugnis gibt, für den alle Menschen gleich wichtig sind.
Beten wir für alle, denen trotz ihrer Arbeit das Notwendigste zum Leben fehlt.
Beten wir für die Selbstgerechten, die meinen, sich Gottes Gnade verdient zu haben.
Beten wir für alle Verzweifelten, die in ihrem Leben unter den derzeitigen Umständen keinen Sinn finden können.
Beten wir für die Sterbenden, die sich nach manchen Irrwegen nach einer Heimkehr in das Haus des Vaters sehnen.
Gott, du gehst auf allen unseren Wegen mit uns. Du allein schenkst Sinn und Richtung.
Dir danken wir und loben dich heute und in Ewigkeit. - Amen.
Martin Stewen (2014)
Der Erste soll der Letzte sein, der Letzte der Erste.
Guter Gott, dein Sohn will unser Leben auf den Kopf stellen.
Vieles in dieser Welt aber ist erstarrt und unbeweglich.
Wir rufen zu dir:
Erfülle die Handelnden in Wirtschaft und Politik mit einem Verantwortungsgefühl für alle jene, die von ihrem Handeln betroffen sind.
Schenke uns Christinnen und Christen den Mut, gegen eine allgemeine Profitgier mit den Verlierern moderner Wirtschaft solidarisch zu sein.
Lass all jene, die sich als die Letzten wahrnehmen, nicht verzweifeln und radikal werden, sondern schenke ihnen Kraft und Phantasie, um immer wieder neue Lösungen gegen ihre Misere zu finden.
Schenke all jenen einen ersten Platz in deinem Reich, die in ungerechten Wirtschaftssystemen zu Tode geschunden werden oder als letzten Ausweg den Freitod suchen.
"Gerecht ist der Herr in allem, was er tut, voll Huld in all seinen Werken." -
Weil wir darauf setzen, vertrauen wir dir unsere Sorgen und Nöte an
in Jesus Christus, unserem Bruder und Herrn. – Amen.
Hans Hütter (2011)
Gerechter und barmherziger Gott,
im Vertrauen auf deine Güte und Hochherzigkeit bitten wir dich.
Für alle Menschen, die keine Arbeit finden
und kein Einkommen haben.
Besonders bitten wir dich für die arbeitslosen Jugendlichen.
Lass sie an den reichlich vorhandenen Gütern der Schöpfung Anteil gewinnen.
Für alle Menschen, die für ihre Arbeit nicht ausreichend entlohnt werden.
Lass ihnen Gerechtigkeit zuteil werden.
Für alle Menschen, die in Überfluss leben.
Mach ihnen die Verantwortung für das Wohl aller bewusst.
Für alle Menschen,
die das Gespür für deine Liebe und Güte verloren haben.
Schenke ihnen die Gnade des Glauben-könnens.
Für unsere Verstorbenen.
Lass sie an der Freude deines unerschöpflichen ewigen Lebens teilhaben.
Du, Herr, bist gütig und hochherzig
uns lässt uns an deinem Reichtum teilhaben.
Dir danken wir und dich preisen wir. Amen.
Manfred Wussow (2008)
Im Evangelium ist uns ein Weinbergbesitzer begegnet,
der mit Konventionen und hergebrachtem Recht bricht.
Er holt auch die Letzten zu sich und schenkt ihnen den ganzen Tag.
Wir denken an die Menschen, die ihre Nase vorne haben,
erfolgreich sind und gut dastehen.
Sie haben viel erreicht und gehen in ihrer Arbeit auf.
Schenke ihnen ein dankbares Herz und ein Gespür für andere Menschen.
Lasst uns für sie beten:
Herr, schenke uns einen guten Blick.
Wir kennen Menschen, die abgehängt werden,
übrig bleiben und in Statistiken verschwinden.
Sie werden hilflos, oft auch aggressiv.
Schenke ihnen Menschen, die ihnen etwas zutrauen.
Wir haben Menschen vor Augen, die Stellen einrichten,
über Bewerbungen entscheiden und Personal auch freisetzen.
In ihren Händen liegen viele Schicksale.
Schenke ihnen die Phantasie,
auch Schwächen in Stärken zu verwandeln.
Wir befehlen dir die Menschen,
die in Kindergärten, Schulen und Betrieben Selbstvertrauen stärken, Fähigkeiten entwickeln und Lebenswege ebnen.
Sie müssen kreativ sein, werden aber ständig herausgefordert.
Schenke ihnen gute Ideen und ein unbeirrbares Vertrauen.
Wir fiebern mit Menschen,
die sich nach einer Krankheit, einer schweren Lebenskrise
oder nach langer Arbeitslosigkeit wieder um eine Stelle bewerben,
Anschluss suchen und davon träumen,
noch einmal gebraucht zu werden.
Sie sind von ihren Erfahrungen gezeichnet,
stellen sich aber dem Leben neu.
Schenke ihnen offene Türen und verständnisvolle Gesprächspartner.
Du, Herr, schaust gut auf Menschen.
Du machst aus Letzten Erste.
Nicht nach Stunden und Leistungen rechnest du -
du gibst jedem das ganze Leben.
Dir befehlen wir unsere Sachzwänge,
die wirtschaftlichen Notwendigkeiten
und die Arbeitsmärkte.
Schenke uns deinen Geist.
In Christus...
- Gabengebet2
Messbuch - GG 25. Sonntag: gib, dass wir empfangen, was wir im Glauben bekennen
Herr, unser Gott,
nimm die Gaben deines Volkes an
und gib, dass wir im Geheimnis
der heiligen Eucharistie empfangen,
was wir im Glauben bekennen.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MB 25. Sonntag im Jahreskreis
Messbuch - GG 28. Sonntag: das Leben in der Herrlichkeit des Himmels erlangen
Herr und Gott,
nimm die Gebete und Opfergaben
deiner Gläubigen an.
Lass uns diese heilige Feier
mit ganzer Hingabe begehen,
damit wir einst das Leben
in der Herrlichkeit des Himmels erlangen.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MB 28. Sonntag im Jahreskreis
- Gebet zur Gabenbereitung4
Manfred Wussow (2020)
Du, Herr, gibst uns das Leben,
das Brot und den Wein,
die Barmherzigkeit,
am Ende dein Reich.
Wir bringen dir, Herr,
unsere Fragen,
die Lebensfreude,
die Arbeit,
Brot und Wein.
Du sprichst das Wort,
das dich zu uns bringt,
deine Liebe in unseren Mund legt,
deinen Leib, dein Blut.
Wir danken dir,
ein Teil von dir zu sein,
geliebt vor aller Zeit.
Komm, unser Herr!
Manfred Wussow (2017)
Was wir dir, Herr, bringen können,
haben wir nicht verdient.
Es kommt von dir.
Brot und Wein.
Was du uns schenkst, Herr,
ist mehr als wir erwarten.
Du schenkst dich uns.
Brot und Wein.
Was wir miteinander teilen, Herr,
ist uns von dir anvertraut.
Unsere Arbeit, unser Geld
und unsere Hoffnung.
Brot und Wein.
In Christus, unserem Herrn
Martin Stewen (2014)
Gütiger Gott,
Brot und Wein sind bereitet
und lassen uns wissen, dass du für uns sorgst.
Lass uns bei diesem Festmahl auch jene nicht vergessen,
denen es an Vielem fehlt,
die Opfer sind von Ungerechtigkeit und Unterdrückung,
die mit ihrer Armut unseren Wohlstand ermöglichen.
So bitten wir durch Christus unseren Herrn. - Amen.
Manfred Wussow (2008)
Herr,
was wir dir bringen, ist alles von dir.
Brot und Wein.
Deine Güte schmeckt gut,
wir werden satt,
es wird warm ins uns.
Was du uns schenkst, ist ganz für uns.
Dein Leib, dein Blut.
Du schenkst uns Anteil an dir.
An deinem Leiden, an deiner Auferstehung.
Wir danken dir.
Komm, unser Herr.
- Lobpreis1
Hans Hütter (2020)
Kehrvers:
Preiset den Herrn, denn er ist gut.
Danket dem Herrn, denn er ist gut. (GL Ö971)
Oder:
Lobet den Herrn, preist seine Huld und Treue. (GL 401)
Guter und barmherziger Gott,
wir kommen zu dir, um dir zu danken und dich zu loben.
Weil du uns liebst, hast du die Welt geschaffen
und uns das Leben geschenkt.
Kehrvers
Zu hoch und erhaben sind deine Wege und Gedanken,
als dass wir deine Liebe und Barmherzigkeit begreifen könnten.
Du erfüllst die ganze Schöpfung mit deinem Segen.
Kehrvers
Dein Sohn Jesus Christus ist in die Welt gekommen,
um allen, die deiner Güte vertrauen,
das ewige Leben zu erschließen..
Kehrvers
Du hast uns zu deinen Kindern berufen,
nicht weil wir es verdient hätten,
sondern weil du ein Herz hast,
das sich auch der Kleinen und Schwachen erbarmt.
Kehrvers
Dafür danken wir dir und preisen wir dich.
Wir stimmen ein in den Lobgesang der ganzen Schöpfung
und singen dir zur Ehre:
Danklied, z.B. Nun saget Dank und lobt den Herren (GL 385)
- Präfation2
Messbuch - Präfation Sonntage 3: Die Rettung des Menschen durch den Menschen Jesus Christus
In Wahrheit ist es würdig und recht,
dir, Herr, heiliger Vater,
allmächtiger, ewiger Gott,
immer und überall zu danken.
Denn wir erkennen deine Herrlichkeit in dem,
was du an uns getan hast:
Du bist uns mit der Macht deiner Gottheit
zu Hilfe gekommen und
hast uns durch deinen menschgewordenen Sohn
Rettung und Heil gebracht
aus unserer menschlichen Sterblichkeit.
So kam uns aus unserer Vergänglichkeit
das unvergängliche Leben
durch unseren Herrn Jesus Christus.
Durch ihn preisen wir jetzt und in Ewigkeit
dein Erbarmen und singen mit den
Chören der Engel das Lob
deiner Herrlichkeit:
Heilig ...
MB Sonntage 3
Messbuch - Präfation Sonntage 4: Die Heilsereignisse in Christus
Wir danken dir, Vater im Himmel,
und rühmen dich
durch unseren Herrn Jesus Christus.
Denn durch seine Geburt
hat er den Menschen erneuert,
durch sein Leiden unsere Sünden getilgt,
in seiner Auferstehung den Weg zum Leben
erschlossen und in seiner Auffahrt zu dir
das Tor des Himmels geöffnet.
Durch ihn rühmen dich deine Erlösten und
singen mit den Chören der Engel
das Lob deiner Herrlichkeit:
Heilig ...
MB Sonntage 4
- Mahlspruch1
Bibel (2011)
Wo die Güte und die Liebe wohnen,
da wohnt Gott, der Herr.
Oder:
So spricht der Herr: Ich bin der gute Hirt,
ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich.
(Joh 10,14)
Oder:
Hungernde überhäuft er mit Gutem,
Reiche lässt er leer ausgehen.
(vgl. Lk 1,53)
- Meditation1
Helene Renner (2020) - Gottes Güte übersteigt menschliche Vorstellung
Gott ist barmherzig
gütig und gerecht
Seine Barmherzigkeit
schließt keinen Menschen aus
niemand ist zu gering
zu wenig wertvoll
zu unbedeutend
Gottes Güte
übersteigt menschliche Vorstellung
beugt sich ganz tief hinab
um allen die Hand zu reichen
und aufzuhelfen
die gefallen sind
Gottes Gerechtigkeit
urteilt nicht vorschnell
kennt keinen Neid
und keine vorgegebene Rangordnung
rückt zurecht
und setzt ganz neue Maßstäbe
Gott ist barmherzig
gütig und gerecht
und voll Liebe
Und wir?
Wie ist unsere Gerechtigkeit und Güte?
Wie ist unsere Liebe?
- Schlussgebet3
Messbuch - SG 25. Sonntag: gewähre uns deine Hilfe
Allmächtiger Gott,
du erneuerst uns durch deine Sakramente.
Gewähre uns deine Hilfe
und mache das Werk der Erlösung,
das wir gefeiert haben,
auch in unserem Leben wirksam.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MB 25. Sonntag im Jahreskreis
Messbuch - SG Fastenzeit 4 Fr: neu werden in Heiligkeit und Gerechtigkeit
Allmächtiger Gott,
du hast uns von den alten
zu den neuen Zeichen des Heils hinübergeführt.
Lass uns die Gewohnheiten des alten Menschen ablegen
und neu werden in Heiligkeit und Gerechtigkeit.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MB Freitag der 4. Woche der Fastenzeit
Messbuch - SG Fastenzeit 2 So: Anteil an der Herrlichkeit deines Sohnes
Herr,
du hast uns im Sakrament
an der Herrlichkeit deines Sohnes Anteil gegeben.
Wir danken dir,
daß du uns schon auf Erden teilnehmen läßt
an dem, was droben ist.
Durch Christus, unseren Herrn.
MB 2. Fastensonntag
- Gebet zum Abschluss5
Beatrix Senft (2023)
Herr, Jesus Christus,
durch dein Wort durften wir erneut hören,
dass die Liebe des Vaters mit anderen Maßstäben handelt,
als wir es in unserem Kleindenken tun.
Die Forderung an uns ist,
nicht darauf zu bauen, dass alles im gleichen Maß vergütet werden soll und muss,
sondern, dass wir barmherzig handeln,
wie auch dein Vater an uns großzügig und barmherzig handelt.
Wir bitten dich, schenke uns, mit dem Vater und dem Hl. Geist, Kraft und Segen für alles Tun. – Amen.
Manfred Wussow (2020)
Am Ende eines Gottesdienstes, Herr,
steht uns wieder ein neuer Anfang vor Augen.
Manche müssen heute wieder arbeiten.
Andere können den Sonntag noch genießen.
Morgen ist wieder Alltag.
In Schulen, Fabriken, Büros und Geschäften.
Bewahre uns davor, missmutig, unfreundlich und ängstlich zu sein,
schenke uns vielmehr ein fröhliches Herz,
leuchtende Augen und aufmerksame Ohren.
Und wenn wir neidisch werden könnten,
zeige uns die Schönheit unseres Lebens.
Es ist die Barmherzigkeit, die die Welt verwandelt
in Christus, unserem Weggefährten.
Heute schon von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Manfred Wussow (2017)
Treuer, barmherziger Gott,
wir danken dir, in deinem Wort eine neue Welt zu entdecken,
in der die Verwerfungen, Konflikte und Ängste
benannt und erlöst werden.
An deinem Tisch feiern wir die Gemeinschaft mit dir und untereinander,
als wäre die Welt schon vollendet.
Jetzt gehen wir wieder in unser alltägliches Leben.
Neugierig schauen wir auf die neue Woche.
Du schenkst uns Mut,
du gibst uns Anteil an deiner Kraft
und lässt uns in der Liebe wachsen.
Wir bitten dich um deinen Segen.
Wie du versprochen hast.
In Christus, unserem Herrn.
Martin Stewen (2014)
Guter Gott
gestärkt durch dein Wort vom Heil
und genährt mit dem Brot des Lebens
gehen wir nun nach Hause.
Lass diese Gaben in uns nachwirken -
sie mögen uns die Kraft schenken,
aufzustehen gegen Unrecht und Unheil
und einzustehen für Menschen, die Opfer wurden.
Das erbitten wir durch Jesus Christus,
unseren Bruder und Herrn. - Amen.
Manfred Wussow (2008)
Gott,
unser Vater:
du liebst deine Kinder.
Du wartest auf uns.
Du gehst uns nach.
Du traust uns auch viel zu.
Rüste uns mit deiner Kraft aus,
schenke uns Geduld
und lass unter uns deine Güte wachsen.
In deinem Frieden machen wir uns auf den Weg.
Zu dir und zueinander.
In Christus, unserem Herrn.
Gewerkschaft lehnt Ruf nach moderater Lohnerhöhung ab
Die Herbstlohnrunde, die am 25. September mit den Kollektivvertragsverhandlungen der Maschinen- und Metallbauindustrie startet, wirft ihre Schatten voraus. Die seit Monaten sehr hohe Inflation lässt schwierige Verhandlungen erwarten. Arbeitgeber würden gerne für länger als ein Jahr abschließen, davon halten allerdings die Gewerkschaften wenig. Uneinigkeit herrscht auch darüber, ob hohe Lohnabschlüsse die allgemeine Teuerungsrate weiter befeuern.
Ganzer Beitrag:
https://www.derstandard.at/story/3000000184820/
Luise Ungerboeck in Der Standard am 29. August 2023
„Schere aus Kosten und Produktivität geht auf“
Die Wirtschaft steht vor schwierigen Zeiten. Eine Rezession ist möglich, gleichzeitig sorgt die Inflation für hohe Lohnforderungen. Man müsse daher die Wettbewerbsfähigkeit im Auge behalten, sagt WKO-Präsident Mahrer.
Ganzer Beitrag:
https://www.diepresse.com/15519280/
Jakob Zirm in Die Presse am 11.09.2023
Sichert das bedingungslose Grundeinkommen unsere Existenz?
In der österreichischen Bevölkerung steigt der Wunsch nach finanzieller Absicherung, Politik und Wirtschaft sehen ein bedingungsloses Grundeinkommen jedoch nicht umsetzbar. Jetzt kommt aus der Technologiebranche Unterstützung.
Ganzer Beitrag:
https://www.wienerzeitung.at/a/oekonowie-grundeinkommen
Jakob Zirm in Die Presse am 11.09.2023
Vergelten?
sich revanchieren
sich erkenntlich zeigen
Dank zollen
ersetzen
belohnen
vergüten
gibst du mir
gebe ich dir
mit gleicher Münze
mit gleichem Wert
das Maß Gottes
es ist anders
Ich erkenne deinen Dienst an
so wie er ist
so wie du kannst
und schenke dir
bedingungslos
meine Liebe
mit der „Münze“ meiner Barmherzigkeit
Beatrix Senft 2023.
Gottes Gerechtigkeit
Gottes Gerechtigkeit ist anders
als menschliche Gerechtigkeit.
Er überrascht uns immer wieder;
zahlt Löhne aus,
die manche nicht erwarten;
feiert Feste mit Sündern;
umarmt den Sohn,
der alles veruntreut hat;
lobt die Klugheit des ungerechten Verwalters,
spricht mit einer Samariterin am Brunnen;
begnadigt die Ehebrecherin;
schaut den Menschen tief ins Herz.
Seine Gerechtigkeit
heißt Barmherzigkeit.
Ilse Pauls
Lohnunterschiede - Was heißt hier gerecht?
Der Mindestlohn hat das Lohngefüge vor allem im Osten von unten stabilisiert. Man mag das im Ergebnis begrüßen – ein Grund zu großem Jubel ist es aber nicht.
Ganzer Beitrag:
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/arm-und-reich/kommentar-zu-lohnunterschieden-was-heisst-hier-gerecht-16953323.html
Ein Kommentar von Dietrich Creutzburg in der FAZ, aktualisiert am 14.09.2020
Ich weiß, mein Gott, dass all mein Tun
Ich weiß, mein Gott, daß all mein Tun
und Werk in deinem Willen ruhn,
von dir kommt Glück und Segen;
was du regierst, das geht und steht
auf rechten, guten Wegen.
Es steht in keines Menschen Macht,
daß sein Rat werd ins Werk gebracht
und seines Gangs sich freue;
des Höchsten Rat der macht´s allein,
daß Menschenrat gedeihe.
Verleihe mir das edle Licht,
das sich von deinem Angesicht
in fromme Seelen strecket
und da der rechten Weisheit
Kraft durch deine Kraft erwecket.
Was dir gefällt, das laß auch mir,
o meiner Seele Sonn und Zier,
gefallen und belieben;
was dir zuwider, laß mich nicht
in Werk und tat verüben!
Tritt zu mir zu und mache leicht,
was mir sonst fast unmöglich deucht,
und bring zum guten Ende,
was du selbst angefangen hast
durch Weisheit deiner Hände.
Du bist mein Vater, ich dein Kind;
was ich bei mir nicht hab und find,
hast du zu aller Gnüge.
So hilf nur, daß ich meinen Stand
wohl halt und herrlich siege.
Dein soll sein aller Ruhm und Ehr,
ich will dein Tun je mehr und mehr
aus hocherfreuter Seelen
vor deinem Volk und aller Welt,
so lang ich leb, erzählen.
Paul Gerhardt, EG 497.
Einspruch
Das so verstandene Gleichnis lässt sich in die Verkündigung Jesu gut einordnen. Jesus sieht sich dem Einspruch gegen seine Botschaft vom zuvorkommend gütigen Gott gegenüber, der den Sündern vorbehaltlos vergeben will. Der Einspruch besagt, dass ein derart handelnder Gott nicht mehr gerecht wäre, da er Sünder und Gerechte gleich behandelt. Welche Bedeutung soll dann noch die Bemühung um Einhaltung der Tora haben, die Bemühung darum, gerecht zu sein?
Man wird diese Kritik an der Botschaft Jesu wohl am ehesten in pharisäischen Kreisen vermuten können. Sie sollen durch das Gleichnis zur Erkenntnis kommen, dass der von Jesus verkündigte gütige Gott nicht gegen die Gerechtigkeit verstößt. Dies geschieht erzählerisch geschickt dadurch, dass dem Einspruch der Adressaten in der Erzählung Raum gegeben wird, ja er erscheint in gewisser Weise sogar als naheliegend. So in die Geschichte verstrickt, sollen sie aber erkennen, dass das gütige Handeln Gottes niemanden um seinen »gerechten Lohn« bringt.
Zwar wirbt das Gleichnis um Verständnis für die Güte, es greift aber die Vorstellung des gerechten Lohnes nicht an. Die Arbeiter der ersten Stunde erhalten ihren Lohn wie ausgehandelt. Keine Spur der Kritik wird an der Erwartung dieses Lohnes für harte Arbeit auch nur angedeutet. Die Antwort des Weinbergbesitzers basiert vielmehr darauf, dass die Lohnvereinbarung angemessen ist. Dann kann der Einspruch gegen versklavendes Lohndenken nicht das Thema des Gleichnisses sein.
Die Auslegung macht deutlich, das V.16 nicht die Sinnspitze des Gleichnisses trifft und also eine sekundäre Anwendung sein muss. Die Umkehrung von Ersten und Letzten ist ein Nebenzug im Gleichnis – erzählerisch notwendig, damit die Arbeiter der ersten Stunde überhaupt erfahren, welchen Lohn die Arbeiter der letzten Stunde erhalten.
Was ist dem Menschen dienlich?
Wenn wir also nach dem gerechten Lohn für Arbeit fragen, wenn wir überhaupt nach Arbeit fragen, nach neuen Arbeitsplätzen, ja: wenn wir überhaupt fragen, wie wir die Wirtschaft (und Gesellschaft) im Lichte des Evangeliums zu betrachten haben, dann kommt es allein auf eine nüchterne Beantwortung der Frage an: Was ist dem Menschen, den Menschen und ihrem Zusammenleben dienlich, ihren Beziehungen zu einander – auch, aber nicht nur sub species aeternitatis? Allein diese Fokussierung kann die offenen und kontroversen Diskussionen zwischen Interessenten aller Art legitimieren, niemals nur die einseitige Besitzstandswahrung. Die Regel ist einfach zu formulieren – ihre Anwendung führt freilich in tausend Komplexitäten, selbst die schlichte utilitaristische Regel vom größten Glück der großen Zahl führt spätestens im zweiten Argument in aporetische Untiefen.
Wir wissen, wie komplex die Gerechtigkeitsdispute geworden sind. Am Anfang stand im Hebräischen die Gerechtigkeit Gottes und der Gottesfriede, die sedaqua und der shalom, in denen beiden die Fülle des gesegneten Lebens angekündigt waren. Schon im Griechischen kann die dikaiosyne die Fülle der sedaqua, nicht mehr fassen, so dass die Barmherzigkeit semantisch hinzutreten muss; zuvor hatte schon Aristoteles die Paradoxie formuliert, dass die Gerechtigkeit zwar durch die Billigkeit gewissermaßen abgerundet werden müsse, sich dann aber die Frage stelle, was, wenn erst die Billigkeit Gerechtigkeit schaffe, aus der Gerechtigkeit werde, was hingegen die Billigkeit sei, wenn die Gerechtigkeit wirklich gerecht ist. Im römischen Recht wurde die iustitia dann weiter rationalisiert, bis sie dann schließlich im Preußischen Kammergericht angekommen ist – und man nun darauf hoffen muss, dass wenigstens mitunter Gnade zwar nicht vor Recht geht, aber dich auf das Recht folgt. Dies alles ist nicht gesagt, um den modernen Rechts- und Instanzenstaat zu desavouieren. Wir sollten froh sein und Gott dafür danken, dass wenigstens wir seine Vorzüge genießen können.
Aber ich hoffe doch, dass in uns allen ein starker Funke der Hoffnung leuchtet, dass diese uns Menschen mögliche Gerechtigkeit am Ende nicht alles bleibt, dass da noch jemand anderes im Gericht sitzt, von dem es in Psalm 146 heißt:
LUT Psalm 146:7 der Recht schafft denen, die Gewalt leiden, der die Hungrigen speiset. Der HERR macht die Gefangenen frei. 8 Der HERR macht die Blinden sehend. Der HERR richtet auf, die niedergeschlagen sind. Der HERR liebt die Gerechten.
Robert Leicht (15.03.2006)
Von den Arbeitern im Weinberg - Bibelarbeit über Mt 20,1–16 vor dem Gesamtephorenkonvent der Kirchenprovinz Sachsen auf Burg Bodenstein.
Ich bin bei euch alle Tage
Wo hast du
deine Wohnung genommen, Gott?
In der Vorstadt?
Im Villenviertel?
Im Hotel am Bahnhof?
In einer Studentenbude?
In der Sozialwohnung?
Im Asylantenheim?
Ich möchte bei dir anschellen,
ich habe mit dir zu reden.
Die Preise sind gestiegen,
meine Tochter ist krank,
die Miete zu hoch,
der Lohn zu niedrig.
Verstehst du,
das ist mir wichtig,
das macht mein Leben aus,
das sind meine Probleme.
Warum hast du mir deine Adresse
verschwiegen, deine Telefonnummer?
Ich suche und kann dich nicht finden,
ich klopfe an,
und es wird mir nicht aufgetan.
Mitten unter uns bist du
unauffindbar.
Wolfgang Poeplau in: Das große Buch der Gebete. Über 800 alte und neue Gebetstexte für jeden Anlass. Herausgegeben von Reinhard Kürzinger / Bernhard Sill. Verlag Hohe 2003.
Immer kommst Du uns mit Deiner Liebe zuvor
Du, o Gott, der uns mit Seiner Liebe zuvorgekommen ist - ach, wir reden davon wie von etwas Vergangenem, als ob Du uns nur ein einziges Mal mit Deiner Liebe zuvorgekommen wärest! - und Du tust es doch stets, viele Male, jeden Tag, unser ganzes Leben hindurch, immer kommst Du uns mit Deiner Liebe zuvor!
Wenn wir am Morgen erwachen und dann unsere Gedanken Dir zuwenden - Du warst schon da, Du bist uns mit Deiner Liebe zuvorgekommen! Wenn ich beim Morgengrauen aufstehe und im gleichen Augenblick meine Gedanken betend Dir zuwende - Du bist mir zuvorgekommen, Du hast mich schon früher geliebt! Wenn ich meinen Sinn der Zerstreuung entreiße und an Dich denke, so bist Du mir schon zuvorgekommen!
Und so ist es immer. - Und dann reden wir undankbar, als ob es nur ein einziges Mal geschehen wäre, dass Du uns so mit Deiner Liebe zuvorgekommen bist!
Sören Kierkegaard in: Das große Buch der Gebete. Über 800 alte und neue Gebetstexte für jeden Anlass. Herausgegeben von Reinhard Kürzinger / Bernhard Sill. Verlag Hohe 2003.
Die Angst der Reichen
Du willst, daß unser Leben hell ist,
unser Auge klar für das Licht, das du uns schenkst.
Unser Blick aber ist getrübt
durch die Angst um uns selbst, um unsere Bedeutung.
Denn darum ist uns das Geld so wichtig,
weil wir der Meinung sind: Geld ist mehr als Geld,
Geld ist Geltung, Erfolg, Stellung, Prestige.
Mammon ist das Maß des Erfolges, der Bedeutung,
an dem wir einander messen,
unser Stellenwert in der menschlichen Gesellschaft.
Ja noch mehr: Geld ist mehr als nur Erfolg,
es ist Glaube an den Erfolg, Vertrauen auf Erfolg,
Glaube daran, daß es uns Sicherung verschafft,
Sicherung vor allem was uns Angst machen kann.
Und doch: Schleicht nicht trotz allem die Angst
in immer neuer Verzerrung aus allen Winkeln hervor?
Ist es nicht, als sei das Licht verschwunden?
Erweist sich unser Banknoten-Realismus
nicht als abgrundtiefe Illusion?
Jesus, Bruder auch der Reichen in ihrer Angst,
erlöse uns von diesem Selbstbetrug!
Wie abgründig ist unsere Nacht,
wie abgründig unsere Dummheit!
Wie klein der Schritt vom Besitz zur Besessenheit!
Gib du uns den Reichtum, der bei Gott hinterlegt ist.
Was ist es denn, was uns wirklich reich macht?
Sind es die paar Leistungen,
die paar klingenden Erfolge, die uns gelungen sind?
Sind es nicht in Wirklichkeit die paar Menschen,
mit denen wir hier haben zusammengehören dürfen,
denen wir etwas Gutes verdanken
und die wir ins Herz geschlossen haben?
Sollte es nicht das bißchen Liebe sein,
von dem wir alle im Grunde leben
und das den Wert unseres Lebens ausmacht?
Du selber hast wenig Erfolg gehabt,
du selber bist zu kurz gekommen - und doch:
ist dein Leben samt dem Liebestod am Kreuz
nicht doch der Lichtstrahl, der zu uns hereinfällt
und uns die Welt erträglich macht?
Und hat nicht der Ostermorgen gezeigt,
daß deine Liebe, die nicht nach Erfolg fragt,
das einzige ist, was Zukunft hat auf Erden?
Die Angst der Armen
Du kennst die Angst der Armen dieser Erde.
Die Angst der Armen
Du weißt, wie sie bangen um ihr kleines Glück,
wie sie ihre Köpfe einziehen
vor dem Neid des Schicksals, das zum Schlag ausholt.
Wir können nicht leben wie die Vögel des Himmels,
können nicht vegetieren wie die Wiesenblumen -
und doch sagst du uns, leise aber bestimmt,
daß für uns gesorgt ist - mitten in unserem Sorgen.
Alles, worum wir uns oft so krampfhaft mühen,
alles werde uns zufallen, sagst du.
Unter einer Bedingung, einer einzigen:
daß wir suchen das Gottesreich
und seine Gerechtigkeit.
Das Gottesreich und seine Gerechtigkeit -
das kann doch nicht bloß etwas Jenseitiges,
bloß etwas Zukünftiges sein.
Die Gerechtigkeit des Reichs,
die ist doch mit dir schon hereingebrochen,
als du zu uns Verlorenen kamst,
als du die Armen der Erde aufsuchtest
und für ihr Lebensrecht am Kreuze starbst.
Und nun willst du auch uns mitnehmen,
hinein in diesen großen Kampf
um das Gottesreich und seine Gerechtigkeit auf Erden.
Im Elend und Unrecht der Welt
willst du uns nicht um unsre kleinen Sorgen,
um unsre Ansprüche kreisen lassen,
willst uns teilnehmen lassen an deiner großen Sorge,
an deinem großen Werk auf Erden.
Unter dieser einzigen Bedingung
werde uns alles zufallen, kampflos und krampflos,
alles was wir selber nötig haben.
Jesus, Bruder der Entrechteten,
wir ahnen, daß nicht nur das Erwünschte,
nicht nur das Bequeme uns zufallen wird.
Wir ahnen, daß im Zuge dieses Kampfes
auch der Schatten deines Kreuzes auf uns fallen wird.
Und doch - wir werden nicht zu kurz kommen,
werden nicht um unser Leben betrogen sein.
Im Zuge deiner hellen Verheißung
wird unser Leben hell sein - auch unter dem Kreuz.
Hab Dank, daß du uns brauchen willst.
Aus: Theo Brüggemann, Gebete zur Bergpredigt. Verlag Ernst Kaufmann, Lahr / Friedrich Reinhardt Verlag, Basel 1971.
Soziales Gefälle: Geschonte Alte, geschorene Junge
Studie der Bertelsmann-Stiftung ortet ein Ungleichgewicht innerhalb der EU: Die Folgen der Schulden- und Konjunkturkrise treffen vor allem die Jungen. Das gilt insbesondere für Italien.
diepresse.com/home/politik/eu/3870224
(c) DiePresse.com am 15. September 2014
Sollen alle bedingungslos Geld bekommen?
Es gibt genügend Gründe, sich mit dem bedingungslosen Grundeinkommen auseinanderzusetzen.
(c) Der Standard am 15. September 2014
Einsatz für eine gerechtere Welt
Wir dürfen dankbar sein, dass wir in Freiheit und Wohlstand leben können. Dies sollte uns aber nicht dazu verführen, angesichts weltweiten Elends und Unrechts die Augen zu verschließen und unsere Grenzen für jeden Hilfesuchenden unüberwindlich zu machen. Die Flüchtlinge, die zu uns kommen, sind Teil einer großen Flüchtlingsbewegung, die von Süden nach Norden, von Osten nach Westen treibt. Sie konfrontieren uns mit den Ursachen ihrer Flucht. Es ist zukunftsentscheidend, ob wir uns ihnen zuwenden und helfen, die Situation in ihren Heimatländern zu verbessern.
Ich bitte Sie, in Ihren Gemeinden und Gruppen zu überlegen, welche Schritte nötig und möglich sind, um auf dem Weg zur Gerechtigkeit für alle Menschen weiterzukommen. Teilen Sie Ihre Ideen und Initiativen anderen mit.
Jesus ist Grund und Ziel unseres Einsatzes für eine gerechtere Welt. Er widerstand der teuflischen Versuchung zu schnellen Lösungen, er setzte auf die Bekehrung der Menschen. Er lehrt uns, die Realitäten mit den Augen der Opfer zu sehen; er weckt den Hunger und Durst nach »Gerechtigkeit für alle«; er schenkt die Verheißung »eines neuen Himmels und einer neuen Erde, in denen die Gerechtigkeit wohnt« (2 Petr 3,13). Darauf hoffen wir, darum beten wir, daran dürfen und müssen wir mitarbeiten.
Aus: Franz Kamphaus, Den Glauben erden. Zwischenrufe. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 2001.
Gerechtigkeit
Das Wort Gerechtigkeit bedeutet in der Bibel nicht einfach nur die Gerechtigkeit im Sinne des Gesetzes oder die soziale Gerechtigkeit, sondern es meint die Gerechtigkeit des Evangeliums: "Euch aber muß es zuerst um das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben" (Mt 6,33). Es ist dies die Gerechtigkeit, die dem Abraham angerechnet wird (Gen 15,6), in diesem Sinn ist Josef, der Verlobte Marias, ein gerechter Mann, und in diesem Sinn spricht Petrus von Jesus als dem "Heiligen und Gerechten" (Apg 3,14).
Wie ist diese Gerechtigkeit des Reiches Gottes als wichtigstes Kennzeichen des Christen zu verstehen? In der Bibel wird vor allem betont, die vollkommene Gerechtigkeit oder Heiligkeit (oder, wie man auch sagen könnte: ein Leben im Dienste der Liebe) bestehe im Leben nach dem Willen Gottes, in einem Leben, das sich in allem auf Gott bezieht und Gott als inneren Grund und Antrieb allen Handelns erfährt.
Ein Leben, das sich in allem auf Gott ausrichtet, ist ein Leben der Nachahmung Gottes. Das letzte Ziel, auf das alle christlichen Haltungen und Verhaltensweisen und die gesamte christliche Moral ausgerichtet sind, besteht in der Nachahmung Gottes. Ganz klar kommt dies zum Beispiel in der Bergpredigt zum Ausdruck, wenn Jesus nach den einzelnen Beispielen für das Verhalten des Jüngers abschließend sagt: "Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist" (Mt 5,48).
Und auch im Brief an die Epheser faßt der Apostel die verschiedenen Mahnungen zu einem christlichen Leben mit der Ermahnung zusammen: "Ahmt Gott nach als seine geliebten Kinder" (Eph 5,1).
Aus: Carlo Maria Martini, Mein spirituelles Wörterbuch. Pattloch Verlag, Augsburg 1998.
Arbeitslos
Was anfangs wie Freizeit erscheint
wird bald zur Plage, zur heißen
Luft, zum aufgeschobenen Leben
im alltäglichen Vakuum
Die Zeit wird ganz langsam
doch nicht beschaulich, ein zielloses Getriebe
macht sie laut und anstrengend
blechern tönend
die Stadt wird fremder, die Gegenstände
seltsam entrückt
das Telefon schweigsam, die Ratschläge
schärfer im Ton, ahnungslos
als ob Vereinsleben ein Ersatz wäre
Sich-Zusammenreißen überhaupt möglich
Hobby so erfüllend, unbezahltes Engagement
gesellschaftlich anerkannt
Man sitzt in der Kirche ohne Gebet
lauscht den Geräuschen
der Welt und den Wegen der anderen nach
neidisch und traurig
und überlegt an welchem Ende
doch anzuknüpfen wäre aussichtsreich
mit Gottes Hilfe vorsichtig
die matte Hoffnung mit den Händen knetend
Aus: Iris Mandl-Schmidt, Schaff meinen Gedanken einen Weg. Gebete ins Konkrete. Matthias Grünewald Verlag, Mainz 2001.
Vergesst jene nicht
am steilen Abgrund
geschüttelt von Angst durch Mark und Bein
kämpfend gegen Gezeiten Mangel Not Unwetter Dürre
Egoismus Macht Vorurteil Gewalt Folter
ohne sichtbare Zuflucht
vergesst nicht jene
die am Ort des absoluten Nachteils
im Niemandsland, die Vogelfreien, die Allerletzten
die Stummen, die nie Beerbten
vergesst sie nicht!
Aus: Iris Mandl-Schmidt, Schaff meinen Gedanken einen Weg. Gebete ins Konkrete. Matthias Grünewald Verlag, Mainz 2001.
Gewinner - Verlierer
Deutschland muss wieder an die Spitze kommen! Darin sind sich unsere Spitzenpolitiker einig. Wenn das alles wirtschaftlich gesehen auf sich warten lässt, dann wollen wir doch wenigstens im Fußball Weltmeister werden. Seltsam: Sind wir nur gut, wenn wir andere übertrumpfen oder ausstechen?
So ist das in unserer Welt: Gewinnen ist alles. Kein Magazin ohne Gewinnspiel, kein Fernsehprogramm ohne Quiz. Da wird immer nur gewonnen, zumindest noch ein Trostpreis. Verlierer darf es nicht geben; wenn doch, dann sollen sie möglichst schnell und unauffällig durch die Hintertür verschwinden. Das Verlieren wird ausgeblendet, verdrängt. Schwächen dürfen nicht sein, zumindest darf man sie nicht zeigen.
Aber es gibt doch nun mal Verlierer auf allen Ebenen. Wir finden sie zuhauf beim Arbeitsamt oder Sozialamt. Klassische Orte für Verlierer. »Die Looser«, sagen wir, Modernitätsverlierer, Arbeitslose, Wohnsitzlose ... Sie passen nicht ins allgemeine Bild der Gewinnspiele und Erfolgsstatistiken.
Kann man in dieser Welt nur als Gewinner bestehen? Was ist mit den Verlierern der Globalisierung, mit den Verlierern im Weltmaßstab? Afrika, heißt es, sei der Kontinent der Verlierer: die Frauen, die Kinder, die Aids-Infizierten - Verlierer ohne Ende! Wo bleibt da die Gerechtigkeit?
Aus: Franz Kamphaus, Gott beim Wort nehmen. Zeitansagen, Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2006.
Ein Glückspilz sein
Ein Glückspilz - was ist das? Plötzlich einen wunderbaren, riesigen Steinpilz entdecken, richtig majestätisch, kräftig und schön. Und ohne Würmer. Und wirklich kein Bitterling, sondern ein Edelpilz. Nach stundenlanger Suche im Wald. Dann dieser eine Pilz, über Nacht gewachsen. Im taufrischen Morgen grüßt er dich, als habe er auf dich gewartet.
Die schöne Überraschung macht ihn zu einem Glück. Das ist nicht zu berechnen. Das ist nie zu berechnen. Es ist einfach da - oder es bleibt einfach aus.
Da gewinnst du den Ausscheid unter zwanzig Bewerbern.
Du findest genau den Menschen, der zu dir passt und der dir guttut.
Da liegt ein Goldklumpen auf deinem Weg.
Da wird dir in der Prüfung gerade die Frage gestellt, auf die du vorbereitet bist.
Da gelingt dir in Serie, was du dir vorgenommen hast.
Du bist einfach ein Glückspilz.
Und ich freue mich darüber. Denn ich weiß doch, wie oft du ganz knapp am Abgrund vorbeigeschrammt bist.
Ich weiß das aus Erfahrung. Ich bin ein Pechvogel heute, ein Glückspilz morgen.
Aus: Friedrich Schorlemmer, Tritt fassen. 52 Wochensprüche. Kreuz Verlag in der Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2010.
Schenken groß geschrieben
Ein reicher Mann beklagte sich bei seinem Freund: "Die Menschen mögen mich nicht, sie nennen mich geizig und habsüchtig; dabei habe ich doch in meinem Testament verfügt, dass mein ganzes Vermögen einst einer wohltätigen Institution gehören soll." Der Freund antwortete ihm: "So höre doch die Geschichte vorn Schaf und vom Schwein. Das Schwein kam zum Schaf und jammerte: Die Menschen sprechen immer nur über deine Freundlichkeit. Zugegeben: Du gibst Wolle. Doch von mir haben sie viel mehr: Schinken, Speck, Borsten. Und selbst meine Füße verspeisen sie. Und doch hat mich niemand gern. Für alle bin ich bloß das Schwein. Warum?
Das Schaf dachte einen Augenblick nach und sagte: Vielleicht ist das so, weil ich gebe, während ich noch lebe."
Diese Geschichte berührt mich sehr, da ich manchem gerne raten möchte, auf seinem Hab und Gut, das er sich angehäuft hat, nicht unbewegt sitzen zu bleiben. Ich möchte auch nicht, dass der Eindruck entsteht, die Kirche vermiese den Menschen ihren Wohlstand. Sehr wohl aber möchte ich allen die Freude gönnen, die zurückfließt, wenn man jemandem helfen konnte. Das, was ich gerne verschenke, geht mir nicht mehr ab. Was ich für die Armen einsetze, bringt mehr Wert, als ich je auf einem Sparbuch Wertzuwachs erzielen könnte.
Warum soll ein Mensch nicht schon vor seinem Tod seine Hände öffnen? Er kann doch schon gar nichts mehr im Tod umfassen. Denken wir an ein anderes Wort, das mit Recht zur Volksweisheit zählt: "Das letzte Hemd hat keine Taschen."
Aus: August Janisch, Mit weitem Herzen. Gedanken eines Grenzgängers. Styria Verlag, Graz Wien Köln 2002.
Rechnen
… Es ist noch eine Antwort auf die Frage nach der letzten und tiefsten Ursache der Klüfte zwischen den Menschen. Sie ist wieder von göttlicher Überraschung und Einfachheit: Es ist das Rechnen miteinander.
F.: Das Rechnen?
Ja, das Rechnen. Wir rechnen miteinander. Wir rechnen aus, was uns gehöre und was den anderen. Wir bestehen auf dem Recht, das wir errechnet. Wir rechnen im Politischen, im Sozialen, im Moralischen, im Religiösen. Wir rechnen in allem miteinander…
Wir rechnen - wir rechten. Wir rechnen und rechten miteinander. Und wir rechnen und rechten - nicht zuletzt! - mit Gott. Wir geben ihm die Schuld an dem Unrecht, das geschieht. Wir rechnen ihm unsere Tugenden vor, unsere Werke, unsere Verdienste, unsern Glauben, unsere Gerechtigkeit, wir werfen ihm vor, dass er uns nicht gebe, was uns im Vergleich mit andern gehörte, und fühlen uns damit wie durch eine Kluft von ihm getrennt …
F.: Wie kann diese Kluft in der Menschenwelt überwunden werden?
Wir müssen, um darauf die Antwort zu finden, noch eine Frage tun: "Was ist die letzte Ursache des Rechnens und Richtens?" … Die Ursache des Rechnens und Richtens ist der Besitz. Der materielle Besitz und der geistige.
F.: Wie ist das gemeint?
Es ist der Besitz, der sich auf sich versteift, der sich aus dem Ganzen Gottes herauslöst und sich absolut setzt. Die Hilfe aber besteht wieder darin, zu wissen, dass Gott der Besitzer ist, dass wir im materiellen wie im Geistigen aus einer umfassenden Solidarität leben…
Sobald wir diese Grundwahrheit verstanden haben, tritt an die Stelle des eigenen Rechtes die Verpflichtung gegen die andern. Diese Verpflichtung ist unendlich, durch kein Recht zu erschöpfen. Sei ist unendlich, wie Gott unendlich ist - wie die Gabe Gottes unendlich ist…
Leonhard Ragaz, Die Gleichnisse Jesu. Seine soziale Botschaft (1943), Bd. 99 der Stundenbücher, Hamburg: Furche Verlag 1971, S. 63ff,
Die Ersten und die Letzten
Doch viel, die jetzt die Ersten sind,
Die dürfen wohl schnell und geschwind
Sich zu den Letzten wenden.
Wie auch, die itzt zu letze gehen,
Die könnten leicht zum ersten stehn:
Gott hat's in seinen Händen.
Darum so prahl und prange nicht,
O Mensch, für Gottes Angesicht
In deinen guten Werken.
Mit Demut bau auf Gnad und Gunst,
Mit deinem Tun ist's gar umsonst,
Des solltu mit Fleiss merken.
Die Ersten und die Letzten, in: Johann Heermanns Frohe Botschaft aus seinen Evangelischen Gesängen ausgewählt und eingeleitet von Rudolf Alexander Schröder, Berlin: Eckart-Verlag 1936, S. 107.
Alles, was recht ist
Ich weiß, mein Gott, dass all mein Tun
und Werk in deinem Willen ruhn,
von dir kommt Glück und Segen;
Was du regierst, das geht und steht
auf rechten, guten Wegen.
Es steht in keines Menschen Macht,
dass sein Rat werd ins Werk gebracht
und seines Gangs sich freue;
des Höchsten Rat, der macht’s allein,
dass Menschenrat gedeihe.
Gib mir Verstand aus deiner Höh,
auf dass ich ja nicht ruh und steh
auf meinem eigenen Willen;
sei du mein Freund und treuer Rat,
was recht ist, zu erfüllen.
Tritt du zu mir und mache leicht,
was mir sonst fast unmöglich deucht,
und bring zum guten Ende,
was du selbst angefangen hast
durch Weisheit deiner Hände.
Dein soll sein aller Ruhm und Ehr,
ich will dein Tun je mehr und mehr
aus hocherfreuter Seelen
vor deinem Volk und aller Welt,
so lang ich leb, erzählen.
Paul Gerhardt (1653), in. EG 497,1.2.5.9.14.
Erste Rosen
Erste Rosen erwachen,
und ihr Duften ist zag
wie ein leisleises Lachen;
flüchtig mit schwalbenflachen
Flügeln streift es den Tag;
und wohin du langst,
da ist alles noch Angst.
Jeder Schimmer ist scheu,
und kein Klang ist noch zahm,
und die Nacht ist zu neu,
und die Schönheit ist Scham.
Rainer Maria Rilke, in: Die Gedichte, itb 2246, Frankfurt: Insel 1986, S. 157f.
Provokation auf allen Ebenen
Dann aber die Deutung des Gleichnisses. Wie gut ist Gott, indem er den Maßstab der Gerechtigkeit ändert und sich ganz und gar auf das Bedürfnis der Arbeiter der elften Stunde einstellt! Sie, die gegen 17 Uhr am Nachmittag in den Weinberg gerufen wurden, könnten bei dem ihnen zugemessenen Verdienst nicht leben und nicht sterben. Daß der Gutsherr ihnen so viel gibt, daß es grade langt, ist nicht gerecht, aber es ist gütig, und so, will Jesus sagen, ist Gott zu uns. Sind nicht wir, die aus den Heiden gekommen sind, allesamt zur elften Stunde Berufene? Wohl also uns, daß die Gnade Gottes so notwendig und so unverdient wie ein milder Regen vom Himmel sich über uns senkt. Viel wäre zu sagen in Dankbarkeit und Freude an einem Sonntagvormittag.
Ganz anders aber muß es gewesen sein, als Jesus dieses Gleichnis erzählte. Matthäus hat nicht unrecht, er nimmt es als die erste Verteidigungsrede Jesu auf dem Weg in seinen Tod hinüber nach Jerusalem. Was man ihm vorwirft, dem Mann aus Nazaret, ist genau dies, was er hier zu rechtfertigen versucht: Er ändert den Blickwinkel. Weg von der Frage der Gerechtigkeit hin auf eine grenzenlose Güte. Und das ist umstürzlerisch in allem. Das vertragen wir schwer, solange wir noch irgend etwas zu verlieren haben. Wir sind gewöhnt, auszugehen von dem, was wir besitzen, und schon teilt sich die Welt sehr praktisch in die Habenden und die Habenichtse, und dementsprechend teilen wir die Welt in die Leute, die die Macht haben, ihre Habe zu verteidigen, und die Ohnmächtigen, die diese Macht nicht haben. Und entlang diesen Regeln von Besitz und Macht teilt sich der Anspruch der Gerechtigkeit, des Rechts, das sich verteidigen und organisieren und in Paragraphen fassen läßt; die gesamte bürgerliche Welt steht als Trägerin dieser Ordnung da. Es leidet keinen Zweifel, daß Jesus sie mit diesem Gleichnis auf Leben und Tod angreift und in seiner Person nichts weiter ist als ein einziger Umsturz. W i r nennen Jesus den Messias, den Heiland, aber wissen Sie, wie seine Zeitgenossen ihn nannten? Den Brotfresser und Weinsäufer, den Freund der Huren und Zöllner, den Handlanger des Beelzebul, des Obersten der Teufel! Warum diese Explosion des Hasses? Einzig eines Gleichnisses mit diesem Abschluß wegen. Es ist eine Provokation auf allen Ebenen des Daseins, wohin Sie auch schauen mögen, politisch, wirtschaftlich, moralisch, religiös.
Eugen Drewermann, Wenn der Himmel die Erde berührt. Predigten über die Gleichnisse Jesu, hrsg. v. Bernd Marz, München: Piper Verlag 2. Aufl. 1999, S. 52/53.
Martin Stewen (2014)
Antonia Keßelring (2002)
Judith Putz (1999)