Eine ganz persönliche Geschichte
Berufungserzählungen, Berufungserlebnisse gibt es viele. Darin wird beschrieben, wie Menschen reagieren, wenn sie das Gefühl oder auch die Sicherheit haben, berufen zu werden. In diesem Gottesdienst hörten wir von drei recht unterschiedlichen Berufungen.
Worum geht es dabei überhaupt? Kann man sich etwas darunter vorstellen?
In Beruf, Berufung steckt das Wort "rufen". Jeder Beruf ist Ruf, Zuspruch, Hinweis zu einer bestimmten Tätigkeit für die Gesellschaft. Einen etwas anderen Bedeutungsakzent erhält der Beruf des Professors. Das lateinische Wort "profiteor" heißt "bekennen", "überzeugt" und "erfasst sein" von einem Auftrag. Handwerker oder auch Sportler werden als Professionisten oder kurz "Profis" bezeichnet.
Unter Berufung meinen wir aber sehr häufig Priester- und Ordensberufungen, was seine Richtigkeit hat. Von der Berufung zur Ehe, zu vielen anderen kirchlichen Berufungen hören wir wenig. So bunt wie die Gesellschaft damals und heute ist, so vielfältig sind auch die Berufungen.
Abraham wird aus der Sicherheit seiner Existenz in die Unsicherheit berufen. Er vertraut auf das Wort des Herrn. Auf Abraham, dem Stammvater, berufen sich alle drei großen Religionen.
Jesaja, der "Evangelist" des Alten Testaments, wird in einer Art himmlischer Liturgie berufen: "Hier bin ich, sende mich." (Jes.6,8). Ebenfalls bei Jesaja lesen wir: "Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du gehörst mir." (Jes.43,7).
Auch Paulus hat eine Berufung im Damaskuserlebnis, und er kennt eine Reihe von Augenzeugen, denen der Auferstandene erschienen ist. Paulus bestätigt diese Tatsache durch sein Glaubensbekenntnis, das wir als das älteste des Neuen Testaments kennen: "Christus ist für unsere Sünden gestorben . . . und ist begraben worden. Er ist am drittenTag auferweckt worden, gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas, dann den Zwölf."(1 Kor.15,3-5).
Tat Gottes und Zutun des Menschen
Berufung ist ein innerer Vorgang, nicht beschreibbar, nur durch ganz persönliche Erlebnisse wahrnehmbar. Sie ist Tat Gottes, aber auch Zutun des Menschen, vor allem durch seinen Glauben, sein Vertrauen und sein Bekenntnis. All diese persönlichen Berufungen haben kein leichtes Leben.
Das Evangelium zeigt gleich am Beginn die Sehnsucht, aber auch die Berufung des Volkes, das Wort Gottes zu hören.
Das Evangelium mit der Aufforderung zum Netzfang ist für den Menschen von heute nicht leicht zu verstehen. Es geht nicht um Einschränkung der Freiheit, ums Einfangen, weil Glaube immer auf freiwilliger Basis erfolgen soll und nicht auf Abhängigkeiten, die an eine Glaubensgemeinschaft bindet.
Netze auszuwerfen kostet Kraft. Sehr oft sind die Würfe umsonst, vor allem dann, wenn man an der Oberfläche bleibt, denn da kann mancher Unrat in die Netze geraten. Wie geht es dem Fischer, der immer wieder das Netz aufs Wasser klatscht? Wird er nicht müde und verzweifelt dabei, wenn nie Leben ins Netz kommt? Er bangt und hofft immer wieder auch gegen seine Überzeugung, doch noch etwas zu finden. Es ist nötig, das Netz auszuwerfen als Einübung in die Praxis der Hoffnung, weil nicht zu werfen aufgeben hieße und aufgeben hieße aufhören zu leben. (siehe Lindolfo Weingärtner: Praxis der Hoffnung in: Willi Lambert: Zeiten zum Aufatmen S 154).
Neue Wege
Jesus deutet den Vorgang am See Gennesaret weiter aus: Ich mache euch zu "Menschenfischern". Für unser Leben als ChristInnen bedeutet das, nicht müde zu werden in unserer Verkündigung durch Wort und Tat, nicht in Grant und Resignation zu verfallen, auch wenn das Wort Gottes durch uns Menschen bleich zu werden scheint.
Das Evangelium gibt ein eindrucksvolles Zeugnis von Menschen, deren Leben nicht in gewohnten Bahnen verlief, sondern markante Einbrüche und Kehrtwendungen zeigt. Glaube überwindet Enge und lässt den Menschen voller Hoffnung frei atmen. Glaube gibt seelische Stabilität, denn er beruft sich ja auf das Wort: "Ich habe dich beideinem Namen gerufen, du gehörst mir." Wer glaubt, hofft und vertraut, den beschenkt Jesus im Überfluss: hier im Bild des überreichen Fischfangs.
Die Weisheit des alten erfahrenen Fischers sagt: Es gibt Tage, da muss man das Netz zwanzigmal, fünfzigmal und vielleicht noch mehr auswerfen. Aber es finden sich doch immer wieder neue Wege, um die Fische ausfindig zu machen. Der Weg von gestern muss nicht immer zu den Fischen von heute und morgen führen. Kreativität ist gefragt. Nostalgie als Vision wird uns nicht weiterhelfen. Jede Zeit muss Gott neu entdecken und benennen.
Es reicht nicht aus, die Erfahrungen früherer Zeiten und Personen zu konservieren. Das Evangelium lehrt die Praxis der Hoffnung. Wir sind eingeladen, es vertrauensvoll anzunehmen.