1. Lesung vom 30. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A:
Ex 22,20-26
Lesung aus dem Buch Exodus:
So spricht der Herr:
Einen Fremden sollst du nicht ausnützen oder ausbeuten,
denn ihr selbst seid in Ägypten Fremde gewesen.
Ihr sollt keine Witwe oder Waise ausnützen.
Wenn du sie ausnützt und sie zu mir schreit,
werde ich auf ihren Klageschrei hören.
Mein Zorn wird entbrennen,
und ich werde euch mit dem Schwert umbringen,
so daß eure Frauen zu Witwen und eure Söhne zu Waisen werden.
Leihst du einem aus meinem Volk,
einem Armen, der neben dir wohnt, Geld,
dann sollst du dich gegen ihn nicht wie ein Wucherer benehmen.
Ihr sollt von ihm keinen Wucherzins fordern.
Nimmst du von einem Mitbürger den Mantel zum Pfand,
dann sollst du ihn bis Sonnenuntergang zurückgeben;
denn es ist seine einzige Decke, der Mantel,
mit dem er seinen bloßen Leib bedeckt.
Worin soll er sonst schlafen?
Wenn er zu mir schreit, höre ich es,
denn ich habe Mitleid.
Die zehn Gebote stellten das Verhältnis zwischen Gott und seinem Volk auf eine klare Grundlage. Diese Basis brauchte Ergänzungen für verschiedene Lebenssituationen und Wertfragen. Einige der wichtigen Fragen waren das Verhalten gegen Fremde und Menschen in Not. Die Situation von Fremden im Land erlebte das Volk. Was es als Hilfe erlebte, sollte es auch selber leben. Und was es als Last erlebte, sollte es auch nicht geben. Die Notwendigkeit des Mantels als Schutz war elementar. Diesen Schutz sollte der Arme behalten - auch aus der Sorge Gottes um den Armen. Ein Leben nach Gottes Geboten ist ein Leben als Antwort. Zu dieser Antwort will das Bundesbuch verhelfen.
Das Bundesbuch aus Exodus (Ex 21,1 - 23,33) sind ausführende Vorschriften zum Dekalog, zu den 10 Geboten von Ex 20. Es konkretisiert gleichsam das, was bereits im Dekalog zusammengefasst zum Ausdruck kommt. Die Vorschriften des Bundesbuches in unserem Abschnitt haben die soziale Gerechtigkeit als Anliegen. In unserer Lesung sollen die Rechtsvorschriften, die vorgelegt werden, zum Schutz der Armen dienen. Sie sollen nicht noch ärmer werden, als sie schon sind. Das, was die Menschen zum Leben brauchen, soll ihnen nicht weggenommen werden. Als Beispiel dienen die Wucherzinsen und den Mantel eines Armen. Die Schutzbedürftigen können sich dem Schutz Gottes sicher sein. Ihnen schenkt JHWH besonderes Gehör. Als Grundmotivation, sich an diese Rechtsvorschriften zu halten und sie im Leben umzusetzen, wird die Erinnerung an das eigene Elend in Ägypten wachgehalten. Diese steht gleichsam als Überschrift vor unserer Lesung (vgl. Vers 20).
Die alttestamentliche Lesung aus dem Buch Exodus gehört einem Abschnitt an, der eine Sonderstellung einnimmt, dem sog. Bundesbuch. Dieses enthält eine alte Sammlung von Rechtsvorschriften. Der für die Lesung ausgewählten Verse enthalten Schutzvorschriften für Fremde, Witwen und Waisen sowie das Verbot, Zinsen zu nehmen. Der Schutz der Fremden und der Armen war in Israel Sache Jahwehs und damit des ganzen Volkes. Begründet wurde dieser besondere Schutz mit dem eigenen Fremdsein in Ägypten. Witwen und Waisen ohne männliche Angehörige hatten niemand, der für ihre Rechte eintreten konnte. Den Volksgenossen gegenüber bestand auch das Verbot, Zinsen für Geliehenes zu nehmen. Dies war bei den Nachbarvölkern durchaus üblich. Der Schutz der Angehörigen des eigenen Volkes bezog sich auch auf des Pfandnehmen. Lebensnotwendige Gegenstände durften nicht als Pfand zurückbehalten werden. Anwalt der Fremden, Witwen, Waisen und Armen ist Gott selbst. Er hat Mitleid mit ihnen. Ihre Klageschrei ist eine Anrufung seines Gerichtes. Später werden die Propheten das Mitleid mit den Armen und Benachteiligten einfordern
Norbert Riebartsch (2014)
Gabi Ceric (1999)
Hans Hütter (1996)