Worüber wir nicht schweigen können
Die sonntäglichen Lesungen geben Einblick in das Leben der jungen Gemeinde. Es geht somit schon um die nachösterliche Kirche. Die Apostel, aber auch alle anderen Mitglieder stehen wieder im Alltag. Sie werden wegen ihres Glaubens bedroht und müssen sich deshalb zum zweiten Mal vor dem Hohen Rat, einer weltlichen und zugleich geistlichen Behörde verantworten. Sie geben vor dem Hohen Rat Zeugnis und lassen sich durch kein Verbot davon abhalten. Bezeichnend der Satz: "Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen."(Apg.5,29) Es geht um das geisterfüllte Gewissen, das sich von menschlichen Ordnungen, die zweifelsohne sehr wichtig sind, nicht beugen lässt. Das erkennen leider nicht alle, damals und heute. Sprechverbote oder gar Denk-und Diskussionsverbote bringen den Geist Gottes, der durch diese Menschen spricht, nicht zum Schweigen.
Petrus und Johannes sagen auch: "Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben." (Apg.4,20). Diese Situation ist auch für heute aktuell, wenn innerhalb eines gewaltigen gesellschaftlichen Umbruchs in der Gesellschaft - der kirchliche Bereich ist davon keineswegs ausgenommen- viele Menschen ihre Stimme bittend und flehend erheben, die österlichen Geschenke von Taufe und Eucharistie nicht verblassen zu lassen. Disziplinäre Maßnahmen anzudrohen oder gar zu verwirklichen, alle Vorschläge, alle Kritik, alle Argumente abzuschmettern, sind fehl am Platz und über einen längeren Zeitraum als gescheitert anzusehen.
Dennoch gibt es Lernprozesse, die in der 1. Lesung ausgeklammert bleiben. Gamaliel, ein hochangesehener Pharisäer, Lehrer des Paulus, gibt dem Hohen Rat zu bedenken, nachdem die Apostel das Gerichtsgebäude verlassen haben: Harte Strafen bis zur Hinrichtung von Menschen, die nicht ins System passen, nutzen gar nichts, "denn wenn diese Vorhaben (die Verbreitung der Lehre) oder dieses Werk von Menschen stammt, wird es zerstört werden; stammt es aber von Gott, könnt ihr sie nicht vernichten; denn sonst werdet ihr noch als Kämpfer gegen Gottdastehen."(Apg.5,39). Das gilt auch für heute. Der Heilige Geist lässt sich nicht einsperren. Es hat in der Kirchengeschichte immer wieder Fehlentwicklungen gegeben, von Anfang an. Die äußere, die weltliche
Macht ist anders als die spirituelle Macht, die Ohnmacht der Liebe, die oft viel zu erleiden hat. Menschliche Ordnungen sind wichtig, müssen aber immer wieder neu überdacht werden, um dem Liebesgebot, dem Auftrag Jesu durch alle Generationen gerecht zu werden. Das scheint aber sehr schwierig zu sein, vor allem dann, wenn es um das Liebesgebot, um die Nähe Gottes zu den Menschen, oft wenig spürbar- und um die Auferstehung geht, wenn das Reich Gottes deutlich sichtbar werden soll.
Offenbarung des Auferstandenen
Der Anfang des heutigen Evangeliums sagt ja: "In jener Zeitoffenbarte sich Jesus den Jüngern noch einmal." (Joh. 21,1). Das heißt: Alle haben noch nicht wirklich mitbekommen, was los ist, hegen Zweifel, weil sie ihn nicht erkennen. Jesus wird deshalb nicht zornig, schließt nicht aus, sondern führt zum Geheimnis der Auferstehung hin: "Habt ihr nicht etwas zu essen?...Werft das Netzauf der rechten Seite des Bootes aus." (Joh.21,5.6). Es geht also um Mitarbeit zur Ausbreitung des Reiches Gottes. Und wenn es nicht gleich gelingt, probiert es anders, also mit der rechten Seite des Bootes. Probiert es noch einmal, immer wieder, aber in bescheidener Form, nicht aufdringlich, einladend, das Wort Gottes sichtbar zu machen. Das ist für die Verkündigung in unserer Zeit besonders wichtig. Von Events allein, die meist nur Strohfeuer sind, wird nicht viel übrig bleiben.
Das Netz mit den Fischen ist ein Bild. Es könnte so verstanden werden: Es gibt viele Gemeinden mit Menschen unterschiedlichster Charaktere und Ansichten. Trotz aller Konflikte, die es gibt, bleibt die Einheit in der Vielfalt bestehen, viele Methoden führen zum Aufbau des Reiches Gottes. Nicht alles, was damals für gut befunden wurde, wird sich heute bewähren. Das Netz der Gemeinden, der Pfarren wird nicht zerreißen. Die Liebe, das Liebesgebot wird sich auch in schwierigen Zeiten bewähren, auch wenn wir Menschen schwach sind und wenig Durchhaltevermögen haben.
Das alles wird uns in der Person des jüdischen Fischers Simon vor Augen geführt. Er steht in der Spannung von Jesus-Verrat und Jesus-Liebe. "Zwei Seelen wohnen ach in meiner Brust", lässt auch Goethe den Faust sagen. Ich denke, dass Papst Franziskus in allem, was er bis jetzt getan hat, zu dieser Jesus-Liebe hinführen will. Diese eine Kirche existiert über alle Konfessionen hinaus durch die Taufe, durch das Credo und durch die Liebe zu den Menschen. Diese Kirche zeigt sich schon. Führen wir sie dort weiter, wo wir hingestellt sind.