Die biblischen Lesungen wurden mit freundlicher Genehmigung der Ständigen Kommission für die Herausgabe der gemeinsamen liturgischen Bücher im deutschen Sprachgebiet den Lektionaren 2018 ff entnommen. - © 2024 staeko.net. - vgl. Impressum.
Die Katholischen Bibelwerke in Deutschland, Österreich und Schweiz stellen auf ihren Webseiten ausführliche Kommentare und Anleitungen zum Lesen der biblischen Lesungen für Sonn- und Feiertage zum Download im PDF-Format zur Verfügung. Mit freundlicher Genehmigung der Katholischen Bibelwerke übernehmen wir die Kurzeinleitungen zu den Lesungen.
Predigten vom 26. Feb. 2023 - 1. Fastensonntag (A)
06. Jan. 2025
Erscheinung des Herrn, Dreikönig (A/B/C)
05. Jan. 2025
2. Sonntag nach Weihnachten (A/B/C)
01. Jan. 2025
Neujahr - Fest der Gottesmutter Maria (A/B/C)
31. Dez. 2024
31. Dezember: Jahresschluss (Sonst.)
29. Dez. 2024
Fest der hl. Familie (C)
26. Dez. 2024
26. Dezember: hl. Stephanus (Fest)
25. Dez. 2024
Weihnachten, am Tag (A/B/C)
25. Dez. 2024
Weihnachten, am Morgen (A/B/C)
24. Dez. 2024
Weihnachten, in der Nacht (A/B/C)
24. Dez. 2024
Weihnachten, am Vorabend (A/B/C)
22. Dez. 2024
4. Adventsonntag (C)
15. Dez. 2024
3. Adventsonntag (C)
08. Dez. 2024
8. Dezember: Mariä Empfängnis (Fest)
01. Dez. 2024
1. Adventsonntag (C)
24. Nov. 2024
Christkönigsonntag (B)
17. Nov. 2024
33. Sonntag im Jahreskreis (B)
10. Nov. 2024
32. Sonntag im Jahreskreis (B)
03. Nov. 2024
31. Sonntag im Jahreskreis (B)
02. Nov. 2024
2. November: Allerseelen (A/B/C)
01. Nov. 2024
1. November: Allerheiligen (A/B/C)
27. Okt. 2024
30. Sonntag im Jahreskreis (B)
20. Okt. 2024
29. Sonntag im Jahreskreis (B)
13. Okt. 2024
28. Sonntag im Jahreskreis (B)
06. Okt. 2024
27. Sonntag im Jahreskreis (B)
29. Sep. 2024
26. Sonntag im Jahreskreis (B)
22. Sep. 2024
25. Sonntag im Jahreskreis (B)
15. Sep. 2024
24. Sonntag im Jahreskreis (B)
14. Sep. 2024
14. September: Kreuzerhöhung (Fest)
08. Sep. 2024
8. September: Mariä Geburt (Fest)
08. Sep. 2024
23. Sonntag im Jahreskreis (B)
01. Sep. 2024
22. Sonntag im Jahreskreis (B)
01. Sep. 2024
Erntedank - Schöpfungszeit (Sonst.)
25. Aug. 2024
21. Sonntag im Jahreskreis (B)
18. Aug. 2024
20. Sonntag im Jahreskreis (B)
15. Aug. 2024
15. August: Mariä Himmelfahrt (Fest)
11. Aug. 2024
19. Sonntag im Jahreskreis (B)
06. Aug. 2024
6. August: Verklärung des Herrn (Fest)
04. Aug. 2024
18. Sonntag im Jahreskreis (B)
28. Jul. 2024
17. Sonntag im Jahreskreis (B)
21. Jul. 2024
3. Sonntag im Juli: Heiligster Erlöser (Fest)
21. Jul. 2024
16. Sonntag im Jahreskreis (B)
14. Jul. 2024
15. Sonntag im Jahreskreis (B)
07. Jul. 2024
14. Sonntag im Jahreskreis (B)
30. Jun. 2024
13. Sonntag im Jahreskreis (B)
29. Jun. 2024
29. Juni: hl. Petrus und Paulus (Fest)
27. Jun. 2024
27. Juni: Fest der Mutter von der Immerw. Hilfe (Fest)
24. Jun. 2024
24. Juni: hl. Johannes des Täufers (Fest)
23. Jun. 2024
12. Sonntag im Jahreskreis (B)
20. Jun. 2024
20. Juni: Weltflüchtlingstag (Sonst.)
16. Jun. 2024
11. Sonntag im Jahreskreis (B)
09. Jun. 2024
10. Sonntag im Jahreskreis (B)
07. Jun. 2024
Heiligstes Herz Jesu (B)
02. Jun. 2024
9. Sonntag im Jahreskreis (B)
30. Mai. 2024
Fronleichnam (B)
26. Mai. 2024
Dreifaltigkeitssonntag (B)
20. Mai. 2024
Pfingstmontag - Maria, Mutter der Kirche (B)
19. Mai. 2024
Pfingstsonntag (A/B/C)
18. Mai. 2024
Pfingsten, am Vorabend (A/B/C)
12. Mai. 2024
7. Sonntag der Osterzeit (B)
09. Mai. 2024
Christi Himmelfahrt (B)
06. Mai. 2024
Bitttage (A/B/C)
05. Mai. 2024
6. Sonntag der Osterzeit (B)
01. Mai. 2024
1. Mai: Tag der Arbeit, hl. Josef (Fest)
30. Apr. 2024
1. Mai: Tag der Arbeit, hl. Josef (Fest)
28. Apr. 2024
5. Sonntag der Osterzeit (B)
21. Apr. 2024
4. Sonntag der Osterzeit (B)
14. Apr. 2024
3. Sonntag der Osterzeit (B)
08. Apr. 2024
25. März: Verkündigung des Herrn (Fest)
07. Apr. 2024
2. Sonntag der Osterzeit (B)
01. Apr. 2024
Ostermontag (A/B/C)
31. Mär. 2024
Ostersonntag (A/B/C)
30. Mär. 2024
Osternacht (B)
29. Mär. 2024
Karfreitag (A/B/C)
28. Mär. 2024
Gründonnerstag (A/B/C)
24. Mär. 2024
Palmsonntag (B)
19. Mär. 2024
19. März: hl. Josef (Fest)
17. Mär. 2024
5. Fastensonntag (B)
10. Mär. 2024
4. Fastensonntag (B)
03. Mär. 2024
3. Fastensonntag (B)
25. Feb. 2024
2. Fastensonntag (B)
18. Feb. 2024
1. Fastensonntag (B)
14. Feb. 2024
Aschermittwoch (A/B/C)
11. Feb. 2024
6. Sonntag im Jahreskreis (B)
04. Feb. 2024
5. Sonntag im Jahreskreis (B)
02. Feb. 2024
2. Februar: Darstellung des Herrn (Fest)
28. Jan. 2024
4. Sonntag im Jahreskreis (B)
21. Jan. 2024
3. Sonntag im Jahreskreis (B)
14. Jan. 2024
2. Sonntag im Jahreskreis (B)
07. Jan. 2024
Taufe des Herrn (B)
06. Jan. 2024
Erscheinung des Herrn, Dreikönig (A/B/C)
01. Jan. 2024
Neujahr - Fest der Gottesmutter Maria (A/B/C)
31. Dez. 2023
31. Dezember: Jahresschluss (Sonst.)
31. Dez. 2023
Fest der hl. Familie (B)
26. Dez. 2023
26. Dezember: hl. Stephanus (Fest)
25. Dez. 2023
Weihnachten, am Tag (A/B/C)
25. Dez. 2023
Weihnachten, am Morgen (A/B/C)
24. Dez. 2023
Weihnachten, in der Nacht (A/B/C)
24. Dez. 2023
Weihnachten, am Vorabend (A/B/C)
24. Dez. 2023
4. Adventsonntag (B)
17. Dez. 2023
3. Adventsonntag (B)
10. Dez. 2023
2. Adventsonntag (B)
08. Dez. 2023
8. Dezember: Mariä Empfängnis (Fest)
03. Dez. 2023
1. Adventsonntag (B)
26. Nov. 2023
Christkönigsonntag (A)
19. Nov. 2023
33. Sonntag im Jahreskreis (A)
12. Nov. 2023
32. Sonntag im Jahreskreis (A)
09. Nov. 2023
9. November: Weihe der Lateranbasilika (Fest)
05. Nov. 2023
31. Sonntag im Jahreskreis (A)
02. Nov. 2023
2. November: Allerseelen (A/B/C)
01. Nov. 2023
1. November: Allerheiligen (A/B/C)
29. Okt. 2023
30. Sonntag im Jahreskreis (A)
22. Okt. 2023
29. Sonntag im Jahreskreis (A)
15. Okt. 2023
28. Sonntag im Jahreskreis (A)
08. Okt. 2023
27. Sonntag im Jahreskreis (A)
07. Okt. 2023
Erntedank - Schöpfungszeit (Sonst.)
01. Okt. 2023
26. Sonntag im Jahreskreis (A)
24. Sep. 2023
25. Sonntag im Jahreskreis (A)
17. Sep. 2023
24. Sonntag im Jahreskreis (A)
14. Sep. 2023
14. September: Kreuzerhöhung (Fest)
10. Sep. 2023
23. Sonntag im Jahreskreis (A)
03. Sep. 2023
22. Sonntag im Jahreskreis (A)
27. Aug. 2023
21. Sonntag im Jahreskreis (A)
20. Aug. 2023
20. Sonntag im Jahreskreis (A)
15. Aug. 2023
15. August: Mariä Himmelfahrt (Fest)
13. Aug. 2023
19. Sonntag im Jahreskreis (A)
06. Aug. 2023
6. August: Verklärung des Herrn (Fest)
30. Jul. 2023
17. Sonntag im Jahreskreis (A)
23. Jul. 2023
16. Sonntag im Jahreskreis (A)
16. Jul. 2023
3. Sonntag im Juli: Heiligster Erlöser (Fest)
16. Jul. 2023
15. Sonntag im Jahreskreis (A)
09. Jul. 2023
14. Sonntag im Jahreskreis (A)
02. Jul. 2023
13. Sonntag im Jahreskreis (A)
29. Jun. 2023
29. Juni: hl. Petrus und Paulus (Fest)
27. Jun. 2023
27. Juni: Fest der Mutter von der Immerw. Hilfe (Fest)
25. Jun. 2023
12. Sonntag im Jahreskreis (A)
24. Jun. 2023
24. Juni: hl. Johannes des Täufers (Fest)
18. Jun. 2023
11. Sonntag im Jahreskreis (A)
16. Jun. 2023
Heiligstes Herz Jesu (A)
11. Jun. 2023
10. Sonntag im Jahreskreis (A)
08. Jun. 2023
Fronleichnam (A)
04. Jun. 2023
Dreifaltigkeitssonntag (A)
29. Mai. 2023
Pfingstmontag - Maria, Mutter der Kirche (C)
28. Mai. 2023
Pfingstsonntag (A/B/C)
27. Mai. 2023
Pfingsten, am Vorabend (A/B/C)
21. Mai. 2023
7. Sonntag der Osterzeit (A)
18. Mai. 2023
Christi Himmelfahrt (A)
14. Mai. 2023
6. Sonntag der Osterzeit (A)
07. Mai. 2023
5. Sonntag der Osterzeit (A)
30. Apr. 2023
4. Sonntag der Osterzeit (A)
23. Apr. 2023
3. Sonntag der Osterzeit (A)
16. Apr. 2023
2. Sonntag der Osterzeit (A)
10. Apr. 2023
Ostermontag (A/B/C)
09. Apr. 2023
Ostersonntag (A/B/C)
08. Apr. 2023
Osternacht (A)
07. Apr. 2023
Karfreitag (A/B/C)
06. Apr. 2023
Gründonnerstag (A/B/C)
02. Apr. 2023
Palmsonntag (A)
26. Mär. 2023
5. Fastensonntag (A)
25. Mär. 2023
25. März: Verkündigung des Herrn (Fest)
20. Mär. 2023
19. März: hl. Josef (Fest)
19. Mär. 2023
4. Fastensonntag (A)
15. Mär. 2023
15. März: Klemens Maria Hofbauer (Fest)
12. Mär. 2023
3. Fastensonntag (A)
05. Mär. 2023
2. Fastensonntag (A)
26. Feb. 2023
1. Fastensonntag (A)
Einführungen zu den Gottesdienstlesungen - Ltg 0
1. Lesung - Gen 2,7-9. 3,1-7
Lesung aus dem Buch Genesis.
Gott, der HERR, formte den Menschen,
Staub vom Erdboden,
und blies in seine Nase den Lebensatem.
So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen.
Dann pflanzte Gott, der HERR, in Eden, im Osten, einen Garten
und setzte dorthin den Menschen, den er geformt hatte.
Gott, der HERR, ließ aus dem Erdboden allerlei Bäume wachsen,
begehrenswert anzusehen und köstlich zu essen,
in der Mitte des Gartens aber den Baum des Lebens
und den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse.
Die Schlange war schlauer als alle Tiere des Feldes,
die Gott, der HERR, gemacht hatte.
Sie sagte zu der Frau:
Hat Gott wirklich gesagt:
Ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen?
Die Frau entgegnete der Schlange:
Von den Früchten der Bäume im Garten dürfen wir essen;
nur von den Früchten des Baumes,
der in der Mitte des Gartens steht,
hat Gott gesagt: Davon dürft ihr nicht essen
und daran dürft ihr nicht rühren,
sonst werdet ihr sterben.
Darauf sagte die Schlange zur Frau:
Nein, ihr werdet nicht sterben.
Gott weiß vielmehr:
Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf;
ihr werdet wie Gott
und erkennt Gut und Böse.
Da sah die Frau, dass es köstlich wäre, von dem Baum zu essen,
dass der Baum eine Augenweide war
und begehrenswert war, um klug zu werden.
Sie nahm von seinen Früchten und aß;
sie gab auch ihrem Mann, der bei ihr war,
und auch er aß.
Da gingen beiden die Augen auf
und sie erkannten, dass sie nackt waren.
Sie hefteten Feigenblätter zusammen
und machten sich einen Schurz.
Die alttestamentliche Perikope stammt aus dem zweiten aber älteren Schöpfungsbericht und erzählt vom sog. Sündenfall des Menschen. Dieser Sündenfall hat zur Folge, dass der Mensch aus dem Paradies vertrieben wurde, weil er dessen Grenzen missachtet hat. Dort war ihm ein einfaches Leben geboten, weil alles Lebensnotwendige vorhanden war. Fortan musste er sich seinen Lebensunterhalt erarbeiten durch die Arbeit in der Landwirtschaft. Vor allem aber war er nun der Sterblichkeit verfallen.
Adam gilt als der erste Mensch. Aber wenn klar wird, dass der Name Adam nichts anderes heißt als Mensch, dann wird in dieser Geschichte nicht die Geschichte des ersten Menschen erzählt, sondern die Geschichte der Menschen, Menschheitsgeschichte sozusagen. Jedermann wäre auch nicht schlecht...
Die Paradieserzählung wird gemeinhin zur Urgeschichte gezählt. Aber der Begriff ist unklar, weil die Urgeschichte sich nicht linear einordnen und in die Vorgeschichte verbannen lässt. Die Jetztzeit trägt Züge der Urzeit, die Urzeit selbst ist Teil jeder Zeit. Die Urgeschichte, wie sie in Gen 1 bis 11 (mit sehr verschiedenen Tönen und doch einem erkennbaren cantus firmus) vorliegt, erzählt von dem, was typisch ist für die Schöpfung Gottes, typisch auch für den Menschen, der sich aufmacht, das Fürchten zu lernen. Der die Unschuld verliert. Die Freiheit im Gebüsch versteckt.
Die Unterstellung ist: Gott verbietet etwas. Gott will etwas für sich behalten. Gott will dies nicht teilen ... und bis heute denken Menschen, wenn ihnen Religion (oder was sie dafür halten) begegnet, an Verbote und Unmündigkeit. Aber die Menschen haben Gott als Gebenden kennen gelernt. Der Garten ist von ihm. Den Menschen wird anvertraut, ihn zu bebauen und zu bewahren. Eine Vertrauensstellung par excellance.
Das Verbot, von dem Baum der Erkenntnis zu essen, schützt den Menschen auch davor, den Garten verkommen zu lassen oder ihn zu zerstören - und sich gleich mit. Denn die Erkenntnis von gut und böse ist keine denkerische Möglichkeit, keine akademische Diskussion oder ein Spiel mit Alternativen. Die Erkenntnis von gut und böse setzt die Erfahrung voraus, durch eigene Schuld das Paradies, die Unschuld und die Freiheit zu verlieren.
Die erste Frucht der Erkenntnis von gut und böse ist die Nacktheit. Erst sind es Schürze aus Feigenblätter, die schützen, später müssen es Waffen und Medienkampagnen sein. Angesichts der Nacktheit, die aber nichts davon offenbart, was in den Köpfen vorgeht oder hinter den Worten steckt, suchen Menschen Schutz. Sie sichern sich gegen den anderen. Sie sind ständig auf Suche nach Motiven. Sie analysieren Sätze, aber auch, was nicht gesagt wurde. Sie trennen objektiv und subjektiv. Nehmen Güterabwägungen vor. Und trauern, dass es keine Gerechtigkeit auf der Welt gibt.
In dieser Lesung wird eine Geschichte vorgetragen, die fast jeder Mensch kennt und die doch vielen unverständlich geblieben ist: Die Erzählung von der Erschaffung des Menschen und seines Ungehorsams gegenüber seinem Schöpfer.
Das 2. und 3. Kapitel des Buches Genesis wollen nicht historisch verstanden werden. Sie suchen nach einer Antwort, warum der Mensch so ist, wie er ist. Woher kommt seine Sehnsucht nach einer heilen Welt, obwohl er die Welt als unheil erlebt? Die beiden Kapitel wollen nebeneinander und nicht nacheinander gelesen werden. Genesis 2 erzählt, wie die Welt sein könnte und sein sollte, Genesis 3, wie sie tatsächlich ist und warum sie so ist.
Der ursprüngliche Text enthält ein dreifaches Wortspiel, das in der Übersetzung und auch im Bewußtsein der meisten Menschen verloren gegangen ist. Der Mensch (adam) wird aus dem Ackerboden (adamah) geformt. Noch ist nicht vom Mann die Rede. Adam müßte besser mit "Erdling" übersetzt werden. Vom Mann (iš) ist erst nach der Erschaffung der Frau (iššah) die Rede. Mit Adam ist der Mensch schlechthin, die ganze Menschheit, gemeint. Die Geschichte erzählt also, wie der Mensch ist: erdhaft und zugleich vom Lebensatem Gottes beseelt, Gott sorgt für ihn.
Das 3. Kapitel erzählt meisterhaft von der Verführung des Menschen durch die Schlange zum Ungehorsam gegenüber seinem Schöpfer. Auch hier bedient sich der Verfasser eines Wortspiels: Das 2. Kapitel endet mit der Feststellung, daß die Menschen nackt (arom) waren, sich aber nicht voreinander schämten. Das 3. Kapitel beginnt mit der Vorstellung der Schlange als klug (arum), klüger als alle Tiere des Feldes. Die Menschen essen gegen das Gebot ihres Schöpfers, um klug und weise zu werden, erkennen aber, nachdem sie von der verbotenen Frucht gegessen haben, daß sie nackt sind.
Die Erzählung enthält viele Momente, die auch in anderen Kulturen und Religionen vorkommen und in allen Mythologien eine wichtige Rolle spielen: die Erde, der Baum des Lebens, die Schlange als Symbol der Klugheit und Weisheit, die Frau als Symbol der Fruchtbarkeit (Mutter alles Lebendigen)... Der biblische Verfasser übernimmt diese Elemente aus seiner Umwelt und setzt im Nacherzählen seine eigenen theologischen Akzente.
1. Lesung (erweiterte Fassung) - Gen 2,4b - 3,24
Lesung aus dem Buch Genesis.
Zur Zeit, als Gott, der HERR, Erde und Himmel machte,
gab es auf der Erde noch keine Feldsträucher
und wuchsen noch keine Feldpflanzen,
denn Gott, der HERR,
hatte es auf die Erde noch nicht regnen lassen
und es gab noch keinen Menschen,
der den Erdboden bearbeitete,
aber Feuchtigkeit stieg aus der Erde auf
und tränkte die ganze Fläche des Erdbodens.
Da formte Gott, der HERR, den Menschen
Staub vom Erdboden,
und blies in seine Nase den Lebensatem.
So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen.
Dann pflanzte Gott, der HERR, in Eden, im Osten,
einen Garten und setzte dorthin den Menschen,
den er geformt hatte.
Gott, der HERR,
ließ aus dem Erdboden allerlei Bäume wachsen,
begehrenswert anzusehen und köstlich zu essen,
in der Mitte des Gartens aber den Baum des Lebens
und den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse.
Ein Strom entspringt in Eden, der den Garten bewässert;
dort teilt er sich und wird zu vier Hauptflüssen.
Der Name des ersten ist Pischon;
er ist es, der das ganze Land Hawila umfließt,
wo es Gold gibt.
Das Gold jenes Landes ist gut;
dort gibt es Bdelliumharz und Karneolsteine.
Der Name des zweiten Stromes ist Gihon;
er ist es, der das ganze Land Kusch umfließt.
Der Name des dritten Stromes ist Tigris;
er ist es, der östlich an Assur vorbeifließt.
Der vierte Strom ist der Eufrat.
Gott, der HERR, nahm den Menschen
und gab ihm seinen Wohnsitz im Garten von Eden,
damit er ihn bearbeite und hüte.
Dann gebot Gott, der HERR, dem Menschen:
Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen,
doch vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse
darfst du nicht essen;
denn am Tag, da du davon isst, wirst du sterben.
Dann sprach Gott, der HERR:
Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist.
Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm ebenbürtig ist.
Gott, der HERR,
formte aus dem Erdboden alle Tiere des Feldes
und alle Vögel des Himmels
und führte sie dem Menschen zu,
um zu sehen, wie er sie benennen würde.
Und wie der Mensch jedes lebendige Wesen benannte,
so sollte sein Name sein.
Der Mensch gab Namen allem Vieh,
den Vögeln des Himmels und allen Tieren des Feldes.
Aber eine Hilfe, die dem Menschen ebenbürtig war,
fand er nicht.
Da ließ Gott, der HERR,
einen tiefen Schlaf auf den Menschen fallen,
sodass er einschlief,
nahm eine seiner Rippen
und verschloss ihre Stelle mit Fleisch.
Gott, der HERR, baute aus der Rippe,
die er vom Menschen genommen hatte,
eine Frau und führte sie dem Menschen zu.
Und der Mensch sprach:
Das endlich ist Bein von meinem Bein
und Fleisch von meinem Fleisch.
Frau soll sie genannt werden;
denn vom Mann ist sie genommen.
Darum verlässt der Mann Vater und Mutter
und hängt seiner Frau an und sie werden ein Fleisch.
Beide, der Mensch und seine Frau, waren nackt,
aber sie schämten sich nicht voreinander.
Die Schlange war schlauer als alle Tiere des Feldes,
die Gott, der HERR, gemacht hatte.
Sie sagte zu der Frau:
Hat Gott wirklich gesagt:
Ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen?
Die Frau entgegnete der Schlange:
Von den Früchten der Bäume im Garten dürfen wir essen;
nur von den Früchten des Baumes,
der in der Mitte des Gartens steht,
hat Gott gesagt: Davon dürft ihr nicht essen
und daran dürft ihr nicht rühren,
sonst werdet ihr sterben.
Darauf sagte die Schlange zur Frau:
Nein, ihr werdet nicht sterben.
Gott weiß vielmehr:
Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf;
ihr werdet wie Gott
und erkennt Gut und Böse.
Da sah die Frau,
dass es köstlich wäre, von dem Baum zu essen,
dass der Baum eine Augenweide war
und begehrenswert war, um klug zu werden.
Sie nahm von seinen Früchten und aß;
sie gab auch ihrem Mann, der bei ihr war,
und auch er aß.
Da gingen beiden die Augen auf
und sie erkannten, dass sie nackt waren.
Sie hefteten Feigenblätter zusammen
und machten sich einen Schurz.
Als sie an den Schritten hörten,
dass sich Gott, der HERR,
beim Tagwind im Garten erging,
versteckten sich der Mensch und seine Frau
vor Gott, dem HERRN,
inmitten der Bäume des Gartens.
Aber Gott, der HERR, rief nach dem Menschen
und sprach zu ihm: Wo bist du?
Er antwortete:
Ich habe deine Schritte gehört im Garten;
da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin,
und versteckte mich.
Darauf fragte er:
Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist?
Hast du von dem Baum gegessen,
von dem ich dir geboten habe, davon nicht zu essen?
Der Mensch antwortete:
Die Frau, die du mir beigesellt hast,
sie hat mir von dem Baum gegeben.
So habe ich gegessen.
Gott, der HERR, sprach zu der Frau:
Was hast du getan?
Die Frau antwortete:
Die Schlange hat mich verführt.
So habe ich gegessen.
Da sprach Gott, der HERR, zur Schlange:
Weil du das getan hast,
bist du verflucht unter allem Vieh
und allen Tieren des Feldes.
Auf dem Bauch wirst du kriechen
und Staub fressen alle Tage deines Lebens.
Und Feindschaft setze ich zwischen dir und der Frau,
zwischen deinem Nachkommen
und ihrem Nachkommen.
Er trifft dich am Kopf
und du triffst ihn an der Ferse.
Zur Frau sprach er:
Viel Mühsal bereite ich dir
und häufig wirst du schwanger werden.
Unter Schmerzen gebierst du Kinder.
Nach deinem Mann hast du Verlangen
und er wird über dich herrschen.
Zum Menschen sprach er:
Weil du auf die Stimme deiner Frau gehört
und von dem Baum gegessen hast,
von dem ich dir geboten hatte, davon nicht zu essen,
ist der Erdboden deinetwegen verflucht.
Unter Mühsal wirst du von ihm essen
alle Tage deines Lebens.
Dornen und Disteln lässt er dir wachsen
und die Pflanzen des Feldes wirst du essen.
Im Schweiße deines Angesichts
wirst du dein Brot essen,
bis du zum Erdboden zurückkehrst;
denn von ihm bist du genommen,
Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück.
Der Mensch gab seiner Frau den Namen Eva, Leben,
denn sie wurde die Mutter aller Lebendigen.
Gott, der HERR, machte dem Menschen und seiner Frau
Gewänder von Fell und bekleidete sie damit.
Dann sprach Gott, der HERR:
Siehe, der Mensch ist wie einer von uns geworden,
dass er Gut und Böse erkennt.
Aber jetzt soll er nicht seine Hand ausstrecken,
um auch noch vom Baum des Lebens zu nehmen,
davon zu essen und ewig zu leben.
Da schickte Gott, der HERR, ihn aus dem Garten Eden weg,
damit er den Erdboden bearbeite,
von dem er genommen war.
Er vertrieb den Menschen
und ließ östlich vom Garten Eden die Kerubim wohnen
und das lodernde Flammenschwert,
damit sie den Weg zum Baum des Lebens bewachten.
Antwortpsalm - Ps 51,3-6b. 12-14. 17
Kv: Erbarme dich unser, o Herr,
denn wir haben gesündigt. – Kv
(GL 639,1)
Gott, sei mir gnädig nach deiner Huld, *
tilge meine Frevel nach deinem reichen Erbarmen!
Wasch meine Schuld von mir ab *
und mach mich rein von meiner Sünde! – (Kv)
Denn ich erkenne meine bösen Taten, *
meine Sünde steht mir immer vor Augen.
Gegen dich allein habe ich gesündigt, *
ich habe getan, was böse ist in deinen Augen. – (Kv)
Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz *
und einen festen Geist erneuere in meinem Innern!
Verwirf mich nicht vor deinem Angesicht, *
deinen heiligen Geist nimm nicht von mir! – (Kv)
Gib mir wieder die Freude deines Heiles, *
rüste mich aus mit dem Geist der Großmut!
Herr, öffne meine Lippen, *
damit mein Mund dein Lob verkünde! – Kv
2. Lesung - Röm 5,12-19
Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus
an die Gemeinde in Rom.
Schwestern und Brüder!
Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt
und durch die Sünde der Tod
und auf diese Weise gelangte der Tod zu allen Menschen,
weil alle sündigten.
Sünde war nämlich schon vor dem Gesetz in der Welt,
aber Sünde wird nicht angerechnet, wo es kein Gesetz gibt;
dennoch herrschte der Tod von Adam bis Mose auch über die,
welche nicht durch Übertreten eines Gebots gesündigt hatten
wie Adam, der ein Urbild des Kommenden ist.
Doch anders als mit der Übertretung
verhält es sich mit der Gnade;
sind durch die Übertretung des einen
die vielen dem Tod anheimgefallen,
so ist erst recht die Gnade Gottes
und die Gabe,
die durch die Gnadentat des einen Menschen Jesus Christus
bewirkt worden ist,
den vielen reichlich zuteilgeworden.
Und anders als mit dem,
was durch den einen Sünder verursacht wurde,
verhält es sich mit dieser Gabe:
Denn das Gericht
führt wegen eines Einzigen zur Verurteilung,
die Gnade führt aus vielen Übertretungen
zur Gerechtsprechung.
Denn ist durch die Übertretung des einen
der Tod zur Herrschaft gekommen, durch diesen einen,
so werden erst recht diejenigen,
denen die Gnade und die Gabe der Gerechtigkeit
reichlich zuteilwurde,
im Leben herrschen durch den einen, Jesus Christus.
Wie es also durch die Übertretung eines Einzigen
für alle Menschen zur Verurteilung kam,
so kommt es auch durch die gerechte Tat eines Einzigen
für alle Menschen zur Gerechtsprechung,
die Leben schenkt.
Denn wie durch den Ungehorsam des einen Menschen
die vielen zu Sündern gemacht worden sind,
so werden auch durch den Gehorsam des einen
die vielen zu Gerechten gemacht werden.
Martin Stewen (2011)
Manfred Wussow (2005)
Hans Hütter (1996)
Auf den zweiten Schöpfungsbericht rekurrierend legt Paulus hier seine Gnadentheologie dar: Sowie einst einmal der Mensch durch die Sünde des Adam dem Tod verfallen ist, wurde er durch die rettende Auferstehung des Gottessohnes zu neuem Leben berufen. Wie durch einen Einzigen die Sünde kam, kam auch durch einen Einzige die Rettung.
In seinem Römerbrief stellt Paulus Adam und Christus gegenüber: Adam, der Mensch überhaupt, ist mit dem Tod verbunden. Seine Geschichte ist vertraut. Sie ist die Geschichte aller Menschen. In ihrer Sehnsucht nach Leben haben sie das Leben verwirkt, in dem Wunsch, darüber zu befinden, was "gut" und "böse" ist, haben sie ihre Unschuld verloren. Davon erzählt die Lesung.
Christus aber, der Mensch Gottes, lässt Gnade und Gerechtigkeit "reichlich" zuteil werden. Paulus spricht von der "gerechten Tat eines einzigen" und markiert damit einen Neuanfang in der Geschichte Gottes mit den Menschen. Nicht nur Adam und Christus stehen einander gegenüber, sondern auch die Vielen und der Eine, Tod und Leben.
Entscheidend für Paulus ist die Beziehung zu Gott. Adam steht für den Ungehorsam (mögen die Menschen es auch Befreiung aus der Unmündigkeit nennen), Christus für den Gehorsam, der Leben überhaupt erst möglich macht: die ungeteilte Liebe zu Gott, das grenzenlose Vertrauen und eine Freiheit, die anderen Menschen zu gute kommt. Gehorsam kommt von "hören", "hören" aber heißt: das letzte Wort von IHM erwarten. Über "gut" und "böse", über Tod und Leben, über Adam und Christus.
Paulus stellt Adam und Christus gegenüber. Durch den Ungehorsam des einen kam der Tod in die Welt, durch den Gehorsam des anderen wurde das Leben neu geschenkt. Beide sind als "korporative Persönlichkeiten" anzusehen. D.h.: Im Stammvater eines Volkes ist bereits die gesamte Nachkommenschaft präsent. In diesem Sinne - und nicht in einem geschichtlichen - ist die Sünde der Nachkommen Adams und die Gerechtsprechung der "Nachkommen" des Christus zu verstehen. Adam verkörpert den Menschen, wie er von Anfang an verfaßt ist, die Menschheit schlechthin. Die Menschen haben sich von Anfang an von Gott und seinem Gebot gelöst und sind eigene Wege gegangen. Erst in Jesus Christus wurde diese Loslösung von Gott überwunden. Auch hier wieder durch die Tat des einen. Den "vielen", das sind alle, die sich zu Christus gehörig wissen, wird die Gerechtsprechung als unverdientes Geschenk (Gnade) zuteil.
2. Lesung (Kurzfassung) - Röm 5,12. 17-19
Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus
an die Gemeinde in Rom.
Schwestern und Brüder!
Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt
und durch die Sünde der Tod
und auf diese Weise gelangte der Tod zu allen Menschen,
weil alle sündigten.
Denn ist durch die Übertretung des einen
der Tod zur Herrschaft gekommen, durch diesen einen,
so werden erst recht
diejenigen, denen die Gnade und die Gabe der Gerechtigkeit
reichlich zuteilwurde,
im Leben herrschen durch den einen, Jesus Christus.
Wie es also durch die Übertretung eines Einzigen
für alle Menschen zur Verurteilung kam,
so kommt es auch durch die gerechte Tat eines Einzigen
für alle Menschen zur Gerechtsprechung,
die Leben schenkt.
Denn wie durch den Ungehorsam des einen Menschen
die vielen zu Sündern gemacht worden sind,
so werden auch durch den Gehorsam des einen
die vielen zu Gerechten gemacht werden.
Ruf vor dem Evangelium - Mt 4,4b
Herr Jesus, dir sei Ruhm und Ehre!
Nicht nur vom Brot lebt der Mensch,
sondern von jedem Wort aus Gottes Mund.
Herr Jesus, dir sei Ruhm und Ehre!
Evangelium - Mt 4,1-11
Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus.
In jener Zeit
wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt;
dort sollte er vom Teufel versucht werden.
Als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte,
hungerte ihn.
Da trat der Versucher an ihn heran
und sagte: Wenn du Gottes Sohn bist,
so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird.
Er aber antwortete:
In der Schrift heißt es:
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein,
sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.
Darauf nahm ihn der Teufel mit sich in die Heilige Stadt,
stellte ihn oben auf den Tempel
und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist,
so stürz dich hinab;
denn es heißt in der Schrift:
Seinen Engeln befiehlt er um deinetwillen,
und: Sie werden dich auf ihren Händen tragen,
damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.
Jesus antwortete ihm:
In der Schrift heißt es auch:
Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen.
Wieder nahm ihn der Teufel mit sich
und führte ihn auf einen sehr hohen Berg;
er zeigte ihm alle Reiche der Welt mit ihrer Pracht
und sagte zu ihm:
Das alles will ich dir geben,
wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest.
Da sagte Jesus zu ihm:
Weg mit dir, Satan! Denn in der Schrift steht:
Den Herrn, deinen Gott, sollst du anbeten
und ihm allein dienen.
Darauf ließ der Teufel von ihm ab
und siehe, es kamen Engel und dienten ihm.
Martin Stewen (2011)
Manfred Wussow (2005)
Hans Hütter (1996)
Die Versuchungsgeschichte ist wie der unmittelbar vorhergehende Taufbericht eine der Einführungsgeschichten, die von Jesus vor seinem öffentlichen Auftreten handeln. Derweil die Offenbarung am Jordan positiv darauf verweist, dass Jesus der Gottessohn ist, zeigt die Versuchungsgeschichte, wie sich Jesus auch unter Anfeindungen in seiner Göttlichkeit bewährt.
Kierkegaard (Tagebücher 1834-55, Leipzig 21941, 402) stellt die klare und dauerhafte Entschiedenheit Jesu für seinen Gott heraus gegenüber den akzidentiellen Versuchungen des Teufels. Für die Hörer in den Gemeinden - vor allem für die Taufbewerber - ist die Botschaft klar: Euer Ja zu eurem Gott habe Bestand wie sein Ja zu den Menschen - ganz gleich, was der Augenblick mitbringt.
Jesus, vom Geist in die Wüste geführt, soll (so der Evangelist) in Versuchung geführt werden. Vom Teufel. Jesus ist am Anfang seines Weges. Weiß er, wohin sein Weg führt?
In drei Versuchen (das ist die Ursprungsbedeutung auch von "Versuchung") will der Versucher (der, der durcheinanderbringt!) Jesus als Wundertäter aufbauen (Steine zu Brot), ihn Gott auf die Probe stellen lassen (in die Tiefe stürzen) und ihn letztlich selbst mit Macht korrumpieren (alle Reiche der Welt).
Es ist eine Steigerung zu erkennen, die im Evangelium mit wenigen Worten durchgespielt wird. Würde Jesus auf die Möglichkeiten eingehen, hätte er seinen Weg verloren. Dabei wissen wir Leser/Hörer mehr, als Jesus wusste: Wir wissen, wer daran interessiert ist, Jesus "durcheinander zu bringen" - Jesus hat vierzig Tage Fasten hinter sich. Die erste Option riecht nach Brot ... nicht nach Versuchung.
Jesus findet seinen Weg, indem er ablehnt, sich zu einem Wundertäter aufbauen zu lassen, er stellt auch Gott nicht auf die Probe und, was die Reiche der Welt angeht, wird er vor Gericht aussagen, dass sein Reich nicht von dieser Welt ist.
Dabei wehrt Jesus den Versucher jeweils mit einem Wort ab, das geschrieben ist. Jesus sieht sich nicht als Einzel- oder Sonderfall, der über der Schrift stünde - nein, er argumentiert mit der Schrift gegen den Versucher. Die Geschichte Gottes mit den Menschen steht auf dem Spiel, wenn sein einmal gegebenes Wort zur Disposition gestellt wird - sei es vom Versucher, sei es von Jesus. Damit ist der Weg Jesu klar. Die Schrift ist der größte Schatz, sich nicht durcheinander bringen zu lassen.
Der Weg Jesu: Er teilt mit Menschen das Brot, er vertraut Gott und dient ihm allein. Davon erzählt das Evangelium. Für Menschen, die Wunder brauchen, Beweise für ihr Vertrauen suchen und die sich blenden lassen von Reichtum und Schönheit - eine klare Botschaft.
Im Evangelium wird am 1. Fastensonntag des Lesejahres A die Erzählung vom Fasten Jesu und von den darauffolgenden Versuchungen geboten. Während sich der Hinweis auf das Fasten auch beim Evangelisten Markus findet, wird die Geschichte von den Versuchungen nur von Matthäus und von Lukas überliefert.
Das Fasten Jesu ist an einem Wendepunkt in seinem Leben zu finden. Voraus geht die Erzählung von der Berufung in der Taufe am Jordan. Und nach dem vorliegenden Evangelientext folgt das erste öffentliche Auftreten Jesu.
Fasten war bei den Juden wie in allen Religionen ein selbstverständlich geübter religiöser Brauch. Die 40 Tage erinnern an die 40 Jahre, die das Volk Israel nach dem Auszug aus Ägypten in der Wüste verbracht hat. Es war eine Zeit der Schulung und Läuterung, in der Gott aus dem Haufen, der aus Ägypten aufbrach, sein Volk formte, bevor dieses das verheißene Land in Besitz nehmen konnte.
Die Erzählung von den Versuchungen hat den Charakter eines gelehrten Streitgesprächs. Inhaltlich fassen die drei Versuchungen die Grundkonflikte Jesu um das rechte Messiasverständnis zusammen. Jesus will kein "Brotmessias" sein. Er weigert sich, vor den Priestern und Pharisäern seine Messianität durch ein Wunder unter Beweis zu stellen. Schließlich läßt er sich auch nicht vor den Karren einer politischen Messiaserwartung spannen.
In der Auseinandersetzung, in welchem Sinne Jesus als Messias zu sehen ist, stehen auch die ersten christlichen Gemeinden Palästinas. Sie verteidigen den Messias, der leiden mußte und der nicht vom Kreuz herabstieg, gegenüber ihrer jüdischen Umgebung, in der nach wie vor verschiedenartige Messiaserwartungen lebendig waren.
Allein Gott schenkt Erfüllung
Wüstenerfahrungen
„Wie wäre es, wenn wir einmal im Jugendfreizeitbereich einen handyfreien Abend durchführen?“ „Dann kommt keiner!“ So lief vor einigen Jahren ein Gespräch, das ich mit jungen Erwachsenen im Religionsunterricht führte. Das Handy beherrscht in unseren Tagen das Leben der allermeisten Menschen. Wer heute kein Handy besitzt, ist außen vor. Doch der eine oder andere hat sich vorgenommen, in der Fastenzeit es weniger zu benutzen. Wer auf das Handy verzichtet, der kann abgeschnitten sein von den Kontakten, ja auch von den neuesten Nachrichten. Ohne Handy können wir uns fühlen wie in der Wüste.
Die Wüste – Jesus ist vierzig Tage in die Wüste gegangen. Das Volk Israel wanderte 40 Jahre durch die Wüste. Die Wüste ist in der Bibel ein Ort, wo Menschen Gott begegnen. Die Wüste ist ein Ort, an dem wir uns auch selbst begegnen, unseren eigenen Gedanken, unseren Sehnsüchten; wo wir vor allem dem begegnen zu können, was wir meinen unbedingt zu brauchen.
Wenn ich an Exerzitien teilnehme, dann merke ich persönlich, wie wohltuend es ist, einmal alles beiseite zu lassen. Öfters hat der Leiter der Exerzitien auch einen Wüstentag eingeplant. Ein Philosoph hat einmal gesagt: Die größte Not des modernen Menschen ist die, dass er es nicht vermag, einmal allein auf seinem Zimmer zu sein.“ Ein Wüstenvater hat einmal zu einem jungen Menschen gesagt: „Geh in dein Kellion und dein Kellion, also deine Zelle, wird dich alles lehren.“
In der Wüste Gott begegnen
Auch Jesus ist in die Wüste gegangen nach seiner Taufe. Nach der Zeit der Wüste wollte Jesus gestärkt seinen Auftrag erfüllen. Er wollte seinem Gott begegnen. Jesus besteht die Wüste. Nichts kann ihn abbringen von seinem Vertrauen auf Gott. Wir begegnen hier Jesus, der ganz mit Gott verbunden ist. Wir begegnen hier Jesus, der völlig auf Gott vertraut. Wir begegnen hier Jesus, dem es bewusst ist, dass allein Gott Erfüllung schenkt. Wir begegnen hier Jesus, der allein Gott anbetet.
Versuchungen
Nun schauen wir uns einmal die Versuchungen von Jesus an. „Der Mensch lebt nicht von Brot allein!“ Brot – hier in Westeuropa können wir zwischen vielen Brotsorten wählen. In vielen anderen Ländern ist Brot Mangelware. Jesus selbst hat gespürt: Der Mensch ist Seele und Leib. Er braucht Nahrung. Missionsarbeit hat auch immer das Ziel, Lebensgrundlagen zu schaffen, damit sich Menschen eine menschenwürdige Existenz aufbauen. Ein Mitbruder unseres Ordens hat das in dem Satz zusammengefasst: „Bessere Felder, Bessere Häuser, bessere Herzen!“ Doch wir brauchen auch das Wort Gottes. Wir brauchen die guten Worte, die uns aufbauen, die uns zeigen, wir sind wertvoll und wichtig. Wir können diesen Worten begegnen in der Bibel und im Gottesdienst. Wir brauchen es aber auch, dass Menschen uns diese Worte zusagen. Leben lässt uns allein Gottes Wort.
Schauen wir auf die zweite Versuchung. Hier sehen wir Jesus, der einzig und allein auf Gott vertraut. Der Teufel missbraucht sogar ein Schriftzitat. Wie oft wird die Bibel hergenommen, um Fehlverhalten zu rechtfertigen? Doch Jesus kontert. „Du sollst den Herrn deinen Gott nicht auf die Probe stellen!“ Wir dürfen wie Jesus Gott bedingungslos vertrauen. Oft wissen wir die Wege Gottes nicht. Oft hadern wir. Warum bin gerade ich krank? „Wenn Gott doch die Menschen liebt...“ Als könnten wir Gott etwas befehlen. Wir brauchen unseren Wert auch nicht mit spektakulären Aktionen beweisen. Wir sind das, was wir vor Gott sind, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Auch die dritte Versuchung besteht Jesus und lädt uns ein, allein Gott anzubeten, ihm allein zu dienen. Ich genieße es, wenn ich in manchen Kirchen, eine Zeit vor dem Allerheiligsten verbringen kann. Doch Jesus will sagen: „In allem, was du tust, was du denkst, in allem sollst du zeigen, dass es dir wichtig ist, Gott zu dienen. In allem sollst du fragen, was ist Gottes Wille. Dabei ist eine Gefahr: Ich kann auch das Reden vom Willen Gott für mich und meine eigenen Interessen missbrauchen. Wir dürfen uns vor niemanden niederwerfen: weder vor Menschen, noch vor einer Ideologie, noch vor dem Zeitgeist, noch vor einer inneren Haltung.
Gott lieben und ihn allein verehren und anbeten
Jesus hat uns das vorgelebt. Wenn Paulus in seinem Brief an die Römer sinngemäß schreibt, durch den Ungehorsam des einen Menschen wir zu Sündern wurden, dann will er damit sagen: Alle Menschen sind Sünder. Alle Menschen sind versucht, wie Gott zu werden, das eigene Leben ohne Gott zu gestalten, sich an die Stelle Gottes zu setzen. Adam und Eva, die sich verführen lassen, wie Gott werden zu wollen, ja Gott gleich sein wollen, stehen für uns alle. Nur allein Jesus (und die ohne Erbsünde empfangene Gottesmutter Maria) war Gott gehorsam, in allem. Wir müssen hineinwachsen, Gott wieder mehr zu gehorchen.
Es gibt so vieles, was uns vom Guten und von Gott wegführen will. Es gibt vieles, was uns das Böse als gut zeigen möchte: Karriere, Geld, Besitz. Dabei ist es Gott, seine Liebe und seine Gebote, die uns erfüllen. In diese Haltung kann uns auch die diesjährige Fastenzeit führen. Auch in diesem Jahr können wir einen Schritt tun, ganz auf Gott zu vertrauen, ihm zu begegnen. Mancher Verzicht, sei es, dass er während der ganzen Fastenzeit geschieht oder nur zeitweise, kann uns zeigen: Von wem und wovon mache ich mich abhängig? Was glaube ich, für mein Lebensglück zu brauchen? Wenn wir ein Handy und andere Dinge gut gebrauchen, dann kann es hilfreich sein. Wenn wir von ihnen abhängig werden, dann ist das schlecht.
Entdecken wir, dass Gott die Quelle unserer Erfüllung ist, dass Gott uns das gibt, was wir brauchen, dass wir Gott lieben und ihn verehren und anbeten. Allein Gott schenkt Erfüllung!
Fastenzeit-Programm
Ur-Grundregeln
Diese sonntäglichen Texte noch am Beginn der Fastenzeit geben lebensnahen „Nachhilfeunterricht“, was Umkehr, Sündenverständnis und Versuchungen betrifft. Das beginnt schon mit der ersten Lesung: Die Bilder, die uns vor Augen geführt werden, sind wirkliche Bilder, kein Dokumentarbericht. Die Schöpfung, Tiere und Pflanzen als Hilfe für den Menschen, so etwas wie eine Gebrauchsanweisung, verbunden noch mit der Mahnung: Nütze sie gut! Der Versuch misslingt, vorbei ist es mit dem Leben im Paradies. Es geht weiter mit dem Brudermord, mit Mord und Totschlag. Weil der Mensch Partnerschaft braucht, schuf Gott Gleichwertiges: Eva (= Leben) zu Adam (= Mensch). Gott schuf Gleichwertiges aus der Rippe des Mannes, dem Herzen nahe.
Wie schwer tun wir uns mit der Gleichwertigkeit von Mann und Frau bis heute, weltweit in manchen Kulturen (Taliban). Wir führen in unseren Bereichen Quotenregelungen ein, das will auch nicht so recht funktionieren, ganz kleine Fortschritte gelingen ja, aber nur sehr langsam. In der Kirche wird das Frauenproblem immer dringlicher. Es kam auch jetzt wieder beim Vorbereitungstreffen zur Weltsynode in Prag zur Sprache. Es gibt wohl viele Bemühungen, aber dennoch eine Pattstellung, biblischer Auftrag gegen Tradition, die aber sehr wohl bedeutende Mitarbeiterinnen in den Gemeinden kennt und gegen das Kirchenrecht. Vieles muss sich erst erfüllen. Dabei gibt es viele Niederlagen, da und dort auch Schadenfreude, die keine Probleme löst. Kurzum: Die ersten 11 Kapitel im Buch Genesis sind Existenzanalyse der Menschheit. Vielleicht könnten wir daraus auch für uns persönlich etwas ableiten.
Sünde und ihre Folgen
Die zweite Lesung setzt sich mit der Sünde und ihren Folgen auseinander. Sünde ist eine bewusste Absonderung von der Liebe Gottes, in der sich der Mensch in Freiheit entscheidet, nicht auf dem Weg Jesu zu bleiben. Sünde wird hier mit dem Tod verglichen, bei dem es um Vergänglichkeit geht, in der die gesamte Schöpfung, der Kosmos und der Mensch miteinbezogen sind. Biblisch gesprochen ist es aber das geistige Absterben der Beziehung zu Gott. Wichtiger Hinweis: „Sünde war schon vor dem Gesetz in der Welt, aber Sünde wird nicht angerechnet, wo es kein Gesetz gibt; dennoch herrschte der Tod von Adam bis Mose auch über die, welche nicht durch Übertreten eines Gebotes gesündigt hatten, wie Adam, der ein Urbild des Kommenden ist.“ (Röm 5,13-14). Das heißt: Auch Pflanzen, Tiere übertreten nicht das Gesetz des Liebesgebotes, sie haben keine Sünde, wohl aber der Mensch. Und nun kommt das Trostwort: „Wo die Sünde mächtig wurde, ist die Gnade übergroß geworden.“ (Röm 5,20).
Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt. Das ist das Risiko Gottes, dass er den Menschen mit Freiheit ausgestattet hat, die er missbraucht, bis zum heutigen Tag. Dieser Missbrauch führt zur Ursünde mit Nebenwirkungen, nachzulesen im Lasterkatalog bei Paulus 1 Kor 6,9-14 und 18-20. Aber wo die Sünde mächtig wurde, setzt sich die Gnade als liebevolle Zuwendung zum Menschen durch. Die Gnade setzt die Natur voraus und schließt die Vernunft mit ein.: Gratia supponit naturam (Thomas von Aquin + 1274).
Versuchungen zu sündigen
Damit kommen wir schon zu den Versuchungen, die zur Sünde führen können. Das hören wir im Evangelium. Die vorletzte Bitte im Vaterunser „Führe uns nicht in Versuchung“ löste in letzter Zeit Unverständnis, Skepsis, Anfragen an unser Gottesbild aus. Besser wäre zu sagen: Hilf uns, durch alle Versuchungen durchzukommen, diese zu bestehen, zu überstehen, Versuchung als Erprobung der Treue, als Festhalten an Gott, besonders in schwierigen Situationen, die auch schwere Krisen auslösen können. Versuchung als Erprobung zu verstehen.
Im Evangelium hören wir von der Wüste als Ort der Erprobung, als Erfahrung des Lebens, als Durchgang durch schwere Zeiten, da muss man durch. Man ist froh, wieder herauszukommen. Es ist ein Leben der Ausgesetztheit bis zur Existenzbedrohung. Bedrohungen, brenzlige Lebenssituationen haben wir auch heute, nicht nur durch Naturkatastrophen, Klimawandel, wir haben sie auch in Beziehungsproblemen mit den Kindern, mit dem Ehepartner. Wir unterliegen beruflichen Versuchungen, auch Versuchungen, die mit Risiken verbunden sind beim Sport, im Glücksspiel etc.
Die Bibel erwähnt drei Versuchungen und bringt sie in Zusammenhang mit Freiheit, sich zu entscheiden. Steine zu Brot werden zu lassen, Hochsaison für Finanzspekulanten, Betrügereien, viel Gier ist dabei. Alle Reiche will ich dir geben, Machtgehabe, Großreiche schaffen zu wollen, Machtausübung bis hinein in die Familien in Wort und Gewalt. Die dritte Versuchung, der man leicht erliegt: Ruhm, Ansehen, Anerkennung über Titel, Karrieresucht, Geld, Versuchung auch auf Kosten anderer.
Beten wir um gute Überlegungen, Erkenntnisse, in welche Versuchungen wir persönlich immer wieder hineingeraten und versuchen wir, all den Erprobungen Widerstand zu leisten so wie es Jesus auch getan hat.
Der Herausforderung standhalten
Neues versuchen
Ich war neugierig und habe den Versuch gewagt, Neues in meinem Leben auszuprobieren. Versuchen – setzt einen suchenden, nach neuen Wegen Ausschau-haltenden Menschen voraus! Dieses Verhalten ist positiv und dient dem Leben, dem Überleben der Menschheit! Etwas im Leben suchen, testen, probieren, fördert die eigene Kreativität, macht mutig.
Dazu gehört auch manchen Misserfolg als Herausforderung anzunehmen, zu bewältigen und einen Neuanfang zu starten. Daran gibt es nichts auszusetzen. Und so würde man sich bei manchen Menschen wünschen, dass sie ihrem Leben mehr zutrauen, mehr neue Möglichkeiten versuchen, ausprobieren. Mögen sie die Herausforderungen in ihrem Leben sehen, erkennen und auch standhalten und nicht ausweichen.
Grenzen überschreiten
Bei anderen Menschen trifft genau das Gegenteil zu! Denn der Mensch kann auch leicht im Versuchen übermütig werden und dabei Grenzen überschreiten, Grenzen, die ihn vor Unmenschlichkeit bewahren! Es gibt solche Typen von Menschen. Sie gehen beim Versuchen über das hinaus, was ihrem Leben oder/und dem Zusammenleben in der Gemeinschaft dient, förderlich ist.
Genährt wird dieser Übermut oft nach einem übertriebenen Sendungsbewusstsein und von der Sehnsucht und dem Streben nach Macht. Gründe dafür gibt es in Hülle und Fülle. Nicht einfach nur „unbewusste“ Dummheit und Blindheit, sondern auch Kräfte, die im Menschen vorhanden sind, die etwas oder gar sich selbst durchsetzen wollen, die schwer in Zaum zu halten sind und diese können so zu unheilvollem Handeln führen.
Der Mensch, der die großen Möglichkeiten in seinem Leben versucht, erprobt, und so den Anreiz zu seiner eigenen machtvollen Handlung sieht – ist immer noch in einer Situation der Versuchung! Auch daran gibt es nichts auszusetzen nur zu ergänzen: Diese Situation der Versuchung ist zugleich auch eine Chance der Bewährung, des Standhaltens gegenüber der Herausforderung!
Bewährung
Wie man dieser Herausforderung standhalten kann, darauf gibt das heutige Matthäus-Evangelium eine Vorschau. Es verweist auf eine Kraft, eine Geistkraft, auf die Menschen ihr Leben ausrichten. Eine Kraft, die sie in ihre Entscheidungen in Situationen der Versuchung einbeziehen und sich davon leiten lassen. Dieser Geistkraft, Gottes Geist, Raum zu geben im Leben, Raum zu geben in Zeiten, wo die Versuchung zu eigenem Handeln herausfordert und eine Chance der Bewährung ist, darum geht es.
An Jesus und seinem Umgang mit seiner „geisterfüllten“ Lebensrealtität zeigt sich, wie Versuchungen zur Bewährung werden. Jesus, der am Jordan erfahren hat, dass er Gottes geliebter Sohn ist, ist von diesem Geist Gottes durchdrungen und gestärkt. Auf diesen Gott, der mit ihm ist, baut er sein Leben, dieser begleitet ihn auch auf der Suche nach seinem Auftrag, auf seinem Weg in die Wüste und wieder heraus.
Vom Geist Gottes geführt
Durch unsere Taufe sind auch wir in diese Zusage Gottes „Du bist meine geliebte Tochter, mein geliebter Sohn“ mit hineingenommen und von Gottes Geist durchdrungen. Das ist es, was uns stärkt, was uns in der Versuchung begleitet. Zugleich ist es für uns die Chance, der Versuchung, der Macht der Anerkennung und Versklavung anderer, wie wir es im Evangelium gehört haben, nicht zu erliegen.
Dann sind wir auf unserem Lebensgrund, dem Unaussprechlichen, dem Heiligen, der uns trägt, uns begleitet, uns im Scheitern nicht allein lässt, angekommen. In ihm ist alles „eingebettet“, Licht und Schatten unseres Lebens.
Etwas später erfahren wir im Matthäus-Evangelium von einer Bitte, die nur aus dieser Grunderfahrung zu verstehen ist: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern rette uns von dem Bösen“ Mt 6,13.
„Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert!“ - (George Bernhard Shaw)
Hat der Urheber dieses Zitates, der irische Schriftsteller George Bernhard Shaw, an die Versuchungsgeschichte gedacht, an die Begegnung von Jesus mit dem klugen Teufel in der Wüste?
Der Teufel scheint es gut zu meinen
Nun, jedenfalls scheint es der Teufel hier mit Jesus gut zu meinen. Dieser kommt quasi gerade von der Taufe am Jordan, bei der ihm die Zusage gegeben worden ist, Gottes geliebter Sohn zu sein. Er hat dort sozusagen den offenen Himmel erblickt, zweifellos ein Höhepunkt, ein zutiefst bewegendes Erlebnis. Und nun das: 40 Tage in der Wüste, hineingeführt vom Geist Gottes.
Wir dürfen wohl vermuten, dass diese Wüste nichts zu tun hat mit einem abgesicherten Mediationserlebnis oder einem Fastenkurs in schöner ruhiger klösterlicher Atmosphäre. Eher scheint mir die Wüste für die absolute mitleidlose Lebensfeindlichkeit zu stehen, hineingeworfen in eine trostlose, trockene Umgebung, Steine und Sand, nichts Nahrhaftes, nur der nagende Hunger. Eine wirkliche Zeit der Krise: Was gilt denn nun von der zuvor gemachten und wohl beglückenden Erfahrung? Zählt die noch? Und wenn ja, wie zählt Sie? Wie geht denn das nun konkret: Gottes Sohn zu sein mit einer Botschaft? Auf welchem Weg soll diese Kunde in die Welt gehen?
Endlich alle satt?
Da kommt er gerade recht, der Ungeist, der scheinbar so vernünftig argumentiert. Gleich beim ersten Teil wird das deutlich. Aus Steinen Brot machen: Wäre das nicht wünschenswert? Der allgegenwärtige Hunger in der Welt, das unglaubliche Elend, das damit verbunden ist, heute vielleicht fast noch mehr als damals. Das Eintauschen gegen die Gabe aus dem Wertlosen nahrhaftes Essen zu schaffen. Mit Gott an der Seite endlich Schluss machen mit den jährlichen Katastrophenmeldungen von Hunger hier und Unterernährung dort. Caritas, OXFAM, die UNO und wie sie alle heißen, wären auf einmal arbeitslos in diesem Bereich: Endlich sind alle satt!
Aber Jesus verweigert sich dem schnellen Weg. Nein, es reicht für ihn nicht, dass die Mägen satt sind. Was kommt danach, scheint er zu fragen? Was dann, wenn der vordergründige Hunger gestillt ist? Satt alleine reicht für ihn nicht! Aber man sollte diese Stelle nicht vorschnell vergeistigen. Jesus wird später in seinem Tun zeigen, welches Wunder wirklich hilft gegen den Hunger der Menschen, der auch auf Leib und Seele drückt: Das Wunder des geteilten Brotes, das alle satt macht.
Verführerische Beweise
Nun, der Teufel ist hartnäckig, er bleibt dran. Also weg mit Jesus aus der Wüste, rein in die Heilige Stadt Jerusalem: hinein ins Zentrum der Religion. Oben auf der Spitze, auf dem Tempel, dem Petersdom oder den Türmen Mekkas oder wo auch immer organisierte Religionen ihre Stätten haben... Ein Wunder würde reichen, ein Beweis, dass er wirklich anders ist, einzigartig... Der Sohn Gottes soll es beweisen. Es bräuchte ganz wenig. Ein wenig Show, eine kurze Zugabe vor laufenden Kameras, und die Aufmerksamkeit der Welt wäre ihm gewiss. Auch hier widersteht Jesus. Mit Gott in Verbindung sein, auf ihn zu setzen, geht ohne Geschäft und Gegengeschäft. Wer vertraut, braucht den erzwungenen Beweis nicht. Dieser würde sogar der Liebe widersprechen. Beweise mir, dass Du mich liebst - wer so spricht, ist bereits außerhalb dieser vorbehaltlosen Zuwendung. Selbst wenn es so verführerisch wäre: Die Kirche als Werkzeug Gottes würde so viel besser dastehen mit nur einer winzigen kleinen Show, eines gezeigten Wunders, ein globaler Wow-Effekt und wir hätten die Aufmerksamkeit und die Zuneigung quer durch die Welt, und dann könnten wir in bester Absicht wirken und Gutes tun...
Mit Macht und Gewalt dem Guten den Weg ebnen?
Dann das schwerste Geschütz: Hinauf auf den hohen Berg. Jetzt liegt die ganze Welt zu seinen Füßen. Die Reichen, die Mächtigen, die Imperien, die Machtstrukturen., wäre das nicht reizvoll? Mit dem Anerkennen der teuflischen Logik durch Jesus wäre es gelöst, könnte das Potential dieser Mächte doch verwendet werden für das Gute. Mit aller Kraft und Gewalt endlich dem Guten, dem Vernünftigen den Weg ebnen. Nicht mehr kämpfen, reden, argumentieren, überzeugen müssen, sich nicht mehr verirren müssen im täglichen Hickhack und politischen Getriebe. Mit aller Kraft sagen können, was ist und sein wird. zum Wohle aller wohlgemerkt!
Z. B. Heute eine Weltregierung, die endlich die Klimakatastrophe gegen alle Widerstände und GegnerInnen klar bekämpft und konsequent ihre Maßnahmen durchzieht!
Aber auch hier scheitert der Teufel: Allein Gott zählt. Nicht die übliche Logik unserer Welt, Geschäft, Gegengeschäft, Machtlogik und sei sie auch noch so gut gemeint. Jesus geht nicht diesen Weg, um seine Vision durchzusetzen. Weder die verschlagenen machtpolitischen Spielchen sind seines, noch der revolutionäre Weg, der am Ende die eigenen Kinder frisst.
Jesus beharrt darauf, nur in der Freiheit Gottes verwurzelt zu sein, ihm allein anzuhängen. Das trägt ihn hier durch, gibt ihm die Worte aus der Tradition, mit denen er sich zurechtrückt angesichts der verführerischen Perspektive.
Es hilft ihm hier einen dritten Weg zu finden angesichts der scheinbar aussichtlosen Alternativen: Die Welt ist ganz oft im Elend und daran kannst du nichts wirklich ändern! Oder dagegen: Der Weg zum Besseren geht über die guten Vorsätze, diese müssen durchgekämpft werden, koste es, was es wolle! Kollateralschäden sind dann eben nicht zu vermeiden.
Ein neuer Weg
Nein, sein Weg wird ein anderer sein: Er zwingt Gott nicht in die übliche Logik des „Wenn Du mir gibst, dann gebe ich Dir...“. Er vertraut ohne die verführerischen Abkürzungen. Weder religiöses Theater, noch Wunder, noch Macht setzt er ein als Mittel zum Zweck, sondern bleibt geduldig dran am Menschen in seinen alltäglichen Vollzügen. Machtlos, bei den sogenannten Kleinen setzt er an, er geht nicht den Weg über die Mächtigen von Religion und Staat. Mit dieser Entscheidung, zu der sich Jesus durchringt in diesem tagelangen Prozess, wird die Wüste wieder lebendig: die Engel dienen ihm, die Krise ist ausgestanden, der Weg nun klar.
Zu Fuß auf den eigenen Füßen, ohne die verlockenden Ingredienzen von Religion und staatlicher Macht geht es weiter. Von Mensch zu Mensch. Mühsam, manchmal beglückend, oft wohl auch andere enttäuschend, setzt er die frohe Botschaft in die Welt, weil er es Gott allein zutraut, das Unheile zu wenden. Er wird immer wieder Taten setzen, die lokal wie im Brennglas zeigen, worauf es ihm ankommt in der Begegnung mit den armen, kranken, ausgestoßenen Menschen. Er tut was dazu, aber weiß sich aufgefangen bis zum härtesten vorstellbaren vorläufigen Ende am Karfreitag von der Liebe Gottes, die nicht zwingt, blendet oder vortäuscht, sondern in Freiheit setzt Antwort zu geben.
Von Mensch zu Mensch ohne schnelle Abkürzungen
Für uns, die ich uns ohne bösen Beiklang als Weltverbesserer und Weltverbesserinnen bezeichnen möchte (wer wollte denn nicht die Welt verbessern!) ein Hinweis auch auf unsere Strategie heute: Von Mensch zu Mensch, ohne die schnellen Abkürzer und falschen trügerischen Versprechungen. Nicht mit Gewalt, ohne Tricks im Vertrauen auf Gott, der uns in Freiheit setzt und in Freiheit sich binden möchte. Fastenzeit so gesehen: Ein Abrüsten unserer klammheimlichen Machtphantasien und insgeheimen Verzweckungen der Menschen. Eine Ermutigung, unser Vertrauen auf Gott zu setzen, in seiner Freiheit der Welt begegnen!
© Wilfried Scheidl, Leiter Regional Caritas, Diözese Linz
Im Glauben wachsen und sich bewähren
Versuchungen
Vor uns steht die Fastenzeit, die für uns zu einer Gnadenzeit werden soll. Um uns dafür Anregungen zu geben, wird uns die Erzählung von den Versuchungen Jesu in der Wüste vor Augen gestellt.
Als der Sohn Gottes hat Jesus menschliche Gestalt angenommen, um den Bewohnern der Erde ein Vorbild dafür zu sein, wie gottverbundenes Leben zu gestalten ist. Mit seinem klaren Ja zu dieser Aufgabe, Gottes Sohn und ganz Mensch zu sein, unterwirft sich Jesus den Begrenzungen menschlichen Lebens: der Mühe, dem Leid, Versuchungen.
Von Versuchungen, die an Jesus herantraten oder herangetragen wurden, ist in der Bibel mehrfach die Rede: z.B. als man ihn zum König machen wollte. Jesus entfernt sich, sobald er spürt, was man mit ihm vorhat. Er lässt sich nicht verführen, seiner Aufgabe als Messias untreu zu werden. Oder am Ölberg: Im Blick auf das Leid, das auf ihn zukommt, tritt Angstschweiß auf seine Stirn. Jesus muss all seine Kraft aufbieten, um sagen zu können: Vater, dein Wille geschehen – nicht der meine.
Die im heutigen Evangelium beschriebenen Versuchungen hat Matthäus sicher sehr bewusst gewählt, da sie für uns Menschen typisch sind.
Hunger
Vom Hunger ist die Rede. Das von Matthäus vorgetragene Beispiel dürfen wir sicher ausweiten. Wir Menschen hungern nicht nur nach Brot. Wo wir Mangel leiden, arm sind oder krank, uns verlassen oder in Schicksale verstrickt fühlen, einen schlimmen Unfall hatten oder einen beruflichen Zusammenbruch erlitten haben, dort hungern wir Menschen nach Veränderung unserer Lebenssituation.
Jesus behebt seine Hungersituation nicht dadurch, dass er Steine in Brot verwandelt, wie es ihm der Teufel rät und wozu er die Macht hätte. Denn damit wäre er aus dem vollen Menschsein ausgestiegen. Jesus hat kein einziges Wunder zu seinen Gunsten gewirkt, um sich aus persönlichen Nöten zu retten. Immer geschahen seine Wunder, um Leid und Nöte anderer zu lindern. Füreinander Brot werden, sich für die Werke der Liebe und das Durchhalten im Leid von Gott Kraft erbitten wie Jesus am Ölberg, das will Jesus uns Menschen ans Herz legen.
Schein und Wirklichkeit
In der zweiten Versuchung Jesu geht es um Schein und Wirklichkeit. Der Teufel will Jesus verführen, eine Show abzuziehen im sich Hinabstürzen von den Zinnen des Tempels. Es gibt in ganz Israel keinen spektakuläreren Ort als den Tempel von Jerusalem. Dort sind immer Mensch und Besucher aus dem ganzen Land versammelt. Vor ihren Augen soll sich Jesus von der Zinne des Tempels stürzen und von den Engeln auffangen lassen. Wir können uns vorstellen, welches Aufsehen ein solches Ereignis erregt hätte. Jesus wäre als der Superstar in aller Munde gewesen. Aber Jesus ist vom Vater nicht gesandt, als „show-maker“ Spektakel zu erregen.
Sein Auftrag lautet: Gottes unendliche Liebe zu den Menschen in den Blick zu bringen und die Menschen durch seine Wunder Gottes Heilswirken spüren zu lassen. Die Liebe leben, Menschen ein Helfer zu sein, darauf hat Jesus sich ausgerichtet und eingestellt. Im Hinweis auf Gottes Liebe und der von ihm gelebten Hilfsbereitschaft will Jesus den Menschen Anstoß geben, die Verbundenheit mit Gott und untereinander zu vertiefen.
Macht und Reichtum
Die dritte Versuchung ist die, die wohl am häufigsten an uns Menschen herantritt: Unser Heil und Wohlergehen im Glanz von Reichtum und Macht suchen. Macht haben wollen und Macht ausüben, reich sein wollen und dadurch etwas gelten… Wie oft tritt diese Versuchung an uns Menschen heran!
Bei Gott dagegen geht es ums Dienen. Das ist die Botschaft, die Jesus der Welt bringt: Gott ist ein dienender Gott. Darin unterscheidet er sich von allen Göttern rings um ihn her. Die Götter sind Macht ausübende Gottheiten. Und nicht selten sind die Israeliten der Versuchung erlegen, ihren Gott Jahwe zu präsentieren als einen Gott, der seine Macht einsetzt, um zu herrschen und Überlegenheit zu demonstrieren.
Spätestens mit Jesus Christus wird deutlich, dass Gott zwar allmächtig ist, dies aber nie demonstriert hat. Im Gegenteil: Er wirkt im Hintergrund, meistens erst im Nachhinein erspürbar, oft in Verbindung mit Menschen, die seine Pläne ausführen. Für die Nachahmung dieses Stils möchte Jesus die Menschen gewinnen.
Dabei ist festzuhalten: Macht, Einfluss, Reichtum sind nicht von vornherein etwas Schlechtes oder Schlimmes. Sie sind sogar gut und wertvoll, wenn sie dem Heil und Wohl der Menschen nützen. Wer keinen Einfluss hat und wem keinerlei Mittel zur Verfügung stehen, ist in seinen Möglichkeiten, zum Wohl des Nächsten beizutragen, in vielen Richtungen begrenzt. Es geht also nicht darum, Macht, Einfluss oder Reichtum zu verteufeln, sondern darum, unser Verhältnis zur Macht, zu Einfluss und Reichtum dem Dienst an den Menschen zu unterstellen.
Wachstumsimpulse
Die Fastenzeit soll uns zu einer Zeit der Gnade und des Heils werden, in der wir uns ganz bewusst darauf besinnen: Es gilt,
- vor Gott das Knie zu beugen und nicht vor dem Glanz oder Ruhm dieser Welt,
- das Leben auch mit seinen Stolpersteinen auf Jesus hin auszurichten,
- nicht vorrangig Ruhm Menschen zu suchen, sondern sich den Aufgaben zu stellen, die Gott jedem von uns zugedacht hat,
- nicht herrschen, sondern dienen wollen.
Es ist durchaus ein sehr umfassendes Programm, vor dem wir jedoch nicht erschrecken sollen. Es wäre ja schon viel gewonnen und ein guter Schritt nach vorn, wenn wir uns in der diesjährigen Fastenzeit wenigstens einen Punkt herausgreifen würden, um ihn im Besonderen und mit aller Energie beherzigen würden. Gott schenkt unserem Bemühen ganz sicher seine Kraft.
Gott allein dienen
Drei Grundversuchungen
Jedes Jahr hören wir zu Beginn der Fastenzeit die Erzählung von der Versuchung Jesu; nicht weil es anderen Texten fehlen würde, sondern weil es sich lohnt, gegenüber den drei genannten Grundversuchungen auf der Hut zu bleiben. Denn sie mischen im Alltag eines jeden Menschen mächtig mit und tauchen in stets neuen Gesichtern auf.
Der Versucher startet mit der Provokation: „Wenn du Gottes Sohn bist...“.
Dies ist ein Frontalangriff auf das Selbstverständnis Jesu. Der Satan möchte eindeutige Beweise sehen, dass der göttliche Anspruch Jesu stimmt. Zugleich zielt diese Versuchung darauf hin, Jesus an seiner Ehre zu packen und ihn von seiner inneren Bestimmung abspenstig zu machen.
Pilatus ist umgefallen, als die Volksmasse ihm drohte: „Du kannst nicht mehr länger unser Herrscher und Freund des Kaisers sein, wenn du diesen Jesus freigibst.“ Das Volk hat bei Pilatus den schwachen Punkt gefunden und damit gesiegt.
„Wenn du Sohn Gottes bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird!“
Dieser Versuchung erliegt, wer alle seine Möglichkeiten nur dafür einsetzt, um sich materiell abzusichern. Hier gerät in Teufels Küche, wer sich durch die Dinge, die er greifen kann, den Blick verstellen lässt für die überdinglichen Werte und für Gott. Nur vom Brot allein lebt, wer nach dem Motto handelt: „Hauptsache, die Kasse stimmt.“
Noch nie in der Geschichte unseres Landes haben Menschen so viel konsumiert wie heute. Noch nie haben sie so gierig Kapital angehäuft. Reichtum jedoch macht den Menschen in seinem Kern noch nicht reicher. Wenn unsere Zeit besser werden soll, muss vor allem das Herz, die Herzlichkeit des Menschen besser werden. Außerdem vergessen wir dabei, dass unser Konsum auf Kosten der Armen und der Schöpfung geht.
Jesus hingegen verrät seine Sendung nicht für einen Bissen Brot. Es geht ihm nicht um persönliche Vorteile. Er ist ganz eins mit dem Willen seines Vaters und macht klar: Die wahre Größe, das Göttliche, besteht nicht darin, die meiste äußere Macht, die meisten Untertanen und möglichst viel Besitz zu haben. Viel nützlicher und segensreicher ist es, Weltmeister zu werden im Helfen, im Gutsein, im Lieben.
Genau das hat Jesus für uns meisterhaft verwirklicht. Der Gottessohn, dem alles gehört, wählt einen armen Lebensstil. Er hatte nie die Absicht, sich zu bereichern. Er konnte bei den Reichen zu Tische sitzen und mit den Armen das Essen zu teilen. Beiden gegenüber blieb er unbefangen. Wie Jesus mit Besitz und Konsum umgeht, ist ganz und gar dem Hauptgebot der Liebe untergeordnet.
„Du wirst behütet sein. Du wirst auf Händen getragen. Nichts wird dir zustoßen.“
Welch große Nummer wäre es gewesen, wenn Jesus sich kopfüber von den Zinnen des Tempels gestürzt hätte und völlig unversehrt unten angekommen wäre!
Wer sehnt sich nicht danach, abgesichert und beschützt zu sein? Wir wünschen uns, verstanden zu werden und uns angenommen zu wissen. Jeder braucht ein Zuhause, wo er sich wohl fühlen kann. Seit den Terrorattacken der letzten Jahre ist der Ruf nach Sicherheit immer lauter geworden.
Sehr aktuell ist die Versuchung, sich hinter seinen Gartenzaun zurückzuziehen und seine Ruhe mit Sicherheitsschlössern und Videokameras abzusichern
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Es gibt Gründe genug, sich nicht in Probleme anderer einzumischen und Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen. Schließlich hat man sich genug gemüht, um sein Schäfchen ins Trockene zu bringen und seine verdiente Ruhe und Idylle zu genießen. In solchen Momenten ist die Versuchung groß, klein beizugeben und den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen.
Es kann Angst auslösen, aus Verantwortung andere enttäuschen zu müssen, auf Widerstand zu stoßen, abgelehnt und hinausgebissen zu werden und schließlich allein dazustehen.
Das Schweigen so Vieler im Dritten Reich war mit schuld, dass das Unrecht seinen Lauf nehmen konnte. Verantwortung für christliche Lebenswerte heute und in Zukunft ist uns allen aufgegeben.
Jesus fällt auf diese Versuchung nicht herein. Er missbraucht das Vertrauen zu seinem himmlischen Vater nicht zu einem ichbezogenen Showgeschäft, um sich umjubeln zu lassen. Damit macht uns Jesus mehr Mut, unsere eigenen Kräfte zu entwickeln, als wenn er eine interessante Zirkusnummer geliefert hätte.
„Alle Macht und Herrlichkeit will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest.“
Mit anderen Worten: Du wirst Karriere machen. Ein einflussreicher, sattelfester Posten ist dir sicher. Du wirst vor den anderen groß dastehen. Dein Erfolg liegt auf der Hand. Konkurrenten können dir nichts anhaben. Überall Zustimmung. Die Lacher sind auf deiner Seite. Du bist ein gefeierter Mann, eine gefeierte Frau. Du hast erreicht, was du dir vorgenommen hast.
Es zu etwas bringen wollen, warum nicht? Doch sehr nahe liegt die Versuchung, Methoden anzuwenden, die die Liebe verletzen. Das wird in folgenden Zitaten überdeutlich:
„Der Erfolg ist der einzige irdische Richter über das Recht oder Unrecht“.
„Terror bricht man nicht durch Geist, sondern durch Terror“.
„In der Macht, in der Gewalt, sehen wir die Grundlage jeder Autorität.“
Sie können raten, aus wessen Munde diese Parolen stammen: von Adolf Hitler.
Die Antwort Jesu lautet: „Du sollst Gott allein dienen.“
Jesus weiß um seine Macht. Aber er missbraucht sie nicht, um sich über andere zu erheben und sie klein zu halten. Jesus hätte das Zeug dazu, um Eindruck zu machen und die Massen auf seine Seite zu ziehen. Es wäre für ihn kein Problem, sich die Leute gefügig zu machen. Er aber verzichtet darauf, die Fäden der Macht in seine Hände zu bekommen. Er will uns nicht als Marionetten. Er will unsere freie Zustimmung. Jesus verzichtet auf alles, was die Menschen unterdrücken und versklaven könnte.
Immer mehr Geld einzunehmen, in höchst möglicher Sicherheit zu leben und über andere verfügen zu können, sind Grundstrebungen, die sich leicht verabsolutieren und sich an die Stelle Gottes drängen. Wir können die Fastenzeit nützen, um mit den Augen Jesu auf unser Denken und Tun zu schauen und Gott nicht nur Stimmrecht, sondern die entscheidende Stimme einzuräumen.
Die Versuchung zum Missbrauch des Namens Gottes
Die Versuchungen Jesu
Jesus wurde im Jordan vom Vorläufer Johannes getauft. Er ist voll des Hl. Geistes. Dieser führt ihn in die Wüste. Dort fastet er vierzig Tage und Nächte. In die Wüste gehen heißt, in Sonnenglut und mit heißem Sand und Steinen leben, heißt dürsten und hungern. Es bedeutet auch einsam und allein sein für Gott, verwiesen auf sich selbst. Der Versucher kam und hoffte, Jesus geschwächt vorzufinden. Nach vierzig Tagen griff er ihn an und suchte, ihn in seiner Sendung zu Fall zu bringen. Er sagte: “Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird.“ Der Teufel sprach in denselben Worten wie sie später die Feinde Jesu zu Füßen des Kreuzes riefen: „Wenn Du Gottes Sohn bist, dann steig doch herab vom Kreuz.“ Der Versucher wollte Jesus überreden, seinen Vater im Himmel zu zwingen, schnell den Hunger durch ein spektakuläres Brotwunder zu beseitigen. Er wollte das liebende Vertrauensverhältnis des Sohnes zum Vater zerstören durch das misstrauische Einfordern einer schnellen Bedürfnisbefriedigung. So würde Jesus nicht mehr als Sohn auf den demütigen Glauben und die Liebe zu seinem Vater setzen. Er würde schließlich nicht mehr den Willen Gottes tun, sondern den eigenen. Das Erlöserwirken Jesu würde scheitern. Jesus aber antwortete: In der Schrift heißt es: „Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.“ Gottes Worte verweisen auf den Glauben und auf den, der demütig alles von Gottes Liebe erwartet.
Jetzt nimmt ihn der Teufel nach Jerusalem in den heiligen Bereich mit, stellt ihn oben auf einen hohen Punkt, auf die Zinne des Tempels, und beginnt als perfekter Theologe und Schriftgelehrter: „Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab; denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er, dich auf ihren Händen zu tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.“ Wieder geht es um die Gottessohnschaft. Jesus soll im unterhaltsamen Nervenkitzel einen Auftritt liefern und sich nebenbei selbst im Todessturz aus der Welt räumen, dann habe er endgültig Ruhe vom beschwerlichen Menschendasein. Doch Jesus ging seinen Weg wie die Glaubenden in Israel. Sie sahen es als Frevel an, Gott für eigene Zwecke herauszufordern. Er antwortete dem Teufel: „In der Schrift heißt es auch: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen.“
In der dritten Versuchung lässt der Teufel alle Masken fallen und handelt als Vater der Lüge von Anbeginn. Er zeigt Jesus alle Reiche dieser Welt und ihre Pracht und Schönheit. In einer plumpen Lüge behauptet er, das gehöre ihm und er habe es gemacht. Er gebe es dem, der vor ihm niederfalle und ihn anbete. Jesus weiß als Gläubiger, dass die Schöpfung das Werk Gottes ist. „Gott sah, dass es gut war!“ Der Teufel will Jesus verführen, kurzentschlossen zur Macht zu greifen. Er will nicht, dass der Messias schwach und durch Leiden dem Menschen helfe. Der böse Geist kennt auch die Schrift und weiß um die Prophezeiung vom leidenden Gottesknecht. Dass im großen Leid auch die Liebe groß und kraftvoll sein kann, ahnt der Teufel, versteht es aber nicht. Er kennt nur das Fluchen und Verzweifeln und kann Liebe, die aus Leid geboren ist, nicht nachvollziehen. Schließlich sagt Jesus zu ihm: „Weg von mir Satan! Denn in der Schrift steht: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen.“ Es heißt dann, dass der Teufel von ihm abließ und dass nun zu dem glaubenden und demütigen Gottessohn Engel kamen. Jesus hatte sie nicht gefordert. Doch wie um den Sohn zu bestätigen, dienen sie ihm als Geschenk des Vaters.
Jesus tritt von da ab öffentlich auf. Die Versuchungen kommen oft auf Jesus zu: z.B. solle er Brotkönig werden und einfach alle Grundbedürfnisse lösen (Joh 6). Als er vom Brot des Lebens spricht und dann von seinem Fleisch und Blut, laufen viele davon. Sie nehmen Anstoß. Er stellt es auch den Jüngern frei, weg zu gehen. Nach der Leidensansage stellt sich Petrus Jesus in den Weg und meint Jesus davon abhalten zu müssen, sich freiwillig auszuliefern. Wie in der Wüste damals, nimmt Jeus denselben Satz in den Mund: „Weg von mir Satan! Du denkst Gedanken von Menschen und nicht Gedanken Gottes!“
Unsere Versuchungen
Auch wir Menschen fragen in unseren Nöten und Schmerzen: Warum gibt es so viel Leid auf der Welt und warum müssen auch wir es tragen? Warum müssen manche Menschen so viel aushalten! Warum dürfen Freiheitskämpfer in Syrien und Christen durch den IS gequält, gefoltert und getötet werden? Wir haben keine schnelle Antwort. Wir haben Jesus als den Gekreuzigten, der den Tod überwunden hat und auferweckt wurde. Sein Wort aus dem Johannes-Evangelium ruft uns zu: „In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt.“
Wie der Geist uns in die Wüste führt
Die große Chance oder nur eine Versuchung
Talenteshows wie „die große Chance” oder „Deutschland sucht den Superstar” erfreuen sich immer neu großer Beliebtheit. Der Traum von einer große Karriere beflügelt viele Menschen. Der Wunsch, auf irgendeine Weise das große Los zu ziehen, lässt sich gut nachvollziehen. Ob jemand wirklich dauerhaft das große Los gezogen hat, stellt sich oft erst nach Jahren heraus. Manche einmalige Chance entpuppt sich als misslungener Versuch oder gar als Versuchung, der man besser nicht nachgegeben hätte.
Im Evangelium wurde uns von den Versuchungen Jesu erzählt. Die Versuchungen, denen er im Laufe seines Lebens ausgesetzt war, zeigten sich zunächst auch als einmalige Chance, die nicht so schnell wiederkommt.
Nach der wunderbaren Brotvermehrung, so erzählt Johannes, hätte das Volk ihn gerne zu ihrem König gemacht. Jesus wies dieses Ansinnen zurück, da er mehr wollte. Den Tempelkult zu reformieren, Jerusalem von neuem zum religiösen Mittelpunkt der damaligen Welt zu machen, wäre in den Augen vieler durchaus einen Versuch wert gewesen. Und sie hätten es Jesus zugetraut. Das war aber nicht das Seine. Als Messias eine politische Karriere zu machen, lag gleichsam in der Luft. Viele warteten darauf. Jesus hat auch das zurückgewiesen und abgelehnt. Nicht wenige zogen sich enttäuscht von ihm zurück.
All diese Möglichkeiten hat der Evangelist in einer eindrucksvollen Erzählung zusammengefasst. Er stellt uns Jesus vor als einen, der genauso Versuchungen ausgesetzt war wie jeder Mensch im Laufe seines Lebens.
Kollektive Versuchungen
Die Versuchungen Jesu haben sich in der Geschichte des Christentums auch auf kollektiver Ebene mehrfach wiederholt.
Religion ohne politische Macht war für viele Generationen von Christen unvorstellbar und brachte viele Spielarten hervor bis hin zur Errichtung eines Kirchenstaates.
Religion als moralische und spirituelle Macht galt vielen als Vision, nachdem das Zusammenspiel mit den politischen Kräften nicht mehr so glatt funktionierte. Das moralische Versagen prominenter Exponenten und der Verlust an Marktanteilen auf dem Markt der Spiritualitäten lässt auch diese Variante als fragwürdige Option erscheinen.
Gut unterwegs und angesehen sind Christen, was ihr caritatives Engagement betrifft. Gleichwohl müssen wir uns dabei bewusst sein, dass uns auf lange Sicht der Atem ausgeht, wenn der Dienst an den Armen und Hungernden nicht von einer tiefergehenden Geisteshaltung getragen ist.
Persönliche Versuchungen
Die Versuchungen, die uns von Jesus erzählt werden, sind auch unsere Versuchungen; sowohl im Hinblick auf die Kirche als ganzer wie auch im Hinblick auf jeden einzelnen Christen.
Der Versuchung, den anderen zu zeigen, wer das letzte Wort hat, sind nicht nur Kleriker ausgesetzt. Wenn es in einer Pfarrgemeinde nicht so läuft, wie sich der einzelne das vorstellt, ist es weitgehend üblich geworden, mit den Füßen abzustimmen. Man geht anderswohin oder kommt gar nicht mehr.
Eine andere Versuchung besteht darin, sich auf eine persönliche Frömmigkeit zurückzuziehen. Sofern sich die Gelegenheit dazu ergibt, verbündet man sich mit anderen, die eine ähnliche Spiritualität pflegen, oder man legt sich seine eigene Praxis zurecht.
Auch die Vorstellung, es genüge, „ein guter Mensch“ zu sein – was immer der einzelne sich darunter vorstellt – führt an wesentlichen Punkten vorbei, die Jesus selbst und in der kirchlichen Tradition wichtig waren.
Auseinandersetzung mit dem Wort Gottes
Die drei Versuchungen Jesu können als exemplarisch gelten für Versuchungen, denen auch wir als Einzelne und als Gemeinschaft ausgesetzt sind.
Besondere Aufmerksamkeit verdient an dieser biblischen Erzählung, wie Jesus mit den Versuchungen umgeht und wie er den Versucher zurückweist. Jesus argumentiert jedes Mal mit einem Wort aus den Heiligen Schriften. Das macht die Sache nicht einfacher, denn mit Bibelsprüchen kann man fast alles begründen. Auch sein Widersacher führt sie geschickt im Mund.
Wir müssen uns vor Augen halten, dass diese Auseinandersetzung mit dem Versucher nach vierzig Tage Wüstenexerzitien stattfindet. Es war eine Zeit der Klärung und des Abwägens, der geistigen Auseinandersetzung mit der Überlieferung seines Volkes und deren unterschiedlicher Auslegung. Es war eine Zeit des Fragens: Was bedeutet das Wort Gottes für mich heute? Was will Gott von mir heute?
Auf das Wort Gottes hören lernen
Jedes Jahr werden wir in der Zeit vor Ostern eingeladen, vierzig Tage der Besinnung zu halten, alle Ablenkungen zu vermeiden, uns in einem gesunden Lebensstil, sprich Fasten, selbst zu disziplinieren und uns dabei zu fragen: Was will Gott von mir heute?
Im Laufe der Jahrhunderte hat die Kirche diesbezüglich einen reichen Schatz an Hilfsprogrammen und Übungen gesammelt. Diese werden in der Fastenzeit auf vielfältige Weise als Hilfe angeboten. Und das ist gut so. Vielfach muss richtiges Fasten erst neu gelernt werden.
Was wir dabei aber unbedingt von der Fastenpraxis Jesu mitnehmen sollten, ist die Auseinandersetzung mit der Heiligen Schrift. Wir sind nicht die ersten, die Versuchungen ausgesetzt sind. Versuchungen gibt es, seit es Menschen gibt, denn jeder/jede liebäugelt mit einer großen Chance. Die Heiligen Schriften erzählen, wie die Menschen vor uns damit umgegangen sind, was sie daraus gelernt haben, wie sie den Willen Gottes erkannt haben. Die täglichen Schriftlesungen, die uns die Liturgie der Fastenzeit anbietet, können ein starkes Programm dafür sein. Auf diese Weise gerüstet, werden wir in den Versuchungen unseres Lebens gut entscheiden können.
Lebensenergien freisetzen
Versuchungen sollte man nachgeben, - man weiß nicht, ob sie wieder kommen
(O. Wilde)
Mal versuchen
"Die zarteste Versuchung...” - bei dieser Begrifflichkeit hat doch fast jeder Mensch bestimmte Vorstellungen vor Augen - besser noch: auf der Zunge. So hat uns vor Jahren ein Schokoladenanbieter von seinem Produkt überzeugen wollen. Und die Werbung lädt uns ein zu dem, was der irische Dichter Oscar Wilde meint: "Versuchungen sollte man nachgeben, - man weiß nicht, ob sie wieder kommen”.
Dass das Spiel mit dem Genuss seine Reize hat, wird niemand abstreiten können - ganz gleich wie diese geartet sind: geschmacklicher, sexueller, künstlerischer Art oder welcher auch immer - wenn wir uns hingeben, wollen wir Wohlbefinden, Ausgleich, Zufriedenheit erfahren: Wer einer Versuchung erliegt, will sich am Ende befriedigt wissen. Wer kann und will denn dann schon 'nein' sagen.
Aber das ist jetzt zu Ende - fertig mit lustig. Wir haben Fastenzeit. Da gibt's nichts mehr. Sack und Asche ist angesagt und Entsagung und Enthaltsamkeit. Jetzt heißt es, vierzig Tag die Luft anhalten - danach kann dann wieder losgelegt werden mit den Versuchungen. Oder nicht?
Verzichten aber richtig
Wer so mit diesem letzten Gedanken im Hinterkopf diese Zeit der Umkehr und Busse angeht und meint, er hole am Aschermittwoch noch einmal tief Luft und halte diese dann einfach vierzig Tage an, der hat etwas Wesentliches übersehen. Diese Tage der Umkehr, zu denen wir seit dem vergangenen Aschermittwoch eingeladen sind, sollen keine Unterbrechung eines ewigen Trotts sein, der nach Ostern wieder fortgesetzt wird. Sie sind vielmehr die Chance zu einem Neuanfang, der mit Ostern seinen Höhepunkt erfährt. Wer in diese Fastenzeit bewusst hinein geht, der widersteht tatsächlich im besten Fall so mancher Versuchung und lässt Altgewohntes mal für einen Moment beiseite. Viel wichtiger als das ist aber, sich all der Versuchungen, die auf unser Leben ständig einprasseln einmal bewusst zu werden. Der Anfang des Aufhörens ist dabei die größte Herausforderung dieser Zeit. Denn hier passiert genau jene Bewegung der Umkehr, um die es in diesen vierzig Tagen geht. Die Vorbereitung auf das Osterfest verlangt nicht einfach den Verzicht um der eigenen Peinigung willen sondern vielmehr die Neuausrichtung und Konzentration des Lebens, zu der auch der Verzicht gehört.
Nicht nur süße Versuchungen
Im Verlauf seines Evangelium überliefert Matthäus die Worte Jesu "Was hilft es dem Menschen, wenn er die Welt gewinnt, dabei aber Schaden nimmt an seinem Leben?” (Mt 16,26). Diese Worte sind wie eine Zusammenfassung der Botschaft des heutigen Evangeliums zu lesen.
Schauen wir hin: Die Versuchungen, die Jesus in diesem Abschnitt angeboten werden, sind ja noch weit mehr als nur ein momentaner Kick - sie reichen weiter. Jesus ist konfrontiert mit der Versuchung der Macht - der Teufel lädt ihn ein, mit seiner Hilfe die Grenzen des Möglichen der Welt zu sprengen: Aus Dreck soll Lebensstiftendes werden, aus der Enge menschlicher Begrenztheit soll endlose Freiheit werden, aus politischer Ohnmacht soll Allmacht werden. Und Jesus sagt sein deutliches 'Nein!', - weil er dabei sich selbst verlieren würde - seiner Göttlichkeit nicht treu bleiben könnte.
Er bleibt bei dem, was ihn als Mensch ausmacht. Er will nicht mehr, er will aber auch nicht weniger. Im Weglassen und Verzichten liegt der große Gewinn, das große Wachstumspotential - das ist die Botschaft des Evangelisten zum heutigen 1. Fastensonntag.
Verzicht als Wertschöpfung
Wer in der Lage ist, den Versuchungen von außen und innen entgegen zu treten, findet zu seinem eigenen individuellen Wert, weil nichts mehr die Sicht blockiert. Im besten Fall hält diese Bewegung an weit über Ostern hinaus, denn den eigenen Wert zu erkennen und zu leben, macht nicht nur Sinn innerhalb von 40 Tagen Fastenzeit, sondern ist Aufgabe und Ziel eines ganzen christlichen Lebens.
Aber eben - da ist halt noch die Sache mit den Versuchungen. Gleichwie der Verzicht an sich keinen Wert hat, sondern ein Ziel braucht, ist es auch mit den Versuchungen. Wer würde leugnen, dass es nicht zur Weite und Vollumfänglichkeit von Leben gehört, hin und wieder der Versuchung nachzugeben - welcher auch immer. Denn: Man weiß ja nicht, ob sie wiederkommt. Zudem gilt ja auch: Wer sich selbst nichts gönnt, gönnt auch zumeist niemandem anderem etwas - das findet sich schon im alttestamentlichen Buch Jesus Sirach (14,5). Aber genauso, wie es sinn- und ziellos ist, nur um des Verzichts zu verzichten, erfährt die Versuchung und der Genuss erst einen Wert, wenn er als besonders wahrgenommen und gelebt wird.
Der geglückte Lebensweg führt also durch die Mitte - über das rechte Maß der Dinge.
Mal wieder richtig hinschauen
Die Fastenzeit lädt uns ein, diesen Weg durch die Mitte wieder in den Blick zu bekommen. Und dazu kann es notwendig sein, nach einem extrem unkonzentrierten Leben sich auf die wirkliche Bedürfnisse zu konzentrieren, indem man einfach vieles lässt einmal weglässt. Was auch immer das ist. So findet man heraus, ob es denn zum Leben wirklich dazu gehört und einen wichtigen Platz einnimmt.
Die Energien, die wir freisetzen, weil wir unser Leben wieder auf das Wesentliche ausrichten, sind nun neu einsetzbar. Womit zwei weitere Ziele des Verzichts in den Blick kommen. Wenn ich Verzicht übe, geht es eben nicht nur allein um mich selbst. In dem Moment, wo ich nicht mehr allein um mich selber kreise, kann ich aufschauen und bekomme wieder eine Sicht für das 'Mehr' dieser Welt, dieser Schöpfung. Die gewonnene Freiheit dient so Gott und dem Nächsten.
Lassen wir also jetzt all das los, was uns gefangen hält und unfrei macht und machen wir uns auf den Weg hinein in neues Leben.
Versuchbarkeit - Versuchungen - Grenzerfahrungen
Österliche Bußzeit - Zeit der Wahrnehmungen
Wieder ergeht mit dem Beginn der österlichen Bußzeit (Fastenzeit) die Einladung der Kirche an jeden von uns, die eigenen Tiefen und Untiefen zu erkennen und auszuloten. Eine Einladung zur Wahrnehmung dessen, was da in verborgenen Spalten, vielleicht Abgründen der eigenen Seele schlummert und uns selbst sowie andere belastet. Wahr-Nehmen heißt, das in den Blick zu bekommen, was vorhanden ist, d. h. nícht weggeleugnet werden kann, das wir aber zu wenig oder gar nicht erkannt oder vielleicht sogar verdrängt haben. Was in der Seele durcheinander geraten ist und nach einer Ordnung verlangt, die Gott dem Suchenden schenken will.
Ungleiche aber bibelfeste Gesprächspartner
Von den Versuchungen Jesu in der Wüste berichten im Wesentlichen übereinstimmend die drei Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas (Synoptiker). Es erscheint in diesen drei Berichten eigentlich verwunderlich, dass die beiden Gesprächspartner, nämlich Jesus und der Teufel, so ohne weiteres miteinander reden. Wusste der Teufel denn nicht, wen er als Gesprächspartner vor sich hatte? Dass es der eingeborene Sohn Gottes war, mit dem er da redete?
Es ist wohl davon auszugehen, dass der Teufel das nicht wusste. Dass er zwar einiges von Jesus gehört hatte, dass er möglicherweise auch von der Taufe Jesu durch Johannes den Täufer erfahren hatte und dass bei diesem Anlass Gott selber Jesus als seinen geliebter Sohn bezeichnet hatte, an dem er, der Vater sein Gefallen gefunden habe (Mt 3, 17). Aber die Bezeichnung "Sohn Gottes" hatte damals eine mehrfache Bedeutung und musste nicht unbedingt nur im Sinne der Göttlichkeit dieses als Sohn Gottes Bezeichneten verstanden werden. Für den Teufel stand jedenfalls der Mensch Jesus so greifbar im Vordergrund, dass Jesu Göttlichkeit völlig in den Hintergrund getreten war, dass der Teufel diese nicht wahrnehmen konnte oder nicht wahrhaben wollte.
Selbst Johannes der Täufer ist sich ja bis zu seinem Lebensende nicht völlig im Klaren, ob Jesus der Messias sei, oder ob man (noch) auf einen anderen später kommenden warten müsse (Mt 11, 2 f.).
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Beim Lesen des Evangeliums dieses Sonntags ist bemerkenswert
wie bibelfest die Gesprächspartner sind. Der Teufel weiß sehr wohl die heiligen Schriften zu zitieren und er zitiert genau; Jesus bleibt ihm aber selbstverständlich nichts schuldig. Dass der Teufel Sätze der Heiligen Schrift aus dem Zusammenhang reißt, dass er sich auch hier als "Durcheinanderwerfer" (diábolos) erweist, darauf weist ihn Jesus in aller Deutlichkeit hin
Erfahrung eigener und fremder Grenzen
"Ausreizen" ist ein eigentlich aus dem Kartenspielen stammender, aber inzwischen in größeren Zusammenhängen verwendeter Ausdruck. Er bedeutet, die Grenzen eines anderen, ja sogar eigene Grenzen aufzuspüren, auszuloten, Grenzen zu erfahren, um mit ihnen zu operieren: Wie weit kann ich bei einem anderen gehen, wird er sich von mir zu einem gewissen Verhalten (Fehlverhalten) anstiften lassen, wo liegen seine Grenzen? Was kann ich ihm zumuten, was nicht? Was kann ich mir selbst zutrauen, zumuten, was nicht? Der Teufel versucht es bei Jesus dreimal: Steine sollen zu Brot verwandelt werden, Jesus soll sich vom Tempel hinabstürzen und schließlich wird ihm die ganze Welt geschenkt, wenn er den Teufel anbetet. Die ersten beiden Versuchungen haben einen marktschreierisch verfremdeten Machterweis zum Gegenstand, Jesus soll zu einem politischen Helden hochstilisiert und damit seiner eigenen geistlichen Sendung entfremdet werden. Die dritte Versuchung beginnt mit keinem Bibelzitat, sondern stellt die Lüge, den Betrug schlechthin dar. Denn die "Reiche der Welt" gehören ja gar nicht dem, der sie herschenken will. Eine Inbesitznahme dieses "Geschenkes" durch den Beschenkten ist daher von vornherein ausgeschlossen.
Umgang mit Grenzen
Versuchung und Versuchbarkeit gehören nun einmal zum Menschsein. Wir sollten es aber nicht anderen überlassen, unsere eigenen Grenzen zu entdecken und gegebenenfalls als Waffe gegen uns zu verwenden, sondern wir sollen selbst den eigenen Untiefen nachspüren und trübe Wasser in uns zur Klärung bringen.
Der Extrembergsteiger Reinhold Messner hat vor einigen Jahren im Alleingang die Wüste Gobi durchquert. Über die Motive für dieses ungewöhnliche und gewagte Unternehmen befragt, meinte er: In meinem Inneren existiert immer noch die unbekannte Welt. Ich möchte wissen, was in den nicht eingeblickten Winkeln meiner Seele passiert.
Viel Ungeklärtes, ja Unerforschtes tragen wir in uns. Die österliche Bußzeit ist Einladung zu Suche und Klärung, die zur Verklärung werden kann.
- Liedvorschläge1
Hans Hütter (2017)
Lieder:
GL 266: Bekehre uns, vergib die Sünde
GL 267: O Mensch, bewein dein Sünde groß
GL 268: Erbarme dich, erbarm dich mein
GL 269: Du Sonne der Gerechtigkeit (2. Str.)
GL 271: O Herr, aus tiefer Klage
GL 272: Zeige uns, Herr deine Allmacht und Güte
GL 273: O Herr, nimm unsre Schuld
GL 274: Und suchst du meine Sünde, flieh ich von dir zu dir
GL 277: Aus tiefer Not schrei ich zu dir
GL 422: Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr
GL 423: Wer unterm Schutz des Höchsten steht (2. Str.)
GL 425: Solang es Menschen gibt auf Erden
GL 427: Herr, deine Güt ist unbegrenzt
GL 428: Herr, dir ist nichts verborgen
GL 436: Ach bleib mit deiner Gnade bei uns
GL 440: Hilf, Herr meines Lebens
GL 453: Bewahre uns Gott, behüte uns Gott
GL Ö814: O höre, Herr, erhöre mich
GL Ö815: Sag ja zu mir, wenn alles nein sagt
Psalmen und Kehrverse:
GL 276: Verbirg dein Gesicht vor meinen Sünden, erschaffe mir ein reines Herz - Mit Psalm 130 (639,4) - II.
GL 517: Der Herr vergibt die Schuld und rettet unser Leben - Mit Psalm 51 - IV.
GL 639,1+2: Erbarme dich meiner, o Gott, erbarme dich meiner - Mit Psalm 51 - IV.
GL 639,3+4: Beim Herrn ist Barmherzigkeit und reiche Erlösung - Mit Psalm 130
639,5-6: Bekehre uns, vergib die Sünde, schenke, Herr, uns dein Erbarmen - Mit Jes 55,6-7
- Einleitung5
Jörg Thiemann (2023)
Gott hat diese Welt als eine gute Welt geschaffen. Doch vieles will uns von Gott und damit auch von uns selbst wegführen, uns von uns selbst entfremden. Davon erzählen die Lesungen und auch das Evangelium. Adam, der erste Mensch, lässt sich verführen. Christus hält den Versuchungen stand. Er bleibt Gott gehorsam. Er ist der zweite Adam, der neue Mensch. Jesus führt uns zu Gott zurück.
Hören wir Gottes Wort, aus dem wir leben. Feiern wir die Liebe und die Hingabe Jesu in der Eucharistie. Grüßen wir ihn in unserer Mitte und bitten wir ihn um sein Erbarmen.
Klemens Nodewald (2020)
Mit Aschermittwoch haben wir die vierzigtägige Fastenzeit begonnen. Sie soll für uns eine Zeit des Heils und der Gnade werden. Wachsen sollen wir in unserem Glauben, in unserer Hoffnung und in der Liebe, damit unser Leben immer mehr am Leben Jesu Anteil erhält und sich an ihm orientiert. Gott will uns durch Jesus auf einen guten Lebensweg führen.
Ludwig Götz (2017)
Schwestern und Brüder im Glauben, wir stehen in den ersten Tagen der Fastenzeit. Die Liturgie des Aschermittwochs stellte uns wieder neu vor die Grundtatsache unseres Lebens: Unsere Lebenszeit ist begrenzt. Bemüht euch also darum, dass euer Leben vor dem Schöpfergott bestehen kann.
Die Versuchungen Jesu im heutigen Evangelium setzen sich mit unseren Grundbedürfnissen auseinander. Schon im Paradies überschritten Adam und Eva ihre Grenzen und wollten sein wie Gott. Gott selber zeigt uns in Christus auf, wie mit dem Grundgesetz der Liebe unser Weg zu mehr Leben führt.
Damit wir auf diesem Weg weiterkommen, wenden wir uns an Christus:
Hans Hütter (2014)
Mit dem Aschermittwoch haben wir die Fastenzeit begonnen. Der erste Fastensonntag konfrontiert uns mit der Tatsache, dass wir Versuchungen ausgesetzt sind, die uns vom Weg der Nachfolge Jesu wegführen könnten. Jesus hat gestärkt durch vierzigtägiges Fasten den Versucher durchschaut und zurückgewiesen.
In der Fastenzeit sind wir gefordert, unsere Lebensweise zu überprüfen und uns neu auf Gott hin auszurichten.
Martin Stewen (2011)
"Versuchungen soll man nachgeben - man weiß nicht, ob sie wiederkommen." Mit diesem Satz des irischen Dichters Oscar Wilde heiße ich Sie und euch zum Gottesdienst an diesem 1. Fastensonntag herzlich willkommen. Der humorvoll-lasziven Art des Dichters entsprechend fordert uns sein Wort heraus und macht uns nachdenklich - denn die Botschaft der heutigen Verkündigung ist eine ganz andere.
Schauen wir auf den, der uns das Maßhalten lehrt:
- Kyrie6
Jörg Thiemann (2023)
Herr Jesus Christus,
der Mensch lebt von jedem Wort, das aus dem Munde Gottes kommt.
Du bist Gottes Wort.
Herr, erbarme dich.
Herr Jesus Christus,
der Mensch soll Gott nicht auf die Probe stellen.
Du hast fest auf Gott vertraut.
Christus, erbarme dich.
Herr Jesus Christus,
der Mensch wirft sich vor vielem nieder, was ihm Leben verspricht.
Doch Gott dem Herrn allein sollen wir dienen.
Herr, erbarme dich.
Beatrix Senft (2023)
Herr, Jesus Christus,
du hast dich vom Vater in unsere ganze Menschlichkeit senden lassen.
Herr, erbarme dich.
Den Versuchungen von Macht und Geltung hast du widerstanden.
Christus, erbarme dich.
Durch deine Treue bis in Tod hast du uns die Pforten der Auferstehung geöffnet.
Herr, erbarme dich.
Klemens Nodewald (2020)
Herr, Jesus Christus,
um uns in unserem Denken und Handeln Vorbild zu sein, kamst du auf unsere Erde.
Herr, erbarme dich.
Als Mensch warst auch du Versuchungen ausgeliefert.
Christus, erbarme dich.
Du willst uns Kraft schenken, Anfechtungen zu widerstehen.
Herr, erbarme dich.
Es erbarme sich unser der Herr, damit wir ihm in Treue folgen. – Amen.
Ludwig Götz (2017)
Herr Jesus Christus,
du bist nicht bei dir stehen geblieben,
sondern bist auf uns zugegangen.
Herr, erbarme dich.
Du hast deine Überlegenheit nicht für eigene Vorteile missbraucht.
Christus, erbarme dich.
Dir lag daran, uns größer zu machen.
Herr, erbarme dich.
Hans Hütter (2014)
Herr, Jesus Christus,
du hast die List des Versuchers durchschaut und ihn zurückgewiesen.
Herr, erbarme dich.
Durch dein Horchen auf das, was Gott von dir will,
hast du die Wunde des Sündenfalls geheilt.
Christus, erbarme dich.
Durch deine Hingabe an Gott
finden auch wir bei Gott Gnade und Barmherzigkeit.
Herr, erbarme dich.
Martin Stewen (2011)
Jesus Christus,
du lädst uns am Beginn der Fastenzeit ein innezuhalten.
Herr erbarme dich.
Jesus Christus,
Du rufst uns auf zur Umkehr zu neuem Leben.
Christus erbarme dich.
Jesus Christus,
Du forderst uns heraus zur Begegnung mit uns selbst,
mit dem Nächsten, mit unserem Gott.
Herr erbarme dich.
Der gute Gott befreie uns von Schuld und Sünde.
Er schenke uns ein leichtes Sein.
Er mache unsere Sinne wach und empfindsam
und richte uns aus auf ihn und den Nächsten.
- Tagesgebet5
Messbuch - TG Fastenzeit 1 So: in der Erkenntnis Jesu Christi voranschreiten
Allmächtiger Gott,
du schenkst uns die heiligen vierzig Tage
als eine Zeit der Umkehr und der Buße.
Gib uns durch ihre Feier die Gnade,
daß wir in der Erkenntnis Jesu Christi voranschreiten
und die Kraft seiner Erlösungstat
durch ein Leben aus dem Glauben sichtbar machen.
Darum bitten wir durch ihn,
der in der Einheit des Heiligen Geistes
mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
MB 1. Fastensonntag
Messbuch - TG Auswahl 41: "nicht nur vom Brot lebt der Mensch"
Jesus hat gesagt:
"Nicht nur vom Brot lebt der Mensch,
sondern von jedem Wort,
das aus Gottes Mund kommt."
Darum bitten wir:
Gott, unser Vater.
Verwirrt vom Geschwätz unserer Tage,
erschöpft von Arbeit und Sorgen,
suchen wir dich und rufen:
Komm uns entgegen.
Rede uns an.
Gib uns ein Wort,
das uns ändert und heilt,
das uns nährt und befreit.
Das gewähre uns durch Jesus Christus.
Amen.
MB Auswahl 41
Messbuch - TG Auswahl 26: du lädst uns zu einem neuen Anfang
Barmherziger Gott.
Du nimmst die Sünde ernst,
aber du läßt uns die Möglichkeit zur Umkehr.
Du verurteilst unsere Verfehlungen,
aber du lädst uns ein zu einem neuen Anfang.
Wir danken dir, daß du barmherzig bist.
Gib uns den Mut umzukehren.
Gib uns die Kraft, neu anzufangen.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.
Amen.
MB Auswahl 26
Messbuch - TG Auswahl 33: du weißt, wie sehr wir der Umkehr bedürfen
Gott.
Du kennst uns besser, als wir uns selber kennen.
Du weißt, wie sehr wir
der Änderung und Umkehr bedürfen.
Aber du trittst nicht mit Gewalt an uns heran
oder mit List.
Du kommst zu uns mit deinem Wort -
deinem offenen und guten,
deinem fordernden und heilenden Wort.
Gib, daß wir dir heute nicht ausweichen,
daß wir uns öffnen
und dein Wort annehmen:
Jesus Christus,
deinen Sohn, unseren Herrn und Gott,
der in der Einheit des Heiligen Geistes
mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
Amen.
MB Auswahl 33
Messbuch - TG Fastenzeit 1 Mo: gib uns die Gnade, umzukehren zu dir
Gott, unser Heil,
gib uns die Gnade, umzukehren zu dir.
Erleuchte unseren Verstand
und stärke unseren Willen,
damit uns diese Zeit der Buße zum Segen wird.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.
MB Montag in der 1. Woche der Fastenzeit
- Eröffnungsgebet4
Sonntagsbibel
Gott,
dein Sohn hat der Versuchung widerstanden.
Hilf uns,
daß wir uns in dieser Fastenzeit
auf die wichtigen Dinge besinnen
und dir auch in Schwierigkeiten treu sind.
Durch Christus, unseren Herrn.
Jörg Thiemann (2023)
Herr Jesus Christus,
du wurdest versucht, doch du hast standgehalten.
Wir werden versucht, immer wieder, und wir werden schwach.
Doch wir dürfen immer wieder neu anfangen.
Wir dürfen immer wieder ja sagen zu dem, was Gott will.
Du schenkst uns dein Wort, aus dem wir leben.
Es ist Gottes Wort.
Du schenkst uns Ansehen,
Wir sind von Gott geliebt.
Auf Gott allein vertrauen wir – ohne Einschränkung.
Sei bei uns. - Amen.
Beatrix Senft (2023)
Vater im Himmel,
die vierzigtägige Fastenzeit liegt vor uns.
Lass sie uns zu einer Zeit werden,
in der wir uns rückbesinnen auf dein Wort
und auch neue Zugänge zu uns selbst finden.
Schenke uns die Kraft,
die Vorsätze, die wir gefasst haben, auch durchzuhalten,
damit das erwartete Osterfest
zu einem wahren Freudenfest werden kann.
Das erbitten wir durch Jesus Christus,
der uns in seinem Fasten in der Wüste,
ein Beispiel der Standhaftigkeit gegeben hat.
Martin Stewen (2011)
Guter Gott,
wir stehen am Beginn der vierzig Tage der Umkehr
und wollen uns neu ausrichten.
Inmitten der vielen Wege durch diese Welt
zeige du uns jene, die zu dir führen.
Unter all den Worten, die an unser Ohr dringen,
lass uns deines heraushören, das tröstet, ermutigt und befreit.
Sei du mit uns, wenn wir uns auf den Weg machen.
So bitten wir durch Jesus Christus.
- Fürbitten8
Jörg Thiemann (2023)
Herr Jesus Christus,
du hat in den Versuchungen standgehalten.
Wir bitten dich:
Für alle, die allein in Reichtum, Ansehen und Macht den Sinn ihres Lebens sehen.
Dass sie dich entdecken als wahre Quelle des Glücks.
Für alle, die schlechte Vorbilder erlebt haben oder sonst unter einem schlechten Einfluss stehen. Dass sie Menschen begegnen, die sie positiv beeinflussen.
Für alle, die unter der Gewalt und der Boshaftigkeit einzelner zu leiden haben.
Dass sie inneren wie äußeren Frieden erfahren.
Für alle, die unter den Folgen des Erdbebens in der Türkei und in Syrien leiden oder von sonstigen Naturkatastrophen betroffen sind.
Dass sie Hilfe erfahren und wieder in die Zukunft schauen können.
Für alle, die sich auf die Taufe oder auf die Firmung vorbereiten.
Dass sie in der Freude am Glauben und in der Liebe zu dir wachsen und reifen.
Für unsere Verstorbenen.
Dass sie bei dir ewige Freude und Erfüllung finden.
Dich loben und preisen wir, jetzt und in alle Ewigkeit. - Amen.
Renate Witzani (2023)
Als Mensch ist auch Jesus bis zu seinem Sterben am Kreuz innerlich immer wieder in Versuchung geraten. In Freiheit entscheidet er sich aber dafür, sein Leben ganz unter den Willen Gottes zu stellen. So wird er für uns zum Helfer in unseren Zweifeln und Versuchungen.
An ihn wenden wir uns mit unseren Bitten:
Für alle, die in der Kirche mitarbeiten,
dass ihr Handeln im pastoralen Dienst in menschlicher Zuwendung und Wertschätzung der ihnen Anvertrauten gelingt.
Für unsere Gesellschaft,
dass in ihr auf allen Ebenen das Gemeinwohl mehr gilt als persönliche Gier nach Macht und Profit.
Für alle Verantwortungsträger,
dass sie nicht versuchen, sich und andere durch schnelle und einfache Lösungen für die vielfältigen Krisen unserer Zeit in die Irre zu führen.
Für uns selbst,
dass wir uns in Dankbarkeit immer mehr bewusst werden, wie sehr du uns trotz aller Unzulänglichkeiten und Fehler annimmst und bejahst.
Für alle Sterbenden,
dass sich ihre Hoffnung auf deine Nähe und Geborgenheit erfüllt.
Jesus! Du hast in deinem menschlichen Leben allen Versuchungen durch deine enge Bindung an den Vater standgehalten. Dir vertrauen wir uns an und dich bitten wir: Lass dein Erlösungswerk in unseren Versuchungen wirksam werden. - Amen.
Klemens Nodewald (2020)
Herr Jesus Christus,
du hast dich für deine Aufgabe durch Sammlung, Gebet und innere Vorbereitung zugerüstet und auf Gott ausgerichtet.
Wir bitten dich:
Hilf uns, vom Weg der Liebe nicht abzuweichen, sobald Mühe oder Last sich einstellen.
Christus, höre uns.
Unterstütze alles Bemühen um Frieden, gegenseitige Wertschätzung und Versöhnungsbereitschaft.
Schenke Menschen in Not Helfer und gute Begleiter.
Richte auf, die durch Misserfolge oder wiederholte Niederlagen entmutigt sind.
Segne, die sich von dir in einen besonderen Dienst haben nehmen lassen und schenke ihnen Erfolg bei ihrer Arbeit.
Stehe allen Sterbenden bei und nimm die Verstorbenen auf in die Gemeinschaft mit dir.
Herr Jesus Christus,
du hast uns eingeladen, uns in dieser Stunde sehr bewusst und intensiv mit dir zu verbinden und Gemeinschaft zu pflegen, auf deine Botschaft zu hören und uns mit neuer Kraft beschenken zu lassen. Wir danken dir für deinen Beistand: heute und alle Tage unseres Lebens. – Amen.
Renate Witzani (2020)
Viele Entscheidungen erwarten uns täglich. Oft sind wir nicht sicher, welcher Weg einzuschlagen ist. Mit den Konsequenzen unserer Entscheidungen müssen wir selbst und meist auch die anderen leben. Die Verantwortung dafür zu übernehmen, fällt oft nicht leicht.
Aus den Unsicherheiten unseres Lebens rufen wir zu dir, Vater:
Um den Beistand des Heiligen Geistes für Papst Franziskus, von dessen Entscheidungen immer das Ganze des Volkes Gottes betroffen ist.
Um den Beistand des Heiligen Geistes für die politischen Vertreter der Großmächte, die bei ihren Entscheidungen mehr als nur die Interessen des eigenen Landes zu berücksichtigen haben.
Um den Beistand des Heiligen Geistes für alle, die in den diversen Bildungsinstituten durch ihre Entscheidungen die Entwicklung der Jugend und damit die Zukunft unseres Landes in den Händen halten.
Um den Beistand des Heiligen Geistes, wenn es gilt, für unsere eigenen Entscheidungen Verantwortung zu übernehmen und diese durchzutragen.
Um den Beistand des Heiligen Geistes als Trost und Hoffnung für alle Sterbenden, wenn sie am Ende ihres Lebens Fehlentscheidungen erkennen müssen.
Vater! Du schenkst uns eine ganze Lebenszeit, um zu reifen und all das zu entfalten, das du jeden von uns an Gaben geschenkt hast. Begleite uns auf allen Wegen, Umwegen und Irrwegen, die wir brauchen, um bei dir, unserem Ziel, anzukommen.
Das erbitten wir von dir durch Christus, unseren Herrn und Bruder, im Heiligen Geist. - Amen.
Ludwig Götz (2017)
Herr Jesus,
du hast Versuchungen bestanden, mit denen wir zu ringen haben.
In großem Vertrauen kommen wir mit unseren Bitten zu dir:
„Wenn du mir das oder jenes gibst, dann verschaffe ich dir einen guten Posten“:
Wir beten für alle, die andere bestechen oder sich bestechen lassen.
„Sei nicht so kleinlich. Einmal geht das schon“:
Wir beten für alle, die wenig charakterliche Standfestigkeit besitzen und umfallen.
„Warum soll ich für Ärmere etwas spenden? Dafür gibt es doch viel Reichere als mich“:
Wir beten für alle, die das Verhalten anderer zum Vorwand ihrer Hartherzigkeit nehmen.
„Mir wird auch nichts geschenkt. Ich möchte meine Ruhe haben!“:
Wir beten für alle, die Habsucht und Geiz blind gemacht hat
gegenüber jenen, denen es schlechter geht.
„Warum soll ich nicht genießen, was ich mir leisten kann?“:
Wir bitten um Barmherzigkeit und Solidarität in unserer Gesellschaft.
„Ich lasse mir von anderen nichts mehr sagen. Ich bin von Verantwortlichen in Politik und Kirche enttäuscht worden.“:
Wir bitten, dass Enttäuschungen das Bemühen um das Gute nicht zum Erliegen bringen.
Herr Jesus Christus,
von deiner Liebe bis zum Kreuz dürfen wir uns stärken lassen
und auch in Zukunft hoffen, dass das Gute stärker ist als das Böse.
Dafür danken wir dir und loben dich. - Amen.
Renate Witzani (2017)
Jeden Tag neu stehen wir vor der Entscheidung,
ob wir mit oder fern von Gott leben wollen.
Bitten wir ihn, dass uns sein Geist auf unserem Lebensweg begleitet:
In der Taufe bekennen wir unseren Glauben an den dreifaltigen Gott.
Beten wir für alle, die sich in diesen Wochen auf die Taufe vorbereiten.
Das gesellschaftlich Leben ist oft von der Angst einzelner Gruppen bestimmt, weniger zu gelten oder weniger zu bekommen.
Beten wir für ein stärkeren Zusammenhalt in der Gesellschaft.
Verschiedene Falschmeldungen verwirren uns als Konsumenten der modernen Medien.
Beten wir um den Beistand des Heiligen Geistes zur Unterscheidung von Wahrheit und Lüge.
Selbst, wenn wir in Frieden und Ruhe das Geschenk eines guten Daseins genießen könnten, sind wir oft dazu nicht imstande.
Beten wir für uns, dass wir einander die kurze Spanne unseres Lebens nicht zur Qual machen.
In Christus hat „Einer für alle“ das Heil gebracht.
Beten wir für unsere Verstorbenen um seine ewige Nähe.
Denn du, Gott, führst uns auch dann, wenn wir versucht sind, uns von dir zu entfernen.
Dir, unserem guten Schöpfer, sei Lob und Dank jetzt und bis in Ewigkeit. - Amen.
Hans Hütter (2014)
Guter Gott und Vater,
dein Sohn Jesus Christus hat sich den Versuchungen gestellt
und sich in ihnen bewährt.
Wir bitten um deinen Beistand in unseren Anliegen.
Wir beten für die Menschen in der Ukraine,
die dem Spiel der politischen Mächte ausgeliefert sind.
Lass sie geeignete Lösungen für ihre politischen und wirtschaftlichen Probleme finden.
Wir beten für alle Menschen, die in Kriege verwickelt sind.
Lass sie nicht der Versuchung erliegen,
ihre Konflikte mit Gewalt zu lösen.
Wir beten für alle Menschen, die unfreiwillig hungern
und denen es am Lebensnotwendigen mangelt.
Gib ihnen Zugang zu Nahrung und Medikamenten
und Aussicht auf eine bessere Zukunft.
Wir beten für alle, die in der Kirche Macht ausüben.
Schenke ihnen Vertrauen in das Wirken deines Geistes.
Wir beten für alle, die in der Fastenzeit einen Weg innerer Erneuerung gehen wollen.
Begleite sie in deiner Gnade.
Wir beten für alle, die ihr Leben vollendet haben.
Führe sie heim ins Himmelreich.
Wir danken dir, Herr,
dass du uns in unseren Auseinandersetzungen nicht allein lässt.
Wir loben und preisen dich dafür. - Amen.
Martin Stewen (2011)
Im 91. Psalm sagst du, o Gott, dem Menschen zu:
"Ich sättige ihn mit langem Leben und lasse ihn mein Heil schauen.”
So bitten wir dich in unseren Anliegen:
Wir beten für alle, die sich angesichts der vielen Lebens- und Glücksangebote in dieser Welt nicht zurechtfinden.
Zeige ihnen den Weg zum Heil, das du versprochen hast.
Wir beten für alle, die in den religiösen Gemeinschaften der Welt Frieden und Sicherheit stiften sollen.
Lass sie in Ruhe und Gelassenheit erkennen und vollziehen, was notwendig ist, statt planlosen Aktionismus zu verbreiten.
Wir beten für uns selbst, die wir die vierzig Tage der Umkehr begonnen haben.
Zeige uns den Weg zu uns selbst, zum Nächsten und damit zu dir.
Wir beten für jene, die in den politischen und gesellschaftlichen Umstürzen der Gegenwart plötzlich Macht und Verantwortung zugespielt bekommen:
Lass sie besonnen reagieren und zum Wohl der Menschen handeln.
Wir beten für alle, deren irdischer Weg zu Ende ist
und die bei dir für immer Einkehr halten können:
Schenke ihnen einen Platz in deinem Reich.
Um all dies bitten wir dich durch ihn, Christus, unseren Herrn.
- Gabengebet3
Messbuch - GG Fastenzeit 1 So: Opfer zum Beginn dieser Fastenzeit
Herr, unser Gott,
wir bringen Brot und Wein für das heilige Opfer,
das wir zum Beginn dieser Fastenzeit feiern.
Nimm mit diesen Gaben uns selbst an
und vereine unsere Hingabe
mit dem Opfer deines Sohnes,
der mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
MB 1. Fastensonntag
Messbuch - GG Fastenzeit 2 Mo: den Versuchungen nicht erliegen
Herr,
du hast uns
zur Feier der göttlichen Geheimnisse versammelt.
Nimm unser Gebet gnädig an
und stärke uns,
damit wir den Versuchungen dieser Welt nicht erliegen.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MB 2. Montag der Fastenzeit
Messbuch - GG Fastenzeit 0 Fr: Nimm in deinem Sohn auch uns an
Herr, unser Gott,
wir feiern das heilige Opfer
in diesen Tagen der Buße.
Nimm in deinem Sohn auch uns an
und schenke uns größeren Eifer
zu einem Fasten, wie du es liebst.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MB Freitag nach Aschermittwoch
- Gebet zur Gabenbereitung2
Jörg Thiemann (2023)
Herr Jesus Christus,
du hast Gottes Willen getan.
du hast Gottes Liebe gelebt, bis in den Tod.
Wir feiern jetzt diese Liebe und Hingabe für uns
in Brot und Wein.
Wenn wir dich empfangen,
dann forme unser Wesen,
dass wir immer mehr mit dir vereint sind
und nach deinem Heiligen Willen leben. - Amen.
Martin Stewen (2011)
Guter Gott,
wenn du uns selbst den Tisch deckst,
haben wir das Wichtigste für unser Leben schon erhalten.
Wir danken dir, dass du dich uns zuwendest.
Lass uns in diesem Bewusstsein nun Mahl halten
mit Jesus unserem Bruder und Herrn.
- Lobpreis1
Hans Hütter (2020)
Kehrvers: Alles, was Odem hat, lobe den Herrn. (GL 616,5)
Guter Gott, Schöpfer allen Lebens,
wir kommen zu dir, um dir zu danken.
Du hast die Welt ins Dasein gerufen
und den Menschen als dein Abbild geschaffen,
dir verdanken wir uns Leben.
Kehrvers
Du hast dem Menschen die Freiheit gelassen, eigene Wege zu gehen
und das Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten.
Du hast ihm die Erde anvertraut, sie zu behüten und bebauen.
Kehrvers
In Jesus, deinem Sohn, bist du den Menschen nachgegangen,
als sie sich in eigenen Interessen und Vorstellungen verrannten
und ihr eigenes Wohl und ihre Zukunft aufs Spiel setzten.
Kehrvers
Er hat uns gezeigt, wie heilsam es für uns ist,
auf dein Wort zu hören und deinen Willen zu beachten,
denn du liebst uns und willst uns ewiges Leben schenken.
Kehrvers
Jesus hat der Versuchung widerstanden,
menschliche Wünsche nur oberflächlich zu erfüllen.
Er hat die Sehnsucht der Menschen nach einem erfüllten Leben wahrgenommen
und uns Wege gezeigt, sie zu stillen.
Kehrvers
Dafür danken wir dir und loben und preisen wir dich mit der ganzen Schöpfung
und singen:
Danklied, z. B.: Gott liebt diese Welt (GL 464)
- Präfation2
Messbuch - Präfation Fastensonntag 1: Jesu Fasten und unsere Buße
In Wahrheit ist es würdig und recht,
dir, Herr, heiliger Vater,
allmächtiger, ewiger Gott,
immer und überall zu danken
durch unseren Herrn Jesus Christus.
Denn er hat in der Wüste vierzig Tage gefastet
und durch sein Beispiel diese Zeit der Buße geheiligt.
Er macht die teuflische List
des Versuchers zunichte und läßt uns
die Bosheit des Feindes durchschauen.
Er gibt uns die Kraft,
den alten Sauerteig zu entfernen,
damit wir Ostern halten mit lauterem Herzen
und zum ewigen Ostern gelangen.
Darum preisen wir dich mit den Cherubim und Serafim
und singen mit allen Chören der Engel
das Lob deiner Herrlichkeit:
Heilig ...
MB Fastensonntag 1
Messbuch - Präfation Fastenzeit 1: Der geistliche Sinn der Fastenzeit
In Wahrheit ist es würdig und recht,
dir, Vater im Himmel, zu danken
und dein Erbarmen zu preisen.
Denn jedes Jahr
schenkst du deinen Gläubigen die Gnade,
das Osterfest in der Freude
des Heiligen Geistes zu erwarten.
Du mahnst uns in dieser Zeit der Buße
zum Gebet und zu Werken der Liebe,
du rufst uns zur Feier der Geheimnisse,
die in uns die Gnade der Kindschaft erneuern.
So führst du uns mit geläutertem Herzen
zur österlichen Freude und
zur Fülle des Lebens
durch unseren Herrn Jesus Christus.
Durch ihn rühmen wir deine Größe
und vereinen uns mit den Chören der Engel
zum Hochgesang von deiner göttlichen Herrlichkeit:
Heilig ...
MB Fastenzeit 1
- Mahlspruch1
Bibel (2008)
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein,
sondern von einem jeden Wort,
das aus dem Mund Gottes geht.
(Mt. 4,4)
- Meditation1
Helene Renner (2020)
Gott, sei vor mir,
damit du mich führst und leitest
und mir den rechten Weg zeigst.
Gott, sei hinter mir,
damit du alle Nachstellungen von mir fernhältst
und mich immer im Auge hast.
Gott, sei neben mir,
damit du mich stützt und hältst,
wenn ich unsicher bin und mich Zweifel plagen.
Gott, sei unter mir,
damit du mich auffängst und trägst,
wenn ich auf meinem Weg stolpere oder gar falle.
Gott, sei in mir,
damit ich deine Stimme höre und erkenne,
wenn Angst und Sorgen mich überwältigen.
Gott, sei über mir,
damit du mich segnest
und stets deine schützende Hand
über mich hältst.
Gott, sei immer bei mir.
(nach einem irischen Segensgebet)
- Schlussgebet2
Messbuch - SG Fastenzeit 1 So: Stärke uns mit jedem Wort aus deinem Mund
Gütiger Gott,
du hast uns das Brot des Himmels gegeben,
damit Glaube, Hoffnung und Liebe in uns wachsen.
Erhalte in uns das Verlangen nach diesem wahren Brot,
das der Welt das Leben gibt,
und stärke uns mit jedem Wort,
das aus deinem Mund hervorgeht.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MB 1. Fastensonntag
Messbuch - SG Aschermittwoch: fasten, wie es dir gefällt
Barmherziger Gott,
stärke uns durch dieses heilige Mahl,
damit wir fasten können, wie es dir gefällt,
und durch die Feier dieser Tage Heilung finden.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MB Aschermittwoch
- Gebet zum Abschluss3
Jörg Thiemann (2023)
Herr Jesus Christus,
wir leben in einer Welt,
die voll ist von Gier nach Macht, nach Reichtum, nach Ehre.
Wir müssen aufpassen, deine Liebe nicht zu vergessen…
Steh uns bei, wo wir versucht werden.
Segne uns, damit wir bereit sind,
mit dir zu leben und in der Liebe zu dir zu wachsen. - Amen.
Beatrix Senft (2023)
Herr, Jesus Christus,
bewusst hast du dich der Wüste und dem Fasten ausgesetzt.
Bereit, noch einmal auf den Willen des Vaters zu hören,
deinen Auftrag bejahend anzunehmen
und deinen Weg bis zum Schluss zu gehen.
In den Versuchungen bist du standhaft geblieben.
Wir bitten dich, begleite uns in dieser Fastenzeit auf unserem Weg.
Stärke uns, da, wo uns Versuchungen von unserem Weg abhalten könnten.
Für dein Mit-uns-sein danken wir dir,
heute und in Ewigkeit. - Amen.
Martin Stewen (2011) - auf dem Weg durch die Fastenzeit
Barmherziger Gott,
wenn wir uns jetzt auf den Weg durch die Fastenzeit machen,
wissen wir uns begleitet durch dein Wort
und gestärkt durch das Brot des Lebens.
Schenke uns Kraft und Willen zur Umkehr,
dass wir mit gutem Geist und Herz
das Auferstehungsfest feiern können.
So bitten wir durch Christus unseren Bruder und Herrn.
Fastentage - Wüstentage
wer aus „satten Tagen“
„in die Wüste geht“
sich den Anfechtungen des Lebens aussetzt
sich aussetzt
Hunger und Durst zu spüren
an Leib und Seele
die Unübersichtlichkeit
dieser „neuen Landschaft“ ernst nimmt
der mag auch Angst spüren
ob er all dem gewachsen ist
was wird mir auf dem Weg begegnen
werde ich das Wenige
was mein Leben ausmacht
verlieren
werde ich Durchhaltekraft haben
sind die „Fata Morganen“
die mich locken
stärker
wenn ich mich
dieser neuen Erfahrung aussetze
werde ich nicht die Orientierung verlieren
das Gerüst meines Lebens
an das ich mich so krampfhaft halte
wird es nicht einstürzen
und
ich rutsche ab in Orientierungslosigkeit?
und doch
ist da der Wunsch
mich neu zu erfahren
und
meinen Gott
und so darf ich mich einladen lassen
auf ganz unterschiedliche Weisen
diese Fastenzeit
zu er-leben
im Verzicht auf etwas
im Rückzug
zu bestimmten Meditations- und
Gebetszeiten im Tagesablauf
in Exerzitien im Alltag
in Auszeiten in Gruppen und Klöstern
darf mich einladen lassen
zu diesem neuen Unterwegs sein
durch eine Phase meines Lebens
und
finde mich vielleicht ganz neu
und
gebe mir eine Chance
auch
GOTT
ganz neu zu begegnen
IHN
der spricht:
ICH BIN auch hier schon DA
Beatrix Senft 2023 zu Mt 4,1-11.
Probe
Und das Leben
stellt dich
auf einen hohen Berg
und zeigt dir
all die Pracht und
Macht dieser Welt.
Und du wirst auf die Probe gestellt –
nicht dreimal –
nein täglich –
stündlich wieder
du machst einen Stadtbummel
und findest nach langem Suchen
das Kleid
das dir gefällt
es hängt da
in einer Boutique
maßlos teuer
und traumhaft
schön
du denkst real
lässt es zurück
hast bestanden
diese Probe!?
nein
denn im Stillen
wirfst du dich
vor ihm nieder
tagelang
wochenlang
hat es Macht
in dir –
wird zu einem
kleinen Gott
ob du
die Proben
auf die du gestellt wirst
bestehst
liegt nicht im äußeren Verzicht
liegt nicht daran
was äußere Umstände
dir abverlangen
ob du die Probe
bestehst
liegt daran
ob du
innerlich
loslassen kannst
liegt daran
welchen Stellenwert
äußere Pracht
oder Macht
für dich hat
liegt letztlich daran
dass du dich
immer wieder
neu aufmachen musst
nach den Werten
deiner selbst
und dieser Welt
zu suchen.
Beatrix Senft
Versuchung Jesu
Vers 1-4:
Aus den satten Talebenen des Jordans in die Wüsten des Landes gehen, d.h. für jeden, der alleine geht, sich allen Anfechtungen des Lebens aussetzten. Das, was einem Menschen dort begegnen kann, ist nicht nur Hunger und Durst des Leibes, es ist auch die Angst vor der Orientierungslosigkeit, der Unübersichtlichkeit dieser Gegend. Auch die Angst vor Wegelagerern, die einem hier auflauern können, weil sie darauf hoffen, dass mal einer kommt, der alleine mit Hab und Gut hier anzutreffen ist, weil er nach Jerusalem hinauf will, ist für niemanden unbegründet.
Jesus setzt sich all dem aus, angetrieben, geleitet von dem Verlangen nach Gottes-Erfahrung, angetrieben durch die Kraft Gottes, dem Hl. Geist.
Und er will die Wüste nicht nur durchqueren, wie einer, dem eben nichts anderes übrigbleibt. Er will – vielleicht ist es auch ein inneres Muss – sich ihr stellen. In ihr stellt er sich Hunger und Durst, stellt sich aber auch den Anfragen an sich selbst. Denn wer sich so lange von allem zurückzieht, der kommt an seine eigenen Grenzen.
Bis an seine Grenzen geht Jesus hier.
Grenzen überschreiten macht frei für ganz neue Erfahrungen.
Wie nun die teuflische Versuchung vor sich gegangen sein mag, hierüber können auch Theologen nur spekulieren. Doch eines wird mir hier klar: es besteht für Jesus eine Anfrage an seine Gottessohnschaft und wie er sie erfüllen kann.
Und vielleicht war es ja hier, wo er seinen messianischen Weg klar erkannt hat. Er, der menschgewordene Sohn Gottes, lebt wie alle Menschen nicht nur vom Brot allein. Mehr noch lebt er aus dem Willen/Wort seines Gottes. (Wie uns Matthäus in seinem Text zusätzlich erklärt.)
Und so überwindet er den Wunsch nach kurzzeitiger Sättigung durch das Brot. Er setzt auf die ganzheitliche Sättigung, die Sättigung durch Gott.
Vers 5-8:
Israelgereiste Menschen mögen es erahnen, wenn sie am Fuß des Berges gestanden haben, den man als den Berg der Versuchung annimmt, dass man bei einem Blick von dort oben das Gefühl bekommen kann, die ganze Welt läge einem zu Füßen.
Ja, wenn er sich hier niederwerfen würde, um die Macht-Art des Lebens anzubeten, dann würde er gut ins Weltbild passen. Alle Machthaber wollen sich Stück um Stück die Welt unterwerfen. Ihren Machtbereich ausbauen.
Auch hier steht Jesus zu seiner Wüstenerkenntnis. Vor seinem Gott soll er sich niederwerden und ihm allein dienen. Sein Weg soll den Todeskreis der Macht durchbrechen. Das geht nur, indem er einen ganz neuen Weg einschlägt, den Weg der Mitmenschlichkeit, der Versöhnung, des Friedens, der Gleichheit aller Menschen.
Vers 9-13:
Warum Lukas Jesus erst an dritter Stelle in Jerusalem auf den Tempel stellt – vielleicht als Hinweis darauf, dass er hier „zu Fall kommen“ wird – wollen wir einmal außer Acht lassen.
Er stellt ihn auf das Dach des Hauses Gottes. Hoch ist es. Wer sich hier herunterstürzt und nicht von guten Mächten aufgefangen wird, der hat nicht die kleinste Chance mit einem heilen Knochen unten anzukommen, geschweige denn lebend.
Da steht Jesus nun auf dem Heiligtum “seines Gottes“, Ihm näher, als man Gott wohl (nach dem Verständnis der Juden) je kommen kann. Doch Jesus sagt auch hier der Versuchung ab. „Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen.“ Mit anderen Worten: Gottes Liebe ist in solcher Form von menschlicher Beweisbarkeit nicht einzufordern.
Er bleibt sich treu in dem, wie er Gott zu verkündigen hat: erfüllt vom Hl. Geist. Ihm sollen keine Steine aus dem Weg geräumt werden. Ihm sollen nicht die Engel dienen. Er will seinem Gott selbst – an den Menschen – dienen.
Ab hier wird er zum „Stein des Anstoßes“, wie uns schon die nächste Geschichte im Lukas-Evangelium berichtet. Zum Stein des Anstoßes, weil er das Gottesbild und das Messias-Bild neu definiert. Diesen, seinen, Weg konsequent bis zum Ende zu gehen, das setzt ihn auch weiterhin den Anfechtungen und Versuchungen aus. – Denken wir an sein Ringen am Ölberg. Doch hier, wie auch in den letzten Minuten am Kreuz, übergibt er sich in den Willen und die Hände seines Vaters. Er, der Überbringer und Vollstrecker des Vermächtnisses/Testamentes seines Vaters. Er, der Gottes Sohn ist und Bruder aller wurde.
Beatrix Senft
Die Kunst, Dinge loszulassen
Die Kunst, Dinge loszulassen, hat auch viel mit der „Kunst des Weniger“ zu tun. Der Satz „Weniger ist mehr“ gilt für viele Aspekte des Lebens. Es ist befreiend, sich von Dingen zu lösen; es ist befreiend, Ordnung in das Leben zu bringen. Wenn Menschen niedergeschlagen sind, ist es ein guter Schritt, einmal eine halbe Stunde, eine Stunde aufzuräumen. Der Versuch, äußere Ordnung zu schaffen, bringt auch innere Ordnung mit sich. Wenn äußerlich Klarheit und Ordnung herrschen, bestärkt das auch das Innere. Entrümpeln kann ein Akt der Befreiung sein. Im Englischen heißt das „decluttering“, was allein vom Wort her etwas Befreiendes ausdrückt. Es ist ziemlich erstaunlich, wie rasch sich viele Dinge ansammeln. Wenn man Keller, Dachboden, Kästen und Schubläden einmal durchforstet, ist man zumeist sehr erstaunt, was sich alles findet; Dinge, von denen wir gar nicht mehr wussten, dass wir sie besitzen, und die wir dann natürlich weder gebrauchen noch irgendwie vermisst haben. Es ist befreiend, Dinge loszulassen und sich auch die Frage zu stellen: Was ist genug? Der in Stockholm lebende Amerikaner Alan AtKisson berichtet von seinem ersten Besuch bei seiner schwedischen Frau in ihrer Wohnung in der Nähe von Stockholm. Er war geschockt, als er herausfand, dass sie nur drei Handtücher besaß. Sie erklärte ihm, dass sie nicht mehr brauche, alle drei seien von sehr guter Qualität und entsprechend langlebig, eines sei in Verwendung, eines sei in der Wäsche, eines stehe für Reisen zur Verfügung. Und dann sagte sie: „Det är lagom“ - „das ist ganz genau genug“. Das Wort „lagom“ hat es AtKisson angetan. Es ist eine Kombination aus zwei Begriffen, „lag“ („Team“, „Gemeinschaft“) und „om“ („rundherum“). Man vermutet, dass das Wort aus der Wikingersprache kommt und auf den Brauch anspielt, eine Schale Bier herumzureichen - jeder trinkt (genau die richtige Menge) und lässt, wenn er die Schale weiterreicht, genau die rechte Menge für die anderen zurück. So kann man für viele Bereiche des Lebens und für viele Dinge - für Kleidung und Schuhe, für Geschirr und Möbel, für Bücher und DVDs, für Schmuck und Sammlungen - die Frage stellen: Was ist „lagom“, was ist in der Menge ganz genau richtig?
Aus: Alois Kothgasser / Clemens Sedmak, Jedem Abschied wohnt ein Zauber inne. Von der Kunst des Loslassens. tops taschenbücher, Kevelaer 2015.
Freiwillig arm
Ausgangspunkt von Mechthilds [von Magdeburg (1207 - 1282/1294)] Theologie ist jene neue Armut, die im Zuge der Geldwirtschaft und der bürgerlichen Stadtkultur zu einem wachsenden Problem wird. Mechthild streitet dafür, dass die Theologie dieser Frage nicht ausweicht. Sie stellt die Theologie selbst neu zur Debatte: Worüber diskutiert sie, was sind ihre Themen - und worüber schweigt sie, wofür fehlt ihr die Sprache? Die Theologien der Armutsbewegung, die heute zur Mystik gerechnet werden, entstehen in Abgrenzung zu Theologien, die Armutsfragen eher randständig oder gar nicht behandeln. Sie wollen mit ihrer Kritik die christliche Gottesrede zukunftsfähig halten.
Freiwillige Armut - eine Antwort auf erzwungene Armut
Mechthild gehört zur Armutsbewegung des 13. Jh.s. Diese Bewegung zeichnet sich vor allem durch ein Charakteristikum aus: die freiwillige Armut. Die »willig Armen«, wie Mechthild sie nennt, teilen ihre Lebensgüter miteinander. Sie bringen Bildung und Kultur, Geld und Handwerk, Theologie und Spiritualität in Umlauf. Die Beginen gehen gezielt in die Städte, um mit verarmten Waisen, mit Kranken, Sterbenden und Trauernden, mit Elendsprostituierten und anderen an den Rand Gedrängten zu arbeiten und für sie da zu sein. Hier werden sie massiv mit Armut konfrontiert, die Menschen nicht freiwillig auf sich nehmen, sondern in die sie geboren, gezwungen, gestoßen wurden oder einfach hineingeraten sind. Diese Armut hat ein schreckliches Gesicht mit Krankheit und Elend, mit unvorstellbaren hygienischen Zuständen, mit bitterstem Hunger und bohrendem Schmerz. Ausgerechnet hierhin gehen die Beginen, und zwar nicht mit Jammern, sondern mit schwungvoller Begeisterung.
Freiwillige Armut ist etwas anderes als aufgezwungene, schicksalhafte Armut. Beides ist voneinander zu unterscheiden. Aber beides darf auch nicht voneinander getrennt werden. Denn die freiwillige Armut bezieht sich auf die erzwungene und würde ohne sie ihre Bedeutung verlieren. Die freiwillige Armut gibt Antwort auf die erzwungene Armut. Elisabeth von Thüringen und Mechthild von Magdeburg verschreiben sich der Armut, weil sie im Umfeld ihrer wohlhabenden Burg jenes Elend wahrnehmen, das der Reichtum der Burg erzeugt. Elisabeth (1207 - 1231) weigert sich auf der Wartburg selbst bei Empfängen, etwas zu essen, das den Armen abgepresst wurde. Wo auch immer es geht, tritt sie nicht in Hofkleidung auf, sondern in grober Wolle. Diese Kleidung der Armutsbewegung ist ein Affront gegenüber der höfischen Kultur; ein sichtbares Zeichen des Widerstandes gegen Reichtum, Stolz und Hochmut. Damit bringt sich Elisabeth sogar in höchste Lebensgefahr. Sie muss jederzeit damit rechnen, einem intriganten Mord zum Opfer zu fallen. Im Gegenzug hat die spätere Verehrung Elisabeths eine Metapher für die Lebensmacht ihrer Kultur des Teilens kreiert. Das populäre Rosenwunder besagt, dass Elisabeth gegen den Willen ihres Ehemannes den Armen Brot bringen wollte. Als ihr Mann sie dazu zwang, den Brotkorb aufzudecken, fand sich dort ein prächtiger Strauß roter Rosen. Der übergriffige Ehemann war in mehrfacher Hinsicht hilfreich beschämt. Denn die Legendenbildung bringt es auf den Punkt: Wo Menschen ihre Lebensressourcen miteinander teilen, da blüht das Leben auf.
Aus: Hildegung Keul, Auferstehung als Lebenskust. Was das Christentum auszeichnet. Herder Verlag, Freiburg Basel Wein 2014.
Auf einen anderen Lebensstil setzen
203. Da der Markt dazu neigt, einen unwiderstehlichen Konsum-Mechanismus zu schaffen, um seine Produkte abzusetzen, versinken die Menschen schließlich in einem Strudel von unnötigen Anschaffungen und Ausgaben. Der zwanghafte Konsumismus ist das subjektive Spiegelbild des techno-ökonomischen Paradigmas. Es geschieht das, worauf schon Romano Guardini hingewiesen hat: Der Mensch „nimmt […] Gebrauchsdinge und Lebensformen an, wie sie ihm von der rationalen Planung und den genormten Maschinenprodukten aufgenötigt werden, und tut dies im Großen und Ganzen mit dem Gefühl, so sei es vernünftig und richtig“. Dieses Modell wiegt alle in dem Glauben, frei zu sein, solange sie eine vermeintliche Konsumfreiheit haben, während in Wirklichkeit jene Minderheit die Freiheit besitzt, welche die wirtschaftliche und finanzielle Macht innehat. In dieser Unklarheit hat die postmoderne Menschheit kein neues Selbstverständnis gefunden, das sie orientieren kann, und dieser Mangel an Identität wird mit Angst erfahren. Wir haben allzu viele Mittel für einige dürftige und magere Ziele.
204. Die gegenwärtige Situation der Welt „schafft ein Gefühl der Ungewissheit und der Unsicherheit, das seinerseits Formen von kollektivem Egoismus […] begünstigt“. Wenn die Menschen selbstbezogen werden und sich in ihrem eigenen Gewissen isolieren, werden sie immer unersättlicher. Während das Herz des Menschen immer leerer wird, braucht er immer nötiger Dinge, die er kaufen, besitzen und konsumieren kann. In diesem Kontext scheint es unmöglich, dass irgendjemand akzeptiert, dass die Wirklichkeit ihm Grenzen setzt. Ebenso wenig existiert in diesem Gesichtskreis ein wirkliches Gemeinwohl. Wenn dieser Menschentyp in einer Gesellschaft tendenziell der vorherrschende ist, werden die Normen nur in dem Maß respektiert werden, wie sie nicht den eigenen Bedürfnissen zuwiderlaufen. Deshalb denken wir nicht nur an die Möglichkeit schrecklicher klimatischer Phänomene oder an große Naturkatastrophen, sondern auch an Katastrophen, die aus sozialen Krisen hervorgehen, denn die Versessenheit auf einen konsumorientierten Lebensstil kann – vor allem, wenn nur einige wenige ihn pflegen können – nur Gewalt und gegenseitige Zerstörung auslösen.
205. Trotzdem ist nicht alles verloren, denn die Menschen, die fähig sind, sich bis zum Äußersten herabzuwürdigen, können sich auch beherrschen, sich wieder für das Gute entscheiden und sich bessern, über alle geistigen und sozialen Konditionierungen hinweg, die sich ihnen aufdrängen. Sie sind fähig, sich selbst ehrlich zu betrachten, ihren eigenen Überdruss aufzudecken und neue Wege zur wahren Freiheit einzuschlagen. Es gibt keine Systeme, die die Offenheit für das Gute, die Wahrheit und die Schönheit vollkommen zunichte machen und die Fähigkeit aufheben, dem zu entsprechen. Diese Fähigkeit ist es ja, der Gott von der Tiefe des menschlichen Herzens aus fortwährend Antrieb verleiht. Jeden Menschen dieser Welt bitte ich, diese seine Würde nicht zu vergessen; niemand hat das Recht, sie ihm zu nehmen.
Aus der Enzyklika LAUDATO SI’ von Papst Franziskus, Rom 2015.
Kairos - Der rechte Augenblick
Lass ihn nicht vorübergehen -
den rechten Augenblick,
halt ihn fest,
dass er nicht entgleiten kann,
solang er jung ist,
solang er so nah geflogen kommt.
Pack ihn an der Haarlocke,
denn er entwischt so schnell,
kommt nie mehr vorbei -
es gibt kein nächstes Mal.
Aus: Ilse Pauls, Worte am Weg. Gedichte. Wolfgang Hager Verlag, Stolzalpe 2013.
bist du in mir, geht es mir gut
Lieber Gott
bist du in mir, geht es mir gut
Dann weiß ich, was ich denken soll
wann ich protestieren muss
an wen ich Zeit und Kraft verschenke
Lieber Gott
bist du weg, bin ich verloren
Dann folge ich Irrlichtern
Tag und Nacht
erkenne meine und deine Freunde nicht
Lieber Gott
bist du in mir, weiß ich wohin
Dann spüre ich mein Inneres
stärker als mein Äußeres
amen
Aus: Susanne Niemeyer / Matthias Lemme, Brot und Liebe. Wie man Gott nach Hause holt. Kreuz Verlag im Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2013.
Gewissen - Echo Gottes
Es ist zerbrechlich. Es braucht viel Pflege. Auch mit 18 ist es nicht erwachsen. Es ist mein zweites Ich, vielleicht sogar mein erstes. Zur Rampensau taugt es weniger.
Es braucht Ermutigung, Freundinnen und Herzenswärme. Es geht auf die Schule, lebenslang. Es wohnt irgendwo zwischen Milz und Leber, vielleicht auch ein Stück höher. Es gedeiht in der Todeszone, das Gewissen. Es wird mich niemals verlassen, nicht, wenn ich es leben lasse. In seiner Schwäche ist es stark. Es pfeift auf Gesetze und hat doch Regeln. Es weiß um mein Wissen und lacht über meine Cleverness. Ein Schlitzohr ist es nicht. Es ist das Echo der Stimme Gottes.
Aus: Susanne Niemeyer / Matthias Lemme, Brot und Liebe. Wie man Gott nach Hause holt. Kreuz Verlag im Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2013.
Die Gefahr eines spirituellen Kunsumismus
88. Das christliche Ideal wird immer dazu auffordern, den Verdacht, das ständige Misstrauen, die Angst überschwemmt zu werden, die defensiven Verhaltensweisen, die die heutige Welt uns auferlegt, zu überwinden. Viele versuchen, vor den anderen in ein bequemes Privatleben oder in den engen Kreis der Vertrautesten zu fliehen, und verzichten auf den Realismus der sozialen Dimension des Evangeliums. Ebenso wie nämlich einige einen rein geistlichen Christus ohne Leib und ohne Kreuz wollen, werden zwischenmenschliche Beziehungen angestrebt, die nur durch hoch entwickelte Apparate vermittelt werden, durch Bildschirme und Systeme, die man auf Kommando ein- und ausschalten kann. Unterdessen lädt das Evangelium uns immer ein, das Risiko der Begegnung mit dem Angesicht des anderen einzugehen, mit seiner physischen Gegenwart, die uns anfragt, mit seinem Schmerz und seinen Bitten, mit seiner ansteckenden Freude in einem ständigen unmittelbar physischen Kontakt. Der echte Glaube an den Mensch gewordenen Sohn Gottes ist untrennbar von der Selbsthingabe, von der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft, vom Dienst, von der Versöhnung mit dem Leib der anderen. Der Sohn Gottes hat uns in seiner Inkarnation zur Revolution der zärtlichen Liebe eingeladen.
89. Die Isolierung, die eine Version des Immanentismus ist, kann sich in einer falschen Autonomie ausdrücken, die Gott ausschließt und die doch auch im Religiösen eine Art spirituellen Konsumismus finden kann, der ihrem krankhaften Individualismus entgegenkommt. Die Rückkehr zum Sakralen und die spirituelle Suche, die unsere Zeit kennzeichnen, sind doppeldeutige Erscheinungen. Mehr als im Atheismus besteht heute für uns die Herausforderung darin, in angemessener Weise auf den Durst vieler Menschen nach Gott zu antworten, damit sie nicht versuchen, ihn mit irreführenden Antworten oder mit einem Jesus Christus ohne Leib und ohne Einsatz für den anderen zu stillen. Wenn sie in der Kirche nicht eine Spiritualität finden, die sie heilt, sie befreit, sie mit Leben und Frieden erfüllt und die sie zugleich zum solidarischen Miteinander und zur missionarischen Fruchtbarkeit ruft, werden sie schließlich der Täuschung von Angeboten erliegen, die weder die Menschlichkeit fördern, noch Gott die Ehre geben.
Aus: Apostolisches Schreiben EVANGELII GAUDIUM des Heiligen Vaters Papst Franzis-kus, gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, zum Abschluss des Jahres des Glaubens, am 24. November – Hochfest unseres Herrn Jesus Christus, König des Weltalls – im Jahr 2013, dem ersten meines Pontifikats.
Die alte Lehrerin, die Bibel
Es ist schon merkwürdig, daß sich am ersten Abend eines Kirchentages hunderttausend Menschen um einen Text versammeln und seine Auslegung hören, daß an jedem Morgen Tausende sich um die Weisheit eines uralten Buches versammeln und »Bibelarbeit« betreiben. Diese Texte gehen dann durch den Tag mit, sie stellen sozusagen im Gespräch eine dritte Stimme dar.
Evangelisch sein heißt keinen Papst haben, aber ein Buch. Das bedeutet nicht, daß wir die Wahrheit einfach aus dem Buch ablesen können. Es geht gerade nicht um einen geistlosen Biblizismus, aber um das Hören auf eine andere Stimme als unsere eigene. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einer Historikerin, die keine Beziehung zur Religion hat, sich aber mit dem deutschen Judentum im 18. Jahrhundert beschäftigt. Sie sagte mir, fast neidisch: Wie merkwürdig und wie großartig, daß diese Menschen ein Buch haben und daß sie alles auf dieses Buch beziehen. So, als wäre die Welt noch lesbar! Von dieser Sehnsucht nach der Lesbarkeit der Welt ist die immer noch wachsende Bedeutung der Bibel in den Kirchentagen getragen.
Widerspricht das aber nicht dem Pluralismus, der so auffällig ist? Ja und nein, würde ich sagen. Nein, weil die Wahrheit ein Gespräch ist und kein Diktat. Niemand soll ausgeschlossen oder zwangsmissioniert werden. Ja, weil diese alte andere Stimme ein Recht hat, das ihr niemand streitig machen kann. Der Pluralismus innerhalb der Kirche ist nicht reine Beliebigkeit, in der jeder denken und glauben kann, was ihm oder ihr gerade paßt. Er ist ein methodisches, kein inhaltliches Prinzip. Im Streit um die Wahrheit haben wir nicht nur die Stimmen der Gruppen, die miteinander ringen. Wir haben diese andere Stimme der Tradition, diese anderen Geschichten von möglichem Leben, dem Wunder der Gerechtigkeit, vom Sturz der Tyrannen, von der Heiligkeit der Armen. Wir hören auf diese alte Lehrerin, die Bibel, die keineswegs alles duldet, sondern mitspricht. Lebensvisionen und Gewissen wachsen schließlich nicht von selber, sie müssen gelernt werden, und dabei hilft unsere alte Lehrerin.
Aus: Dorothee Sölle, Erinnert euch an den Regenbogen. Texte, die den Himmel auf Erden suchen. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 1999.
nicht-angepaßt
Ich hatte nie die Absicht, mich an die Übel der Rassentrennung und Diskriminierung anzupassen. Ich hatte nie die Absicht, mich an religiöse Frömmelei anzupassen. Ich hatte nie die Absicht, mich an wirtschaftliche Verhältnisse anzupassen, in denen vielen das Notwendigste vorenthalten wird, um wenigen Luxus zu ermöglichen. Ich hatte nie die Absicht, mich an den Irrsinn des Militarismus und die selbstzerstörerische Wirkung physischer Gewalt anzupassen. Und ich rufe alle Menschen guten Willens auf, nicht-an- gepaßt zu sein, weil es sehr wohl sein könnte, daß die Rettung unserer Welt in den Händen der Nicht-Angepaßten liegt.
Deshalb laßt uns nicht-angepaßt sein, so nicht-angepaßt wie der Prophet Arnos, der inmitten des Unrechts seiner Zeit ausrufen konnte - in Worten, deren Echo durch Jahrhunderte geht «Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach». Laßt uns so nicht-angepaßt sein wie Abraham Lincoln, der den Weitblick hatte zu sehen, daß diese Nation nicht halb versklavt und halb frei sein konnte. Laßt uns so nicht-angepaßt sein wie Jesus von Nazaret, der in die Augen der Männer und Frauen seiner Generation sah und ausrief: «Liebet eure Feinde. Segnet, die euch fluchen. Betet für die, so euch beleidigen und verfolgen.»
Ich bin überzeugt, daß wir durch solche Nicht-Ange- paßtheit in der Lage sein werden, aus der öden und trostlosen Mitternacht menschlicher Unmenschlichkeit zum hellen und glänzenden Tagesanbruch der Freiheit und Gerechtigkeit zu gelangen. Das wird der Tag sein, an dem es allen Kindern Gottes - Schwarzen und Weißen, Juden und Nicht-Juden, Katholiken und Protestanten - möglich sein wird, sich an den Händen zu fassen und mit den Worten eines alten Negrospirituals zu singen: «Endlichfrei! Endlich frei! Dank sei Gott, dem Allmächtigen, wir sind endlich frei!»
Aus: Martin Luther King, Ich habe einen Traum. Benziger Verlag, Zürich und Düsseldorf 1999.
Wehrt Euch! - Enzensbergers Regeln für die digitale Welt
28.02.2014 · Wer sich nicht dauernd mit den digitalen Nachstellungen von Unternehmen und Geheimdiensten herumschlagen will, muss nur ein paar einfache Regeln befolgen. Zehn sind es an der Zahl, die Hans Magnus Enzensberger bündig formuliert.
www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/enzensbergers-regeln-fuer-die-digitale-welt-wehrt-euch-12826195.html
FAZ online
Exodus
Ich träume
meine Vision
vom Aufbruch
ins gelobte Land.
Ich träume
meine Vision
vom Ausbruch
aus Ägypten.
Ich treffe Entscheidungen.
Setze Schritte.
Ich gehe voran
ermutigt durch mein Vorwärtskommen.
Ich bleibe stehen
verunsichert
Mühsal zu groß
zögere weiterzugehen.
Ich blicke zurück
entmutigt
fragend.
Werbend lockt das Alte
das Vertraute
das Hinter-mir-Gemeinte.
Ich brauche alle Kraft
zu widerstehen.
Ich brauche
allen Mut
vorwärtszugehen.
Ich brauche meinen Traum
Wüste zu bestehen.
Ich brauche Menschen
die mit mir gehen.
Ich brauche allen Glauben
an den Gott des
Exodus.
Aus Maria Strauss, Nur der gelebte Augenblick. Gedichte. Fram Verlag, Wien 2001.
Gegen jeden
Jeder des anderen Ärgernis
jeder des anderen Spaß
jeder des anderen Spielautomat
Goldene Serie, schrecklicher Reinfall
jeder des anderen Kontaktperson
Wackelkontakt, total überdreht
jeder des anderen Fels
jeder aus Stein.
Es gibt keinen Grund
dich nicht zu belügen
jedem ist alles egal.
Jeder eine Nummer
ein Loch und im Eimer
alle auf Nummer Sicher.
Jeder sieht mir irgendwie ähnlich
und verschläft jeden Tag
diesen billigen Traum:
Wenn jeder jedem Feuer gäbe
mit brennendem Paß
wäre keiner mehr jeder.
Aus: Ralf Rothmann, Gebet in Ruinen. Gedichte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2000.
Wunsch und Begierde
Daß jeder Wunsch nur Wünsche heckt.
Will. seinen Frieden zu verbürgen.
Von nun an jeden Wunsch erwürgen.
Schon naht ein Wünschlein, ahnungslos,
Klopft höflich an, tut gar nicht groß
Und wartet still, ob man's erfülle.
Der Mensch, mit wütendem Gebrülle,
Fährt auf und macht ihm ohne Grund
Den fürchterlichsten Schweinehund:
Er hab es satt, dies ewige Betteln,
Er werde sich nicht mehr verzetteln,
Er kenne schon die Wunsch-Schlawiner,
Die kommen, als ergebne Diener
Und, kaum daß man sie eingelassen,
Leichtsinnig Hab und Gut verprassen.
Der Wunsch, im Innersten gekränkt,
Hat sich jedoch darauf beschränkt,
Dies unverzeihliche Geläster
Zu melden seiner großen Schwester.
Frau Gier hört sich die Sache an
Und denkt sich: »Wart, Du Grobian!«
Sie putzt sich auf und schminkt sich grell:
Der Mensch verfällt ihr äußerst schnell,
Ruiniert sich, um sie zu erweichen -
Doch sie tut weiter nicht dergleichen.
So rächt das abgefeimte Luder
Das Unrecht an dem kleinen Bruder.
Aus: Eugen Roth für Lebenskünstler. Heitere Verse mit farbigen Illustrationen von Hans Traxler. Carl Hanser Verlag, München Wien 1995.
Der König
DER König ist sechzehn Jahre alt.
Sechzehn Jahre und schon der Staat.
Er schaut, wie aus einem Hinterhalt,
vorbei an den Greisen vom Rat
in den Saal hinein und irgendwohin
und fühlt vielleicht nur dies:
an dem schmalen langen harten Kinn
die kalte Kette vom Vlies.
Das Todesurteil vor ihm bleibt
lang ohne Namenszug.
Und sie denken: wie er sich quält.
Sie wüßten, kennten sie ihn genug,
daß er nur langsam bis siebzig zählt
eh er es unterschreibt.
Aus: Rainer Maria Rilke, Gesammelte Gedichte. Wilhelm Goldmann Verlag, München 2004.
Versuch einer Versuchung
Darf ich die drei Akte der Versuchung in eins setzen? Dann würde die Geste des Teufels bedeuten: "Du, der du von oben kommst, wie willst du bei denen da unten ankommen? Ich räume das Feld, wenn du auf meinen Vorschlag eingehst." Ja wahrhaftig, Jesus scheint zu erschrecken über die gewaltige Aufgabe, die vor ihm liegt; er erschrickt über die Dreistigkeit des Versuchers. Seine Hände greifen zum Kopf, wie zur Abwehr einer Bedrohung. Wie soll er den Menschen "das Wort aus Gottes Mund" sagen, das erlösende, befreiende Wort, wie soll er ihnen "das Brot des Lebens" reichen, wenn ihre Erlösungsbedürftigkeit einzig in der Magengegend zu liegen scheint?
Jesus lässt sich von seinem Auftrag nicht abbringen. Er geht von allem Anfang an den unteren Weg, den Weg der Erniedrigung und des Gehorsams. Er, der ganz Heilige, erniedrigt sich gar so sehr, dass er den teuflischen Versucher an sich heranlässt. Der Teufel selbst, so marionettenhaft er ist, "der Affe Gottes", bleibt eine von Gott gelenkte Figur. Er wird an kurzer Leine geführt.
Jesus geht aus der Versuchung als Sieger hervor. Ein programmatischer Sieg, in dem der totale Sieg über das Böse und den Bösen schon angesagt ist und aufleuchtet.
Die Apostel mögen mit dieser Versuchungsgeschichte, einem Gleichnis sozusagen, ihren Gemeinden, die von innen und außen bedroht waren, gedeutet haben: Die Macht des Bösen ist durch Jesus radikal, d. h. von der Wurzel her, bereits gebrochen. Dennoch bleibt auch der Jünger Jesu der Versuchung zum Abfall ausgesetzt. Es bleibt uns die Bitte des Vaterunsers - wie sie richtig zu verstehen ist:
"Und lass uns nicht in der Versuchung fallen."
Aus: Karlheinz May, Vom Duft der Auferstehung. Die vier Evangelien in Auszügen mit Meditationen, kommentierenden Texten und Zeichnungen. Im Eigenverlag (Holsteinstr 1, D-51065 Köln).
Gib mir die Gabe der Tränen, Gott
Gib mir die gabe der tränen gott
gib mir die gabe der sprache
Führ mich aus dem lügenhaus
wasch meine erziehung ab
befreie mich von meiner mutter tochter
nimm meinen schutzwall ein
schleif meine intelligente burg
Gib mir die gabe der tränen gott
gib mir die gabe der sprache
Reinige mich vom verschweigen
gib mir die wörter den neben mir zu erreichen
erinnere mich an die tränen der kleinen studentin
in göttingen
wie kann ich reden wenn ich vergessen habe
wie man weint
mach mich naß
versteck mich nicht mehr
Gib mir die gabe der tränen gott
gib mir die gabe der sprache
Zerschlage den hochmut mach mich einfach
laß mich wasser sein das man trinken kann
wie kann ich reden wenn meine tränen nur für
mich sind
nimm mir das private eigentum und den wunsch
danach
gib und ich lerne leben
Gib mir die gabe der tränen gott
gib mir die gabe der sprache
gib mir das wasser des lebens
Dorothee Sölle in: Höre Gott! Psalmen des Jahrhunderts. Herausgegeben von Paul Konrad Kurz. Benziger Verlag, Zürich und Düsseldorf 1998.
Down On Me
In meinen grünen Tagen
fand ich die Liebe nie.
Ich blühte blind von Jahr zu Jahr,
rutschte aus auf meinem Samen
und wurd mir selber saure Frucht.
In meinen grünen Tagen.
In meinen feuerfarbenen Tagen
hielt ich die Liebe für eine stolze Frau.
Ihr Haar war lang und schwer wie Schlaf
und flog im Traum, im Gold des Traums,
davon wie Rauch.
In meinen feuerfarbenen Tagen.
Und in den Zeiten ohne Farbe,
vom Wein gemalt im schiefen Licht,
war ich den wenigsten ein Engel,
schien so vielen ohne Herz, machte
kunstvoll leere Worte und wußte doch:
Der Reim auf Schmerz, der wärs!
So kamen Leiden in Form schöner Dinge.
Während der Mond zunahm, wurde mein
Schatten dunkler, während Fehltritte abnahmen,
verzehnfachte sich ihr Gewicht.
In schwarzen Tagen kam die Warnung
als ein erstes silberweißes Haar.
Dann machte mir ein Frühling klar: So nicht!
Wer sich schwer nimmt, kann kaum fliegen.
Wer im Geld schwimmt, ist längst abgesoffen.
Wem der Himmel nicht Preis und Ehre bleibt,
der trägt eine Krone aus Stroh.
Denn dies affige Theater, das wir
Liebe nennen, ist nicht der ganze Gott.
Höchstens seine Augenfarbe.
Da wurde Schwärze noch mal Licht
und Sommer wieder Lied und Spiel.
Da hörte ich das »Danke« mit,
als lautlos eine Blüte fiel.
Aus: Ralf Rothmann, Gebet in Ruinen. Gedichte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2000.
ihre eitelkeit frißt die erde kahl
siehe herr
wo früher dein name wohnte
hausen nun die freßwütigen
die keinen hunger mehr und keine eigenen schritte haben
weil sie hinter dingen herlaufen
die sie nur besitzen können
ihre eitelkeit frißt die erde kahl
und verkennt deine stimme
Aus: Said, Psalmen. Mit einem Nachwort von Hans Maier. Verlag C. H. Beck oHG, München 2007.
Unterlassungssünden
Ja, ich habe unentschuldigt gefehlt.
Als die Not am größten war,
bin ich nicht herbeigeeilt.
Verpaßte Liebesnächte,
beim Völkerball eine Katastrophe,
nie richtig schwimmen gelernt.
Ja, ich habe es vermieden,
bis zur letzten Patrone zu kämpfen.
Unterlassen habe ich es,
dem Penner die Bruderhand zu küssen,
und beizeiten zu gießen
die fleißigen Lieschen des Nachbarn.
Vergessen zu beichten,
davor zurückgeschreckt,
die Welt zu verbessern,
nie rechtzeitig ein- und ausgestiegen,
versäumt, dreimal täglich
meine Pillen zu nehmen.
Ja, ich habe darauf verzichtet,
Leute umzubringen. Ja,
ich habe nicht angerufen.
Vorläufig habe ich sogar
davon abgesehen zu sterben.
Wenn ihr könnt, verzeiht mir.
Oder ihr laßt es bleiben.
Aus: Hans Magnus Enzensberger, Die Geschichte der Wolken. 99 Meditationen. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003.
Martin Stewen (2011)
Manfred Wussow (2005)
Hans Hütter (1996)