Kirche und Politik
„Soll sich die Kirche in die Politik einmischen?“ Diese Frage höre ich immer wieder. Wenn ich über diese Frage nachdenke, dann kommt mir eine andere Frage: Was ist überhaupt Politik? Politik – da denken wir doch alle erst einmal an die Parteien, an die Machthaber dieser Welt, an die Staatregierungen, an den Bundestag. Politik aber heißt noch für mich viel mehr. Politik hat mit der Gestaltung der Welt und auch des Zusammenlebens zu tun. Jede kleinste Entscheidung in einem Gremium ist schon Politik. Wenn sich in der Einrichtung, in der ich als Seelsorger tätig, sich der Hausbeirat zusammensetzt, wenn die Mitarbeitervertretung Beschlüsse fasst, dann ist das Politik. Es soll zum Wohle der Hausbewohner der Einrichtung entschieden werden. Ihre Lebensbedingungen sollen sich bessern. Das Handeln dieser Menschen, die sich einsetzen, soll Hoffnung schenken.
Ja, die Kirche soll sich in die Politik einmischen. Die Christen sollen sich einbringen in die Welt, in das Leben der Mitmenschen. Denn Jesus nennt uns, die wir seine Freunde sind, Licht der Welt und Salz der Erde. Zuerst meint das: den Glauben, die frohe Botschaft zu verkünden. Es bedeutet, ein Zeugnis geben von seinem eigenen Glauben. Dieses Zeugnis geschieht in Wort und in der Tat, in der Weise, wie ich lebe. Wir haben unseren Glauben nicht für uns selbst, zur eigenen Erbauung. Wir haben unseren Glauben, dass wir diese Welt ein wenig heller machen, schmackhafter für die Mitmenschen.
Ohne Licht kein Leben
Schauen wir uns die Bildworte an, mit denen Jesus das ausdrückt. Da ist das Bild vom Licht der Welt. Licht, ganz gleich ob es das Sonnenlicht meint, oder das Kerzenlicht oder das elektrisch erzeugte Licht – das Licht ist nicht wegzudenken. Ohne Licht könnten wir nicht leben. Es gäbe kein Sauerstoff. Pflanzen, die nicht genug Licht bekommen, gehen ein. Ohne Licht bliebe es dunkel. Nur, wenn das Licht sich verschenkt, dann kommt es zu seinem wahren Sinn. Dann ist es nicht zwecklos. Es gibt vieles, was das Leben der Mitmenschen schwer macht. Es gibt viele Menschen, die in der Dunkelheit leben: sie werden nicht gemocht, sie sind einsam, krank. Sie sehen in ihrem Leben keine Perspektive. Alles kommt ihnen so sinnlos vor. Ihr Leben wird zerstört, behindert, durch Kriege oder durch Arbeitslosigkeit. Sie brauchen andere, die ihnen Mut machen, sie aufrichten, ihnen beistehen. Es gibt Menschen, die suchen nach dem Sinn des Lebens. Sie sind ohne Orientierung und ohne Halt. Sie brauchen Menschen, die vom Glauben erzählen, von dem, was ihnen der Glaube an Gott schenkt.
Menschen, die an Gott glauben, können auf vielerlei Weise »Licht« sein. Jesaja zeigt Wege auf. „Teile den Hungrigen dein Brot aus, nimm den obdachlosen Armen in dein haus auf, wenn du einen Nackten siehst, bekleide ihn und entziehe dich nicht deinen Verwandten…“ Das sind Taten, die für viele gute Taten stehen. So wie Licht dort seinen Sinn findet, wenn es Räume heller macht, so werden wir erst dann zu Christen, wo wir für andere leben. Wir sind darauf ausgerichtet, nicht einfach nur für uns selbst zu leben.
Salz würzt
Das zeigt vor allem auch das Bild vom Salz der Erde. Ohne Salz wären viele Speisen nicht schmackhaft, wären fahl. Andererseits aber darf auch nicht zu viel Salz gegeben werden. Es muss dezent gestreut werden. Salz hat den Sinn, die Speisen zu würzen. Es ist nicht nur für sich selbst da. Allein ist Salz wertlos. Auch Salz hat nur dann Sinn, wenn es für etwas verwendet wird. Wir sind alle Christen, nicht für uns, sondern für andere. Wir sind Christen, in dem wir für andere leben. Oft geschieht das unscheinbar, im Stillen, im Kleinen. Das ist das Bild für Salz, das eben ganz dezent gestreut werden muss. Oft reichen nur ein paar Körnchen. Oft sind es die kleinen Taten, die kleinen Worte, die das Leben anderer schmackhaft machen.
Als Christen sind wir berufen Licht zu sein, Salz der Erde zu sein in allen Bereichen des Lebens, nicht eben nur in der Politik. Es ist ein guter Versuch, wenn sich Christen zusammentun, um eine christliche Siedlung zu gründen. Die Menschen versuchen dann, gemeinsam ihre Werte zu leben. Doch ist Abschotten nicht angesagt. In allen Bereichen kann ich ein Zeuge sein für Jesus Christus. Das kann der Sportverein ebenso wie die Nachbarschaft, das kann mein Arbeitsplatz sein wie der Kegelclub. Dabei muss ich nicht »missionieren«, das heißt andere versuchen zu bekehren. Wenn ich ein regelmäßiger Gottesdienstbesucher bin, dann kann ich doch dazu stehen. Ich habe die Chance zu sagen, dass der Besuch des Gottesdienstes eben nicht eine bloße Pflichtveranstaltung ist, sondern dass ich es als eine Zeit betrachte, in dem ich meine Liebe und meine Freundschaft mit Gott pflege. Ich kann mich einsetzen für das ungeborene Leben, dafür, dass auch Menschen mit einer Behinderung das Lebensrecht zugestanden wird. Wo es darauf ankommt, sich durchzusetzen und dieses auch mit unfairen Mitteln geschieht, da kann ich Fairness walten lassen.
Salz und Licht für andere sein
Eben, weil Jesus selbst mir durch sein eigenes Leben diesen Weg aufgezeigt hat, die Welt zu erneuern, eben weil Jesus selbst den Weg der Gewaltlosigkeit gegangen ist, weil er sich einsetzte für die armen, für die schwachen, eben, weil Jesus keinen Unterschied machte unter den Menschen, darum kann ich versuchen, seinen Weg zu gehen.
Dabei müssen wir einmal beachten, wie Jesus es sagt: „Ihr seid das Licht der Welt.“ Und nicht „Ihr sollt das Licht der Welt sein!“ oder: „Versucht das Licht der Welt zu sein…“ „Ihr seid“ – das bedeutet für mich: Jesus traut uns das zu, dass wir „Salz der Erde“ und „Licht der Welt“ auch wirklich sind. Weil Jesus uns das zutraut, darum macht er uns mit seinen Worten auch Mut, seine Jünger, seine Freunde zu sein.
Seine Freunde, seine Jünger können wir überall sein. Wir sollen uns einmischen, sicher nicht nur, aber auch in der Politik. Ich habe Achtung vor denen, die es tun und versuchen, als Christen und Christinnen für menschliche Werte, die aus dem Glauben kommen, eintreten. Die Welt soll immer mehr von der Liebe Gottesbestimmt sein, durch uns. Jesus traut es uns zu.