2. Lesung vom 4. Fastensonntag, Lesejahr B:
Eph 2,4-10
Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Epheser:
Schwestern und Brüder!
Gott, der voll Erbarmen ist, hat uns,
die wir infolge unserer Sünden tot waren,
in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat,
zusammen mit Christus wieder lebendig gemacht.
Aus Gnade seid ihr gerettet.
Er hat uns mit Christus Jesus auferweckt
und uns zusammen mit ihm einen Platz im Himmel gegeben.
Dadurch, daß er in Christus Jesus gütig an uns handelte,
wollte er den kommenden Zeiten
den überfließenden Reichtum seiner Gnade zeigen.
Denn aus Gnade seid ihr durch den Glauben gerettet,
nicht aus eigener Kraft - Gott hat es geschenkt -,
nicht aufgrund eurer Werke,
damit keiner sich rühmen kann.
Seine Geschöpfe sind wir,
in Christus Jesus dazu geschaffen,
in unserem Leben die guten Werke zu tun,
die Gott für uns im voraus bereitet hat.
Es wird das heilende Handeln Gottes beschrieben. Erbarmen, Rettung, Auferweckung, Geschenk sind die Stichworte. Wichtig ist an dieser Stelle die Konzentration auf Gott. Von ihm geht die Initiative aus.
Es wird davon ausgegangen, dass dieser Brief an die Gemeinde von Ephesos aus dem Kreis der Paulus-Schüler stammt und zwischen 70 und 90 n. Chr. verfasst wurde. Der Inhalt lässt auf eine weitestgehend gefestigte Gemeindestruktur schliessen.
Er besteht aus zwei Teilen: In den Kapiteln 1 und 2 geht es um theologische Aussagen, um die Bedeutung des göttlichen Heilswillen. Die Kapitel 3 bis 6 beschäftigen sich dann mit den praktischen Konsequenzen des göttlichen Plans für die Gemeinde. In der vorliegenden Perikope aus dem 2. Kapitel erläutert der Autor diesen Heilsplan.
Der Brief an die Gemeinde in Ephesus (Eph) zeigt sehr viele Ähnlichkeiten mit dem Brief an die Kolosser (Kol), die sich nur dadurch wirklich erklären lassen, dass man davon ausgehet, dass der Epheserbrief vom Kolosserbrief abhängig ist. Der Verfasser bearbeitet seine Vorlage aber sehr selbständig, bringt neue Teile und neue theologische Zielsetzungen ein.
Als eine Art Rundschreiben, das mehr auf das "Grundsätzliche" bezogen ist als der Kolosserbrief, war er eher für einen größeren Adressatenkreis bestimmt.
Der Brief unterteilt sich in zwei Abschnitte: ein theologischer Teil, der sehr zentrale Themen wie Tauf- und Erlösungstheologie, Einheit von Juden und Heiden und Gemeinde ausführt und ein Teil, in dem sich praktische Ermahnungen anschliessen, darunter auch eine immer wieder gern gebrauchte "Ehebelehrung" (5,21-33).
Nach einem doppelt ausgeführten Einleitungsteil im ersten Kapitel stellt der Verfasser die Konsequenzen des Heilhandelns Gottes für den einzelnen dar. Mit einer Art Negativfolie, die er an den Anfang stellt um die Ursprungssituation des Mensch zu zeigen, versucht er die Wirkung der Gnade Gottes zu zeigen. Gnade, griech. charis, steht für den überfließenden Reichtum der Liebe und Zuwendung Gottes, die nicht verdient oder durch Leistung erkauft werden kann, sondern deren wesentliches Merkmal es ist, dass sie geschenkt ist. Als Geschenk aber wieder ist nicht aufgezwungen, sondern kann angenommen oder abgelehnt werden. Im Glauben, der im Bekenntnis bezeugt und in der Taufe besiegelt wurde, geschieht die Annahme dieses Geschenkes.
Es deutlich sichtbarer Unterschied zur Theologie des Paulus zeigt sich hier in der sehr präsentischen Auffassung dieses Heilsgeschehens. Für den Verfasser des Epheserbriefes ist für den Getauften die Auferweckung und Rettung schon geschehen, dazu kommt noch ein eigenartiges Weltbild, das Erde und Himmel unterscheidet und in verschiedene Schichten teilt. Die von Gott geretteten gehören schon zum himmlischen Teil und sind den Mächten des irdischen Teils nicht mehr ausgesetzt. Dieses Verständnis hat Ähnlichkeit mit einem gnostischen Weltbild, das die Welt nicht wie im antiken Denken sonst üblich als dreigeteilt in Himmel, Erde und Unterwelt sieht, sondern stark dualistisch, zweigeteilt, geprägt ist: Himmel und Erde, Gut und Böse, Licht und Finsternis, oben und unten, lebendig und tot...; die trennende Mauer dazwischen kann nur mit der Hilfe eines Erlösers überwunden werden.
Der Epheserbrief versucht mit Hilfe dieser, aber schon verchristlichten Ideen, das Heilsgeschehen verständlich zu machen.
Die Kirche ist der Raum, der in beide Sphären hineinragt. In ihr ist das Heil schon gegenwärtig und von ihr ausgehend wird auch die Erde, der Kosmos mit heilerfüllt. Trotzdem sind die Gläubigen, die zur Kirche gehören, deren Haupt Christus ist, für den Autor des Epheserbriefes noch nicht am Ziel, trotz der Gegenwärtigkeits des Heils, oder vielleicht gerade deswegen, sind sie Angriffen ausgesetzt, in den sie sich bewähren müssen.
Die "irdischen" Auswirkungen der schon geschehen Rettung, ist diese Bewährung, die durch den Glauben und die Gnade sicher ist und die guten Werke.
Norbert Riebartsch (2012)
Martin Stewen (2009)
Regina Wagner (2000)