Ständig steigendes Wirtschaftswachstum?
Der Glaube an ein ständig steigendes Wirtschaftswachstum und damit verbundenem Reichtum kann Konjunkturberge versetzen. Dieser Eindruck entsteht bei der Durchsicht von Wirtschaftsnachrichten, von denen wir erwarten, dass nach einigen Abstürzen vor den einzelnen Daten wieder ein ganz großes Plus steht und sich die nachfolgenden Ziffern ständig erhöhen. Das ist menschlich verständlich und auch erfreulich, wenn wir unseren Lebensstandard und unseren Reichtum steigern können.
Das Gleichnis im heutigen Evangelium spricht von einem Mann, der unser Zeitgenosse sein könnte. Er will all das, was er erwirbt, gut anlegen, nichts vergeuden und auch für die Zukunft sein Leben absichern. Warum nicht, was ist fragwürdig daran? Normalerweise lernen wir in Elternhaus und Schule, aber auch später, einen Lebensplan zu erstellen, und da ist doch die materielle Absicherung in Immobilien, Geld, Kunstgegenstände nicht schlecht. Man muss nur gute Informationen, ausgezeichnete Beratung und eine geschäftstüchtige Hand haben, damit nichts verloren geht.
Trotz allem ist dieser Mann ein Pilger ohne Masterplan. Wobei unter Masterplan die Heilige Schrift zu verstehen ist, die eine Fülle von Lebens- und Glaubenserfahrungen bietet und immer auch auf unsere Vollendung in Jesus hinweist. Voraussetzung allerdings wir nehmen das an. Wir sind Pilger, Gäste auf dieser Erde. In dem Lied "Wir sind nur zu Gast auf Erden" heißt es: "Wir wandern ohne Ruh' mit mancherlei Beschwerden der ew'gen Heimat zu."
Ruhelose...
Tatsächlich: Ein ruhiges Leben für diesen Mann gibt es nicht. Er ist ein klassisches Beispiel für eine ICH-AG: ICH werde abreißen..., ICH werde neue Vorratskammern bauen..., ICH werde mich ausruhen und es MIR gut gehen lassen. Dann kommt alles ganz anders. Jeder von uns wird sich an Situationen erinnern, wo Vorhaben schon gut geplant waren und von einer Minute auf die nächste durch einen Schicksalsschlag - er muss nicht immer gleich tödlich sein - all unsere Pläne durchkreuzt sind.
Die Texte dieses Sonntags zeigen zwei besonders auffällige Schwerpunkte, die viele Fragen nach einer Sinnrichtung, nach Vollendung in Gott aufwerfen. Es geht um Reichtum und Vergänglichkeit. Kohelet, ein etwas pessimistischer Weisheitslehrer und Prophet des 3. Jhdts. v. Chr., sagt sehr nüchtern: Reichtum ist vergänglich. Wie ein Windhauch geht alles vorbei, auch unser Leben. Auch das, was wir besitzen, ist uns nur auf Zeit geliehen, selbst wenn wir es unser Eigentum nennen.
Jesus greift nicht den Reichtum an. Er wird seinen Jüngern an anderer Stelle im Evangelium sagen, dass man damit viel Gutes tun kann. Lasse an all dem, das du nicht verwendest, auch andere teilnehmen, vor allem die, die in Not und Elend leben. "Das Leben eines Menschen hängt nicht von seinem Vermögen ab" (Lk 12,15). Was ist dann eine "gute Ernte" (Lk 12,16)? Es sind die zeitlosen Schätze, die wir bei Gott ein Leben lang sammeln. Diese können sich ohne weiteres auch in materieller Unterstützung für Notleidende zeigen, es geht aber auch um sehr ideelle Dinge: Zeit schenken, zuhören können, Hilfe geben, das mutige Wort ergreifen, wo andere hilflos sind.
Zu großes Vermögen verleitet zur Gier, eine der sieben Gefährdungen, die auch in der Heiligen Schrift immer wieder angesprochen wird. Man verspielt damit gute menschliche Beziehungen durch unnötige Konflikte, aber auch die Beziehung zu Gott wird getrübt. Halten wir uns vor Augen, was Erbschaftsstreitigkeiten anrichten können, von denen auch im Evangelium die Rede ist.
...Leere
Jesus macht in diesem Gleichnis dem Mann bewusst, welche dramatische Leere sich hinter der Ideologie des "Immer-besser", "Immer-mehr", "Immer-höher", "Immer-schneller" auftut. Angesichts der Finanzkrise sehen wir, dass Geld auch in rauen Mengen einen Absturz ins Bodenlose bringen kann.
In der zweiten Lesung steht ein sehr bemerkenswerter Satz: "Richtet euren Sinn auf das Himmlische und nicht auf das Irdische." (Kol 3,2). Mit sehr irdischen Worten ausgedrückt: Baut ab, was diskriminierend ist an schlechten Eigenschaften, was die Menschenwürde verletzt und zur Benachteiligung im Leben jedes einzelnen führt.
Jesus weist dem Mann im Gleichnis auch auf die Vergänglichkeit hin. Der große Abschied am Ende des Lebens begegnet uns in vielen anderen Varianten. Wenn etwas zu Ende geht, kommt Neues, Ungewisses, Unsicheres. Der große Abschied am Ende des Lebens ist Durchgang zu neuem Leben. Da wird sich zeigen, welche Schätze wir gesammelt haben, zeitlich begrenzte oder doch auch unvergängliche.
Was brauchen wir somit zum Leben? Wenn Sie Ihr Urlaubsgepäck zusammenstellen oder zu einer Wanderung aufbrechen, werden Sie genau auswählen müssen, was lebensnotwendig ist. Versuchen wir schon während unseres Lebens genau auszusuchen, was notwendig ist, Ballast abzubauen, um eine "gute Ernte" bei Gott einzubringen. - Amen.