Vom Auferstandenen geht immer wieder neue Lebenskraft aus.
Vor uns ist die neue Osterkerze hoch aufgerichtet. In uns klingt noch nach, was der Evangelist Johannes von der Auferstehung berichtet hat. Auferstehung ist ein Ereignis, das alle unsere Vorstellungen und unser Verstehen sprengt. Wie Licht von der Osterkerze ausgeht, so ging und geht immer noch neue Lebenskraft vom Auferstandenen aus. Auferstehung ist nicht bloß ein längst vergangenes Ereignis. Auferstehung setzt sich fort bis in die Gegenwart, bis in unsere Nähe, und kann und will auch in uns geschehen. Das möchte ich mit einigen Beispielen aus der Kirchengeschichte nahebringen:
Saulus:
Der Auferstandene begegnet dem Saulus auf seinem Weg nach Damaskus, lässt ihn zu Boden stürzen und gibt ihm zu erkennen, dass er in den Christen ihn selber, den Auferstandenen verfolgt. Ab diesem Zeitpunkt lebt Paulus aus dieser zentralen Erfahrung mit dem Todesüberwinder Christus und wird zum größten Missionar der apostolischen Zeit. Aus dem Leben mit dem Auferstanden überwindet Paulus Gefahren und Entbehrungen und hat keine Angst vor Gefängnis und Tod. In der Apostelgeschichte (Apg 20,24) spricht Paulus glaubensstark: "Mit keinem Wort will ich mein Leben wichtig nehmen, wenn ich nur meinen Lauf vollende und den Dienst erfülle, der mir von Jesus, dem Herrn, übertragen wurde: das Evangelium zu bezeugen."
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Franziskus:
Ein Zeuge für die Auferstehung ist auch der hl. Franziskus: Mit 23 Jahren kehrt Franziskus auf halbem Weg zu seinem Kriegsherrn Walter von Brienne um, weil ihm klar geworden ist: auch die größten Herren sind nichts anderes als Diener. Nur einer ist wirklich Herr, und der lebt über allen Kreaturen.
Ein zweites Ereignis gibt dem Franziskus eine neue Richtung. Als Anführer der Tänzergemeinschaft bewegt er sich im Tanzschritt durch die Straßen, singend und musizierend. Plötzlich bleibt Franz zurück und steht regungslos da. Was um ihn herum vor sich geht, kommt nicht mehr an ihn heran. Eine größere Kraft bricht in ihm auf. Sie macht aus ihm, was diesen Heiligen bis heute auszeichnet und was unser jetziger Papst Franziskus aufgreift.
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Alfons von Liguori:
Der Auferstandene wirkt weiter. Dazu wähle ich ein Beispiel aus dem Leben des hl. Alfons von Liguori: Als Kleriker sammelt er eine Handvoll Gleichgesinnter. Abends treffen sie sich zum Gebet und tauschen in begeisterten Gesprächen ihre Glaubenserfahrungen aus. Daraus entstehen die sogenannten Abendkapellen, die 1798 bereits 85 Kreise mit ca. 1.000 Teilnehmern hatten. 1834 zählte man ca 100 Kreise mit je 300 Teilnehmern. Nochmals 50 Jahre später sind es 30.000 Mitglieder.
Eine Idee und viele Gebetserfahrungen haben zu neuem Leben geführt.
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Mutter Teresa:
Auch Mutter Teresa könnte von vielen Erfahrungen sprechen, die mit dem Auferstandenen zu tun haben: Das Schicksal der Armen versetzt sie in Unruhe, die zu einer zweiten Berufung führt. Sie schreibt: 1946 fuhr ich nach Darjeeling, um Exerzitien zu machen. Dort im Zug hörte ich den Ruf, alles aufzugeben und Jesus in die Elendsviertel zu folgen, um ihm unter den Ärmsten der Armen zu dienen. Was in den weiteren Jahren entstand, wäre ohne den Auferstandenen nicht möglich gewesen.
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Bischof Franz Xaver Nguyen van Thuan:
Noch ein Beispiel, wo ich Auferstehung spüre, ist gar nicht so lange her: Bischof Franz Xaver Nguyen van Thuan schmachtet in Vietnam in Einzelhaft. Über Wochen sieht er nur zwei Wächter, die lediglich mit "Ja" und "Nein" antworten. Er frägt sich: "Was könnte ich tun?" Eines Nachts kommt ihm ein Gedanke: "Franziskus, du bist noch sehr reich. Du trägst die Liebe Christi in deinem Herzen." Am Tag darauf beginnt er, diese Wächter zu lieben durch ein Lächeln und höfliche Worte. Er fängt an, Geschichten von seinen Auslandsreisen zu erzählen: Er schildert ihnen, wie die Völker in Amerika, Kanada, Japan, auf den Philippinen, in Frankreich, Deutschland, usw. leben. Seine Erzählungen haben ihre Neugier geweckt und sie zu allerlei Fragen veranlasst, die sie ihm auch prompt stellten. Allmählich werden sie Freunde. Sie wollen Fremdsprachen lernen: Französisch, Englisch, usw. Seine Wächter werden seine Schüler! Die Atmosphäre im Gefängnis hat sich geändert. Als die Polizisten die Aufrichtigkeit zu seinen Wächtern erkannten, bitten sie, ihnen nicht nur beim Erlernen der Fremdsprachen zu helfen, sondern schicken ihm sogar neue Schüler.
Bischof Nguyen van Thuan weiß sich als Schüler des auferstandenen Christus. In vertrauensvollen und bedrängten Gebeten holt er sich Kraft, seine Feinde zu lieben. Denn sein Herr, der Auferstandene hat seine Liebe fortgesetzt bis zur Qual am Kreuz und darüber hinaus. Diese Liebeskraft, die stärker ist als der Tod, hat Bischof Nguyen van Thuan erfahren dürfen und vielen anderen erleben lassen.
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Auferstehung im eigenen Leben:
Liebe Mitchristen, Auferstehung lebt weiter in vielfältigen Formen. Sie muss nicht sensationell sein und kann jeden Menschen aufrichten, gleichsam auferstehen lassen. So ist es normal, dass Menschen in existentiellen Situationen eine Phase der Depression durchmachen und aufgeben wollen. Wenn sie hierin aber eine entsprechende menschliche und medizinische Begleitung erfahren, kommen sie aus diesem Tal wieder heraus. So können sie fähig werden, ihr Schicksal anzunehmen und sehr bewusst die nächsten Schritte zu gehen.
Möge der Glaube an den Auferstandenen auch uns dazu befähigen.
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