Hinführung:
In der ersten Lesung hören wir ein sehr altes Glaubensbekenntnis, das dankbar die rettende Geschichte Gottes mit seinem Volk bekennt. Alle sind eingeladen, in diesen Dank einzustimmen.
Lesung aus dem Buch Deuteronomium:
In jenen Tagen sprach Mose zum Volk:
Wenn du die ersten Erträge
von den Früchten des Landes darbringst,
dann soll der Priester
den Korb aus deiner Hand entgegennehmen
und ihn vor den Altar des HERRN, deines Gottes, stellen.
Du aber
sollst vor dem HERRN, deinem Gott,
folgendes Bekenntnis ablegen:
Mein Vater war ein heimatloser Aramäer.
Er zog nach Ägypten,
lebte dort als Fremder mit wenigen Leuten
und wurde dort
zu einem großen, mächtigen und zahlreichen Volk.
Die Ägypter behandelten uns schlecht,
machten uns rechtlos
und legten uns harte Fronarbeit auf.
Wir schrien zum HERRN, dem Gott unserer Väter,
und der HERR hörte unser Schreien
und sah unsere Rechtlosigkeit,
unsere Arbeitslast und unsere Bedrängnis.
Der HERR führte uns mit starker Hand und hoch erhobenem Arm,
unter großem Schrecken,
unter Zeichen und Wundern aus Ägypten,
er brachte uns an diese Stätte und gab uns dieses Land,
ein Land, wo Milch und Honig fließen.
Und siehe, nun bringe ich hier die ersten Erträge
von den Früchten des Landes, das du mir gegeben hast, HERR.
Wenn du den Korb vor den HERRN, deinen Gott, gestellt hast,
sollst du dich vor dem HERRN, deinem Gott, niederwerfen.
Mit dem Abschnitt aus dem Buch Deuteronomium beginnen die alttestamentlichen Lesungen in der Fastenzeit.
Klarer Aufbau des Textes
Der Text hat eine klare Gliederung. Umschlossen von einer Rahmenhandlung (VV. 4, 5a und 10b) steht im Zentrum ein sehr altes Glaubensbekenntnis (VV. 5b–10a). Im liturgischen Lesungstext ist die Rahmenhandlung nur verkürzt wiedergegeben. Es handelt sich um ein Erntedankritual, das am Tempel vollzogen werden sollte (vgl. Dtn 26,1–3.11).
Auch das Glaubensbekenntnis ist deutlich strukturiert. Es folgt dem Schema Not-Klage – Errettung aus der Not. Dadurch wird der Kontrast zwischen der früheren Bedrängnis und der heutigen Überfülle an Gutem überdeutlich.
Den Glauben bekennen heißt: erinnern und erzählen
Die Lesung lädt zu einem persönlichen Glaubensbekenntnis ein. Dabei geht es nicht darum, abstrakte Glaubenswahrheiten aufzuzählen. Vielmehr soll die geschichtliche Erfahrung von Gottes rettendem Handeln erinnert und vergegenwärtigt werden. Die Beter/innen werden eingeladen, dieses Bekenntnis in der „Ich-Form“ zu sprechen und sich dadurch mit der Geschichte des Gottesvolkes persönlich zu identifizieren. Es ist eine Geschichte von Heimatlosigkeit und der Suche nach erfülltem Leben, von Unterdrückung und Leid und dem rettenden Eingreifen Gottes. Gott erhört die Klagen seiner Kinder und führt sie in die Freiheit. Sein Handeln wird in der altorientalischen Bildersprache beschrieben, wie sie auch im Buch Exodus begegnet: „... mit starker Hand und hoch erhobenem Arm, unter großem Schrecken, unter Zeichen und Wundern“ (V. 8; vgl. dazu Ex 15,1–12).
Diese Erinnerung an Not und Errettung soll mit Blick auf die Früchte des Landes geschehen, die vorher auf den Altar gestellt wurden. Es ist keine Selbstverständlichkeit, in Frieden und Wohlstand leben zu dürfen. Dankbar sollen wir Gott als Urheber unseres Lebensglücks erkennen.
Geteilte Freude
In der Lesung ist leider der letzte Vers ausgelassen worden: „Dann sollst du fröhlich sein und dich freuen über alles Gute, das der Herr, dein Gott, dir und deiner Familie gegeben hat: du, die Leviten und die Fremden in deiner Mitte.“ (V. 11). Erinnern, Bekennen und das Überbringen der Gaben sollen nicht in einer Haltung angstvoller Unterwürfigkeit erfolgen, sondern in Dankbarkeit und Freude. Diese Freude sollen
auch andere spüren dürfen: die eigene Familie, die mit einem Dienst für Gott Beauftragten und sogar die Fremden. Auch wenn die erzählten Tempelrituale heute keine Rolle mehr spielen – die Grundhaltung, die diese Lesung vermittelt, darf uns nicht verloren gehen. So lädt dieses alte Bekenntnis auch uns ein zur Dankbarkeit als Grundhaltung des eigenen Lebens. Dankbar sollen wir uns der Taten Gottes erinnern
und ihn als unseren Befreier feiern.
Ralf Huning SVD
In der ersten Lesung aus dem Buch Deuteronomium geht es um das Darbringen der Erstlingsfrüchte. Mose wendet sich an die Sippenoberhäupter und beschreibt, wie die Erstlingsgaben in rechter Weise dargebracht werden sollen. Die Handlung besteht zunächst in der Übergabe des Korbes an einen Priester, der den Korb dann vor den Altar stellt. Nachdem dies geschehen ist, soll sich das Familienoberhaupt vor dem Herrn niederwerfen. Mit diesem Ritus wird vielleicht ein alter kanaanäischer Erntebrauch auf Jahwe hin umgedeutet. Sowohl bei der Darbringung der Gaben als auch beim Niederwerfen wird betont, dass es allein Jahwe ist, dem der Dank gilt. Nur Jahwe gilt die Ehre.
Diese Handlungen werden mit einem Bekenntnis verknüpft. Dieses Bekenntnis, das auch als das "kleine historische Credo Israels" bezeichnet wird, erinnert an die Heilstaten Gottes. Das Bekenntnis betont den Kontrast zwischen der Nomadenexistenz der Vorfahren und der gesicherten Existenz der gegenwärtigen Generation. Gott ist es, dem der Besitz des Landes zu verdanken ist, das die Früchte hervorgebracht hat.
Bei dem Credo (Verse 5–9) handelt es sich um einen kunstvollen Prosatext. Er lässt sich in 4 Abschnitte zu je 3 Sätzen aufteilen (Vers 5, Vers 6, Vers 7, Vers 8f.), die außerdem noch in sich dreigegliederte Satzpassagen vorweisen. Die Geschichte wird vor einem besonderen Horizont gedeutet. Es geht um die Befreiung aus der Sklaverei (Motiv: Versklavung - Befreiung). Der Aufbau folgt zudem folgendem traditionellen Schema: Not (Vers 6) - Klage - Erhörung (Vers 7) - helfendes Eingreifen Gottes (Verse 8f). Die Konzentration auf das befreiende Handeln Gottes erklärt auch, dass die Führung durch die Wüste und die Ereignisse am Sinai fehlen.
Die Formulierungen enthalten viele Anspielungen auf die alten Auszugserzählungen in Vers 8.
Die Freiheit, die nun durch das Eingreifen Gottes geschenkt ist, bedeutet in der altorientalischen Wirtschaftstruktur den Landbesitz, der nicht gestört wird, weder durch feindliche Übergriffe, noch durch Naturkatastrophen.
Die Lesung aus dem Buch Deuteronomium beschreibt einen Erntedankritus, den ein Familienoberhaupt nach der Erntearbeit im Jerusalemer Tempel zu vollziehen hatte. In diesen Dankritus eingearbeitet ist eine Art Glaubensbekenntnis, das die Geschichte des Volkes Israel - die Vorgeschichte auch der Familie, die den Erntedack feiert - zusammenfaßt.
Das Bekenntnis beginnt beim Nomadendasein der aramäischen Vorfahren, die unter die Vorherrschaft der Ägypter geraten sind. Dort wurden sie zwar zahlreich, lebten jedoch auf der untersten gesellschaftlichen Stufe. Gott erhört das Schreien seines Volkes, erweist sich als Jahweh ("Ich bin der 'Ich bin da'") und fürhrt sie in dieses Land, das sie nun bewohnen und bewirtschaften. Es ist sagenhaft reich. Es fließt von Milch und Honig.
Jedes Wort des Bekenntnisses spielt auf Momente der Exoduserzählung an. Die Befreiung endet noch nicht mir der Inbesitznahme des Landes. Sie reicht bis zur Eroberung Jerusalems und Errichtung des Tempels durch David und Salomo.
Als Anerkennung dieser von Jahweh gestalteten Geschichte vollzieht das Familienoberhaupt den Erntedankritus, bei dem es sich vor Gott niederwirft.
Bibelwerk der Diözese Linz (2025)
Christiane Herholz (2004)
Hans Hütter (1998)