Ja...
Was ist das? Hört sich blendend gut an, schafft es in die Zeitung und hinterlässt traurige Gesichter ... Blendend gut? Zeitung? Traurige Gesichter? Hm. Ich wette, Sie kommen nicht drauf. Es ist ein "Ja", das aber kein "ja" ist.
In der Süddeutschen Zeitung zum Beispiel - immerhin ein Blatt mit Weltgeltung - heißt es unter dem 16. September, also gerade ein paar Tage alt: "Viel ankündigen, wenig halten: Die Banken beteiligen sich deutlich geringer an der Griechenland-Rettung als erwartet. Nach SZ-Informationen müssen sie nicht auf 21 Prozent, sondern lediglich auf acht Prozent ihrer dortigen Investments verzichten. Und im Falle einer griechischen Insolvenz haften die Steuerzahler sogar weitgehend allein."
Zunächst: eine Nachricht wie jede andere, zugegeben: schon ein wenig gefärbt. Was hier wohl wieder versprochen wurde? Öffentlich? Ich muss gestehen, nicht einmal alles mitbekommen zu haben. Aber der Satz hat es in sich: "Viel ankündigen, wenig halten". Unverhofft sind wir bei der Zeitungslektüre mitten in das Evangelium geraten. Sohn Nr. 1 sagt Ja zu seinem Vater - und verschwindet dann spurlos. Er wird nicht halten, was er versprochen hat. Er wird auch nichts erklären. Sein "Ja" geht sang- und klanglos unter. Überraschenderweise: Sogar folgenlos - zunächst. Aber die Geschichte kommt mir, Hand aufs Herz, bekannt vor.
Manchmal sage ich auch "ja" - im Überschwang - oder weil es gerade von mir erwartet wird - oder einfach auch nur, weil ich jetzt meine Ruhe haben will. Ein "ja" fliegt nur so über die Lippen - ich muss nicht einmal viel nachdenken. Berechnend kann gleichwohl alles sein, was ich sage. Manches "Ja" tut dann auch richtig gut. Helden sagen nicht nein - sie können alles. Dass dann manches, was unter den Hut gebracht werden soll, unter den Teppich gekehrt werden muss - ich bekomme es mit der Angst zu tun.
Sehnsucht nach Verlässlichkeit
Wir nehmen die Spannung wahr: Im Fall der Zeitungsmeldung erwarten wir, dass Vereinbarungen eingehalten werden - im Blick auf unser Leben spielen wir mit dem, was wir sagen. Dabei sehnen wir uns danach, dass wir uns auf andere Menschen verlassen können. Am liebsten wäre uns, wenn ein "Ja" auch ein "Ja" ist. Wir können sehr empfindlich reagieren, wenn wir versetzt worden sind. Traurig - oder wütend - sind wir dann auch.
Jesus erzählt eine Geschichte von einem verlorenen "Ja". In seiner Geschichte geht es um Menschen, die einmal "ja" gesagt haben - zu Gott, zu seinem Willen, zu seinem Weg. Viele haben es sehr ernst gemeint - und konnten ihr "Ja" nicht durchhalten. Viele haben das "Ja" auch nur so gesagt - und meinten es nie ernst. Die ganze Bandbreite des Lebens finden wir in dem "Ja". Kann Gott versetzt werden, hereingelegt und ausgenutzt? Ist Gott dann auch traurig - oder wütend?
Interessanterweise: Jesus erzählt in seiner kleinen Geschichte nichts von einer Reaktion des Vaters. Wir bleiben mit unseren Vorstellungen unter uns. Es sind menschliche Vorstellungen. Gott passt ohnehin nicht in sie hinein. Zu seinem Namen gehört, dass er treu ist, zu seinem Wort steht - und "ja" zu uns sagt.
In dem großen Hymnus, den Paulus überliefert, heißt es:
Er war Gott gleich,
hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein,
sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave
und den Menschen gleich.
Sein Leben war das eines Menschen;
er erniedrigte sich
und war gehorsam bis zum Tod,
bis zum Tod am Kreuz.
Darum hat ihn Gott über alle erhöht
und ihm den Namen verliehen,
der größer ist als alle Namen,
damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde
ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu
und jeder Mund bekennt: "Jesus Christus ist der Herr" -
zur Ehre Gottes, des Vaters.
Von Bedingungen erzählt Jesus nichts. Er lauscht aber, wenn Menschen "ja" sagen. Er hört sehr aufmerksam zu. Er bekommt auch die Zwischentöne mit. Auch das, was ich eigentlich sagen möchte, aber mich nicht zu sagen traue.
Herr, erbarme dich!
Wir sind jetzt zum Gottesdienst versammelt. Wir haben also "Ja" gesagt. In jedem Lied, das wir singen, steckt ein "Ja". In jedem Friedensgruß, den wir teilen, steckt ein "Ja". Heute morgen. Früher auch schon: bei der Taufe, bei der Firmung, bei der Trauung. Wir sagen "Ja" zu Menschen. Wir sagen "ja" auch zu unserem Bekenntnis: Ich glaube an... Wie schwer es dann werden kann, mit dem "Ja" zu leben, wissen wir auch. In jedem Gottesdienst bitten wir: Herr, erbarme dich.
Über die anderen wollen wir keine Worte verlieren. Über die vielen Getauften, die nicht mehr zu unserer Gemeinschaft gehören wollen - oder können. Es gibt viele Gründe, Abgründe, auch viele Geschichten, die Menschen erzählen. Geschichten von einem verlorenen, von einem verloren gegangenen "Ja". Wir wollen sie Gott befehlen, sie ihm ans Herz legen. Er sammelt nicht nur Tränen auf, er sammelt auch verlorene "Ja's".
Das umgewandelte "Nein"
Aber wenn wir schon bei den "Ja's" sind: Leuchtendes Vorbild ist das umgewandelte "Nein". Sie erinnern sich an Sohn Nr. 2? Er sagt, glatt heraus "nein" zu seinem Vater. "Ich will nicht!" Was in seinem Kopf, was in seinem Herzen vorgeht - wir erfahren das nicht. Nur: Er tut am Ende den Willen seines Vaters. In der Geschichte ist es ein Weinberg, in dem er arbeiten soll. Langer Tag, harte Arbeit, karge Kost. Ich habe das "Nein" nur zu gut verstanden - und bin jetzt überrascht. Das gibt es also auch: aus einem "Nein" wird ein "Ja".
Die wohl aufregendste Pointe in der Geschichte Jesu ist, dass Menschen, denen ich immer nur ein "nein" zugetraut habe, Gottes Willen ernstnehmen. Vielleicht sogar, ohne sich Christen zu nennen. Unsere Vorstellungen zu teilen. Unserer Gemeinde nahe zu stehen. Dass Jesus tatsächlich Zöllner und Dirnen - den Abschaum seiner Zeit - herausstellt, ist starker Toback. Alle Frommen zucken zusammen. Heilsam ist auch das. Sonst bleiben wir in unseren Ja-Sager Kreisen allein.
Jesus traut uns zu, dass wir dem, was Gott will, höchste Priorität verleihen - und nach seinem Wort leben. Jesus wirbt förmlich um uns, damit wir ein "Nein" zurücknehmen - und beherzt bei unserem "Ja" bleiben. Wir können dabei auch nur wachsen. Wir können unseren Weg finden. Wir können glücklich werden. Jesus möchte, dass sein Reich, das Reich Gottes, unsere Heimat ist. Mit den besagten Zöllnern und Dirnen. Daran werde ich mich noch gewöhnen - müssen.
Der Wille Gottes
Den Willen Gottes hat Paulus in seinem Brief an die Gemeinde zu Philippi - in Kleinasien - so in Worte gekleidet:
Wenn es Ermahnung in Christus gibt,
Zuspruch aus Liebe,
eine Gemeinschaft des Geistes,
herzliche Zuneigung und Erbarmen,
dann macht meine Freude dadurch vollkommen,
dass ihr eines Sinnes seid,
einander in Liebe verbunden,
einmütig und einträchtig,
dass ihr nichts aus Ehrgeiz und nichts aus Prahlerei tut.
Sondern in Demut schätze einer den andern höher ein
als sich selbst.
Und der Friede Gottes,
der höher ist als alle Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.