Sich im Alltag vergeblich mühen
Was die Jünger Jesu hier in ihrem Alltag als Fischer erleben, kennen wir alle: Wir mühen uns ab - doch vergeblich, der Erfolg bleibt aus. Sei es zuhause, wenn das frisch geputzte Haus im Nu wieder schmutzig wird. Oder auf der Arbeit, wo viel Arbeitskraft und Ideen in ein neues Projekt investiert werden und der Auftrag dann platzt. Wenn wir zu einem Fest oder einer Veranstaltung einladen und kaum einer kommt. Oder mit viel Engagement Kinder auf ihre Erstkommunion vorbereitet werden und danach kaum eines in Kontakt mit der Gemeinde bleibt. Auch versucht man liebevoll und nach bestem Wissen seine Kinder zu erziehen, sie für das Leben zu rüsten, und muss doch manchmal erleben, dass sie andere Wege einschlagen, als man für sie wünscht. Alle Mühe scheint umsonst - wie beim vergeblichen Fischfang der Jünger.
Menschen wie Jesus begegnen
Ob wir - wie die Jünger - auch diese andere Erfahrung machen können, nämlich mitten im manchmal frustrierenden Arbeitsalltag Jesus zu begegnen? Ich denke schon.
Jesus, Gott im Menschen, begegnet uns in einem, der - wie Jesus am Ufer - einfach da ist, mein Mühen und meine Erfolglosigkeit sieht und meine Enttäuschung mit aushält. Ohne sie durch Mitleid zu verschlimmern oder mit Ratschlägen besserwisserisch aufzutreten.
Wenn eine - wie Jesus den Jüngern - mir liebevoll Mut macht, es doch einmal ganz anders zu versuchen. Und mich so durch seine Worte oder sein Beispiel befreit aus eingefahrenen, hinderlichen Verhaltensmustern.
Oder wenn einer - wie Jesus am Kohlenfeuer - mir Essen zubereitet, mich mit ganz konkreter Hilfe versorgt. Wenn er das nicht gönnerhaft von oben herab tut, sondern - wie Jesus die Jünger um die Fische bittet - meinen Beitrag dazu erbittet, soviel ich eben geben kann.
Wenn wir - wie Jesus und die Jünger - miteinander unser Essen und unser Zusammensein genießen.
Wenn wir - wie Jesus und die Jünger - miteinander schweigen können und ohne viele Fragen und Worte einfach umeinander wissen und uns nahe sind.
Wenn mich eine - wie Jesus - nicht nach Erfolg und Misserfolg beurteilt, sondern mich so annimmt, wie ich bin, und sich darüber freut, dass ich da bin. Ein Kind vielleicht, das - ins Spiel vertieft - ganz bei sich selbst ist und mich mit dieser Gelöstheit ansteckt.
Begegnungen neu deuten
Solche - auf den ersten Blick vielleicht unspektakulären - Begegnungen mitten in unserem Alltag lassen mich aufleben - auch in Zeiten vergeblichen Mühens. Vielleicht entdecke ich durch sie eine neue, ganz andere Weise, etwas anzupacken. Oder die Vergeblichkeit meines Tuns verliert an Bedeutung, weil ich eine neue Erfahrung gemacht habe: dass ich als Person jemandem wichtig und lieb bin, auch wenn ich keine Leistungen und Erfolge vorweisen kann.
Manchmal spüren wir in solchen Momenten ganz deutlich Gottes Nähe. Ein anderes Mal erkennen wir ihn - wie die Jünger - erst nach und nach oder ganz im Rückblick. Oder es braucht - wie bei den Jüngern im Boot - das Gespräch mit einem anderen suchenden Menschen. Dann hilft uns sein Hinweis, unsere Erlebnisse neu zu deuten - eben als Begegnung mit Gott im Menschen, mit dem auferstandenen Jesus.
Den neuen Blick einüben
Ein liebevoller Blick auf unseren Alltag und der Austausch mit anderen können uns also helfen zu entdecken, wo Jesus mitten in unserem eigenen Alltagsleben erscheint. Vielleicht müssen wir zuerst manche feste Vorstellung loslassen, zum Beispiel, dass Gottesbegegnung nur im Gottesdienst stattfindet, in Sternstunden des Lebens oder manchmal in Krisen, in denen uns ein anderer zum Engel wird. Jesus auch im Gewöhnlichen, Unscheinbaren zu finden, dafür lässt sich eine offene Haltung einüben und der Blick schärfen.
Eine bewährte Möglichkeit ist der abendliche Tagesrückblick mit "liebevoller Aufmerksamkeit": An einem ruhigen Ort und zu einer ruhigen Zeit, bitte ich Gott, meinen Tag mit offenen Augen und Ohren liebevoll wahrnehmen zu können. Ich schaue zurück auf das, was ich erlebt habe, besonders darauf, wo ich in Ermutigung, Trost und Hoffnung seine Nähe erfahren durfte, wo ich in der lebendig machenden Begegnung mit anderen Menschen Jesus erkennen kann. Was sich an Dank und Bitten für mich daraus ergibt, spreche ich vor Gott aus. Wenn ich einen solchen Tagesrückblick regelmäßig übe, werde ich auch mitten im Alltag sensibler für Zeichen der Nähe Gottes.
Für die Jünger Jesu war es "schon das dritte Mal, dass Jesus ihnen erschien". So ist auch für uns gewiss: er kommt immer wieder, mehr noch: er ist immer schon da - mitten in unserem Alltag.
Claudia Simonis-Hippel, in: Bernhard Krautter/Franz-Josef Ortkemper (Hg.), Gottes Volk Lesejahr A 4/2011. Verlag Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 2011, S.93-104.