entschieden
Eine junge Frau liest eine ganze Nacht durch eine Lebensbiographie einer großen Heiligen. Als sie das Buch durchgelesen hat, macht sie es zu. Sie sagt zu sich: Das ist die Wahrheit. Sie beschließt, künftig als Christin zu leben. Später kommt sie in einem holländischen KZ ums Leben. Denn sie ist Jüdin. Ich spreche von Edith Stein. Auch sie ist inzwischen heiliggesprochen worden.
Ein junger Mann, sehr reich, beliebt bei seinen Freunden. Die Zukunft steht ihm offen. Er hat die Chance, das reiche Geschäft seines Vaters zu erben. Als junger Mann nimmt er an den Kriegen zwischen den Städten teil. Er gerät in Gefangenschaft. Auf dem Weg nach Hause begegnet er einem Bettler. Er beschließt, das reiche Leben aufzugeben. Fortan lebt er arm. Ich spreche von Franz von Assisi.
Diese Beispiele haben eines gemeinsam. Als Edith Stein und Franz von Assisi ihren Weg erkannt haben, gehen sie ihn ganz entschlossen. Nichts kann sie mehr abhalten. Ich vergleiche diese Glaubensgeschichten mit dem, was wir im Evangelium gehört haben. Jesus verkündet das Reich Gottes. Er lädt die Menschen zur Umkehr ein. Denn viele Zeitgenossen gehen auf einem falschen Weg. Sie meinen, das Leben ohne Gott oder ohne auf Gottes Gebote meistern zu können.
Doch für sein Wirken braucht er Menschen. Er beruft dazu Menschen. Alle verlassen sofort ihr Leben, ihre Arbeit und ihre Verwandten. Welche eine Ausstrahlung muss Jesus wohl gehabt haben. In diesem "sofort" oder "sogleich" wird deutlich: zum Glauben, zu einem Leben mit Jesus, aus seinen Geboten heraus, dazu braucht es echte Entschlossenheit. Mir hat diese Entschlossenheit immer gefallen.
Zeit des Wachsens und des Reifens
Doch ich glaube auch was anderes: bis die Apostel zu dieser Entschlossenheit kamen, wie wir sie im Evangelium hören, dazu brauchte es Zeit. Vom ersten Kennen lernen bis hin zum Ruf Jesu dauerte es sicher eine Zeit. Ja, der Glaube braucht eine Zeit des Wachsens und des Reifens. Niemals ist der Glaube etwas, was einmal fertig ist. Im Gegenteil. Glauben geht durch Phasen des Zweifels, wie auch der geistlichen Trockenheit. Ebenso braucht es Zeiten, in denn wir den Glauben als etwas erfahren, das dem Leben Sinn gibt, das unser Leben bereichert, das uns Halt und Hoffnung gibt. Stets braucht der Glaube die Erneuerung.
Wer sich genauer mit den Glaubensgeschichten von Edith Stein oder eines Franz von Assisi beschäftigt oder auch noch andere Heiligenleben kennt, spürt: diese Menschen hatten Phasen, in denen sie gezweifelt haben. Sie haben Zeiten des Suchens und des Fragens erlebt. Sie brauchten ihre Erfahrungen, in denen sie spürten: wir sind auf Gott angewiesen, auf ihn ausgerichtet. Sie brauchten Zeiten, in denen sie entdeckten, wie wichtig Gott ist für das Leben. So war Edith Stein lange Zeit Atheistin. Sie war aber immer auf die Suche nach Wahrheit. Auch ein Philosophiestudium hat ihr nicht letzte Sicherheit gegeben. Doch dann entdeckt sie eines Tages die besagte Lebensbeschreibung.
Ganz Christ sein
Doch als diese Menschen und viele andere Gott entdeckt haben, da gab es für sie nichts anderes mehr. Da war es Gott und seine Gebote, da war es Jesus, der das Leben bestimmte. Der Glaube war das, was das Leben bestimmte. Die Liebe zu Gott war nicht mehr nur ein Aspekt des Lebens, nein, er war tragender Grund. Der Glaube hat in alle Bereiche des Lebens eingewirkt. Die Einstellung, sich nur noch das herauszunehmen vom Glauben, was mir gefällt, geht nicht an. Ich kann auch nicht nur ein bisschen Christ sein, sondern ich bin es ganz und gar.
Diese Entschlossenheit wünsche ich uns. Welchen Weg wir als Christinnen und Christen gehen, das möge heute einmal zweitrangig sein. Wichtig ist, dass wir erkennen: Christsein - das ist eine Berufung. Jeder ist auf seinem Wege persönlich berufen. Jeder muss die Antwort geben. Wie die Netze oder auch die Bindung an die Verwandtschaft hinderlich waren, so müssen wir uns fragen: was kann meinem Glauben, meiner persönlichen Nachfolge von Jesus hinderlich sein. Alles, was uns zu Gott hindert, möge er uns nehmen. "Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu dir!" Nicht mehr der Beruf und die Karriere ist das wichtigste, dem ich alles unterordne, nicht mehr ein Hobby, hinter dem alles andere zurückweichen muss, bestimmt mein Leben. Sondern jeder Bereich meines Lebens ist eine Gelegenheit, mich als Christ zu zeigen, zu zeigen: ich folge Christus nach.
In seinem Brief an die Korinther fordert Paulus ebenfalls diese Entschlossenheit, diese Entschiedenheit. Er spricht nicht gegen die Ehe. Die Ehelosigkeit ist ein Zeichen für das herannahende Gottesreich. Jeder Mensch möge frei sein, dem Herrn zu begegnen. Die Zeit ist Kurz. Wir müssen jetzt entschieden sein. Wenn wir den Glauben entdeckt haben, dann müssen wir ihn ganz entschlossen und tapfer leben. Paulus erwartete das Reich Gottes noch zu seiner Lebzeit. Auch heute müssen wir immer bereit sein, Gott zu begegnen.
Unterschiedliche Wege
Die Glaubens - und die Lebensgeschichte eines jeden von uns sieht anders aus. Da gibt es die einen, die können auf ein religiöses Elternhaus zurückschauen. Hier ist bei sehr vielen der Glaube grundgelegt worden. Einmal jedoch haben diese Menschen selbst entschieden: ich nehme das an, was ich gelernt habe. Andere hatten andere Wege: eine Wallfahrt nach Lourdes, eine Reise, ein Gottesdienst, die Erfahrung der Sinnlosigkeit ohne Gott. Es tut gut, immer wieder einmal klar machen: wann und wo, glaube ich, wurde ich angesprochen und durch was oder durch wen? Daran können wir auch wieder unsere Entschiedenheit entdecken.
Leben wir unseren Glauben auch entschlossen. Leben wir dieses "sofort" und das "sogleich". Dieses "Sofort", dieses "Sogleich" scheint auch im Buch Jona auf. Jona hat die Umkehr gepredigt. Jona brauchte eine Zeit, bis er das tat, was Gott ihm aufgetragen hat. Aber er tut es, wenn auch zuerst zögerlich. Die Menschen von Ninive bekehren sich. Nichts wird berichtet von Widerständen gegen das, was Jona sagt. Vielleicht sagt uns das: Umkehr haben alle immer wieder neu nötig. dagegen sollten wir uns nicht sträuben. Es gilt, dass wir unser Ja immer wieder neu sprechen. sonst gerät alles zur Gewohnheit.
Jesus ruft uns zu einem Leben mit ihm. Er ruft uns aus alten Gewohnheiten heraus, immer wieder. Leben wir unseren Glauben konsequent, ohne Wenn und Aber. Amen.