Die Geschichte des Zachäus zeigt exemplarisch, wie Menschen einander klein machen und ausgrenzen. Von Gott angenommen zu sein, kann einen Neuanfang anstoßen; auch bei uns.
Zum Beispiel Zachäus
Als ich noch in der Grundschule Religionsunterricht erteilte, habe ich diese Geschichte vom Zachäus gerne von den Kindern spielen lassen. Sie ist auch sehr anschaulich. Hier konnte ich im Unterricht immer gut aufzeigen und erklären: Jesus sieht die Sünder. Jesus geht auf sie zu. Jesus nimmt sie an, während andere Menschen sie ablehnen. Denn sie haben sich ja durch ihr Verhalten selbst ins Abseits gestellt - vordergründig zumindest.
Gerade von der Geschichte des Zöllners Zachäus können wir vieles entdecken, was heute auch zu sehen ist. Der Zachäus war ein Zöllner. Er hatte einen Beruf, mit dem er sich sehr unbeliebt gemacht hatte. In diesem Beruf nämlich arbeitete er mit den römischen Besatzern zusammen. Offensichtlich hat er sich an seinen eigenen Landsleuten bereichert, hat von ihnen viel mehr verlangt als gefordert. Kein Wunder also, dass er unbeliebt war. Keiner wollte mit ihm etwas zu tun haben. Außenseiter, ob verschuldet oder nicht, gibt es auch bei uns. Das Tischtuch mit solchen Menschen ist zerschnitten. "Der ist kein Umgang für mich, kein Umgang für dich!" "Mit dem setzen wir uns nicht an einen Tisch!" So ist die Verurteilung ausgesprochen.
Verurteilt und klein gemacht
Damit bin ich schon beim Stichwort: "Verurteilung". Disqualifiziert, festgenagelt -und keine Chance je wieder aus der Rolle herauszukommen. Diese Menschen haben auch noch eine weitere traurige Aufgabe. Als Sündenböcke haben sie für alles herzuhalten. Nichts Gutes findet man mehr an sie. Kein Wunder, dass die Gräben immer tiefer werden. Menschen werden oft verbittert.
Zachäus wird auch als sehr klein beschrieben. Zuerst denken wir an seine Körpergröße. Weil er körperlich klein war, wurde er "klein gemacht" durch die vielen Urteile und Bewertungen seiner Mitmenschen. Er wurde "klein gemacht" durch das Wort "Sünder", einer, der sich von Gott abgewandt hatte. Weil er "klein gemacht", missachtet und verachtet wurde, musste er das ausgleichen mit seinem vielen Geld, das er sich als Zöllner ergaunerte.
Warum also soll so ein Mensch wie Zachäus diesen Jesus sehen wollen? Die Mitmenschen, also Menschenmenge, hatten wohl eine normale Körpergröße. Doch auch "moralisch" waren sie auf gleicher Höhe. Sie waren eben die Normalen, die dazugehörten. Darum war es nur verständlich, Jesus sehen zu wollen.
Doch findet Zachäus eine Lösung. Im Religionsunterricht hatten die Kinder dann immer Freude, wenn der Zachäus auf Stühle oder Fensterbänke stieg. Jetzt aber war wieder der Zachäus größer als die anderen.
Kompensation
Prompt wird er von Jesus gesehen. Jesus schaut zu ihm auf. Sagen wir das nicht auch öfters, wenn wir mit Hochachtung von jemanden sprechen? Wir schauen auf. Zwar schaut Jesus zuerst nur deswegen auf, weil er auf einen Baum saß. Doch ist das nicht auch wieder übertragen zu verstehen. Jeder blickt auf Zachäus herab. Jesus schaut zu ihm auf, begegnet ihm mit Achtung. Denn er will ja sein Gast sein. Das empört zwar die Mitmenschen, die dazugehören, die ja so anständig sind. Wie viele haben sich gefragt: "Warum kommt er nicht zu mir, warum geht er ausgerechnet zu dem da?" Hier aber zeigt sich, wer Jesus für die Menschen ist. Jesus schenkt Zachäus Ansehen und Würde. Jesus ist nicht deswegen in das Haus des Zachäus gegangen, weil er wusste, dass sich Zachäus bekehren würde. Nein: Weil Jesus zum Zachäus kam, hat Zachäus sich geändert. Denn als Zachäus erfährt: Jesus nimmt mich an, er liebt mich, da entdeckt er sein Bedürfnis nach Liebe. Da zeigt Zachäus auch menschliche Größe: "Herr, die Hälfte meines Vermögens will ich den Armen geben, und wenn ich von jemandem zuviel gefordert habe, gebe ich ihm das vierfach zurück!" Welch eine Änderung. Mit der Liebe von Jesus also kann Zachäus ein anderer werden. Hier erkläre ich den Kindern immer wieder: Das will Jesus auch mit uns. Wir sollen neu anfangen können.
Von Gott angenommen
Diese Geschichte gilt jedem von uns. Jeder sieht doch bei sich selbst, wenn er nicht zu eingebildet ist, Fehler und Schwächen. Das ist an sich nichts Falsches. Gerne aber wollen wir diese Schwächen ablegen, leiden unter diesen Schwächen, lehnen sogar uns selbst dafür ab. Manchmal fühlen wir auch selbst, dass wir klein gemacht werden, weniger fähig als andere. Manches Mal aber machen wir uns selber klein. Doch gerade darin darf ich mich von Jesus angenommen wissen. Ja, ich bin selbst wie der Zachäus. Doch auch mir persönlich, meinem Haus, meinem Leben wird das Heil geschenkt. Das Heil ist die Liebe von Gott. Zachäus hat es nicht mehr nötig sein "Kleinsein", sein geringes Ansehen mit viel Geld auszugleichen. Er spürt: er ist angenommen und geliebt. Zachäus hat seinen Wert gefunden in der Liebe, die ihm Jesus schenkt. Darum ist er ein anderer.
Auch ich darf meinen Wert darin sehen, dass ich von Gott angenommen werde, dass er in mein Leben kommt, dass er mein Gast sein will. Es sind verschiedene Wege, auf die Jesus zu mir kommt. Er kommt zu mir in Brot und Wein, in der Eucharistie. Jesus kann auch zu mir kommen mit seinen Worten, mit denen mir zugesagt wird, was wir in der Lesung aus dem Buch der Weisheit gehört haben: "Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von allem, was du gemacht hast; denn hättest du es gehasst, so hättest du es nicht geschaffen!" Ich darf mich ansehen als von Gott geliebt.
Einen Neuanfang schenken
Diese Liebe, die verändern kann, eben diese Liebe sollen wir weiterschenken. Es gibt genügend, mit denen kein Mensch etwas zu tun haben will. Wenn wir uns mit jemanden befassen, können wir oft sehen: Dieser Mensch ist gar nicht so schlecht. Dieser Mensch ist wie wir, ein Kind Gottes, geschaffen aus Liebe. Wir sollten als Christen und Christinnen nicht dabei stehen bleiben, Menschen an den Rand zu stellen, sondern immer wieder einen Neuanfang schenken. Denn: auch uns wird immer wieder ein Neuanfang geschenkt. Wie oft habe ich schon erlebt, dass ich bei anderen neu anfangen durfte. Wie oft habe ich das durch Gott erfahren, von dem wir in der Lesung am Anfang gehört haben: "Du hast mit allem Erbarmen, weil du alles vermagst, und siehst über die Sünden der Menschen hinweg, damit sie sich bekehren." Auch in mir steckt Zachäus.
Josef Kampleitner (2001)