Lesung aus der Apostelgeschichte.
Im ersten Buch, lieber Theophilus,
habe ich über alles berichtet,
was Jesus von Anfang an getan und gelehrt hat,
bis zu dem Tag, an dem er in den Himmel aufgenommen wurde.
Vorher hat er den Aposteln,
die er sich durch den Heiligen Geist erwählt hatte,
Weisung gegeben.
Ihnen hat er nach seinem Leiden
durch viele Beweise gezeigt, dass er lebt;
vierzig Tage hindurch ist er ihnen erschienen
und hat vom Reich Gottes gesprochen.
Beim gemeinsamen Mahl gebot er ihnen:
Geht nicht weg von Jerusalem,
sondern wartet auf die Verheißung des Vaters,
die ihr von mir vernommen habt!
Denn Johannes hat mit Wasser getauft,
ihr aber
werdet schon in wenigen Tagen
mit dem Heiligen Geist getauft werden.
Als sie nun beisammen waren, fragten sie ihn:
Herr, stellst du in dieser Zeit
das Reich für Israel wieder her?
Er sagte zu ihnen:
Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren,
die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat.
Aber ihr werdet Kraft empfangen,
wenn der Heilige Geist auf euch herabkommen wird;
und ihr werdet meine Zeugen sein
in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien
und bis an die Grenzen der Erde.
Als er das gesagt hatte,
wurde er vor ihren Augen emporgehoben
und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken.
Während sie unverwandt ihm nach zum Himmel emporschauten,
siehe, da standen zwei Männer in weißen Gewändern bei ihnen
und sagten: Ihr Männer von Galiläa,
was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?
Dieser Jesus, der von euch fort
in den Himmel aufgenommen wurde,
wird ebenso wiederkommen,
wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen.
Die Apostelgeschichte (“acta apostolorum ”) beschreibt die nachösterlichen Ereignisse und das Erleben der Frühen Kirche. Die erste Phase - kirchliche Urzeit - endet mit der Steinigung des Stephanus. In den vorliegenden ersten elf Kapiteln des Buches geht es um die zeitliche und lokale Verortung der frühen Mission. Die frühe Sammlung war eine Gruppe Judenchristen, die im Angesicht der Gruppe des Neuen Weges zum einen eine weitere Spaltung wie auch eine neue Einigung erfährt. Zum einen trifft man die Juden an, die solche bleiben, und die anderen, die den Aposteln folgen. Gleichzeitig werden die getrennten Juden Samariens in die neue Sammlung integriert. Damit wird deutlich, dass schon von Anfang an die christliche Botschaft nicht auf spezielle Adressat*innen zugeschnitten war, sondern lokal, kulturell und religiös unabhängig verbreitet werden kann “bis an die Enden der Erde”. Die fehlende leibliche Präsenz des Gottessohnes auf Erden erleichtert diese Grenzenlosigkeit des Unterfangens. Das Einleitungskapitel der Apostelgeschichte setzt dazu die Maßstäbe.
Die Einleitung der Apg nimmt Bezug auf das Evangelium des Lukas. Sie markiert den Einschnitt zwischen der Zeit der Jünger mit Jesus (Lk-Evangelium) und dem neuen Abschnitt, der Zeit der Kirche. Zuvor war Jesus unmittelbar erfahrbar, nun ist er es durch den Geist. Zuvor gab er den Jüngern Aufträge, nun wird geschildert, wie sie diesen Aufträgen nachkommen. Die Himmelfahrt markiert so den Einschnitt zwischen diesen beiden Zeiten.
Die vierzig Tage der Erscheinungen Jesu sind symbolisch zu verstehen und kommen im Zusammenhang mit dem besonderen Handeln Gottes vor (Noach - Gen 8,6; Elija - 1 Kön 19,8; Zeit der Vorbereitung: Mose am Sinai - Ex 24,18; Jesu Fasten - Lk 4,1). Die vierzig Tage widersprechen ansonsten der Darstellung von Lk 24, wo die Himmelfahrt unmittelbar an die Rückkehr der Jünger aus Emmaus anschließt, also wenige Stunden nach der Auferstehung stattfindet.
In der Darstellung greift Lukas zurück auf Entrückungserzählungen des AT mit den Bildern der Wolke (= Hinweis auf das Eingreifen Gottes) und den Deuteengeln, die den Zeugen die Augen öffnen.
Es geht nicht um eine historische Erzählung; sie wird auch nur von Lk gebracht (und wurde dann in den Markus-Schluß übernommen) - alle anderen kommen ohne den Bericht der Himmelfahrt aus. Es geht um eine Veranschaulichung des neuen Zustandes Jesu, der "Erhöhung zum Vater". Lk macht diese Erhöhung fest am "Himmel": Dieser Himmel ist der Ort des Vaters, auch der Ort, von dem aus der Auferstandene seine Herrschaft ausübt und von wo er einst wiederkommen wird. Die Himmelfahrtserzählung setzt einen endgültigen Schlußpunkt unter die Christuserscheinungen.
Die erste Lesung enthält drei Abschnitte: Die Einleitung zur Apostelgeschichte, das Vermächtnis Jesu vor seiner Himmelfahrt an seine Jünger und die Erzählung seiner Erhöhung zum Vater.
Das Buch Apostelgeschichte wird dem Autor des Lukasevangeliums zugeschrieben. Es überliefert Erzählungen von den Anfängen der Kirche Jesu zusammengestellt und angeordnet nach einem eigenen theologischen Konzept. Das Evangelium nimmt seinen Weg ausgehend von Jerusalem in die ganze Welt hinaus bis zur Hauptstadt der damals bekannten Welt: Rom. Diesem Konzept sind auch einige Momente unseres Textabschnittes zuzuschreiben.
So ist das Buch nach nach römisch-hellenistischer Gepflogenheit einem Theophilus, vermutlich ein vornehmer römischer Staatsbeamter, gewidmet.
Während die anderen Evangelisten die letzten Begegnungen mit dem Auferstandenen in Galiläa anordnen, findet diese nach Lukas und der Apostelgeschichte in Jerusalem statt.
Der zweite Abschnitt enthält eine Belehrung der Jünger im Rahmen eines Mahles. Das Mahl erinnert einerseits an die Mähler, die Jesus mit seinen Jüngern gehalten hat, andererseits aber bereits an das eucharistische Mahl, wie es in der jungen Kirche üblich wurde.
Die Antwort auf die Frage nach der Wiedererrichtung "des Reiches für Israel" enthält das theologische Konzept des Lukas: Er wendet sich von der Naherwartung des Endes (wie wir es etwa bei Markus im 13 Kapitel finden) und der baldigen Wiederkunft Christi ab. Durch die Kraft des Heiligen Geistes werden die Jünger seine Zeugen sein auf der ganzen Welt. Sie wenden sich der Welt zu und errichten "das Reich" durch die universale Ausbreitung des Christentums.
Im dritten Abschnitt wird die Himmelfahrt Jesu geschildert. In einer anschaulichen Erzählung wird die Erhöhung Jesu dargestellt. Er hat nun seinen Platz "im Himmel", dort wo Gott ist. Die Engel - Engel treten in biblischen Erzählungen dort auf, wo die Menschen mit Gott in Berührung kommen und Gott den Menschen etwas mitteilen will - fordern die Jünger auf, nicht zum Himmel zu starren, sondern sich der Welt (und ihrem Auftrag) zuzuwenden.
Martin Stewen (2023)
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